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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 10 K 1139/07
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 3 | |
EStG § 55 Abs. 1 |
In der Streitsache
...
hat der 10. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2007 und der Änderungsbescheide vom ... werden dahingehend abgeändert, dass die ESt 2001 auf ...EUR und die ESt 2002 auf ... EUR herabgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 13% und der Beklagte zu 87%.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe:
Streitig ist, inwieweit bei den land- und forstwirtschaftlichen Einkünften ein Buchwertabgang infolge Wegfalls eines Milchlieferrechts zu berücksichtigen ist.
I. Der Kläger (Kl) bewirtschaftete zum 02.04.1984 einen von seinen Eltern gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb mit 23,2974 ha. Hiervon waren bereits am 01.07.1970 21,8084 ha im Eigentum der Eltern des Kl. Im Jahr 1976 kam eine weitere Fläche von 1,4890 ha im Wege des Flächentausches hinzu. Zum 02.04.1984 wurde den Eltern ein Milchlieferrecht über 102.700 kg zugeteilt. Die vom Kl selbst bewirtschaftete Fläche erhöhte sich zwischen 02.04.1984 und 30.09.1993 durch Zupachtflächen auf 25,8082 ha. Die Milchreferenzmenge reduzierte sich durch gesetzliche Teilstilllegungen bis 30.09.1993 auf 93.948 kg. Nach dem 29.09.1993 reduzierten sich die selbstbewirtschafteten Flächen durch Unterverpachtung auf ca. 3 ha. Im Wirtschaftsjahr 1995/96 veräußerte die Mutter des Kl eine Teilfläche von 0,0268 ha und berücksichtigte in der Gewinnermittlung 1995/96 einen Veräußerungserlös in Höhe von 3.759,93 DM sowie einen Buchwertabgang in Höhe von 1.114,88 DM. Zwischen November 1995 und Februar 1996 wurden insgesamt 93.500 kg Referenzmenge zum Preis von 83.800 DM verkauft. Die Veranlagungen der insoweit betroffenen Jahre sind bestandskräftig. Die verbliebene Referenzmenge in Höhe von 448 kg wurde zunächst verpachtet und schließlich zum Teil (148 kg und 3 kg in 2001; 3 kg in 2003) eingezogen sowie im Übrigen (291 kg) in 2001 für 378,30 DM vom Hauptzollamt versteigert.
Der Vater des Kl verstarb 1989. Die Mutter des Kl wurde Alleineigentümerin/-verpächterin des Betriebs. Rechtsnachfolger der 1997 verstorbenen Mutter wurde der Kl.
Der Kl erklärte in den Streitjahren Einkünfte aus Kapitalvermögen, nichtselbstständiger Arbeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, freiberuflicher Tätigkeit, Land- und Forstwirtschaft und Vermietung und Verpachtung.
In der zur Steuererklärung für 2001 eingereichten Anlage L ein und der dieser beigefügten Einnahmen-Überschussrechnung für den Zeitraum 01.07.2001 bis 30.06.2002 erklärte der Kl u.a. Betriebsausgaben wegen Abgangs eines abgespaltenen Buchwerts Milchquote aufgrund Versteigerung durch das Hauptzollamt in Höhe von 60.593 DM. Das FA forderte den Kl auf, auch die Einnahmen aus der Milchquotenversteigerung nachzuweisen und kündigte an, für den Fall der Nichtbeantwortung des Schreibens des FA insoweit einen Gewinn in Höhe von 0 DM anzusetzen. Mit Einspruchsentscheidung vom 19.02.2007 setzte das FA die ESt 2001 auf 68.473,74 EUR herab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Bei der ESt 2002 berücksichtigte das FA bei den landwirtschaftlichen Einkünften für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 wiederum Einkünfte in Höhe von 0 EUR. Die ESt 2002 setzte es auf 58.735 EUR herab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der Kl habe dem FA bereits Ende 2005 mitgeteilt, dass der wesentliche Teil des Milchkontingents von der Mutter des Kl bereits Mitte der 90er-Jahre verkauft worden sei. Ein Teil sei für eine etwaige spätere Wiederaufnahme der Milcherzeugung zurückbehalten und im Rahmen eines Quotenleasings einem Nachbarn überlassen worden. In 2001 sei der Kl vom Hauptzollamt faktisch zur Versteigerung gezwungen worden, habe allerdings nur einen geringen Erlös erzielt. Nachdem somit das gesamte Milchkontingent weggefallen sei, habe er den im Gesamtbetrieb enthaltenen Buchwert im Wirtschaftsjahr 2001/2002 als Buchwertabgang behandeln müssen.
Zur Begründung verweist zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung im Wesentlichen darauf, dass nach der Billigkeitsregelung in Rn. 19 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 (BStBl I 2003, 78) der abgespaltene Buchwert beim Grund und Boden verbleibe, wenn bei der Entnahme oder Veräußerung kein Buchwert gegen gerechnet worden sei.
II. Die Klage ist ...teilweise begründet.
1. Das FA hat zu Unrecht im Wirtschaftsjahr 2001/2002 den erklärten Buchwertabgang für das Milchlieferrecht in Höhe von 60.593 DM nicht berücksichtigt.
a) Bei der Einnahmen-Überschussrechnung sind nach § 4 Abs. 3 S. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) die Anschaffungs- und Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Zum nicht abnutzbaren Anlagevermögen gehören auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie das Milchlieferrecht (vgl. Leingärtner/- Wendt, Besteuerung der Landwirte, Kap. 29a Rn. 135 ff.).
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24.08.2000 IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64 m.w.N.) war die Möglichkeit, Milch zu erzeugen und zu vermarkten, als Teil der Ertragsfähigkeit des Grund und Bodens in dem mit dem Achtfachen der Ertragsmesszahl angesetzten Wirtschaftsgut Grund und Boden mitbewertet. Diese Möglichkeit hat sich dann aber durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom 25.05.1984 (BGBl. I 1984, 720) mit Wirkung vom 02.04.1984 als Milchreferenzmenge zu einem immateriellen Wirtschaftsgut verselbständigt und vom Grund und Boden abgespalten. Dabei hat die Entstehung des selbständigen Wirtschaftsgutes Milchreferenzmenge -- die mit einer erheblichen Produktionseinschränkung verbunden war-- auf die Bewertung des für die Bewirtschaftung notwendigen Grund und Bodens durchgeschlagen, und zwar regelmäßig wertmindernd. Daher ist ein Teil der Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches --HGB--, § 6 EStG), des diese ersetzenden Pauschalwerts gemäß § 55 Abs. 1 EStG (fiktive Anschaffungskosten) oder des höheren Teilwerts (§ 55 Abs. 5 EStG) für den Grund und Boden auf das davon abgespaltene Wirtschaftsgut Milchreferenzmenge übergegangen und --nach Maßgabe der Gesamtwertmethode-- der Milchreferenzmenge zuzuordnen.
Der Buchwert der Milchreferenzmenge ist aus dem zum 01.01.1970 festgestellten Wert des Grund und Bodens abzuleiten. Bei Ansatz des Pauschalwerts ist dieser dazu im Verhältnis der am Tag der Ausfertigung der MGV (25.05.1984) für die Milchreferenzmenge einerseits und den nackten Grund und Boden andererseits erzielbaren örtlichen Marktpreise aufzuteilen. Gegebenenfalls ist dieser Wert zu schätzen.
Seit dem Wegfall der Flächenakzessorietät des Milchlieferrechts zum 30.09.1993 mit der 29. Verordnung zur Änderung der MGV vom 24.09.1993 (BGBl. l 1993, 1659) sind zudem die Veräußerung oder die Entnahme des Grund und Bodens und des Milchlieferrechts getrennt zu beurteilen. Bei einer Veräußerung der Milchreferenzmenge ist dem entsprechend dem Erlös aus der Veräußerung ein aus dem Wert des Grund und Bodens abzuleitender Buchwert der Milchreferenzmenge gegen zu rechnen. (vgl. BFH-Urteil vom 20.03.2003 IV R 37/02, BFH/NV 2003, 1403).
bb) Für die Berechnung des Abspaltungsbetrags ist auf den Umfang der Milcherzeugungsfläche im Zeitpunkt der Zuteilung der Milchreferenzmenge abzustellen. Insoweit ist bei einer Betriebsverpachtung im Ganzen die Milchreferenzmenge wirtschaftlich dem Verpächter zuzurechnen (Leingärtner/Wendt, a.a.O., Kap. 29a Rn. 137 , BMF-Schreiben vom 14.01.2003, BStBl I 2003, 78, Rn. 15). Daher erfolgte auch die Buchwertabspaltung beim Verpächter nach den Wertverhältnissen vom 02.04.1984. Für einzeln verpachtete Flächen hat keine Abspaltung stattgefunden, weil das Lieferrecht dem Pächter zustand (Leingärtner/Wendt Kap. 29a Rn. 137 , BMF-Schreiben vom 14.01.2003, BStBl I 2003, 78, Rn. 13 f.).
b) aa) Da nach dem vom FA unstreitig gestellten Vortrag des Kl zu Lebzeiten der Eltern eine Betriebsverpachtung im Ganzen vorlag, erfolgte die Abspaltung im Verpachtungsbetrieb der Eltern des Kl. Durch den Tod des Vaters im Jahr 1989 ging der Verpachtungsbetrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Mutter des Kl über. Durch den Tod der Mutter im Jahr 1997 ging der Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Buchwertfortführung (§ 7 Abs. 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1990) auf den Kl über. Der Verpachtungsbetrieb endete zugleich.
bb) Nach ebenfalls unbestrittenem Vortrag des Kl waren die Eigentumsflächen des Verpachtungsbetriebs zum 01.07.1970 mit den Pauschalwerten des § 55 Abs. 1 EStG bewertet. Mangels Anhaltungspunkten für eine abweichende Bewertung ist auch hinsichtlich des 1976 hinzugetauschten Grundstücks vom Pauschalwert auszugehen. Diese Pauschalwerte bilden die Grundlage für die Abspaltung.
cc) Übereinstimmend haben die Beteiligten für die Ermittlung des Abspaltungsbetrags die in Tz 18 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 (a.a.O.) vorgesehene Vereinfachungsregelung zugrunde gelegt und die Abspaltungsbeträge betriebsbezogen berechnet. Dieses Vereinfachungsverfahren stellt nach Überzeugung des Senats ein sachgerechtes Schätzungsverfahren dar, weil es mit der Einbeziehung der durchschnittlichen Ertragsmesszahl des Betriebs und des durchschnittlichen Verkehrswerts der landwirtschaftlichen Flächen des Betriebs die betriebsindividuellen Gegebenheiten hinreichend genau abbildet.
Die durchschnittliche Ertragsmesszahl pro Hektar (in Hundert) beträgt vorliegend 44. Als durchschnittlicher Verkehrswert für landwirtschaftliche Grundstücke zum 02.04.1984 ergibt sich nach den in der Kaufpreissammlung für die Gemeinde G erhobenen Vergleichsfällen ein Betrag in Höhe von 10,52 DM/m². Danach folgt aus der Tabelle ein Abspaltungsbetrag in Höhe von 0,59 DM/kg. Der Gesamtabspaltungsbetrag beläuft sich somit bei der zugeteilten Gesamtreferenzmenge von 102.700 kg auf 60.593 DM.
dd) Durch die nach Einführung der MGV vorgenommenen Quotenkürzungen hat sich der Abspaltungsbetrag nicht verringert. Er entfällt vielmehr auf die entsprechend verringerte Menge des Lieferrechts (vgl. auch Leingärtner/Wendt Kap. 29a Rn. 137; Rn. 3, 26 BMF-Schreiben vom 14.01.2003, a.a.O.).
Entgegen der Auffassung des FA führen aber auch die nach Wegfall der Flächenakzessorietät durchgeführten Verkäufe von Teilmengen des Lieferrechts nicht zu einem Rückfall des darauf entfallenden Buchwerts zum Wirtschaftsgut Grund und Boden. Nach dem vom FA nicht bestrittenen Vortrag des Kl wurden die Erträge aus der seinerzeitigen Teilveräußerung des Milchlieferrechts in den Gewinnermittlungen des Kl und seiner Mutter erfasst. Aus der vorgelegten Gewinnermittlung 1995/96 ergibt sich dabei aber, dass kein Buchwert des Milchlieferrechts gegen gerechnet wurde, da die ausgewiesenen Anlagenabgänge in Höhe von 5.514,88 DM ausschließlich Maschinen und Grundstücke betreffen (davon bereits 4.400 DM für den Abgang eines Kippers). Die Veranlagungen zur ESt 1995 und 1996 sind nach Mitteilung des FA bestandskräftig, so dass ein anteiliger Buchwertabgang im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der Teilmengen nicht berücksichtigt werden kann.
Die unterbliebene Ausbuchung des Buchwerts der veräußerten Teilmengen führt jedoch nicht zu einer Werterhöhung des Wirtschaftsguts Grund und Boden, sondern der verbliebenen Restmenge des immateriellen Wirtschaftsguts Milchlieferrecht. Denn zum einen stellt die Milchreferenzmenge ein einheitliches Wirtschaftsgut dar, so dass mit dem Verkauf einer Teilmenge auch kein vollständiger Abgang eines eigenständigen Wirtschaftsguts Teilmenge einhergeht. Zum anderen würde ein solcher Rückfall des Buchwerts zum Stammrecht dem Abspaltungsgedanken widersprechen. Entsprechend käme ein Rückfall zum Stammrecht allenfalls bei einem ohne Ausbuchung des Abspaltungsbetrags erfolgten vollständigen Abgang des Lieferrechts in Betracht. Daher besteht im vorliegenden Fall, in dem noch eine Restmenge im Betrieb vorhanden war, keine Notwendigkeit den Abspaltungsbetrag wieder dem Wirtschaftsgut Grund und Boden zuzuordnen. Die verminderte Gesamtliefermenge wirkt sich vielmehr wiederum durch einen höheren Buchwert je kg der Restmenge aus (vgl. auch Leingärtner/Wendt, a.a.O., Kap. 29a Rn. 137). Dies entspricht im Übrigen auch der Handhabung anderer Fälle der unterbliebenen Berücksichtigung des Abzugs von Anschaffungskosten/Herstellungskosten (vgl. hierzu Urteile des BFH vom 30.06.2005 IV R 20/04, BFHE 210, 313, BStBl II 2005, 758 zum Umlaufvermögen; und vom 07.10.1971 IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl II 1972, 271 zum abnutzbaren Anlagevermögen). Soweit sich demnach aus Rn. 19 Beispiel 3, Rn. 22 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003, a.a.O. etwas anderes ergeben sollte, kann der Senat dem nicht folgen.
ee) Die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG greift nicht ein, da dem Abspaltungsbetrag in Höhe von 60.593,00 DM Erlöse aus dem Verkauf des Milchlieferrechts in Höhe von 84.178,30 (83.800 DM + 378,30 DM) gegenüberstehen.
Mit dem am 01.07.2001 erfolgten Abgang der Restmenge des Lieferrechts aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen ist daher nach § 4 Abs. 3 S. 4 EStG der gesamte abgespaltene Buchwert in Höhe von 60.583 DM auszubuchen und entsprechend gewinnmindernd zu berücksichtigen.
ff) Da der Kl auf mehrfache Aufforderung des FA nicht belegt hat, dass in den erklärten Betriebseinnahmen auch der Erlös für die im Wirtschaftsjahr 2001/2002 versteigerte Restmenge enthalten ist, schätzt der Senat diesen den Betriebseinnahmen hinzu. Der erklärte Verlust (63.925,71 DM) vermindert sich somit um 378,30 DM auf 63.547,41 DM und ist hälftig (31.773,70 DM = 16.246 EUR) auf die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 zu verteilen. Danach ergeben sich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 2001 in Höhe von ./. 36.984 DM (./. 5.210 DM ./. 31.774 DM) und für 2002 in Höhe von ./. 34.114 EUR (./. 16.246 EUR ./. 17.868 EUR).
Ende der Entscheidung
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