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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 21.11.2007
Aktenzeichen: 10 K 421/07
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 421/07

Einkommensteuer 2003

In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

...

sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 21. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob die Einspruchsfrist versäumt wurde.

I. Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Da die Kläger trotz zweimaliger Erinnerung (vom 16.03.2005 und 21.04.2005) eine Steuererklärung nicht abgaben, schätze der Beklagte (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen.

Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Bescheid vom 21.07.2005 setzte das FA die ESt auf 10.977 EUR fest. Aufgrund einer Prüfungsmitteilung der Lohnsteueraußenprüfung berücksichtigte das FA weitere Einkünfte des Kl aus Übungsleitertätigkeit.

Mit an die Kläger adressiertem Änderungsbescheid vom 22.05.2006 wurde die ESt auf 12.965 EUR erhöht und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Hiergegen erhob der steuerliche Berater mit beim FA am 14.07.2006 eingegangenem Schreiben Einspruch und legte die ESt-Erklärung der Kläger vor. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02.01.2007 wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der ESt-Bescheid vom 22.05.2006 sei den Klägern erst am 19.06.2006 zugegangen. Dies ergebe sich aus einem Protokoll des Faxgerätes des Klägers, das eine Sendung an den steuerlichen Berater vom 19.06.2006 belege. Zudem könnten Mitarbeiterinnen des steuerlichen Beraters und dieser selbst bestätigen, dass der Kl am Zugangstag mit der Kanzlei telefoniert habe. Dies sei auch plausibel, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Kl einen Steuerbescheid mit einer Nachzahlung in Höhe von 6.083,21 EUR wochenlang liegen lassen. Zudem seien die ESt-Bescheide seit 2002 dem steuerlichen Berater zuzustellen gewesen, was sich aus dem entsprechenden Vermerk in den ESt-Erklärungen 2002 und 2003 ergebe.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den ESt-Bescheid vom 22.05.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.01.2007 dahingehend abzuändern, dass die ESt auf 2.420 EUR herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen darauf, dass von den Klägern keine Tatsachen vorgetragen wurden, die den Schluss zuließen, der Zugang des Bescheides vom 22.05.2006 könnte außerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) erfolgt sein.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 05.02.2007 und 10.05.2007 und des FA vom 27.02.2007 und 22.05.2007 Bezug genommen.

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. 1. Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 22.05.2006 hat infolge Versäumung der Einspruchsfrist Bestandskraft erlangt.

a) Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO).

Bestreitet der Steuerpflichtige nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt, sondern behauptet er lediglich, es nicht innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO erhalten zu haben, so hat er nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 27.11.2002 X R 17/01, BFH/NV 2003, 586) sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen.

Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische --Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post-- ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Es genügt nicht schon einfaches Bestreiten, um die gesetzliche Vermutung über den Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks zu entkräften. Es müssen vielmehr Zweifel berechtigt sein, sei es nach den Umständen des Falles, sei es nach dem schlüssig oder jedenfalls vernünftig begründeten Vorbringen des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 03.05.2001 III R 56/98 BFH/NV 2001, 1356).

b) Im vorliegenden Fall haben die Kläger dagegen nicht substantiiert Tatsachen vorgetragen, die einen vom typischen Sachverhalt abweichenden Geschehensablauf ernsthaft in Betracht kommen lassen.

Der Bescheid vom 22.05.2006 wurde maschinell erstellt. Anhaltspunkte dafür, dass das Bescheidsdatum nicht mit dem Datum der Aufgabe zur Post übereinstimmt, sind weder aus der Akte ersichtlich noch von den Klägern vorgetragen worden. Insbesondere wurde auch nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass sich aus dem den Bescheid enthaltenden Briefumschlag ein abweichender Aufgabezeitpunkt ergibt.

Aus dem Vortrag der Kläger ergibt sich nur, dass der Bescheid vom 22.05.2006 ihnen erst am 19.06.2006 zugegangen sein soll. Tastsachen, die für diesen Geschehensablauf sprechen, wurden jedoch nicht vorgetragen. Das vorgelegte Faxprotokoll belegt allenfalls, dass am 19.06.2006 etwas an den steuerlichen Berater übersandt wurde. Dass dies der Steuerbescheid vom 22.05.2006 war, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man aber als richtig unterstellt, dass an diesem Tag der Steuerbescheid an den steuerlichen Berater gefaxt wurde, ergibt sich daraus kein Hinweis darauf, dass der Bescheid den Klägern auch erst an diesem Tag zugegangen ist. Ebenso ergäbe sich --auch wenn man unterstellt, dass die Behauptung, der Kläger habe am 19.06.2006 telefonisch mit dem steuerlichen Berater und/oder seinen Mitarbeitern über den Bescheid gesprochen-- zutrifft, kein Hinweis auf einen tatsächlich außerhalb des Dreitageszeitraums liegenden Zugangszeitpunkt.

Auch sprechen Plausibilitätserwägungen nicht dafür, den Klägervortrag ernsthaft als zutreffend in Betracht zu ziehen. Dass die Kläger in ihren steuerlichen Angelegenheiten nicht die notwendige Sorgfalt walten lassen, ergibt sich bereits daraus, dass sie im Streitjahr, ebenso wie im Veranlagungszeitraum 2002, eine Steuererklärung erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Schätzungsbescheid vorgelegt haben.

Ebenso ist das an das FA gerichtete Schreiben der Kläger, das das Datum vom 30.06.2006 trägt, erst zusammen mit dem Einspruch des steuerlichen Beraters am 14.07.2006 beim FA eingegangen. Wäre der Bescheid den Klägern tatsächlich erst am 19.06.2006 zugegangen, hätte es nahe gelegen, das FA sofort über die Zugangsverzögerung zu informieren. Gegen die Darstellung der Kläger spricht weiter, dass selbst der steuerliche Berater trotz der behaupteten Übermittlung des Bescheids am 19.06.2006 nicht sofort Einspruch eingelegt hat. Anhand des Bescheidsdatums war erkennbar, dass dieser bis spätestens 26.05.2006 zugegangen gewesen sein sollte. Da somit am 19.06.2006 die Einspruchsfrist in jedem Fall noch nicht abgelaufen war, hätte ein die Frist wahrender Einspruch nahe gelegen. Tatsächlich wurde das Einspruchsschreiben dagegen erst am 13.07.2006 gefertigt. Die Behauptungen der Kläger sind daher auch nicht schlüssig.

Da somit keine Tatsachen vorgetragen wurden, die Zweifel gegen die Dreitagesvermutung begründen, muss der Vortrag der Kläger als nicht ausreichendes, schlichtes Bestreiten des rechtzeitigen Zugangs gewertet werden.

c) Ein fehlender oder zu einem nach Ablauf des Dreitageszeitraums erfolgter Zugang des Bescheids ergibt sich auch nicht aus der behaupteten Missachtung der Empfangsvollmacht für den steuerlichen Berater der Kläger. Denn das Vorliegen einer solchen Empfangsvollmacht hinsichtlich des Bescheids vom 22.05.2006 wurde bereits nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die Empfangsvollmacht in der ESt-Erklärung 2002 vom 13.05.2002 bezog sich nur auf den ESt-Bescheid 2002 (s. zum Umfang der auf dem Mantelbogen der ESt-Erklärung enthaltenen Empfangsvollmacht BFH-Beschluss vom 16.01.2001 XI B 14/99, BFH/NV 2001, 888). Die Empfangsvollmacht in der ESt-Erklärung 2003 vom 13.07.2006 ist dem FA erst nach Erlass des Schätzungsbescheids vom 22.05.2006 zugegangen und konnte daher noch nicht berücksichtigt werden. Eine anderweitig generell oder vor Erlass des Bescheids speziell erteilte Empfangsvollmacht haben die Kläger weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen.

d) Da somit die Dreitagesvermutung Anwendung findet, ist --wegen gesetzlichen Feiertags am 25.05.2006-- von einer Bekanntgabe des Bescheids am 26.05.2006 auszugehen.

Die einmonatige Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 S. 1 AO endete daher mit Ablauf des 26.06.2006 (§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

Der erst am 14.07.2006 beim FA eingegangene Einspruch war verspätet.

e) Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 110 Abs. 1 S. 1 AO wurden weder vorgetragen noch sind sie anderweitig ersichtlich. Jedenfalls müssten sich die Kläger das Verschulden ihres steuerlichen Beraters zurechnen lassen, der --bei unterstellter Richtigkeit des klägerischen Vortrags-- durch unverzügliche Einspruchseinlegung die Fristversäumung hätte verhindern können.

f) Die Voraussetzungen einer die Bestandskraft durchbrechenden Änderungsnorm liegen nicht vor. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst b AO greift nicht ein, da der Änderungsantrag erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gestellt wurde. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO liegen ebenfalls nicht vor, da die Kläger trotz zweifacher Aufforderung ihre Steuererklärung nicht rechtzeitig abgegeben haben und Entschuldigungsgründe hierfür weder dargelegt noch unter Beweis gestellt haben. Dies ist als grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu werten (vgl. etwa BFH-Urteil vom 28.03.1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120).

Ist ein Verwaltungsakt bestandskräftig, ist die Klage schon aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen (BFH-Urteil vom 20.09.1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl. II 1990, 177).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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