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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 01.07.2009
Aktenzeichen: 10 K 2250/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 01. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Der Kläger (Kl) ist der Vater des am 03.10.1985 geborenen L. L leistete von 01.02.2005 bis Mitte September 2005 seinen Zivildienst ab. Seine Schulausbildung beendete er im Juli 2007 mit dem Fachabitur. Als Fremdsprache hatte er dort u.a. Spanisch gelernt. Anschließend befand sich L bis November 2007 auf Reisen in Südamerika. Ab 19.03.2008 nahm er dann bis 12.04.2008 eine Beschäftigung auf. Diese wurde durch eine weitere Aushilfstätigkeit, die bis Anfang Juni 2008 dauerte, abgelöst. Vom 17.06.2008 bis 01.08.2008 absolvierte L ein Praktikum. Am 15. Juni 2008 bestätigte die Fachhochschule W die Bewerbung des L für ein Studium.

Die Beklagte (die Familienkasse --FK--) gewährte für L bis einschließlich November 2007 Kindergeld. Mit Bescheid vom 24.01.2008 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab August 2007 auf und forderte das für den Zeitraum August 2007 bis November 2007 bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 616 EUR vom Kl zurück.

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 10.06.2008 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

L habe die Südamerikareise zur Vertiefung seiner Sprachkenntnisse genutzt. Nach seiner Rückkehr habe er von Anfang an geplant, ein Studium aufzunehmen und daher nur vorübergehende Beschäftigungsverhältnisse aufgenommen. Diese Zeiten seien daher -- zumindest für vier Monate-- als Übergangszeiten zu werten. Der Kl habe L während des gesamten Zeitraums unterstützt.

Mit Bescheid vom 03.07.2008 setzte die FK ab Juni 2008 erneut Kindergeld fest.

Der Kl beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 24.01.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.06.2008 aufzuheben.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie unter Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung darauf, dass im Streitzeitraum kein Berücksichtigungstatbestand erfüllt sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze ... Bezug genommen.

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. 1. Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, soweit mit ihr eine Kindergeldfestsetzung für den Monat Juni 2008 erstrebt wird. Denn insoweit hat die FK dem Rechtsschutzbegehren durch den Bescheid vom 03.07.2008 bereits abgeholfen. Der Rechtsstreit ist damit insoweit in der Hauptsache erledigt. Der Klägerin steht ein schutzwürdiges Interesse an einer Aufhebung des angegriffenen Bescheids insoweit nicht mehr zu.

2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. L fiel im streitigen Zeitraum August 2007 bis Mai 2008 unter keinen der Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

a) L war nicht als arbeitsuchendes Kind zu berücksichtigen.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, für den Kindergeldanspruch des Berechtigten berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Im vorliegenden Fall hatte L im Streitzeitraum --auch unter Berücksichtigung der nach § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG durch die Ableistung des Zivildienstes erweiterten Altersgrenze-- die Altersgrenze bereits überschritten. Zudem war er nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet.

b) L war nicht als Kind in Berufsausbildung zu berücksichtigen.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- ist unter Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen danach alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. BFH-Urteile vom 16.04.2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; und vom 09.06.1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706, jeweils m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des BFH kann zwar auch eine planmäßige fremdsprachliche Ausbildung grundsätzlich den erforderlichen Bezug zu einem später auszuübenden Beruf aufweisen. Dies gilt nicht nur im Rahmen einer schulischen Ausbildung (z.B. Fremdsprachenkurs im Ausland, Austauschprogramme), sondern auch im nachschulischen Bereich, da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass gute Fremdsprachenkenntnisse eine bessere Ausgangsposition für den Erwerb eines Ausbildungsplatzes und für das spätere berufliche Fortkommen schaffen (BFH-Urteil vom 19.02.2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 m.w.N.). Allerdings ist dem Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet wird" zu entnehmen, dass hierunter nicht jeder Auslandsaufenthalt zu fassen ist, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt. Sprachaufenthalte im Ausland können vielmehr nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden sind (z.B. Besuch eines Colleges oder einer Universität) oder --wie z.B. bei einem Sprachaufenthalt im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses-- von einem theoretischsystematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt (BFH-Urteil in BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall war der Auslandsaufenthalt weder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden noch wurde er von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet. Vielmehr ergibt sich aus den Akten, dass es sich um Urlaubsaufenthalte handelte. Laut Vermerk des Berufsberaters über das Beratungsgespräch vom 14.01.2008 hat L angegeben, dass er für vier Monate als Rucksacktourist in Südamerika gewesen sei und ab der nächsten Woche für eineinhalb Monate nach Indien fahre.

Eine Erweiterung der Sprachkenntnisse, die nur gelegentlich einer Urlaubsreise erfolgt, stellt jedoch keine Sprach- bzw. Berufsausbildung dar.

c) L war nicht als Kind in einer Übergangszeit zu berücksichtigen.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG liegt.

Für ein Kind, das sich in einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet, besteht während dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2003 VIII R 78/99, BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841).

Insoweit hat der BFH auch festgestellt, dass nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift bei Überschreiten der Übergangszeit eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht kommt (BFH-Urteil in BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841).

Im vorliegenden Fall betrug die Übergangsfrist zwischen der Beendigung der Schulausbildung und dem Beginn des Praktikums 10 Monate (August 2007 - Mai 2008). Ein Berücksichtigungstatbestand ist daher nicht gegeben, auch nicht für die ersten vier Monate.

d) L war nicht als ausbildungsuchendes Kind zu berücksichtigen.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 19.06.2008 III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740 m.w.N.) erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1740 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat der Kl weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass L bei der Berufsberatung als ausbildungsuchend gemeldet war. Vielmehr ergeben sich aus den Daten der Berufsberatung im Streitzeitraum nur Registrierungen als Ratsuchender, nicht jedoch als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle.

Der Kl hat auch entsprechende Eigenbemühungen des L weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen. Vielmehr hat er selbst angegeben, dass L von Anfang an studieren wollte. Der Praktikumsvertrag datiert vom 22.06.2008. Die Bewerbung um einen Studienplatz an der Fachhochschule Weihenstephan erfolgte nach dem Schreiben der Fachhochschule Weihenstephan vom 15.06.2008 in den letzten Tagen vor dem 15.06.2008. Somit sind Bemühungen um einen Ausbildungsplatz zur Überzeugung des Senats nur ab Juni 2008 nachgewiesen.

Die FK hat demnach mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen zu Recht die Kindergeldfestsetzung ab August 2007 aufgehoben und das für den Zeitraum August 2007 bis November 2007 bereits ausbezahlte Kindergeld zurückgefordert.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1.

Ende der Entscheidung

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