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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: 10 K 1434/08
Rechtsgebiete: EStG, SGB III, AO
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 | |
EStG § 62 Abs. 1 | |
EStG § 63 Abs. 1 | |
EStG § 68 Abs. 1 | |
EStG § 70 Abs. 2 | |
SGB III § 38 Abs. 2 | |
SGB III § 38 Abs. 3 | |
AO § 37 Abs. 2 |
In der Streitsache
...
hat das Finanzgericht München, 10. Senat,
durch
ohne mündliche Verhandlung
am 19. Mai 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Die Klägerin (Klin) ist die Mutter des am ....02.1982 geborenen F.
Die Beklagte (die Familienkasse --FK--) gewährte für F bis einschließlich Juni 2007 Kindergeld. Das Kindergeld wurde gemäß dem von der Klin mitunterzeichneten Schreiben vom 22.11.2005 auf ein Konto des F ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 23.01.2008 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab Dezember 2005 auf und forderte das für Dezember 2005 bis Juni 2007 bereits ausgezahlte Kindergeld von der Klin zurück.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 30.03.2009 als unbegründet zurück.
Mit der dagegen erhobenen Klage wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Klin sei nicht darauf hingewiesen worden, dass F irgendeinen Antrag stellen müsse, um allein für das Kindergeld verantwortlich zu sein. Das Kindergeld sei auf ein der Klin unbekanntes Konto des F überwiesen worden. Die Klin müsse Kindergeld nicht zurückzahlen, das sie selbst nicht erhalten habe.
Die Klin beantragt sinngemäß,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 23.01.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2009 aufzuheben.
Die FK beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf das Fehlen eines Berücksichtigungstatbestandes.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze ...Bezug genommen.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18.05.2009 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
II. Die Klage ist unbegründet.
1. Die FK hat die Kindergeldfestsetzung zu Recht nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) aufgehoben.
a) Nach § 70 Abs. 2 EStG ist, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung aufzuheben oder zu ändern.
Im vorliegenden Fall haben sich die Verhältnisse insoweit geändert, als die Anspruchsvoraussetzung des § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG im streitigen Zeitraum nicht mehr vorlagen.
b) Danach wird ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, u.a. dann für den Kindergeldanspruch des Berechtigten berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet wird (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG).
Dieser Berücksichtigungstatbestand scheidet im vorliegenden Fall bereits deshalb aus, weil F im streitigen Zeitraum bereits das 21. Lebensjahr vollendet hatte.
c) Auch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst a EStG wurden nicht hinreichend substantiiert dargelegt und nachgewiesen.
Nach dieser Vorschrift wird ein Kind für den Kindergeldanspruch berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG).
d) Im vorliegenden Fall hat die Klin nicht dargelegt, dass sich F im streitigen Zeitraum in einer Berufsausbildung befand. Der sich aus den Daten der Arbeitsverwaltung ergebende Hinweis auf eine Berufsausbildung bei X-Schulen (Tischler) erfasst nur den Zeitraum 01.11.2005 - 28.11.2005. Ab 29.11.2005 wurde F als arbeitslos geführt. Andere Anhaltspunkte für eine Berufsausbildung bestehen nicht.
e) Auch die Voraussetzungen der Ausbildungssuche hat die Klin nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH -- (Urteil vom 19.06.2008 III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740 m.w.N.) erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1740 m.w.N.).
bb) F war in den streitigen Monaten nicht mehr als Bewerber um eine Ausbildungsstelle bei der Agentur für Arbeit registriert.
Das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann u.a. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist, nachgewiesen werden. Die Registrierung bei der Agentur für Arbeit gilt jedoch nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis, sondern ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt. Gemäß § 38 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Dritter Teil --SGB III-- ist die Ausbildungsvermittlung zwar grundsätzlich durchzuführen, "bis der Ausbildungssuchende in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit einmündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt hat oder solange der Ausbildungssuchende dies verlangt". Nach § 38 Abs. 2 SGB III kann die Ausbildungsvermittlung jedoch die Vermittlung einstellen, solange der Ausbildungssuchende nicht ausreichend mitwirkt. § 38 Abs. 2 SGB III setzt wegen der bestehenden Eigenverantwortung des Ausbildungssuchenden bei der Vermittlung von Ausbildungsstellen auch nicht voraus, dass der Betroffene über die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung belehrt wird. Das ausbildungssuchende Kind muss daher zumindest alle drei Monate gegenüber der Ausbildungsvermittlung sein Interesse an einer weiteren Vermittlung von Ausbildungsstellen kundtun.
Die Klin hat weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass F zumindest alle drei Monate gegenüber der Ausbildungsvermittlung sein Interesse an einer weiteren Vermittlung von Ausbildungsstellen kundtat. Mangels anderweitiger Erkenntnisse ist daher davon auszugehen, dass die Berufsberatung F zu Recht nach dem 30.11.2005 nicht weiter als Bewerber um einen Ausbildungsplatz registriert hat.
cc) Die Klin hat auch keine entsprechenden Eigenbemühungen des F substantiiert dargelegt und nachgewiesen.
Es ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil in BFH/NV 2008, 1740) zwar nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist. Hat das Kind aber bis zum Ablauf von drei Monaten noch keinen Bescheid über seine Bewerbung(en) erhalten, ist ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich eine Parallelbewerbung erforderlich, es sei denn, das Kind kann sich nur zu bestimmten Zeitpunkten bewerben wie z.B. bei einem Studium oder wenn Firmen nur zu bestimmten Terminen Auszubildende einstellen. Als Nachweis der Eigenbemühungen kommt insbesondere die Vorlage von Suchanzeigen in der Zeitung, von direkten schriftlichen Bewerbungen und von erhaltenen Zwischennachrichten oder Absagen in Betracht (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1740 m.w.N.). Für nicht ausreichend im Sinne der oben dargelegten Eigenbemühungen erachtet das Gericht dagegen die bloße Sichtung des Ausbildungsstellenmarkts in Zeitschriften oder im Internet. Denn erforderlich sind Bemühungen um eine konkrete Ausbildungsstelle in Form einer Anfrage bzw. Bewerbung bei der jeweiligen Ausbildungsstätte.
Entsprechende Eigenbemühungen sind nicht ersichtlich.
2. Die FK hat das überzahlte Kindergeld auch zu Recht zurückgefordert.
a) Ist eine Steuervergütung wie das Kindergeld (§ 31 S. 3 EStG) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages.
Im vorliegenden Fall hat die FK --mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr.1 und Nr. 2 EStG-- Kindergeld ohne rechtlichen Grund an die Klin gezahlt. Der FK steht daher ein Erstattungsanspruch zu.
b) Die Klin war auch Leistungsempfängerin des ausgezahlten Kindergeldes.
Der Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den Leistungsempfänger, der in den Fällen, in denen an dem Zahlungsvorgang mehrere Personen beteiligt waren, mit dem Empfänger der Zahlung (Überweisung) nicht identisch sein muss. Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH derjenige, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird (vgl. Urteil vom 30.08.2005 VII R 64/04, BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353 m.w.N.). Dies ist in der Regel derjenige, demgegenüber die Behörde ihre --vermeintliche oder tatsächlich bestehende-- abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will. Ein Dritter ist folglich, obgleich tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, dann nicht Leistungsempfänger, wenn er lediglich als Zahlstelle, unmittelbarer Vertreter oder Bote für den Erstattungsberechtigten aufgetreten bzw. von diesem benannt worden ist. Dies gilt auch, wenn die Behörde aufgrund einer Zahlungsanweisung des Anspruchsberechtigten an den Dritten eine Steuervergütung ausgezahlt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353 m.w.N.). Denn in einem solchen Fall will die Behörde erkennbar nicht mit befreiender Wirkung zu Gunsten des Zahlungsempfängers leisten, sondern sie erbringt ihre Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu erfüllen. Mithin ist nicht der Zahlungsempfänger, sondern der nach materiellem Steuerrecht Erstattungs- bzw. Anspruchsberechtigte als Leistungsempfänger im Sinne des § 37 Abs. 2 AO anzusehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat die Klin sowohl mit Schreiben vom 02.12.2003 als auch mit Schreiben vom 22.11.2005 beantragt, dass das Kindergeld auf ein Konto des F ausgezahlt wird. Da die Auszahlung des Kindergelds an F auf diesen Zahlungsanweisungen der Klin beruhte, erbrachte die FK die Kindergeldzahlung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber der Klin zu erfüllen. Die FK hat daher zu Recht die Rückforderung gegen die Klin gerichtet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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