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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 1 V 4641/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 16 Abs. 1 S. 2
EStG § 16 Abs. 2
EStG § 16 Abs. 3
EStG § 16 Abs. 4
EStG § 18 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 V 4641/06

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung

am 3. Mai 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Gewinnrealisierung von erhaltenen Anzahlungen auf vormals noch nicht vollständig erbrachte Werkleistungen den laufenden Gewinn erhöht oder als Aufgabegewinn einer ermäßigten Besteuerung unterliegt.

Die Antragsteller sind ehemalige Gesellschafter der mittlerweile aufgelösten Gesellschaft bürgerlichen Rechts [...] (Arge), deren Gewinn durch den Antragsgegner - das Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 2003 einheitlich und gesondert festgestellt wird. Beide Gesellschafter waren hälftig an der Arge beteiligt.

Die Arge erbrachte im Rahmen langfristiger, sich über mehrere Jahre erstreckender Werkverträge Bauingenieurleistungen ausschließlich an einen Auftraggeber, die [...] (GmbH). Da die Werklöhne nach Angabe der Antragsteller erst mit Fertigstellung der Projekte oder deren Abnahme fällig wurden, vereinnahmte die Arge von der GmbH Anzahlungen, die bei der Arge noch nicht zu einer Gewinnrealisierung führten. Vielmehr wurde der durch die Geldzahlung erhöhte Aktivposten durch Passivierung desselben Betrages unter der Position "erhaltene Anzahlungen" ausgeglichen. Erst bei Endabnahme der Leistungen hätte bei gewöhnlichem Geschäftsablauf die Auflösung des Postens im Ergebnis zu einer Gewinnrealiserung des gesamten Werklohns geführt.

Der Geschäftsablauf wurde unterbrochen durch die Insolvenz der GmbH im Jahr 2003. Zu diesem Zeitpunkt waren die "erhaltenen Anzahlungen" auf einen Betrag in Höhe von XXX EUR angewachsen. Da die GmbH die Leistungen nicht mehr abrufen habe können, sei die Leistungspflicht der Arge entfallen. Daher seien die "erhaltenen Anzahlungen" gewinnrealisierend aufgelöst worden. Dabei habe nach Angabe der Antragsteller nicht verbindlich festgestellt werden können, inwieweit "bereits geleistete Arbeit honoriert wurde" bzw. "inwieweit diese bereits einen Gewinnanteil enthielten" oder "Zahlungen enthalten waren, für die noch keinerlei Leistung erbracht war". Die Arge behandelte den Betrag als nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigten Aufgabegewinn im Rahmen der Aufgabe und Beendigung der Arge zum Ende des Jahres 2003. Die Insolvenz des einzigen Auftraggebers habe "zwangsweise" zur Beendigung der Arge geführt.

Das FA wich von der eingereichten Feststellungserklärung insoweit ab, als es den Aufgabegewinn um den Betrag von XXX EUR minderte und gleichzeitig den laufenden Gewinn um diesen Betrag erhöhte (Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung für 2003 vom 3. August 2005, bekannt gegeben an den ehemaligen Empfangsbevollmächtigten der Arge, den Klägervertreter). Der Einspruch hiergegen namens der Arge blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 20. Oktober 2006 ohne Erfolg. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) vom 13. November 2006 - ebenfalls namens der Arge gestellt - lehnte das FA mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 ab.

Die Hauptsache - namens der Arge erhoben - wurde am 20. November 2006 beim Finanzgericht anhängig. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 beantragten die Prozessbevollmächtigten namens der Arge gerichtliche AdV. Mit dem zuletzt genannten Schriftsatz reichten die Prozessvertreter eine Vollmacht des Antragstellers zu 1) ein, mit weiterem Schriftsatz vom 8. Januar 2007 auch eine solche des Antragstellers zu 2). Wegen des weiteren Vortrags wird auf diese Schriftsätze verwiesen.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Bescheids für 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 3. August 2005 für die [...(Arge)] sowie die hierzu ergangene EE vom 20. Oktober 2006 wie folgt auszusetzen: Der laufende Gewinn wird um XXX EUR niedriger, der Aufgabegewinn um diesen Betrag höher festgestellt.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

II. 1. Der Antrag wird vom Gericht als Antrag beider ehemaligen Gesellschafter der Arge ausgelegt, da die Arge mittlerweile vollbeendigt ist. Soweit im Vorverfahren Zweifel am Antragsteller bzw. an der Person des Einspruchsführers bzw. der Klagebefugnis bestehen könnten, weil diese jeweils im Namen der beendeten Arge gestellt wurden, geht das Gericht jedenfalls von einer Duldungsvollmacht zu Gunsten des jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Stellung der vorstehenden Anträge aus, die als Anträge der beiden Gesellschafter ausgelegt werden (vgl. Beschluss den Bundesfinanzhofs [BFH] vom 6. Mai 1998 IV B 108/ 97, BFH/NV 1999, 146).

2. Der Antrag ist nicht begründet.

Bei summarischer Prüfung anhand der präsenten Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der AdV-Antrag ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; und vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).

3. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Beurteilung nicht erfüllt.

Das FA hat zu Recht die Gewinnrealisierung der erhaltenen Anzahlungen beim laufenden Gewinn des Geschäftsjahres vorgenommen.

a) Die Regelungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2-4 EStG sind nach § 18 Abs. 3 EStG entsprechend auf die Aufgabe der selbständigen Arbeit anzuwenden.

Der nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörende Gewinn aus der Veräußerung des Gewerbebetriebs, der gemäß § 34 EStG als außerordentlicher Gewinn steuerbegünstigt ist, ist von dem übrigen Gewinn aus dem laufenden Gewerbebetrieb zu trennen. Auch bei einem zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe können Gewinne aufgrund ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der laufenden Geschäfttätigkeit als laufender Gewinn zu qualifizieren sein (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, Auflage 2006, § 16 Rz. 341 m.w.N.). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Gewinne aus Geschäftsvorfällen, die auf der im wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, im Regelfall nicht tarifbegünstigt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.Mai 1971 I R 46/70 , BStBl II 1971, 688 ; vom 2.Juli 1981 IV R 136/79, BStBl II 1981, 798 ; vom 24.November 1982 I R 60/79, BStBl II 1983, 243, und vom 1. Dezember 1988 IV R 140/86, BStBl II 1989, 368). Einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe hat der BFH etwa verneint, wenn Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens an den bisherigen Kundenkreis abgesetzt werden (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1989 III R 9/87, BStBl II 1989, 874; vom 14. Dezember 2004 XI R 36/02, BFH/NV 2005, 1985 [auch Anlagevermögen]).

Veräußerungsgewinne nach § 16 Abs.1 EStG und Gewinne aus der Betriebsaufgabe nach § 16 Abs.3 EStG unterliegen einer begünstigten Besteuerung, weil es zu Härten führen würde, wenn durch die Auflösung aller stillen Reserven eines Betriebs jahrelang aufgestaute Gewinne in einem Zug mit dem normalen Steuersatz versteuert werden müssen (BFH-Urteil vom 13.Dezember 1979 IV R 69/74 , BStBl II 1980, 239 , m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch, soweit die stillen Reserven durch Bewertungsabschläge und Sonderabschreibungen zu Lasten des laufenden Gewinns entstanden sind (BFH-Urteil vom 25. Juni1975 I R 201/73, BStBl II 1975, 848). Entscheidend ist jedoch, dass die zusammengedrängte Aufdeckung aller stillen Reserven unmittelbare Folge der Betriebsaufgabe ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.November 1979 IV R 49/76, BStBl II 1980, 150).

b) Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze ist bei summarischer Beurteilung der realisierte Gewinn aus den aufgelösten "erhaltenen Vorauszahlungen" beim laufenden Gewinn zu erfassen.

Zwar können im Einzelfall auch die in halbfertigen Arbeiten ruhenden stillen Reserven erst bei einer Betriebsaufgabe realisiert werden, wenn sie wirtschaftlich mit der Betriebsaufgabe zusammenhängen (vgl. BFH -Urteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74, BStBl II 1980, 239). Im Streitfall ist jedoch bei summarischer Beurteilung ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Realisierung mit dem laufenden Geschäftsbetrieb, nicht aber der Betriebsaufgabe, gegeben.

Zum einen kommt es im Streitfall gerade aufgrund der besonderen vertraglichen Ausgestaltung auch im laufenden Geschäftbetrieb immer wieder zu einer zusammengeballten Gewinnrealisation am Ende eines Großprojekts. Wenn aber solche Zusammenballungen auch im laufenden Geschäftsbetrieb stattfinden, besteht keine Veranlassung, sie nur wegen einer gewissen zeitlichen Nähe zur Betriebsaufgabe steuerlich zu begünstigen.

Zum anderen wurden die zusammengeballten Gewinne bei genauer Betrachtung nicht erst durch die Betriebsaufgabe realisiert. Realisationstatbestand war vielmehr die Insolvenz des Auftraggebers bzw. die offenbar von diesem ausgesprochene Ablehnung der Erfüllung der Verträge (vgl. § 103 der Insolvenzordnung). Damit hängt die zusammengeballte Realisation aber wirtschaftlich nicht mit der Betriebsaufgabe zusammen, sondern mit der Insolvenz des Geschäftspartners der als Vorgang der laufenden Geschäftsbeziehung zuzuordnen ist. Der Wegfall des einzigen Auftraggebers führt nicht zu einer Zwangsaufgabe. Das FA weist zutreffend auf die Rechtsprechung des BFH zur vergleichbaren Zerstörung betrieblicher Gebäude hin (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung auf Seite 5 der EE).

Schließlich sammeln sich im zu beurteilenden Fall aufgrund der besonderen Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen mit dem einzigen Auftraggeber geradezu zwingend erhebliche stille Reserven an, die bei einer anderen Ausgestaltung der Verträge über Teilabnahmen etc. längst zu einer Realisation geführt hätten. Damit bestünde im Falle einer Zuordnung der Gewinnrealisation zum Aufgabegewinn die Gefahr einer Steuerumgehung und unzutreffenden Besteuerung.

Im Übrigen folgt das Gericht der weiteren Begründung in der EE und sieht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (entsprechend § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung [ FGO]).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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