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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 10 K 390/06
Rechtsgebiete: AO 1977, EGAO


Vorschriften:

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2
EGAO Art. 97 § 9 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 390/06

In der Streitsache

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... ohne mündliche Verhandlung am 06. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob Verluste aus einem ausländischen Investmentfonds nach Bestandskraft der Einkommensteuer(ESt)bescheide durch Änderungsbescheide zu berücksichtigen sind.

I.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren zusammen zur ESt veranlagt.

Im Jahr 2000 erwarben beide Ehegatten Anteile der Luxemburger Investmentgesellschaft N.

Die Steuererklärungen der Jahre 2000 bis 2003 wurden jeweils unter Mitwirkung des Steuerberaters L angefertigt.

In ihrer ESt-Erklärung 2000 gaben die Kläger in der Anlage KAP positive und negative ausländische Kapitalerträge an. Der Kläger erklärte in seiner Anlage AUS ausländische Kapitalerträge aus Luxemburg (N: ./. 22 DM) und den USA (1.619 DM). Die Klägerin (Klin) erklärte in ihrer Anlage AUS nur ausländische Kapitalerträge aus Luxemburg (N: ./. 166 DM).

In der ESt-Erklärung 2001 gaben die Kläger in der Anlage KAP negative ausländische Kapitalerträge an. Der Kl erklärte in seiner Anlage AUS ausländische Kapitalerträge aus Luxemburg (N: ./. 5.317 DM) und den USA (960 DM). Die Klin erklärte in ihrer Anlage AUS nur ausländische Kapitalerträge aus Luxemburg (N: ./. 12.969 DM).

Im Streitjahr 2002 reichten die Kläger zwar eine Anlage KAP aber keine Anlagen AUS ein.

Das auf dem Mantelbogen vorgesehene Feld zu ausländischen Einkünften und Steuern enthielt keinen Eintrag. Die Anlage KAP wies neben inländischen Kapitalerträgen nur ausländische Kapitalerträge des Kl in Höhe von 70 EUR aus. Der Beklagte das Finanzamt (--FA--) setzte diese Kapitalerträge im ESt-Bescheid vom 22. Oktober 2003 erklärungsgemäß an. Mit Bescheid vom 29. Juni 2004 führte das FA gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) eine Änderung durch, die zu einer Erhöhung der festgesetzten ESt von ... EUR auf ... EUR führte. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Im weiteren Streitjahr 2003 reichten die Kläger --entsprechend den Angaben im Mantelbogen-- eine gemeinsame Anlage KAP und eine Anlage AUS für den Kl ein. Die Anlage KAP 3 wies neben inländischen Kapitalerträgen nur ausländische Kapitalerträge des Kl in Höhe von 59 EUR aus. In der Anlage AUS erklärte der Kl nur Einnahmen aus USA in Höhe von 29 EUR. Das FA setzte diese Kapitalerträge im ESt-Bescheid vom 26. Juli 2004 erklärungsgemäß an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 16. November 2004 beantragte L eine Änderung der ESt-Bescheide 2002 und 2003 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Im Einzelnen begehrte er eine Berücksichtigung ausschüttungsgleicher Erträge aus den N-Fondsanteilen in Höhe von ./. 42.109,09 EUR in 2002 und ./. 31.986,47 EUR in 2003. Zum Nachweis fügte er jeweils 2 Aufstellungen für das Geschäftsjahr 2002 vom 11. November 2004 und für das Geschäftsjahr 2003 vom 20. Oktober 2004 bei, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Zur weiteren Begründung seines Änderungsantrags führte L an, dass die notwendigen steuerlichen Angaben der N weder ihm noch den Klägern bei der Erstellung der ESt-Erklärungen und bei der Prüfung der ESt-Bescheide zur Verfügung gestanden hätten und somit auch der in § 18 Abs. 2 Auslandsinvestmentgesetz (AuslInvestmG) geforderte Nachweis der Besteuerung nicht habe erbracht werden können.

Das FA lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 17. Dezember 2004 ab und berief sich auf ein grobes Verschulden der Kl bzw. des L. Mit Bescheid vom 14. April 2005 führte das FA gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine Änderung des ESt-Bescheids 2003 durch, die zu einer geringeren Steuer führte. Den gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2004 erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Einkünfte aus dem N-Fonds seien als neue Tatsachen zu berücksichtigen. Das Unterlassen der Geltendmachung dieser Einkünfte in den ESt-Erklärungen bzw. in einem etwaigen Rechtsbehelfsverfahren stelle einen Fehler dar, der üblicherweise vorkommen könne und mit dem immer gerechnet werden müsse. Es sei lediglich vergessen worden, diese zum damaligen Zeitpunkt der Höhe nach noch unbekannten Einkünfte anzugeben. Ein grobes Verschulden der Kläger bzw. ihres steuerlichen Beraters sei hierin nicht zu erblicken. Aus der Höhe der Verluste könnten hinsichtlich des Grads der Nachlässigkeit keine Folgerungen gezogen werden, da diese den Klägern gerade nicht bekannt gewesen sei. Zudem hätte das FA bei nur dem Grunde nach erklärten Einkünften die Bescheide voraussichtlich nicht für vorläufig erklärt, so dass Einspruch eingelegt hätte werden müssen. Zweifelhaft sei auch, ob dann ein Ruhen des Verfahrens angeordnet worden 4 wäre. Jedenfalls hätte das FA ohne entsprechende Bescheinigungen geltend gemachte Verluste gemäß § 18 Abs. 2 AuslInvestmG nicht anerkannt. Zudem sei die Änderung auch wegen neuer Beweismittel gerechtfertigt. Ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Beweismittel liege nicht vor. Die vorgelegten Bescheinigungen stellten sowohl gemäß § 18 Abs. 2 als auch gemäß § 17 Abs. 3 AuslInvestmG eine materiellrechtliche Voraussetzung für die Anerkennung der negativen Einkünfte und damit rückwirkende Ereignisse dar. Die Änderung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO durch das Richtlinienumsetzungsgesetz (EURLUmsG vom 26. November 2004, BGBl. I 3310 [3323]) sei wegen verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung im Streitfall nicht anwendbar.

Die Kläger beantragen,

den ESt-Bescheid 2002 vom 29. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich negative Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 42.109,09 EUR berücksichtigt werden und den ESt-Bescheid 2003 vom 26. Juli 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich negative Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 31.986,47 EUR berücksichtigt werden;

hilfsweise

die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung weist es im Wesentlichen darauf hin, dass die Erklärung der entsprechenden Einkünfte dem Grunde nach jederzeit möglich gewesen wäre. Die Kläger hätten aufgrund der ihnen bekannten Verluste des Jahres 2001, der Performance des Fonds und der negativen Kursentwicklung mit weiteren Verlusten in den Streitjahren rechnen müssen. Die Mitteilung sei keine materielle Voraussetzung der Verlustanerkennung. Für die Frage, ob eine bloße Nachlässigkeit vorgelegen habe, sei insbesondere auch die Höhe der Verluste aus dem N-Fonds im Vergleich zu den übrigen erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Dem L sei die Beteiligung aus dem Jahr 2001 bekannt gewesen. Das Bestehen der Beteiligung habe auch ohne Vorliegen der Mitteilung festgestellt werden können.

Ein Verschulden des Beraters sei den Klägern zuzurechnen. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO greife nicht ein, da die betreffende Bescheinigung nur ein Beweismittel darstelle und daher mangels konstitutiver Wirkung ein rückwirkendes Ereignis ausscheide. Auf die Frage der 5 Verfassungsmäßigkeit des zeitlichen Anwendungsbereiches des § 175 Abs. 2 S. 2 AO komme es daher auch nicht an.

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung --FGO--).

II.

1. Der Senat legt die Klage --trotz des im Schriftsatz vom 30. April 2005 als Anfechtungsklage formulierten Klageantrags-- als Verpflichtungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 FGO aus. Die Klage richtet sich gegen den Ablehnungsbescheid vom 17. Dezember 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005. Gegenstand des Klageverfahrens ist daher der Ablehnungsbescheid (§ 155 Abs. 1 S. 3 AO) und nicht die ESt-Bescheide, deren Änderung im Ablehnungsbescheid versagt wurde (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Dezember 1990 I R 21/88, BFH/NV 1991, 785; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 173 AO Rz. 371; § 175 AO Rz. 62).

2. Die Klage ist unbegründet.

a) Ein Anspruch auf Erlass eines Änderungsbescheids ergibt sich nicht aus § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgrund Eintritts eines Ereignisses, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.

Dabei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob die von den Klägern vorgelegten Bescheinigungen dem Grunde nach ein rückwirkendes Ereignis im Sinne der genannten Vorschriften darstellen. Zwar tendiert der Senat einerseits dazu, dies innerhalb des Systems des AuslInvestmG anzunehmen, weil die Frage, ob und wenn ja, wann dem Steuerpflichtigen von der ausländischen Investmentgesellschaft die Höhe der ausschüttungsgleichen Erträge bekannt gemacht wurde, bzw. ob die Besteuerungsgrundlagen nachgewiesen wurden, zum abgabenrechtlichen Tatbestand der § 17 Abs. 3 Nr. 2, § 18 Abs. 1 - 3 AuslInvestmG gehört. Denn die Methode der Einkünfteermittlung hängt gerade von der Intensität der --insbesondere auch die Nachweispflichten umfassenden-- Mitwirkung der ausländischen Investmentgesellschaft bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ab (s. hierzu etwa BFH-Urteil vom 07. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786). Entsprechend können sich abhängig davon, ob es sich um einen sog. "weißen", "grauen" oder "schwarzen" Investmentfonds handelt, unterschiedliche Besteuerungsgrundlagen ergeben. Andererseits ist aber zweifelhaft, ob die im AuslInvestmG --gegenüber der Besteuerung von Erträgen aus inländischen Investmentfonds-- vorgesehenen Erweiterungen der steuerlichen Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung der europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) überhaupt zur Anwendung gelangen (vgl. hierzu Urteil des FG Berlin vom 08. Februar 2005 7 K 7396/02, EFG 2005, 1094). Dann kommt auch der Vorlage entsprechender Bescheinigungen keine materiell-rechtliche Bedeutung zu.

Jedenfalls wird aber durch die mit dem EURlUmsG in § 175 Abs. 2 S. 2 AO aufgenommene Neuregelung fingiert, dass die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nicht als rückwirkendes Ereignis gilt. Gemäß Art. 97 § 9 Abs. 3 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) ist § 175 Abs. 2 S. 2 AO in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3310) erstmals anzuwenden, wenn die Bescheinigung oder Bestätigung nach dem 28. Oktober 2004 vorgelegt oder erteilt wird. Im vorliegenden Fall wurden alle Bescheinigungen aber erst am 17. November 2004 vorgelegt. Damit greift § 175 Abs. 2 S. 2 AO bereits ein.

Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung/Rückanknüpfung vermag der Senat nicht zu erkennen. Eine Rechtsnorm entfaltet dann Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist. Rechtlich existent werden nach deutschem Staatsrecht Normen des geschriebenen Rechts mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung, das heißt regelmäßig im Zeitpunkt der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes. Die Anwendungsregelung des Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO knüpft zwar nicht an die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, sondern an die dritte Lesung im Bundestag an. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird ein etwaiges Vertrauen in den Fortbestand einer Regelung jedoch durch den Änderungsbeschluss des Bundestags zerstört (vgl. etwa BVerfG Beschluss vom 15. Oktober 1996 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64). Der endgültige Gesetzesbeschluss des Bundestages stellt einen wesentlichen Markstein auf dem Weg der Gesetzwerdung dar. Mit diesem Beschluss ist der wesentliche - wenn auch nicht der einzige und nicht der letzte - Unsicherheitsfaktor beseitigt, was das "Ob" und "Wie" der Neuregelung angeht. Von diesem Zeitpunkt an liegt das Zwischenergebnis des Gesetzgebungsverfahrens offen zutage und kann von jedem zur Kenntnis genommen werden. Steht damit - schon wegen der Mitwirkungsbefugnisse des Bundesrates - auch weder der Inhalt des künftigen Gesetzes fest, noch dass es überhaupt endgültig zustande kommen wird, so läuft es gleichwohl dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten 7 nicht zuwider, wenn von diesem Einschnitt an der Einzelne auf das künftige Fortbestehen der bisherigen Rechtslage jedenfalls nicht mehr vertrauen darf (BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200).

b) Ein Anspruch auf Erlass eines Änderungsbescheids ergibt sich auch nicht aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen und Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

Schreibt man den von den Klägern vorgelegten Bescheinigungen nur Beweismittelcharakter zu, handelt es sich bei den negativen Einkünften aus den von den Klägern gehaltenen Fondsanteilen um nachträglich bekannt gewordene steuermindernde Tatsachen.

Denn dem zuständigen Veranlagungsbeamten waren diese nach § 20 Abs. 1 Ziff. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 17 Abs. 1 bzw. § 18 Abs. 1, Abs. 3 AuslInvestmG (ggf. in europarechtskonformer Auslegung) zu erfassenden negativen Einkünfte bei der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für die Bescheide über ESt 2002 vom 22. Oktober 2003 und 29. Juni 2004 und ESt 2003 vom 26. Juli 2004 nicht bekannt.

Die Kläger haben das nachträgliche Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen jedoch grob verschuldet. Grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt. Insoweit ist auch der Zeitraum bis zur Bestandskraft des Bescheides einzubeziehen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 22. Mai 2006 VI R 17/05, BB 2006, 2056 m.w.N.). Dabei ist dem Steuerpflichtigen auch ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Der mit der Ausarbeitung der Steuererklärung betraute steuerliche Berater muss sich um eine sachgemäße und gewissenhafte Erfüllung der Erklärungspflicht seines Mandanten bemühen. Insoweit sind erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von diesem zu erwartenden Sorgfalt zu stellen.

Ihn trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln, wenn er bei der Abgabe der Steuererklärungen die ihm zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt. Letztlich soll sich der Steuerpflichtige, der für die Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung einzustehen hat, dieser Verantwortung nicht dadurch entziehen können, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (vgl. hierzu etwa 8 BFH-Urteile vom 25. November 1983 VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl II 1984, 256; und vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412).

Ein Fall grober Fahrlässigkeit liegt insbesondere vor, wenn der Steuerpflichtige bzw. sein steuerlicher Berater die Erklärungspflicht schlecht erfüllt, indem er unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgibt (BFH-Urteil vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75 m.w.N.). Denn der Steuerpflichtige hat gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO die Angaben in der Steuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Um die Steuererklärung vollständig und wahrheitsgemäß abgeben zu können, muss er das Erklärungsformular gewissenhaft durchlesen. Er handelt regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beantwortet (BFH-Urteil vom 4. Februar 1993 III R 78/91, BFH/NV 1993, 641). Als eigenes grobes Verschulden wird es einem Steuerpflichtigen auch angelastet, die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen zu haben, wenn dem Steuerpflichtigen ohne weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel vom steuerlichen Berater nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2).

Im vorliegenden Fall ist nach den genannten Grundsätzen von grober Fahrlässigkeit auszugehen.

Zum einen müssen sich die Kläger ein grobes Verschulden ihres steuerlichen Vertreters L zurechnen lassen. In der Anlage Kap wurde in den Streitjahren in Zeile 33 ausdrücklich die Frage nach Erträgen aus ausländischen Investmentanteilen gestellt. Zudem wurde in der Anlage AUS eine genaue Aufgliederung der ausländischen Einkünfte nach Quellenstaaten gefordert. L war aus den Vorjahren 2000 und 2001 bekannt, dass die Kläger Anteile an dem luxemburgischen N-Fonds hielten. Aus den Vorjahren war dem L auch bekannt, dass aus diesen Anteilen erhebliche Verluste entstehen konnten (in 2000 Kl ./. 22 DM ; Klin ./. 166 DM; in 2001: Kl ./. 5.317 DM; Klin ./.12.969 DM). L hätte daher anhand der ihm vorliegenden Unterlagen bzw. durch Rückfrage bei den Klägern überprüfen müssen, ob die Anteile in 2002 und 2003 von den Klägern noch gehalten wurden. Bereits aufgrund dieser Prüfung hätte L die Einkünfte zumindest dem Grunde und durch Rückfrage beim Anlagenvermittler bzw. bei der Fondsgesellschaft evtl. auch der Höhe nach erklären können. Auch wenn aber im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung die Höhe der Investmenterträge den Klägern und ihrem steuerlichen Vertreter noch nicht bekannt war und dies ggf. auch durch Rückfrage nicht aufklärbar gewesen sein sollte, hätte durch eine dem Grunde nach erfolgende Erklärung die Basis für weitere Ermittlungen des FA (vgl. Verfügung der OFD München/Nürnberg vom 25. März 2003, 9 IStR 2003, 393) bzw. eine Schätzung geschaffen werden können. Gegebenenfalls hätte das FA diese Frage auch durch verfahrensrechtliche Maßnahmen offen halten können.

Nach den vorliegenden Umständen kann auch nicht von einem Fehler ausgegangen werden, der üblicherweise vorkommt und mit dem immer wieder gerechnet werden muss (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. Februar 1998 XI R 47/97, BFH/NV 1998, 682). Die Kläger hatten im Bereich der Kapitaleinkünfte sehr übersichtliche Verhältnisse. In 2002 bezogen sie nur --in einer einzigen Jahressteuerbescheinigung der Sparkasse zusammengefasste-- inländische Kapitalerträge in Höhe von 2.211 EUR und ausländische Kapitalerträge in Höhe von 70 EUR. In 2003 bezogen sie ebenfalls nur inländische Kapitalerträge aus Spareinlagen in Höhe von insgesamt 1.612 EUR und aus einem Bausparvertrag in Höhe von 119 EUR sowie ausländische Kapitalerträge in Höhe von 59 EUR. Sowohl von der Anzahl der Kapitalanlagen im Allgemeinen und der ausländischen im Besonderen als auch von der wirtschaftlicher Bedeutung der Einkünfte aus den N-Fondsanteilen (Verluste in 2000: 188 DM; in 2001: 18.286 DM) musste das Fehlen der luxemburgischen Kapitalerträge dem steuerlichen Vertreter bei der gebotenen Sorgfalt sowohl bei der Erstellung der Steuererklärung als auch bei der Überprüfung der Bescheide ohne weiteres auffallen. Zudem muss es den Klägern auch als eigenes grobes Verschulden angelastet werden, dass sie die Steuererklärungen bei der Unterzeichnung nicht so genau durchgesehen haben, dass sie das Fehlen dieser Kapitalanlage feststellen konnten, obwohl ihnen dies unter den gegebenen Umständen ohne weiteres hätte auffallen müssen. Die Beschränkung der Änderungsmöglichkeit soll den Steuerpflichtigen von vornherein dazu anhalten, seine Erklärungs- und Mitwirkungspflichten mit der gebotenen Sorgfalt zu erfüllen (BFH in BFH/NV 1998, 682). Gerade im Bereich der ausländischen Kapitaleinkünfte bestünde sonst auch die Gefahr, dass Kapitalanlagen/-erträge zunächst unter Berufung auf fehlende Bescheinigungen nicht angegeben und nur im Verlustfall nacherklärt werden.

c) Ein Anspruch auf Erlass eines Änderungsbescheids ergibt sich auch nicht aufgrund nachträglich bekannt gewordener Beweismittel im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, soweit man den Bescheinigungen nur Beweismittelcharakter zumisst. Denn dies würde nach der ständigen Rechtsprechung des BFH voraussetzen, dass das Beweismittel im Zeitpunkt der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung bereits vorhanden und nur nicht bekannt war. Erst danach ausgestellte Bescheinigungen fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (BFH-Urteile vom 25. Februar 2003 VIII R 98/01, DStRE 2003, 949; und vom 26. Oktober 1988 II R 55/86, BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75). Im vorliegenden Fall datieren die Bescheinigungen vom 20. Oktober 2004 bzw. 11. November 2004 und können daher im Zeitpunkt der ursprünglichen Verwaltungsentscheidungen über die Bescheide zur ESt 2002 vom 22. Oktober 2003 und 29. Juni 2004 10 und zur ESt 2003 vom 26. Juli 2004 noch nicht vorhanden gewesen sein.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.



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