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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 10 K 4917/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 74 Abs. 1 S. 1
EStG § 74 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 4917/06

Kindergeld für M

Abzweigung für den Zeitraum Mai 2002 bis Juli 2004

In der Streitsache

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2006 wird insoweit aufgehoben, als die Abzweigung des Kindergeldes für M für die Monate Mai 2002 bis Juli 2004 abgelehnt wurde.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.

5. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

Streitig ist, ob eine Abzweigung von Kindergeld an eine Unterhalt gewährende Stelle erfolgen kann.

I.

Der am ...1986 geborene M war seit 08. April 2002 auf Antrag seines beigeladenen Vaters, im Förderungswerk D und ab August 2004 in der Jugendhilfeeinrichtung A untergebracht und erhielt dort auf Kosten des Landkreises Jugendhilfe gemäß §§ 27, 41, 34 Sozialgesetzbuch SGB-Teil VIII in Form von Hilfe zur Erziehung. Weder der Beigeladene noch die Mutter des M wurden zu den Kosten der Jugendhilfe herangezogen.

Den vom Landkreis mit Schreiben vom 17. April 2002 gestellten Antrag auf Abzweigung des Kindergelds für M lehnte die Beklagte (im Folgenden: Familienkasse --FK--) mit Bescheid vom 30. Januar 2003 ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass keine Verletzung der Unterhaltspflicht vorliege. Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 12. August 2003 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung führte die FK ergänzend aus, dass eine Abzweigung ausscheide, weil der Beigeladene mindestens in Höhe des Kindergelds Unterhalt an M leiste. Aufgrund des hiergegen unter dem Az. 10 K 3849/05 geführten Klageverfahrens hat der erkennende Senat mit Urteil vom 26. Oktober 2005 den Bescheid vom 30. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. August 2003 wegen Ermessensfehlern aufgehoben, soweit die Abzweigung von Kindergeld ab 01. Mai 2002 abgelehnt wurde, und die FK verpflichtet, den Landkreis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Die FK forderte daraufhin den Beigeladenen mit Schreiben vom 10. Mai 2006 zu weiteren Angaben hinsichtlich seiner Wohnraumsituation, den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und den für M aufgebrachten Unterhaltsleistungen auf. Dieser erklärte, dass er für Heimfahrten des M Fahrkarten gezahlt habe, soweit diese Kosten nicht vom Heim bezahlt worden seien, M verköstigt und ihm Taschengeld gegeben habe. Zur Wohnraumsituation gab er an, dass er mit M und zwei weiteren Kindern in der Wohnung lebe. Des Weiteren legte er Bewilligungsbescheide über Arbeitslosengeld/-hilfe und Wohngeld und einen Teil seines Mietvertrags vor. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Daraufhin berechnete die FK auf der Grundlage zweier Bescheinigungen der Jugendhilfeeinrichtungen vom 06. Juli 2005 über die Aufenthaltszeiten des M beim Beigeladenen die Verpflegungs- und Unterkunftsaufwendungen nach der Sachbezugsverordnung. Zugrunde gelegt wurden Tagessätze für Verpflegung und Unterkunft von 12,64 EUR (2002), 12,85 EUR (2003) und 12,98 EUR (2004). Ferner berechnete die FK die nicht von der Einrichtung getragenen Fahrtkosten unter Zugrundelegung der tatsächlich gefahrenen Fahrtstrecke und der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 Einkommensteuergesetz --EStG--(einfache Fahrtstrecke 80 km/30 km x 2 x 0,36 EUR/0,40 EUR). Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass der Beigeladene nur in der Zeit von August 2004 bis Februar 2005 keine Unterhaltsleistungen in Höhe des monatlichen Kindergeldes erbracht hat. Für die Zeiträume April bis Dezember 2002, Januar bis Dezember 2003 und Januar bis Juli 2004 errechnete sie durchschnittliche monatliche Unterhaltsleistungen von über 154 EUR. Mit Bescheid vom 14. November 2006 gab die FK dem Abzweigungsantrag für den Zeitraum August 2004 bis Februar 2005 in vollem Umfang statt. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2006 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung wies sie darauf hin, dass die fiktiv nach Sachbezugswerten und der Entfernungspauschale ermittelten Unterhaltsleistungen für die restlichen Monate (Mai 2002 bis Juli 2004) durchschnittlich den monatlichen Kindergeldbetrag überschritten hätten.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung trägt der Landkreis im Wesentlichen vor, dass die tatsächlichen Unterhaltsleistungen nach wie vor nicht von der FK festgestellt worden seien. Der Ansatz der Entfernungspauschale sei ungeeignet, da die tatsächlichen Kosten der stets mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführten Fahrten bekannt seien. Da M 31,6% der Tage des streitgegenständlichen Zeitraums beim Beigeladenen verbracht habe der Beigeladene Teile der Fahrtkosten getragen habe, bestehe für den Beigeladenen hinsichtlich des Gesamtkindergelds für diesen Zeitraum (4.158 EUR) nur ein Anspruch auf 31,6% (1.313,93 EUR + tatsächliche Fahrtkosten 182,70 EUR = 1.497 EUR). Der Restbetrag in Höhe von 2.661 EUR sei an den Landkreis abzuzweigen.

Der Landkreis beantragt,

den Bescheid vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2006 insoweit aufzuheben, als die Abzweigung des Kindergeldes für M abgelehnt wurde, und die FK zu verpflichten, für die Monate Mai 2002 bis Juli 2004 Kindergeld in Höhe von 2.661 EUR an den Landkreis abzuzweigen.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Unterkunfts-, Verpflegungs-, und Betreuungsleistungen des Beigeladenen zu berücksichtigen seien und dabei mit zu prüfen sei, ob die Leistungen des Landkreises den gesamten Bedarf des M auch an den Wochenenden und in den Ferien gedeckt hätten.

Der Beigeladene

hat keinen Antrag gestellt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze des Landkreises vom 21. Dezember 2006, 25. Januar 2007 und 09. Mai 2007 sowie die Schriftsätze der FK vom 26.04.2007 und 14. Mai 2007 und auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

II.

1. Es war für den Senat nicht geboten, aufgrund des Anrufes der Mutter des Beigeladenen vom 12. Dezember 2007 den Termin aufzuheben oder zu verlegen bzw. die mündliche Verhandlung zu vertagen. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht aus erheblichen Gründen einen Termin aufheben oder verlegen bzw. eine mündliche Verhandlung vertagen. Auf Verlangen des Gerichts sind die erheblichen Gründe nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene bereits keine Aufhebung bzw. Verlegung des Termins beantragt. Eine telefonische Rückfrage des Berichterstatters bei der Mutter des Beigeladenen war nicht möglich, da diese unter der angegebenen Telefonnummer nicht erreichbar war. Zudem wurde bereits in der dem Beigeladenen zugestellten Ladung darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben des Beigeladenen auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden kann und dass Gründe für eine eventuelle Aufhebung und Verlegung des Termins mit dem Antrag glaubhaft zu machen sind. Der Anruf der Mutter des Beigeladenen in der Geschäftsstelle des Senats genügt nicht den Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (vgl. etwa Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH--vom26.08.1999 X B 58/99, BFH/NV 2000, 441; vom 24.02.2005 X S 3/05, in [...]; und vom 22.07.2005, BFH/NV 2005, 2219).

2. Die Klage ist teilweise begründet, da die FK ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Gemäß § 74 Abs. 1 S. 1 und S. 3 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte, seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt, mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer als das Kindergeld ist. Die Auszahlung kann nach § 74 Abs. 1 S. 4 EStG auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

Soweit die Behörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht gemäß § 102 S. 1 FGO nur, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Behörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen (§ 102 S. 2 FGO). Insbesondere setzt eine fehlerfreie Ermessensentscheidung voraus, dass die Behörde ihre Entscheidung auf der Grundlage des einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts trifft und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 1972 VII R 80/69, BFHE 105, 220, BStBl II 1972, 544 undvom 22. Juni 1990 III R 150/85, BFHE 161, 4, BStBl II 1991, 864, Tipke/Kruse, § 102 FGO Rz. 5).

3. Im vorliegenden Fall ist die FK zwar zu Recht davon ausgegangen, dass dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 74 Abs. 1 EStG erfüllt sind. Der Beigeladene ist als Vater des M diesem gegenüber gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet (§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch --BGB--), da dieser sich nicht selbst unterhalten kann. Der Unterhaltsanspruch umfasst den gesamten Lebensbedarf (§ 1610 Abs. 2 BGB) und damit insbesondere auch die Kosten des Erziehungsunterhalts wegen freiwillig oder aufgrund staatlicher Eingriffe in Anspruch genommener fremder Hilfe (Palandt, Kommentar zum BGB, 66. Aufl. 2007, § 1610 Rz. 17). Der Beigeladene ist dieser Unterhaltspflicht nicht nachgekommen, da er objektiv und dauerhaft für den wesentlichen Unterhalt des M nicht aufgekommen ist. Ob er seine Unterhaltspflicht schuldhaft verletzt hat oder mangels Leistungsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt Unterhalt leisten kann, ist gleichgültig, da § 74 Abs. 1 S. 1 und S. 3 EStG für jede dieser Fallkonstellationen die Abzweigung in das Ermessen der FK stellt.

4. Der Umfang, in dem der Beigeladene tatsächlich Unterhalt geleistet hat, ist bei der Entscheidung darüber, ob und ggf. in welcher Höhe eine Abzweigung zu erfolgen hat, von der FK zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2006 III R 65/04, BFHE 212, 481). Insoweit hat jedoch die FK ihre Ermessensentscheidung auf der Grundlage eines fehlerhaft festgestellten Sachverhalts getroffen.

a) Von einem fehlerhaften Sachverhalt ist die FK insoweit ausgegangen, als sie hinsichtlich der vom Beigeladenen erbrachten Unterhaltsleistungen auf eine Durchschnittsberechnung über einen mehrere Monate umfassenden Zeitraum abgestellt hat. Dabei hat sie in 2002 Leistungen für neun Monate (April bis Dezember) angesetzt und den Gesamtbetrag dann auf acht Monate aufgeteilt. In 2003 hat sie den Durchschnittsbetrag für das Kalenderjahr errechnet. In 2004 hat die FK die Monate August bis Dezember, in denen M den Beigeladenen nur an wenigen Tagen besucht hat, von der Berechnung ausgeklammert und einen Durchschnittsbetrag nur für die Monate Januar bis Juli berechnet. Diese Art der Berechnung der Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten verstößt gegen das für das Kindergeld geltende Monatsprinzip. Nach § 74 Abs. 1 S. 1 EStG kann das nach § 66 Abs. 1 EStG festgesetzte Kindergeld abgezweigt werden. Nach § 66 Abs. 1, § 71 EStG wird das Kindergeld aber für den einzelnen Monat festgesetzt und ausgezahlt (vgl. zur Geltung des Monatsprinzips für das Kindergeld auch BFH-Urteil vom 16. Dezember 2002 VIII R 65/99, BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593). Ebenso bezieht sich § 74 Abs. 1 S. 3 2. Alt. EStG ("Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld") auf eine Gegenüberstellung zwischen monatlich geschuldetem Unterhalt (§ 1612 Abs. 3 BGB) und monatlich zur Auszahlung kommendem Kindergeld. Entsprechend wird auch in der Rechtsprechung des BFH (vgl. hierzu etwa BFH-Urteil vom 17. Februar 2004 VIII R 58/03, BFHE 206, 1; BFH-Beschluss vom 17. November 2004 VIII R 30/04, BFH/NV 2005, 692; ebenso Greite FR 2006, 896) darauf abgestellt, in welcher Höhe der Kindergeldberechtigte seiner Unterhaltspflicht nachkommt und in welcher Höhe die Auszahlung von Kindergeld in Betracht kommt. Das Abstellen auf den Kalendermonat ist auch aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Vermeidung der Gefahr von Ermessensfehlgebräuchen erforderlich. Anderenfalls bestünde die Möglichkeit, dass durch willkürliche Festlegung des der Durchschnittsberechnung zugrunde gelegten Unterhaltszeitraums (mehrere Monate, ein Kalender-/Jahr, mehrere Kalender-/Jahre) das Ergebnis der Durchschnittsberechnung vorgeprägt wird und dadurch mit dem Sinn und Zweck der Ermessensentscheidung nicht in Zusammenhang stehende Erwägungen --wie beispielsweise die Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruches gegen den Kindergeldberechtigten, bei trotz Abzweigungsantrags erfolgter Auszahlung--in die Entscheidung einfließen.

b) Fehlerhaft ist die Sachverhaltsfeststellung auch in Bezug auf die vom Beigeladenen für M bezahlten Fahrtkosten. Der Beigeladene hat nach eigenen Angaben (s. Schreiben vom 25. Juni 2006) Fahrkarten für M bezahlt, soweit diese Kosten nicht vom Heim getragen wurden. Die tatsächlichen Fahrkartenkosten waren aufgrund des Schreibens des Landkreises vom 11. Juli 2005 bekannt. Für eine gesetzlich nicht zwingend vorgesehene Pauschalierung besteht nur ein Bedürfnis, wenn die tatsächlichen Kosten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln sind. Dies war vorliegend nicht der Fall. Die FK durfte daher nicht die um ca. 100% über den ihr bekannten tatsächlichen Kosten liegenden Pauschalen anwenden.

c) Fehlerhaft ist die Sachverhaltsfeststellung auch hinsichtlich der angesetzten Unterkunftskosten. Auch hier ist die FK von pauschalierten Werten ausgegangen. Dabei hat sie aber den höchst möglichen Wert für eine einem Arbeitnehmer durch seinen Arbeitgeber überlassene Unterkunft nach § 3 der Sachbezugsverordnung (SachBezV) zugrunde gelegt. Zwar ist nach Überzeugung des Senats grundsätzlich eine Pauschalierung nach Sachbezugswerten als zulässig zu erachten, wenn die tatsächlichen Unterkunftskosten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln sind. Denn es ist davon auszugehen, dass sich in diesen Regeln in der Praxis gewonnene Erfahrungswerte niedergeschlagen haben. Allerdings sind dann die Werte anzusetzen, die der tatsächlichen Sachverhaltskonstellation am nächsten kommen. So ist im vorliegenden Fall nach § 3 Abs. 2 SachBezV zu berücksichtigen (vgl. hierzu die Berechnungsbeispiele in Hartz, Meeßen, Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort Sachbezugsverordnung Rz. 27), dass M in den Haushalt des Vaters bzw. eine Art Gemeinschaftsunterkunft aufgenommen war (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 SachBezV: Abzug 15%) und dass er erst im Juni 2004 das 18. Lebensjahr vollendete (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 SachBezV: Abzug 15%). Ferner müsste noch berücksichtigt werden, dass M mit weiteren Personen in einem Zimmer untergebracht gewesen sein muss, da die 3-Zimmerwohnung nach Aktenlage von 5 Personen (Beigeladener, 3 Kinder, weitere Person, möglicherweise Lebensgefährtin des Beigeladenen; s. hierzu Berechnungsblatt für Mietzuschuss 2002/2003) bewohnt wurde (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 SachBezV: Abzug 40% -60%). Alternativ würde der Senat bei Feststellung der tatsächlichen Wohnkosten unter den gegebenen Umständen (2 Erwachsene und 3 Kinder in 3-Zimmerwohnung, bei nur vorübergehendem Aufenthalt des weit überwiegend im Heim untergebrachten Kindes) auch einen Ansatz von 10% der tatsächlichen Wohnkosten als angemessenen Basiswert für die Berechnung der Tageswerts der Unterkunftsleistungen ansehen.

d) Für unzutreffend erachtet der Senat auch den Ansatz der vollen Sachbezugswerte für unentgeltlich dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellte Verpflegung, da diese Werte auf die übliche Arbeitgeber - Arbeitnehmerkonstellation zugeschnitten sind (z.B. Kantinenverpflegung). Es ist daher davon auszugehen, dass hierin erhebliche Lohnkosten- und Gemeinkostenanteile für die zur Verpflegungszubereitung und im Service eingesetzten Arbeitskräfte und Einrichtungen (Kantine etc.) enthalten sind. Diese Kosten fallen im Privathaushalt auch unter Berücksichtigung der dort in diesem Zusammenhang erbrachten immateriellen Betreuungsleistungen nicht in vergleichbarem Umfang an bzw. sind sie bereits über den Unterkunftsaufwand berücksichtigt. Der Senat hält danach aus Vereinfachungsgründen den Ansatz von 60% des amtlichen Sachbezugswerts für freie Verpflegung für angemessen (z.B. für 2003: 60% von 195,80 EUR = 117,48 EUR). Der Senat hat bei der Bemessung dieses prozentualen Anteils insbesondere auch den Anteil des Verpflegungsaufwands im Rahmen der Bemessung des Eckregelsatzes nach der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII (Regelsatzverordnung) (vgl. hierzu Bundesrats-Drucksache 206/1/04 Erläuterungen zu § 4 Regelsatzverordnung: Danach beträgt der Anteil für Verpflegung im Rahmen des Eckregelsatzes ca. 40%, d.h. bei einem Regelsatz für M von 256 EUR ist der Verpflegungsanteil mit ca. 102 EUR anzusetzen) und den mit der Verpflegung zusammenhängenden immateriellen Aufwand berücksichtigt.

5. Ein Fall der Ermessensreduktion auf Null im Sinne der vom Landkreis begehrten anteiligen Abzweigung des Kindergelds scheidet schon deswegen aus, weil die FK den für die Ermessensentscheidung maßgeblichen Sachverhalt noch nicht hinreichend ermittelt und festgestellt hat. Überdies findet auch die vom Landkreis begehrte zeitanteilige Aufteilung des Kindergelds (zzgl. der Berücksichtigung der vom Beigeladenen getragen Fahrtkosten) keine Grundlage im Gesetz. Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei der Entscheidung über die Abzweigung darauf abzustellen, in welchem Umfang der Kindergeldberechtigte Unterhaltsleistungen erbringt. Eine Abzweigung scheidet nach dem aus § 74 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 EStG gezogenen Umkehrschluss aus, wenn der Kindergeldberechtigte Unterhaltsleistungen in Höhe des Kindergeldes oder darüber hinaus erbringt (BFH-Urteil in BFHE 212, 481). Eine Abzweigung kommt daher auch für den Fall, dass das Kind den weit überwiegenden Teil des Monats im Heim verbringt, nicht in Betracht, wenn der Kindergeldberechtigte während des Aufenthalts des Kindes in seinem Haushalt Unterhaltsleistungen in Höhe des Kindergeldes oder darüber hinaus erbringt.

6. Da die teils fehlenden und teils fehlerhaften Tatsachenfeststellungen weder im Rahmen der Ergänzung von Ermessenserwägungen gemäß § 102 S. 2 FGO nachgeholt werden können (Tipke/Kruse § 102 FGO, Rz. 102 m.w.N.) noch der Senat im Rahmen seiner durch § 102 S. 1 FGO beschränkten Prüfungsbefugnis diese Tatsachenfeststellungen nachholen kann, wird die FK verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Abzweigungsantrag zu entscheiden. Dabei kann auch berücksichtigt werden, dass der BFH mit Rücksicht auf die im Massenfallgeschäft aufwändige Feststellung der tatsächlich getragenen Unterhaltsleistungen im genannten Urteil (in BFHE 212, 481) --in einem nach den tatsächlichen Feststellungen des FG München (Urteil vom 21. April 2004 9 K 1018/04, EFG 2004, 1543) aus Sicht des erkennenden Senats vergleichbaren Fall (Stellung von Unterkunft, Fahrtkosten und Urlaubkosten, Teilnahme an Elterntagungen)--eine pauschale Bewertung der Unterhaltsleistungen für zulässig und eine in einem solchen Fall vorzunehmende hälftige Abzweigung des Kindergelds für nicht ermessensfehlerhaft erachtet hat. Sofern die FK die tatsächlichen Unterhaltsleistungen unter Berücksichtigung der vom erkennenden Senat an die Hand gegebenen Pauschalierungsmöglichkeiten exakter bestimmen kann, wird jedenfalls eine Abzweigungsentscheidung nach der das Kindergeld abzüglich der Unterhaltsleistungen des Beigeladenen abgezweigt wird, nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden können (s. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 692 a.E. und Greite FR 2006, 897).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Da der Landkreis nicht mit seinem vollen Verpflichtungsbegehren im Sinne des § 101 Satz 1 FGO durchgedrungen ist, sondern nur ein Bescheidungsurteil gemäß § 101 Satz 2 FGO ergeht, erscheint es dem Senat angemessen, die Kosten des Verfahrens dem Landkreis und der FK je zur Hälfte aufzuerlegen. Es war nicht geboten, dem Beigeladenen Kosten aufzuerlegen, da dieser selbst keine Anträge gestellt hat (§ 135 Abs. 3 FGO). Ebenso bestand keine Notwendigkeit die Erstattung außergerichtlicher Aufwendungen anzuordnen (§ 139 Abs. 4 FGO).

8. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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