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Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 10 V 4279/06
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 69 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 V 4279/06

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Gewerbesteuermessbetrag 2000

In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

ohne mündliche Verhandlung am 14. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz --EStG--(sog. Abfärbewirkung) auszusetzen ist.

I. Die Antragstellerin (AStin) ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Sie reichte für das Streitjahr eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung ein und fügte dieser eine Einnahmen/ Ausgabenrechnung bei, die die Geschäftstätigkeit mit Wohnungsverwaltung sowie Vermietung und Verpachtung im Privatvermögen bezeichnete. Nachdem der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) diese Einkünfte erklärungsgemäß --unter Vorbehalt der Nachprüfung--als solche aus Vermietung und Verpachtung festgestellt hatte, wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte dabei fest, dass die AStin mit der X-Immobilien-Verwaltungs GmbH einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen hatte. Der Prüfer wertete dies --was zwischen den Beteiligten unstrittig ist--als gewerbliche Tätigkeit der AStin. Als Folge hieraus leitete er jedoch auch ab, dass wegen dieses Teils der Geschäftstätigkeit die Einkünfte in vollem Umfang als gewerblich zu qualifizieren sind. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers und setzte mit Bescheid vom 04. September 2006 einen Gewerbesteuermessbetrag für 2000 in Höhe von ... EUR (= ... DM) fest. Über den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch hat das FA bislang noch nicht entschieden.

Den im Einspruchsverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 ab.

Mit dem vorliegenden Antrag hält die AStin an ihrem Begehren auf Aussetzung der Vollziehung fest. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die Vorlagebeschlüsse des Finanzgerichts Niedersachsen vom 21. April 2004 (Az.: 4 K 317/91, EFG 2004, 1065) und vom 14. April 2005 (Az.: 4 K 317/91, EFG 2005, 1417) und die darin angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abfärberegelung.

Die AStin beantragt,

den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2000 vom 04. September 2006 in Höhe von ... EUR (= ... DM) von der Vollziehung auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist es auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-und den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Oktober 2004 (2 BvR 246/98, BFH/NV 2005, Beilage 3, 259). Zudem sei selbst im Falle einer Verfassungswidrigkeit nicht mit einer rückwirkenden Nichtigerklärung zu rechnen.

Im Übrigen wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die Akten Bezug genommen.

II. Der Antrag ist unbegründet.

Nach § 69 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO soll das Finanzgericht die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts u.a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Derartige Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dies gilt auch für ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2000 IX B 128/99, BFHE 194, 157, BStBl II 2001, 411). An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen, als im Falle der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150; undvom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454). Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH- vom 07. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994;vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; undvom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684). Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Gewerbesteuermessbescheids.

Gegenstand der Vorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts im Beschluss vom 21. April 2004 (in EFG 2004, 1065) war die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar ist, dass nichtgewerbliche Einkünfte von Gesellschaften bürgerlichen Rechts bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Gegensatz zur steuerlichen Behandlung solcher Einkünfte bei Einzelunternehmern als gewerbliche Einkünfte qualifiziert werden und in vollem Umfang der Gewerbesteuer unterliegen.

Hierzu hat jedoch das BVerfG in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren durch Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2004 (in BFH/NV 2005, Beilage 3, 259) entschieden, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Dabei hat es insbesondere das vom BFH in diesem Zusammenhang ins Feld geführte und vom Niedersächsischen Finanzgericht angegriffene Argument, die Abfärbewirkung könne durch alternative zivilrechtliche Sachverhaltsgestaltung (insbesondere durch Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeiten auf eine zweite --ggf. personenidentische--Gesellschaft) vermieden werden, ausdrücklich gebilligt. Zudem hat es darauf hingewiesen, dass bei Personengesellschaften auf der Ebene der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vielfach Ermittlungs- und Zuordnungsschwierigkeiten auftreten, wenn "gemischte" Tätigkeiten vorliegen. Diese könnten ohne eine Betriebsprüfung nicht geklärt werden, wenn die Bereiche wirtschaftlich nicht eindeutig voneinander abgegrenzt seien. Ausdrücklich wurde festgestellt, dass das besondere praktische Bedürfnis einer klaren Zuordnung der Einkünfte einer Personengesellschaft einen sachlichen Unterscheidungsgrund gegenüber dem Einzelunternehmer bildet und dies eine Willkürlichkeit der gesetzlichen Unterscheidung ausschließt.

Auch der BFH bejaht in ständiger Rechtsprechung die Verfassungsmäßigkeit der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG geregelten Abfärbewirkung (vgl. etwaUrteile vom 29. November 2001, IV R 91/99, BFHE 197, 400, BStBl II 2002, 221;vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229; undvom 10. August 1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171). Die Behauptung, dass eine sich insoweit ändernde Rechtsprechung des BFH festzustellen sei, hat die AStin nicht näher spezifiziert. Soweit für den erkennenden Senat ersichtlich, hält der BFH --insbesondere nun auch unter Berufung auf den o.g. Beschluss des BVerfG--an seiner Rechtsprechung fest (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 02. September 2005 XI B 224/04, BFH/NV 2006, 556).

Schließlich wird auch in der Literatur weit überwiegend davon ausgegangen, dass die Regelung verfassungsgemäß ist (vgl. etwa Schmidt/Wacker § 15 Rz. 185; Blümich/Stuhrmann, § EStG 15 Rz. 228; Reiß In Kirchhof, Kompaktkommentar, § 15 Rz. 143; a.A. etwa Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz. 1402).

Der Senat schließt sich der h.M. in Rechtsprechung und Literatur an und sieht keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.

Überdies hat der BFH darauf hingewiesen, dass selbst eine normverwerfende Entscheidung des BVerfG nicht ohne weiteres zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes oder auch nur zu einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle führen würde. Vielmehr sei nicht mit einer Nichtigkeits-, sondern allenfalls mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen (BFH-Beschluss vom 02. September 1999 IV B 135/98, BFH/NV 2000, 312).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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