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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: 10 K 3094/06
Rechtsgebiete: EStG, SozDiG, Beschluss Nr. 1031/2000/EG, ZDG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d
SozDiG § 5 Abs. 2
Beschluss Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms "Jugend"
ZDG § 14b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 3094/06

Kindergeld für T von August 2005 bis Mai 2006

In der Streitsache

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 26. September 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Juli 2006 wird insoweit aufgehoben als hierin die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum August 2005 bis September 2005 aufgehoben und das Kindergeld in Höhe von 308 EUR zurückgefordert wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 10/12 und die Beklagte zu 2/12.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

Streitig ist, ob der von dem Kind durchgeführte Freiwilligendienst den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 d Einkommensteuergesetz (EStG) entspricht oder eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst a) EStG darstellt und deshalb ein Anspruch auf Kindergeld besteht.

I. Die Klägerin (Klin) ist im öffentlichen Dienst beschäftigt und wird von der Beklagten (die Familienkasse --FK--) besoldet. Die Klin ist die Mutter der am ... Mai 1985 geborenen T. T beendete im Juli 2005 ihre Schulausbildung mit dem Abitur. Von August 2005 bis August 2006 leistete T im Rahmen des Programms des X-Vereins einen unentgeltlichen Freiwilligendienst in einer sozialen Einrichtung in Costa Rica. Der Freiwilligendienst wurde vom 22. August 2005 bis 9. September 2005 mit einem Sprachkurs für Spanisch eingeleitet. Daran schloss sich die praktische Tätigkeit in der sozialen Einrichtung (Grundschule für Gehörlose und mehrfach behinderte Kinder) an. T erhielt Unterkunft und Verpflegung, ansonsten aber nur ein Taschengeld. Während ihres Aufenthalts besuchte T ein privates Spracheninstitut, an dem sie 2 Stunden pro Woche Spanischunterricht erhielt.

Die FK hob mit Bescheid vom 25. April 2006 die Kindergeldfestsetzung ab August 2005 auf und forderte für den Zeitraum von August 2005 bis Mai 2006 Kindergeld in Höhe von 1.540 EUR von der Klin zurück. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 06. Juli 2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

Die Tätigkeit sei der Arbeit innerhalb eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) gleichzusetzen. Insofern sei die gesetzliche Regelung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 d EStG zumindest analog anzuwenden. Denn wie im gesetzlich geregelten Fall handele es sich um eine ganztägige, regelmäßige soziale Arbeit mit pädagogischer Begleitung, prinzipieller Unentgeltlichkeit und mit Kostenbeteiligung des Freiwilligen (Flug- und Reisekosten). Das Kindergeld sei aus Gründen der Existenzsicherung zu gewähren.

Der Freiwilligendienst sei ferner als Teil der späteren Berufsausbildung des Kindes anzusehen. Denn T habe durch den Aufenthalt (einführender Sprachkurs, zusätzlicher privater Spanischkurs, Sprachpraxis) ihre Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache --hier Spanisch-- ausgebaut, was wiederum Voraussetzung (internationaler Hintergrund) für das anschließend aufgenommene Studium an der R-Universität (Studienrichtung: International Business Administration, Bachelor) gewesen sei.

Die Klin beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Juli 2006 insoweit aufzuheben als hierin die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum August 2005 bis Juli 2006 aufgehoben und das Kindergeld für die Monate August 2005 bis Mai 2006 in Höhe von 1.540 EUR zurückgefordert wird.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass der X-Verein nicht als Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres im Ausland anerkannt sei. Ein soziales Engagement außerhalb staatlicher Förderung erfülle die kindergeldrechtlichen Voraussetzungen nicht. Der Gesetzgeber habe insoweit nur bestimmte Tätigkeiten bei anerkannten Trägern unterstützen wollen.

Ein Sprachaufenthalt im Ausland sei nur dann als Berufsausbildung anzuerkennen, wenn der Sprachaufenthalt mit anerkannten Formen der Berufsausbildung wie einem Schul- oder Universitätsbesuch verbunden sei. Eine ausreichende Sprachausbildung sei allerdings bei einem Unterricht von wöchentlich zehn Stunden anzuerkennen. Die nachgewiesenen 45 Stunden Privatunterricht ergäben aber auf das ganze Jahr gerechnet nur weniger als eine Stunde pro Woche.

Auch sei das Beherrschen der spanischen Sprache nicht Aufnahmevoraussetzung der R- Universität, sondern allenfalls erforderlich im Falle der Teilnahme an einem Austauschprogramm mit einem spanischsprachigen Land.

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. Die Klage ist nur hinsichtlich der Monate August und September 2005 begründet.

Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG werden kindergeldrechtlich u.a. Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt. Hat das Kind --wie vorliegend die T--bereits das 18. aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet, wird es nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG u.a. dann berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder wenn es ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres oder einen Freiwilligendienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms "Jugend" (ABl. EG Nr. L 117 S. 1) oder einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 14b des Zivildienstgesetzes leistet (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG).

1. Der von T abgeleistete Dienst erfüllte nicht die Voraussetzungen eines freiwilligen sozialen Jahres oder eines Freiwilligendienstes (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG).

a) Ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (SozDiG) liegt nur vor, wenn der Träger des freiwilligen sozialen Jahres die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 SozDiG erfüllt und von der zuständigen Landesbehörde zugelassen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH--vom29. November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718).

Der X-Verein, der seinen Hauptsitz in W hat, ist --wie sich aus dem Bescheid der zuständigen Landesbehörde (§ 5 Abs. 2 S. 2 SozDiG), des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, vom 19. Dezember 2005 ergibt--zwar als Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres im Ausland seit 2003 anerkannt. Er hat jedoch gleichwohl den von T abgeleisteten Dienst nicht nach den Bestimmungen des SozDiG durchgeführt. Gemäß § 6 Abs. 1 SozDiG hat der Träger des freiwilligen Dienstes mit dem Freiwilligen vor Beginn des Dienstes eine schriftliche Vereinbarung abzuschließen, die u.a. die Erklärung, dass die Bestimmungen des SozDiG während der Durchführung des freiwilligen Dienstes beachtet werden, und die Angabe des Zulassungsbescheides des Trägers enthalten muss (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und Nr. 5 SozDiG). Zudem hat der Träger dem Freiwilligen nach Abschluss des Dienstes eine Bescheinigung auszustellen, die ebenfalls die Angaben nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und Nr. 5 SozDiG enthalten muss. Weder enthält jedoch die von der Klin vorgelegte Teilnehmervereinbarung vom 1./11. Januar 2005 die erforderlichen Angaben, noch sind diese Angaben aus der erst im finanzgerichtlichen Verfahren erstellten Bescheinigung des X-Vereins vom 16. Juli 2007 zu entnehmen. Grund dafür, dass der X-Verein trotz Anerkennung als Träger des Freiwilligen sozialen Jahres im Ausland seine Programme zumindest zum Teil nicht nach den Bestimmungen des SozDiG durchführt, dürfte insbesondere sein, dass die zuständigen Landesbehörden für eine Durchführung des Dienstes im Rahmen des SozDiG eine weitgehende Gleichbehandlung des Freiwilligen mit einem abhängig Beschäftigten oder Auszubildenden verlangen, was u.a. die volle Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch den Träger erfordert (s. hierzu die Internetveröffentlichung des X-Vereins " Was ist der Unterschied zwischen einem freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und einem Freiwilligendienst mit dem X-Verein: ...Eine Anerkennung wäre nur dann möglich, wenn die Träger für die Kosten der Sozialversicherung (...) aufkommen würden. Damit würde sich jedoch das Programm unverhältnismäßig verteuern. Konkret heißt das, dass die TeilnehmerInnen am X-Programm während des Freiwilligendienstes grundsätzlich keinen Anspruch auf Kindergeld oder sonstige soziale Leistungen haben...").

b) Die Tätigkeit der T stellt auch keinen Freiwilligendienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms "Jugend" (ABl. EG Nr. L 117 S. 1) dar. Ein Europäischer Freiwilligendienst liegt nur dann vor, wenn der Freiwilligendienst durch die Europäische Kommission oder die Deutsche Nationalagentur "Jugend für Europa" bewilligt wurde. Die Notwendigkeit einer Anerkennung ergibt sich aus Art. 3 des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG und den näheren Erläuterungen zu der in Anhang 2 dieses Beschlusses aufgeführten "Aktion 2 - Europäischer Freiwilligendienst" (s. im Einzelnen das Urteil des erkennenden Senats vom 02. Februar 2004 10 K 2428/02, EFG 2004, 823; Schmidt/Loschelder EStG, 26. Aufl. 2007 § 32 Rz. 34). Es wurde von der Klin weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass der X-Verein für den von T durchgeführten Freiwilligendienst eine entsprechende Anerkennung erhalten hat. Auch ist eine solche Anerkennung anderweitig nicht ersichtlich.

c) Die von T durchgeführte Tätigkeit erfüllte auch nicht die Voraussetzungen eines anderen Dienstes im Ausland im Sinne von § 14b des Zivildienstgesetzes. Auch wenn der X-Verein generell die Anerkennung für die Durchführung derartiger in § 14b des Zivildienstgesetzes geregelter Dienste besitzt, erfüllte die Tätigkeit der T diese Voraussetzung nicht. Denn T ist als Frau nach § 1 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz nicht wehrpflichtig und kann daher auch nicht als anerkannter Kriegsdienstverweigerer im Sinne des § 1 Kriegsdienstverweigerungsgesetz nach den §§ 1, 14b des Zivildienstgesetzes Zivildienst leisten.

d) Die Vorschrift des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG über die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres ist auf den vorliegenden Freiwilligendienst auch nicht analog anwendbar.

Es ist anerkannt, dass Gerichte ungewollte Unvollständigkeiten eines Gesetzes durch Schließung der Lücken beseitigen können. Voraussetzung hierfür ist jedoch das Vorliegen einer "planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes". Bei der Feststellung des gesetzgeberischen "Plans", d.h. des Gehalts und der Tragweite seines Regelungswillens, ist auch auf die Gesetzesmaterialien zurückzugreifen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres (BT Drs 12/4716), innerhalb dessen auch die Voraussetzungen zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres geändert wurden, dass der Gesetzgeber mit den gesetzlichen Fördervoraussetzungen verschiedene Ziele verfolgt hat. Der Gesetzgeber wollte Rahmenbedingungen schaffen, aufgrund derer die Helfer annähernd so gestellt werden wie Auszubildende, vornehmlich hinsichtlich der sozialen Sicherheit (BT Drs 12/4716 S. 9 f. Begründung Allgemeiner Teil). Dabei sollte der Bildungswert der freiwilligen Hilfe am und für den Mitmenschen im Vordergrund stehen, aber auch dem Gesichtspunkt der Berufsorientierung Bedeutung zukommen. Voraussetzung für die gesetzliche Förderung sollte insbesondere eine qualifizierte pädagogische Begleitung der Teilnehmer und eine den regionalen Gegebenheiten sinnvoll Rechnung tragende Organisationsstruktur sein. Die pädagogische Begleitung sollte insoweit ihrer Art nach definiert sowie hinsichtlich der Seminare nach Mindestzahl und -dauer vorgeschrieben werden. Ferner sollte nach den Gesetzesmaterialien mit den gesetzlichen Fördervoraussetzungen auch erreicht werden, dass es sich um eine die Arbeitsmarktneutralität gewährleistende und einen Missbrauch als billige Arbeitskraft ausschließende, hauptamtliche Kräfte unterstützende Tätigkeit handelt (BT Drs 12/4716 S.11 zu § 1 Nr. 1 S. 2). Insoweit sieht die Gesetzesbegründung insbesondere auch vor, dass die vor Beginn und nach Beendigung des sozialen Jahres vom zuständigen Träger auszustellenden Bescheinigungen als Nachweis gegenüber Behörden dienen und Voraussetzung für die Geltendmachung der nach dem § 4 SozDiG vorgesehenen Vergünstigungen, insbesondere des Kindergelds sind (s. hierzu BT Drs. 12/4716 S. 13 zu § 3 Abs. 2, Abs. 3). Es entspricht daher gerade dem gesetzgeberischen Willen, für Freiwilligenprogramme, die nicht nach den gesetzlichen Voraussetzungen durchgeführt wurden, die Förderungen des § 4 SozDiG zu versagen. Eine planwidrige Lücke ist daher nicht feststellbar und eine Analogie demzufolge ausgeschlossen.

Nicht gefolgt werden kann insoweit dem Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 26. Februar 2004 (5 K 9/01, EFG 2004, 1121), soweit dieses die Aufzählung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG für nicht abschließend hält und insoweit alle anerkennenswerten Typen von Unterhaltssituationen in Abgrenzung zum schlichten Müßiggang des Kindes berücksichtigen will. Nach der Rechtsprechung des BFH besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges Kind nur dann, wenn das Kind die Tatbestandsmerkmale des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG erfüllt. Das Vorliegen einer typischen Unterhaltssituation wird vom BFH als zusätzliches, ungeschriebenes, die Tatbestände des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 einschränkendes Tatbestandsmerkmal gefordert (BFH-Urteil vom 19. April 2007 III R 65/06, BFH/NV 2007, 1753; ebenso Schmidt/ Loschelder EStG, a.a.O., § 32 Rz. 22). Nicht dagegen reicht es für einen Kindergeldanspruch aus, dass das Kind -in Abgrenzung zum schlichten Müßiggang--einer sinnvollen, aber nicht von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG erfassten Tätigkeit nachgeht und mangels ausreichender eigener Einkünfte/Bezüge des Kindes eine Unterhaltssituation für die Eltern besteht. Gerade im Bereich des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 d) wollte der Gesetzgeber nur bestimmte Formen des freiwilligen Dienstes durch die in § 4 SozDiG vorgesehenen Förderungen privilegieren. Dieses gesetzgeberische Ziel würde konterkariert, wenn Programme, die den gesetzlichen Standards nicht entsprechen, in gleicher Form gefördert werden würden.

2. Die von T abgeleistete Tätigkeit erfüllte auch nicht die Voraussetzungen einer Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).

a) Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 09. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710 m.w.N.) ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder --mangels solcher Regelungen-- jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muss, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind. Vielmehr kommen auch solche Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs als Ausbildung in Betracht, die der Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten dienen.

Die Tätigkeit im Rahmen des Freiwilligendienstes ist nicht als Berufsausbildung zu qualifizieren. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es der Aufnahme des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG in das Gesetz nicht bedurft hätte, wenn soziale oder ökologische Freiwilligendienste bereits als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG zu qualifizieren wären. Zum anderen dient der Freiwilligendienst der Erlangung sozialer Erfahrungen und ggf. der Berufsorientierung, nicht dagegen der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf (s. hierzu Brandmüller, Kindergeldrecht, § 32 S. 10 f.).

b) Auch unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs von Sprachfertigkeiten ist der Freiwilligendienst nur für die Monate August 2005 und September 2005 als Berufsausbildung zu qualifizieren.

aa) Der BFH folgert insoweit aus dem Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet wird", dass das Gesetz nicht jeden Auslandsaufenthalt als Berufsausbildung anerkennt, auch wenn sich dadurch die Kenntnisse der jeweiligen Landessprache verbessern (BFH- Urteil in BFHE 189, 107 , BStBl II 1999, 710). Sprachaufenthalte im Ausland können danach vielmehr nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen bleibt, sondern Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben werden. Eine Ausbildung in diesem Sinne ist ohne weiteres dann anzunehmen, wenn der Sprachaufenthalt mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden wird, wie z.B. mit dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule oder eines Colleges oder einer ausländischen Universität. Darüber hinaus können Auslandssprachaufenthalte --z.B. im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses--regelmäßig nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden. Der erforderliche Umfang der Ausbildung richtet sich dabei nach den Gesamtumständen des Einzelfalles. Ist beispielsweise der Sprachaufenthalt im Ausland in einer Ausbildungs-/Studienordnung vorgeschrieben oder empfohlen, so ist er in der Regel anzuerkennen. Im Übrigen kann ein begleitender Sprachunterricht von wöchentlich 10 Unterrichtsstunden grundsätzlich als ausreichend angesehen werden, da die Zeit der Vor- und Nachbereitung sowie die praktische Anwendung der Fremdsprache außerhalb des Unterrichts in die Gesamtbetrachtung miteinbezogen werden müssen. 10 Unterrichtsstunden je Woche können jedoch nur einen Anhaltspunkt für die Intensität der Sprachausbildung geben. So kann beispielsweise Einzelunterricht wegen der umfänglicheren Vor- und Nacharbeit möglicherweise auch dann als ausreichende Ausbildung angesehen werden, wenn er eine geringere Unterrichtsstundenzahl umfasst. Desgleichen kann die Teilnahme an einem Sprachkurs mit einer geringeren Unterrichtsstundenzahl anerkannt werden, wenn er der üblichen Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss dient und das Kind den Prüfungsabschluss anstrebt, oder wenn neben dem Sprachunterricht zusätzliche fremdsprachenfördernde Aktivitäten unternommen werden, so z.B. die Teilnahme an Vorlesungen oder das Halten von Vorträgen in der Fremdsprache.

bb) Im vorliegenden Fall war der Sprachaufenthalt nicht mit anerkannten Formen der Berufsausbildung (Schule, Universität etc.) verbunden. Der Freiwilligendienst hatte keinen Ausbildungscharakter.

cc) Der Sprachaufenthalt im Ausland ist in der durchgeführten Form auch nicht in einer Ausbildungs- oder Studienordnung des von T gewählten Studiengangs vorgeschrieben oder empfohlen.

Der Auslandsaufenthalt ist keine Zulassungsvoraussetzung. Das von T im Anschluss an den Auslandsaufenthalt durchgeführte Studium mit dem angestrebten Abschluss "Bachelor of Science in International Business Administration" fordert als Zulassungsvoraussetzungen nur den Nachweis eines bestimmten Schulabschlusses, wie des deutschen Abiturs, und den Nachweis ausreichender Englischkenntnisse. Lediglich in dem unter den Studienbewerbern durchgeführten Auswahlverfahren spielen eine vorausgehende internationale Ausbildung, ein internationaler Hintergrund und Auslandsaufenthalte eine Rolle. Da aber insoweit ein solcher Auslandsaufenthalt weder zwingend vorgesehen ist noch Art und Inhalt eines Auslandsaufenthalts näher spezifiziert und vorgeschrieben sind, ist eine Vergleichbarkeit zu dem vom BFH umschriebenen Fall des in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgesehenen Auslandsaufenthalts nicht gegeben. Die Durchführung des Auslandsaufenthalts an sich wird ebenso wie Inhalt und Ziel des Auslandsaufenthaltes nicht von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben, sondern dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen. Dass der durchgeführte Auslandsaufenthalt Fremdsprachenkenntnisse und Lebenserfahrung vermittelt, mag zwar für das Auswahlverfahren vorteilhaft sein. Eine solche Vorteilhaftigkeit von Auslandsaufenthalten ist jedoch heute bei einer Vielzahl von Berufen gegeben. Dies reicht nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht aus, um dem Auslandsaufenthalt Ausbildungscharakter zuzuweisen. Anderenfalls müsste jeder Au-Pair-Tätigkeit und auch längeren Auslandsaufenthalt bei Verwandten, Freunden etc. Ausbildungscharakter zugewiesen werden, weil auch hierdurch Auslandserfahrungen und Sprachkenntnisse erworben sowie Flexibilität, Anpassungsfähigkeit etc. belegt werden können. Ebenso kann eine Vielzahl von praktischen oder sozialen Tätigkeiten im Inland die Auswahlchancen in einem Studien- oder Berufsbewerbungsverfahren verbessern, ohne dass dadurch jeder dieser Tätigkeiten automatisch Ausbildungscharakter zuzuweisen wäre.

Auch im weiteren Verlauf des Studiums ist ein vorheriger Auslandsaufenthalt in der durchgeführten Form weder vorgeschrieben noch empfohlen. Nur für die Teilnahme an einem von der R-Universität durchgeführten Austauschprogramm mit einer anderen Universität ist die Präferenz/Motivation für einen bestimmten Austauschpartner vom Studierenden in einem Bewerbungsschreiben zu begründen. Insoweit können aber wiederum Auslandsaufenthalte jeder Art hilfreich sein, um im Sinne der Selektionskriterien der R- Universität Anpassungsfähigkeit, Aufgeschlossenheit, Verantwortungsbewusstsein, internationale Orientierung und Sprachkenntnisse nachzuweisen. Auch für die Teilnahme am Austauschprogramm sind weder Art noch Inhalt eines etwaigen vorangehenden Auslandsaufenthalts noch der Umfang der insoweit erworbenen Sprachkenntnisse vorgeschrieben oder empfohlen.

dd) Eine Begleitung des Auslandsaufenthalts durch einen theoretisch-systematischen Sprachunterricht lag nur in den Monaten August und September 2005 im erforderlichen Umfang vor. In diesen Monaten fand im Rahmen des vom X-Verein organisierten Orientierungsseminars eine dreiwöchige Sprachausbildung vom 22. August 2005 bis 9. September 2005 statt. Mit Ausnahme des Nachmittags des 24. August 2005 wurde ganztägig Sprachunterricht erteilt bzw. wurden fremdsprachenfördernde Aktivitäten unternommen (Gesprächsführung über soziale Themen etc.). Ausgehend von 7,5 Tagen zu je acht Stunden im August und 7 Tagen zu je 8 Stunden im September wurde in beiden Monaten durchschnittlich mehr als 10 Stunden wöchentlich Sprachunterricht erteilt. Die FK hat daher für diese Monate die Kindergeldfestsetzung zu Unrecht versagt.

Für die Monate Oktober 2005 bis Juli 2006 hat die Klin dagegen keinen theoretischsystematischen Sprachunterricht im erforderlichen Umfang nachgewiesen. Nach der Bestätigung der New Learning Academy vom 23. November 2005 betrug der von T privat genommene Spanischunterricht lediglich 2 Stunden pro Woche. Weiterer Spanischunterricht an einem privaten Spracheninstitut oder im Rahmen des Freiwilligenprogrammes wurde für diese Monate nicht nachgewiesen. Auch sind sonst keine besonderen Umstände wie ein besonders intensiver Einzelunterricht oder zusätzliche fremdsprachenfördernde Aktivitäten (Teilnahme an Vorlesungen, Halten von Vorträgen etc.) vorgetragen worden. Die bloße Sprachpraxis durch Aufenthalt im Land ist nicht als solche fremdsprachenfördernde Aktivität anzuerkennen, da ihr der Ausbildungscharakter fehlt. Auch wurde nicht dargelegt, dass der von T genommene private Sprachunterricht der üblichen Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss diente und T diesen Prüfungsabschluss anstrebte (insbesondere die vom Instituto Cervantes gemeinsam mit der Universität von Salamanca und dem spanischen Erziehungsministerium angebotenen und in Unternehmen und an Universitäten allgemein anerkannten DELE Sprachprüfungen auf folgenden Niveaus: CIE -Certificado Inicial de Español como Lengua Extranjera, DBE -Diploma Básico/Intermedio de Español como Lengua Extranjera, DSE -Diploma Superior de Español como Lengua Extranjera). Somit kann der Auslandsaufenthalt für die Monate Oktober 2005 bis Juli 2006 auch unter dem Gesichtspunkt der Sprachausbildung nicht als Berufsausbildung qualifiziert werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ende der Entscheidung

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