Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: 10 K 2985/07
Rechtsgebiete: AO, VwZG, EStG, MRRG, 2. BMeldDÜV


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 5
VwZG § 10 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 69
MRRG § 20
2. BMeldDÜV § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 2985/07

Kindergeld

In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 10. Senat,

durch

... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 13. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob eine Änderung des Kindergeldaufhebungs- und -rückforderungsbescheides wegen Bestandskraft ausgeschlossen ist.

I. Die Klägerin (Klin) ist die Mutter des am ...2000 geborenen J, des am ...2002 geborenen M und der am ...2004 geborenen E.

Der Beklagte (die Familienkasse --FK--) gewährte der Klin bis einschließlich Februar 2007 Kindergeld. Das Kindergeld wurde auf ein Konto der Klin bei der Stadtsparkasse Y überwiesen.

Aufgrund eines Abgleichs mit den Daten der Meldebehörde stellte die FK fest, dass die Klin am 29.12.2005 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet wurde. Die FK forderte mit Schreiben vom 13.03.2007 daraufhin den überzahlten Betrag von der Stadtsparkasse zurück.

Diese überwies 120 EUR an die FK zurück und teilte mit, dass ihr nur die bisherige Anschrift F-str. 16, ..., bekannt sei. Mit Bescheid vom 05.04.2007 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2006 auf und forderte das Kindergeld für den Zeitraum Januar 2006 bis Februar 2007 in Höhe von 6.348 EUR (6.468 EUR abzüglich 120 EUR) von der Klin zurück. Der Bescheid wurde durch Aushang vom 05.04.2007 bis 21.05.2007 öffentlich zugestellt. Mit Schreiben vom 30.05.2007 wandte sich die Klin an die FK und bat um Überprüfung, warum ihr seit März 2007 kein Kindergeld mehr ausgezahlt worden sei. Mit Schreiben vom 06.06.2007, das der Klin am 21.06.2007 zuging, wurde der Klin der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 05.04.2007 nochmals übersandt. Den hiergegen mit bei der FK am 06.07.2007 eingegangenem Schreiben eingelegten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 als unzulässig zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der Einspruch sei zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden. Der angegriffene Bescheid datiere vom 06.06.2007 und sei mit Begleitschreiben vom 06.06.2007 übersandt worden. Die Einspruchsfrist habe daher frühestens am 09.07.2007 geendet. Da die Klin offensichtlich bereits in der ersten Jahreshälfte 2007 ihren Wohnsitz im Bundesgebiet genommen habe und somit auch unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei, habe sie jedenfalls für die Monate Januar und Februar 2007 einen Anspruch auf Kindergeld.

Die Klin beantragt,

den Bescheid vom 06.06.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 aufzuheben.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass der Bescheid zu Recht öffentlich zugestellt worden sei und daher am 19.04.2007 als bekannt gegeben gelte. Hierdurch sei die Einspruchsfrist in Lauf gesetzt worden. Die Einspruchsfrist habe am 21.05.2007 geendet. Der erst am 06.07.2007 eingegangene Einspruch sei damit verfristet. Der unter dem 06.06.2007 übersandte Bescheid habe lediglich eine wiederholende Verfügung und keinen Zweitbescheid enthalten. Eine neue Einspruchsfrist sei hierdurch nicht in Lauf gesetzt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da die Klin wegen der nicht ordnungsgemäßen Abmeldung ein Verschulden an der Fristversäumung treffe. Im Übrigen habe auch materiell kein Kindergeldanspruch bestanden, da weder die Klin noch ihre Kinder einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland während des strittigen Zeitraums gehabt hätten. Erst am 17.05. 2007 habe sich die Klin aus den USA zurück in Deutschland angemeldet.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10.12.2007 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. 1. Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 05.04.2007 hat infolge Versäumung der Einspruchsfrist Bestandskraft erlangt.

a) Gemäß § 122 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) erfolgt die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts durch Zustellung, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Im vorliegenden Fall hat die FK die öffentliche Zustellung behördlich angeordnet, da ihr der Aufenthaltsort der Klin unbekannt war.

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 VwZG kann die Zustellung unter anderem dann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Die Anordnung über die öffentliche Zustellung trifft ein zeichnungsberechtigter Bediensteter (§ 10 Abs. 1 S.2 VwZG). Die öffentliche Zustellung erfolgt unter anderem durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an der Stelle, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist. Die Benachrichtigung muss die Behörde für die zugestellt wird, den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten, das Datum und das Aktenzeichen des Dokuments sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann, erkennen lassen. Die Benachrichtigung muss den Hinweis enthalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste drohen können. In den Akten ist zu vermerken, wann und wie die Benachrichtigung bekannt gemacht wurde. Das Dokument gilt als zugestellt, wenn seit dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind (§ 10 Abs. 2 VwZG).

b) Im vorliegenden Fall war die öffentliche Zustellung wirksam. Die FK durfte die Einspruchsentscheidung an die Klin öffentlich zustellen, weil deren Aufenthaltsort unbekannt war. Nach § 69 Einkommensteuergesetz i.V.m. § 20 Melderechtsrahmengesetz und § 3 der Verordnung zur Durchführung von regelmäßigen Datenübermittlungen der Meldebehörden an Behörden oder sonstige öffentliche Stellen des Bundes vom 09.11.1995, (BGBl. I 1995, 1011; 2. BMeldDÜV) findet zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bezugs von Kindergeld ein regelmäßiger Datenaustausch zwischen den Meldebehörden und den Familienkassen statt. In diesem Zusammenhang erhielt die FK eine Mitteilung vom 28.11.2006 darüber, dass bei der Meldebehörde sowohl die Klin als auch ihre drei Kinder am 29.12.2005 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet wurden. Die FK bat daraufhin mit Schreiben vom 13.03.2007 die die Zahlungen empfangende Stadtsparkasse um Angabe der ihr zuletzt bekannt gewordenen Adresse der Klin. Diese gab jedoch ebenfalls die frühere Anschrift F-Str. .., ..., an. Nachdem die FK damit sowohl ihre Ermittlungsmöglichkeiten bei der Meldebehörde als auch bei dem ihr sonst bekannten Anknüpfungspunkt der Klin (kontoführendes Kreditinstitut) ausgeschöpft hatte und sie weder Anhaltspunkte für die Bestellung eines Vertreters noch eines Zustellungsbevollmächtigten hatte, waren die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer öffentlichen Zustellung erfüllt.

Die formalen Anforderungen an die Durchführung einer öffentlichen Zustellung (§ 10 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, 2, 3, 5 und 6 VwZG) hat die FK nach dem in der Akte befindlichen Benachrichtigungsnachweis erfüllt. Nachdem am 05.04.2007 erstmals die Benachrichtigung öffentlich ausgehängt wurde, galt der Bescheid vom 05.04.2007 gemäß § 10 Abs. 2 S. 6 VwZG als am 19.04.2007 zugestellt und damit als bekannt gegeben. Die einmonatige Einspruchsfrist lief daher am Montag, den 21.05.2007 ab (§ 108 Abs. 1, Abs. 3 AO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

Durch das Schreiben der FK vom 06.06.2007 und den diesem Schreiben beigefügten, mit neuem Datum 06.06.2007 versehenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid wurde keine neue Einspruchsfrist in Lauf gesetzt. Denn insoweit handelte es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Abs. 1 AO. Der Bescheid stimmte bis auf das geänderte Datum wortgleich mit dem Bescheid vom 05.04.2007 überein. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Behörde mit der Übersendung des Bescheids aufgrund neuer Umstände eine nochmalige Entscheidung treffen wollte. Vielmehr teilte die FK im Übersendungsschreiben nur mit, dass bereits ein Bescheid ergangen war ("wurde das Kindergeld zurückgefordert"), und signalisierte zugleich, dass ein neuer Kindergeldantrag gestellt werden könne und über diesen nach Vorlage der angeforderten Unterlagen entschieden werde. Das Übersendungsschreiben und der anliegende Bescheid enthielten daher keine neue Regelung, sondern nur die Übersendung einer Zweitschrift des bereits bekanntgegebenen Bescheids ohne selbständig anfechtbare Regelung, d.h. lediglich eine Wiederholung des bisherigen Verwaltungsaktes (vgl. hierzu Tipke/Kruse AO/FGO, § 118 AO Rz. 17). Es kommt daher nicht darauf an, dass das Übersendungsschreiben vom 06.07.2007 --wegen Rücklaufs der an die angegebene Adresse F--tr., ..., gerichteten ersten Sendung-- der Klin erst mit der zweiten Übersendung am 21.06.2007 zugegangen ist.

Das der FK am 06.07.2007 zugegangene Einspruchsschreiben der Klin ging daher außerhalb der Einspruchsfrist ein.

c) Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abs. 1 S. 1 AO) wurden weder vorgetragen noch sind sie anderweitig ersichtlich. Jedenfalls müsste es sich die Klin als Verschulden anrechnen lassen, dass sie weder durch Erfüllung ihrer melderechtlichen Verpflichtungen noch auf andere Weise (Mitteilung der Adressänderung gegenüber der FK, Bestellung eines Vertreters oder Zustellungsbevollmächtigten) für eine Empfangsadresse gesorgt hat.

d) Die Voraussetzungen einer die Bestandskraft durchbrechenden Änderungsnorm liegen nicht vor:

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück