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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: 10 K 2199/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 14a Abs. 4 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 2199/04

Gründe:

I.

Der Kläger war mit seiner Ehefrau M im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Mit Gesellschaftsvertrag vom .... gründeten der Kläger und M eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem Zweck, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam zu führen. Der Kläger legte alle ihm gehörenden Grundstücke ausdrücklich "zur Nutzung (Sonderbetriebsvermögen)" in die GbR ein. Die Grundstücke wurden - anders als andere Vermögensgegenstände - nicht in das Gesamthandvermögen der GbR eingelegt. M brachte keine Grundstücke ein, so dass alle von der GbR genutzten Grundstücke zivilrechtlich dem Kläger gehörten.

Mit Notarvertrag vom 22. Dezember 1998 überließ der Kläger seiner Tochter X und M das Grundstück Y je zur Hälfte. Die Tochter und M sollten nach der Teilung des Grundstücks je X qm Fläche als Alleineigentümer erhalten. Nummer III des Notarvertrags lautet (auszugsweise) wie folgt:

"Vorstehende Überlassungen erfolgen unentgeltlich und schenkungsweise, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, rein vorsorglich zur Abfindung beider Erwerber als weichende Erben im steuerrechtlichen Sinn. Ein Erbverzicht wird dadurch nicht begründet. Beide Erwerber haben sich den heutigen Empfang auf eventuelle Pflichtteilsrechte am Nachlass des Veräußerers mit dem Verkehrswert anrechnen zu lassen ....."

Das überlassene Baugrundstück war bereits vor der Überlassung nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden. Es wurde auch danach nicht mehr für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. M hielt das Grundstück unstreitig in ihrem Privatvermögen.

Am ........ starb M. Erben wurden kraft gesetzlicher Erbfolge der Kläger zur Hälfte, im Übrigen die Kinder. Der Kläger setzte die GbR mit den Erben von M nicht fort. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach dem Tod von M ist im Zeitpunkt der Senatsentscheidung noch nicht abgeschlossen. Der Sohn A ist ausgebildeter Landwirt und nach Angaben des Klägers als Hoferbe vorgesehen. Eine Übergabe des Hofs oder eine andere verbindliche Regelung der Erbfolge nach dem Kläger ist noch nicht erfolgt.

Der Kläger errechnete aus der Überlassung des Grundstücks einen unstreitigen Entnahmegewinn von ....... DM. Eine Hälfte entfiel auf den Grundstücksanteil von M, die andere Hälfte auf den Grundstücksanteil der Tochter. Im Feststellungsbescheid 1998 vom ..... berücksichtigte der Beklagte, das Finanzamt (FA), einen auf das Jahr 1998 entfallenden Freibetrag nach § 14a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von .....DM. Ferner berücksichtigte es in den Feststellungsbescheiden 1999 vom ..... einen auf das Jahr 1999 entfallenden Freibetrag von .... DM. Die damit antragsgemäß erlassenen Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Außenprüfungsbericht vom ..... kam der Außenprüfer zum Ergebnis, dass der Entnahmegewinn nur insoweit nach § 14a Abs. 4 EStG steuerfrei ist, als die Tochter einen Grundstücksteil erhalten hatte. Soweit dagegen M einen Grundstücksteil erhalten hatte, verneinte der Prüfer die Voraussetzungen des § 14a Abs. 4 EStG. Das FA schloss sich dieser rechtlichen Beurteilung an und halbierte im Feststellungsbescheid vom ....... den bisher festgestellten Freibetrag des Klägers sowohl im Jahr 1998 als auch im Jahr 1999. Der Einspruch des Klägers hatte in nicht mehr streitigen Punkten Erfolg. Der Teilabhilfebescheid vom .... wurde an .... "als Empfangsbevollmächtigte mir Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligte" bekannt gegeben. In der Frage der Höhe des Freibetrags nach § 14a Abs. 4 EStG blieb der Einspruch erfolglos.

Erstmals im Klageverfahren erhielt das FA durch den Klägerschriftsatz vom .... Kenntnis vom Tod von M. Das FA erließ im Anschluss hieran einen Richtigstellungsbescheid nach § 182 Abs. 3 Abgabenordnung, der mittlerweile bestandskräftig ist.

Im Klageverfahren macht der Kläger geltend, der Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG stehe ihm auch zu, soweit er eine Grundstückshälfte auf seine Ehefrau übertragen habe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm. Abfindungen seien auch dann begünstigt, wenn ein Grundstück aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers entnommen werde, um damit den anderen Mitunternehmer als weichenden Erben abzufinden.

Das FA vertritt die Ansicht, die Voraussetzungen für den Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG seien nicht gegeben, da M als Mitunternehmerin am landwirtschaftlichen Betrieb beteiligt war.

II.

Die Klage ist begründet.

1.

Die angefochtenen Feststellungsbescheide und die Einspruchsentscheidung wurden dem Kläger wirksam bekannt gegeben, da das FA von der Vollbeendigung der GbR durch den Tod der Ehefrau erst im Laufe des Klageverfahrens Kenntnis erhielt (§ 183 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung; vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 5. April 2005 VIII B 185/04, BFH/NV 2005, 1492).

2.

Die Steuerbegünstigung des § 14a Abs. 4 EStG greift auch dann ein, wenn ein land- und forstwirtschaftliches Unternehmen von Ehegatten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Recht betrieben wird und ein Mitunternehmer-Ehegatte aus seinem Sonderbetriebsvermögen ein zivilrechtlich in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück entnimmt und damit den anderen Mitunternehmer-Ehegatten als weichenden Erben abfindet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das entnommene Grundstück nach der Entnahme nicht mehr landwirtschaftlich für Zwecke des Betriebs genutzt wird.

a)

Entnimmt ein Steuerpflichtiger Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei der Entnahme entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 120 000 DM übersteigt (§ 14a Abs. 4 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren 1998 und 1999 geltenden Fassung). Voraussetzung für die Steuerfreiheit des Entnahmegewinns ist u.a., dass der Grund und Boden innerhalb von zwölf Monaten nach der Entnahme in sachlichem Zusammenhang mit der Hoferbfolge oder Hofübernahme zur Abfindung weichender Erben verwendet wird (§ 14a Abs. 4 Satz 2 EStG). Werden mehrere weichende Erben abgefunden, so kann der Freibetrag mehrmals, jedoch insgesamt nur einmal je weichender Erbe geltend gemacht werden, auch wenn die Abfindung in mehreren Schritten oder durch mehrere Inhaber des Betriebs vorgenommen wird. Weichender Erbe ist, wer gesetzlicher Erbe eines Inhabers eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ist oder bei gesetzlicher Erbfolge wäre, aber nicht zur Übernahme des Betriebs berufen ist; eine Stellung als Mitunternehmer des Betriebs bis zur Auseinandersetzung steht einer Behandlung als weichender Erbe nicht entgegen, wenn sich die Erben innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall auseinandersetzen (§ 14a Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG). Findet eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft statt, sind diese Voraussetzungen im Feststellungsverfahren zu prüfen und die Höhe des Freibetrags und der Begünstigte festzustellen.

Eine Übereignung in "sachlichem Zusammenhang mit der Hoferbfolge" liegt nicht vor, wenn der spätere Übernehmer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs begünstigt wird. Dies bedeutet aber nicht, dass die Hofübergabe bereits erfolgt sein muss oder bereits mit Sicherheit feststehen muss, wer Hofübernehmer werden wird. Vielmehr genügt es, dass die Beteiligten anlässlich der Grundstücksübergabe davon ausgehen, dass der zu den gesetzlichen Erben zählende Zuwendungsempfänger den Betrieb nicht übernehmen wird und sich die Zuwendung auf seine Abfindungsansprüche aus der Hoferbfolge oder Hofübertragung anrechnen lassen muss. Unschädlich ist es, wenn noch offen ist, wer den Betrieb letztlich übernehmen soll (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28. Juli 1994 IV R 56/93, BFH/NV 1995, 110).

Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall eine unentgeltliche Grundstücksübereignung in sachlichem Zusammenhang mit der Hoferbfolge vor. Aus den notariellen Vereinbarungen im Überlassungsvertrag geht unzweifelhaft hervor, dass eine solche Übertragung gewollt war und die Ehefrau sich die Schenkung auf eventuelle Pflichtteilsrechte anrechnen lassen musste. Die Ehefrau ist bis zu ihrem Tod auch nicht Übernehmerin des Mitunternehmeranteils ihres Mannes am land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geworden. Damit genügt es, dass zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau das Einvernehmen dahin bestand, dass der Sohn - also weder die Ehefrau noch die Töchter - Hofübernehmer werden sollte. Unschädlich ist, dass der Kläger nach dem Tod seiner Ehefrau zur Hälfte am Nachlass beteiligt ist und er möglicherweise im Rahmen der noch ausstehenden Erbauseinandersetzung das Grundstück in Natur oder einen Teil seines Wertes zurückerhält. Insoweit liegt ein neuer Verursachungszusammenhang vor, der den Tatbestand des § 14a Abs. 4 EStG - die Entnahme und die unentgeltliche Weitergabe des Grundstücks zur Regelung der Hofnachfolge - nicht rückwirkend beseitigen kann.

b)

Die Ehefrau hat das Grundstück auch als "weichende" Erbin erhalten.

Weichender Erbe im hier maßgeblichen Sinne kann grundsätzlich auch der Ehegatte des land- und forstwirtschaftlich tätigen Steuerpflichtigen sein (BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 IV R 53/97, BFH/NV 1998, 1478; nur Leitsatz in BStBl II 1998, 621). Die Stellung der Ehefrau als Mitunternehmerin steht dem nicht entgegen, da das Grundstück zivilrechtlich Eigentum des Ehemannes war und demzufolge steuerrechtlich aus dessen Sonderbetriebsvermögen entnommen wurde (so auch Kanzler in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, III. Teil Sonderfragen und Vergünstigungen, Rn. 89; Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14a, Anm. 195; a.A. Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 9. Auflage 2006, Seite 528 = Rn. 394a; Littmann/Bitz/Hellwig, § 14a Rn. 58).

Der Wortlaut des § 14a Abs. 4 EStG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Zutreffend weist das FA zwar darauf hin, dass sich aus § 14a Abs. 4 Satz 5 EStG ergibt, dass jemand grundsätzlich nicht weichender Erbe ist, wenn er als Mitunternehmer am land- und forstwirtschaftlichen Betrieb beteiligt ist oder beteiligt wird. Hieraus kann für den Streitfall indes nichts Entscheidendes abgeleitet werden. Denn die Ehefrau ist nie Rechtsnachfolgerin am Mitunternehmeranteil ihres Ehemannes geworden, mithin an seinem alleinigen zivilrechtlichen Eigentum und steuerrechtlichen Sonderbetriebsvermögen nie beteiligt worden. Der Senat hält es daher für entscheidend, dass die Gewährung der steuerlichen Subvention dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht.

Zweck der Norm ist es, beim Generationenwechsel die Hofnachfolge zu begünstigen. Der Hofübergeber soll steuerlich entlastet werden, wenn er Grundstücke aus einem Betriebsvermögen zur Abfindung weichender Erben entnimmt. Die Entlastung setzt mithin nach den Vorstellungen des Gesetzgebers voraus, dass

- ein Entnahmegewinn anfällt und

- der Steuerpflichtige das Grundstück nicht für sich behält,

- da er es an einen weichenden Erben (= einen Dritten) weitergibt.

Ob bei Grundstücksentnahmen von Mitunternehmern ein solcher Sachverhalt verwirklicht wird, hängt davon ab, wer vor der Entnahme zivilrechtlich Eigentümer war und wer danach zivilrechtlich Eigentümer wird. Die typische Sachverhaltskonstellation, die der Gesetzgeber begünstigen wollte, ist zum Beispiel nicht gegeben, wenn MitunternehmerEhegatten ein Grundstück aus dem Gesamthandvermögen einer Gesellschaft entnehmen oder das Grundstück zum gemeinsamen Vermögen einer ehelichen Gütergemeinschaft gehörte (so zutreffend Grziwotz, DStR 1991, 2259) und einer der Ehegatten das Alleineigentum am Grundstück erhält. Denn in diesen Fällen verbleibt das Grundstück zivilrechtlich zum Teil bei einem der früheren zivilrechtlichen Eigentümer. Damit liegt eine bloße Grundstücksentnahme ohne die nachfolgende Weitergabe an einen Dritten vor. Folglich fehlt es am entscheidenden Grund für die steuerliche Entlastung nach § 14a Abs. 4 EStG und die Regelung kann nicht zur Anwendung kommen.

Die Sachverhaltskonstellation des Streitfalles ist indes mit den vorgenannten Fällen nicht vergleichbar. Das Grundstück war zunächst zivilrechtlich Alleineigentum des Ehemanns. Mit der Weitergabe an die Ehefrau hat er sein Alleineigentum endgültig verloren. Da das Grundstück danach auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb - also durch den Kläger als Mitunternehmer - genutzt wurde, lag ein endgültiger Rechtsverlust vor, der die steuerliche Entlastung rechtfertigt. Ein sachlicher Grund, die Entnahme mit anschließender Grundstücksübertragung nicht zu begünstigen, ist nicht ersichtlich. Ob ein Grundstück, das zivilrechtlich einem Land- und Forstwirt allein gehört, steuerrechtlich zu einem Sonderbetriebsvermögen gehört oder nicht, kann im hier maßgeblichen Zusammenhang keinen Unterschied rechtfertigen. Es ist weder ersichtlich, dass § 14a Abs. 4 EStG Alleinunternehmer besser behandeln will als Gesellschafter noch dass eine solche Differenzierung rechtmäßig sein könnte. Damit spricht auch das Gebot, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln, für die weite Auslegung des § 14a Abs. 4 EStG.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf dem §§ 151 FGO i.V.m. § 708 und 711 Zivilprozessordnung. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.

Senatsurteil ohne mündliche Verhandlung am 25. Oktober 2006



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