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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 22.11.2005
Aktenzeichen: 12 K 2318/04
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 5 des
EStG § 32a
EStG § 35
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

12 K 2318/04

In der Streitsache

hat der 12. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Klägerin ist von Beruf.... Im Streitjahr 2001 erzielte sie aus Beratungstätigkeit Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von ... DM, aus der Beteiligung an der Erbengemeinschaft ... Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von ... DM sowie aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ... DM.

Mit Einkommensteuerbescheid 2001 vom 20. Mai 2003 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer für 2001 auf Grund eines Verlustvortrags in Höhe von ... DM auf 0 DM (0 EUR) fest. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31. Dezember 2001 wurde mit Verlustfeststellungsbescheid vom 20. Mai 2003 für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf ... DM festgestellt.

Ihren hiergegen erhobenen Einspruch begründete die Klägerin u.a. damit, dass die ihr zugerechneten Einkünfte aus Gewerbebetrieb anteilig mit Gewerbesteuer in Höhe von 8.041 DM belastet seien, die gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch eine Einkommensteuerentlastung kompensiert werden soll. Die im Falle der Einkommensteuerfestsetzung auf 0 DM wegen des fehlenden Anrechnungsvolumens unterlassene Entlastung von Personengesellschaften bei Anrechnungsüberhängen verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der allgemeine Gleichbewertungsgrundsatz erfordere die Festsetzung der Einkommensteuer 2001 der Klägerin auf negativ ... DM.

Das Finanzamt lehnte mit Schreiben vom 24. November 2003 eine negative Einkommensteuerfestsetzung sowie einen Vor- oder Rücktrag des nicht ausgeschöpften Anrechnungsvolumens ab. Die Klägerin teilte hierzu mit Schreiben vom 3. Dezember 2003 u.a. mit, dass ihre Belastung mit Einkommensteuer und Gewerbesteuer auf Grund ihrer fehlenden Leistungsfähigkeit 0 DM betragen müsse.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. April 2004 wurden der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 20. Mai 2003 als unzulässig verworfen und die Einsprüche gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2001 vom 20. Mai 2003 sowie gegen den Bescheid vom 24. November 2003 über die Ablehnung des Antrags auf negative Festsetzung der Einkommensteuer 2001 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin Folgendes vor: Sie sei in ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechten verletzt, weil sich das Anrechnungsguthaben wegen der Null- Festsetzung bei der Einkommensteuer nicht auswirke und auf Grund fehlender Vortrags-, Rücktrags- bzw. Erstattungsmöglichkeit endgültig verloren gehe. Ziel der in § 35 EStG enthaltenen Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer sei im Ergebnis die Entlastung von der Gewerbesteuer, um gewerbliche Einkünfte mit solchen aus selbständiger Arbeit in etwa gleichzustellen. Problematisch seien Konstellationen, die zum teilweisen oder vollständigen Leerlaufen der Anrechnung führen. Im Streitfall beruhe der Anrechnungsüberhang auf anderen negativen Einkünften und den Abzugsbeträgen. Nach der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung könne sich eine negative Steuer nicht ergeben. Eine Anrechnung könne allenfalls bis zu einer Einkommensteuer von 0 EUR führen. Der nicht ausgeschöpfte Anrechnungsbetrag (Anrechnungsüberhang) gehe ohne die Möglichkeit von Vortrag, Erstattung oder Verrechnung verloren. Dies sei nicht nur ein der gesetzgeberischen Intention (Neutralisierung der Gewerbesteuerbelastung) zuwider laufender konstruktiver Mangel, sondern gleichheitswidrig. Die Anrechnung hänge ohne sachliche Rechtfertigungsgründe von Zufälligkeiten ab und entfalle gerade dann, wenn kein zu versteuerndes Einkommen mit entsprechender Leistungsfähigkeit vorliege. Die Pauschalierung verlasse dadurch den Bereich noch hinnehmbarer Typisierung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei die steuerlich unterschiedliche Behandlung von Unternehmen auf Grund ihrer Rechtsform unzulässig. Im Rahmen der Unternehmensteuerreform habe der Gesetzgeber Kapitalgesellschaften durch Senkung des Körperschaftssteuersatzes und Personengesellschaften durch die Neutralisierung der Belastung mit Gewerbesteuer bei gewerblichen Einkünften entlasten wollen, so dass sich für diese im Ergebnis nur noch die Belastung mit Einkommensteuer ergeben solle. Jedoch seien Personengesellschaften bei fehlendem oder zu geringem Gewinn weiterhin mit Gewerbesteuer belastet, so dass die Gleichwertigkeit der Entlastung durch die Anrechnung von Gewerbesteuer nicht hergestellt werden könne. Die folgerichtige Gleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften erfordere deshalb die generelle Befreiung von der Gewerbesteuer, auch bei fehlendem oder geringem Gewinn.

Erfordernisse der Typisierung könnten dieses inkonsequent umgesetzte Entlastungskonzept nicht begründen, weil die Vorgabe eines nicht sehr intensiven Verstoßes der Typisierung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hier bei geringem oder fehlendem Gewinn nicht beachtet werde.

Auch auf seine Gestaltungsfreiheit bei Steuervergünstigungen könne sich der Gesetzgeber nicht berufen, weil sich § 35 EStG unter dem Aspekt einer im Verhältnis zu Kapitalgesellschaften gleichwertigen Entlastung von Personengesellschaften als eine notwendige Tarifkorrektur, nicht aber als Steuervergünstigung erweise.

Eine Ungleichbehandlung bestehe bei fehlendem Anrechnungsvolumen auch im Verhältnis zu den meisten übrigen Einkünften, wenn Gewerbesteuer trotz der durch Nichtfestsetzung von Einkommensteuer indizierten fehlenden Leistungsfähigkeit in vollem Umfang zu entrichten sei.

Hinsichtlich des Anrechnungsüberhangs sei deshalb zur Erreichung des Gesetzgebungsziels verfassungsrechtlich eine Steuererstattung, zumindest aber - wie beim Bau-Kindergeld - eine Rück- bzw. Vortragsmöglichkeit geboten.

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteuer 2001 mit - ... DM (= - ... EUR) festzusetzen, so dass sich in der entsprechenden Höhe ein Auszahlungsbetrag ergibt,

hilfsweise festzustellen,

dass ein nicht ausgleichsfähiger Anrechnungsüberhang in Höhe von ... DM (= ... EUR) verbleibt, der zurück- bzw. vorgetragen werden kann.

Das Finanzamt beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Klage gegen die auf 0 DM lautende Einkommensteuerfestsetzung sei unzulässig. Eine negative Festsetzung der Einkommensteuer 2001 in Gestalt einer Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um das 1,8 - fache des für 2001 festgesetzten anteiligen Gewerbesteuermessbetrags und einer entsprechenden Erstattung an die Klägerin sei nach § 35 EStG nicht möglich. Ermäßigung bedeute Anrechnung bis zu einer Einkommensteuer von 0 DM. Da eine Tarifermäßigung keine Steuervergütung sei, könne sich eine negative Steuer nicht ergeben.

Nach der derzeit geltenden Fassung des § 35 EStG sei auch ein Rück- oder Vortrag des nicht ausgleichsfähigen Anrechnungsüberhangs nicht vorgesehen. Das Finanzamt sei an die bestehende gesetzliche Regelung gebunden. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes könne nicht mit der unterschiedlichen Besteuerung von Kapital- und Personengesellschaften begründet werden, weil hierzu verfassungsrechtlich keine Verpflichtung bestehe.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 20. Mai 2003 ist unzulässig.

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist die Klage zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen. In der Regel ist daher auf den unmittelbar umstrittenen Steuerbetrag abzustellen, nicht auf das geldwerte Interesse des Steuerpflichtigen schlechthin (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1987 VIII R 17-19/84, BFH/NV 1989, 278; vom 8. November 1989 I R 174/86, BStBl II 1990, 91).

Eine auf Null EUR (DM) lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht. Ausnahmsweise kann eine Beschwer im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen liegen, wenn diese für andere Verfahren bindend sind (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1994 IX R 124/92, BStBl II 1995, 628).

Im Streitfall scheidet bei Anwendung dieser Grundsätze eine Beschwer der Klägerin durch den Einkommensteuerbescheid 2001 aus. Anhaltspunkte dafür, dass das Finanzamt hier im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2001 einzelne für andere Verfahren bindende Besteuerungsgrundlagen unzutreffend angesetzt hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin die negative Festsetzung der Einkommensteuer 2001 sowie hilfsweise die Feststellung eines rück- bzw. vortragsfähigen Anrechnungsüberhangs begehrt.

2.1 Das derzeit und auch im Streitjahr 2001 geltende Einkommensteuergesetz sieht die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer nicht vor. Nach § 2 Abs. 5 des EStG bildet das zu versteuernde Einkommen die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer. Der in § 32a EStG geregelte Tarif der Einkommensteuer sieht für Einkommen unterhalb des Existenzminimums lediglich eine Nullzone (Grundfreibetrag) vor (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG), jedoch keine negative Einkommensteuerfestsetzung. Sie ist auch im Rahmen des § 35 EStG verfassungsrechtlich nicht geboten.

Nach dem durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BStBl. I S. 1433) neu eingefügten § 35 Absatz 1 Nr. 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen mit Ausnahme der §§ 34f und 34g EStG, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG um das 1,8-fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags.

Die von der Klägerin vorgebrachten und z.T. auch in der Literatur (vgl. Gosch in Kirchhof, EStG, 4. Auflage, § 35 Rn. 15 und 23 m.w.N.) geäußerten verfassungsmäßigen Bedenken wegen der fehlenden Ermäßigungsmöglichkeit der tariflichen Einkommensteuer im Falle eines Anrechnungsüberhangs teilt der Senat nicht.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Der allgemeine Gleichheitssatz ist auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Freiheit des Gesetzgebers zur tatbestandlichen Bestimmung der mit Rechtsfolgen verknüpften Sachverhalte ist auf dem Gebiet des Steuerrechts und speziell des Einkommensteuerrechts insbesondere durch die Gebote der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit begrenzt. Bei der Konkretisierung dieser gleichheitsrechtlichen Leitlinien für den Einkommensteuergesetzgeber ist jedoch dessen weitgehende Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Praktikabilität und Einfachheit des Rechts gehören gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs. Deshalb darf der Gesetzgeber generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Dabei muss der Gesetzgeber realitätsgerecht typisieren und die Grenzen verhältnismäßiger, insbesondere zumutbarer Belastung der Betroffenen wahren (BVerfGBeschluss vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98, BFH/NV Beilage 2005, 259).

Den Bereich realitätsgerechter Typisierung und verhältnismäßiger Belastung hat der Gesetzgeber mit der in § 35 EStG geregelten pauschalierten Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht verlassen. Erklärtes Ziel von § 35 EStG ist die wirtschaftliche Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen von der Belastungskumulation durch Einkommensteuer und Gewerbesteuer (Lademann/Söffing/Steiner/Jachmann, EStG, Rn. 1 zu § 35 EStG; BT-Drs. 14/2683, S. 97). Deshalb hat der Gesetzgeber die wirt schaftliche Entlastung an die zusätzliche Belastung mit Einkommensteuer gekoppelt. Allein die Belastungswirkung der Gewerbesteuer rechtfertigt deshalb die Gesetz gewordene Steuerermäßigung gewerblicher Einkünfte durch § 35 EStG nicht. Sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung gewerblicher Einkünfte ist die Doppelbelastung gewerblicher Ertragserzielung durch Einkommensteuer und Gewerbesteuer. Liegt - wie im Streitfall - eine solche Doppelbelastung (aus welchen Gründen auch immer) nicht vor, ist es auch sachlich gerechtfertigt, die Steuerermäßigung zu versagen. Die fehlende Anrechnungsmöglichkeit bei Anrechnungsüberhängen beruht deshalb - entgegen der Auffassung der Klägerseite - nicht auf Zufälligkeiten -, sondern entspricht dem Willen des Gesetzgebers, mit § 35 EStG die Belastungskumulation durch ESt und GewSt zu entschärfen und dadurch Personenunternehmen, die dieser doppelten Belastung ausgesetzt sind, wirtschaftlich zu entlasten.

Die Vereinbarkeit (allein) der Gewerbesteuer mit Art 3 Abs. 1 GG hat das BVerfG in zahlreichen Entscheidungen unter Hinweis auf die historischen Grundlagen der Gewerbesteuer und die grundlegende Verschiedenheit der Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital bei Landwirtschaft und freien Berufen einerseits und Gewerbebetrieben andererseits bejaht (BVerfG-Beschlüsse vom 21. Dezember 1962 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54; vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1; vom 17. November 1998 1 BvL 10/98, BStBl II 1999, 509). Auch der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung von der Verfassungsmäßigkeit der Erhebung der Gewerbesteuer und ihrer Beschränkung auf Gewerbebetriebe aus (BFH-Urteil vom 18. September 2003 X R 2/00, BFH/NV 2004, 141 m.w.N.). Aus der ausdrücklichen Erwähnung bestimmter Steuerarten wie der GewSt im GG ist zu schließen, dass der Verfassungsgeber diese als in ihrer Grundstruktur zulässige Form des Steuerzugriffs anerkennt und zu den vom Verfassungsgeber vorgefundenen und gebilligten Grundstrukturen der GewSt auch die Beschränkung auf Gewerbebetriebe gehört. Eine Neutralisierung der GewSt bzw. Gleichstellung gewerblicher Einkünfte mit anderen Einkünften (z.B. aus selbständiger Tätigkeit) ist danach - entgegen der Auffassung der Klägerseite - verfassungsrechtlich nicht geboten. In diesem Zusammenhang vermag deshalb auch das Argument der Klägerseite nicht zu überzeugen, trotz der durch Nichtfestsetzung von Einkommensteuer indizierten fehlenden Leistungsfähigkeit sei bei fehlendem Anrechnungsvolumen Gewerbesteuer in vollem Umfang zu entrichten, was im Verhältnis zu den meisten übrigen Einkünften eine Ungleichbehandlung bedeute. Denn nach dem das Einkommensteuerrecht prägenden objektiven Nettoprinzip wird der Belastung mit Gewerbesteuer auch bei einem Anrechnungsüberhang bereits durch deren Abzug als Betriebsausgabe Rechnung getragen.

Eine in Abhängigkeit vom individuellen Steuersatz verbleibende "Mehrbelastung" ist wie jeder andere erwerbsichernde Aufwand im Binnensystem des Einkommensteuerrechts in vollem Umfang berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende "Anrechnung" einer Gewerbe steuer hat letztlich die Funktion einer kompensierenden Steuererstattung und steht außerhalb der Sachgesetzlichkeit des objektiven Nettoprinzips.

Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform ergeben sich auch aus dem Hinweis der Klägerseite auf den BVerfG-Beschluss vom 10. November 1999 (2 BvR 2861/93, BStBl II 2000, 160) keine Bedenken. Nach diesem Beschluss des BVerfG verbietet das Gleichbehandlungsgebot eine allein nach der Rechtsform eines Unternehmens differenzierende Umsatzsteuerbefreiung, weil nach der Konzeption des Umsatzsteuerrechts eine Umsatzsteuerbefreiung nicht von der Rechtsform des Leistenden abhängig gemacht werden dürfe, sondern stets dem Verbraucher zu Gute kommen müsse. Da eine solche Konzeption dem Gewerbesteuerrecht nicht zu Grunde liegt, lassen sich die Erwägungen dieser Entscheidung des BVerfG nicht auf den Bereich des Einkommensteuerrechts und der Gewerbesteuer übertragen (BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BStBl II 2004, 730). Unabhängig davon ist die Gewerbesteuer und damit auch deren Verfassungsmäßigkeit nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens.

Auch im Hinblick auf eine (im Übrigen bereits vorher gegebene) unterschiedliche steuerliche Belastung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften durch die Unternehmenssteuerreform bestehen verfassungsrechtlich keine Bedenken. Der Gesetzgeber hatte sein ursprünglich im Gesetzentwurf (vom 15. Februar 2000, BT-Drs. 14/2683) verfolgtes Ziel, mit dem Gesetz zur Reform der Unternehmensbesteuerung den Weg zu einer rechtsformneutralen Besteuerung zu ebnen und eine gleichwertige Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits zu erreichen, bereits dadurch aufgegeben, dass er die im Gesetzentwurf noch vorgesehene Option für Personenunternehmen, sich wie Körperschaften besteuern zu lassen (sog. Optionsmodell, vgl. § 4a Körperschaftssteuergesetz im ursprünglichen Gesetzentwurf, BT-Drs. 14/2683, S. 77), im Gesetzgebungsverfahren (Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses) fallen gelassen hat. Übrig geblieben ist lediglich das "Basismodell" mit der Ermäßigung der Einkommensteuer um die Gewerbesteuer. Den Weg einer rechtsformneutralen Besteuerung sowie einer gleichwertigen Entlastung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften ist der Gesetzgeber damit gerade nicht gegangen. Verfassungsrechtlich war er hierzu auch nicht verpflichtet. Im Rahmen seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit im Bereich des Steuerrechts konnte sich der Gesetzgeber von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt. Nach den Feststellungen des BVerfG ist die Andersartigkeit der Besteuerung von natürlichen und juristischen Personen die notwendige Konsequenz aus der Verselbständigung der juristischen Person, deren nicht ausgeschüttete Gewinne sonst überhaupt steuerfrei bleiben würden, und trägt u.a. durch andersartige Steuersätze der Verschiedenheit juristischer und natürlicher Personen Rechnung. Wegen dieser "Andersartigkeit der Besteuerung" sind Körperschaftsteuer und Einkommensteuer "schwer vergleichbar" (BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58, BStBl. I 1962, 500). Diese Einschätzung trifft insbesondere im Hinblick darauf zu, dass die Körperschaftsteuer nach festen Steuersätzen erhoben wird, während die Einkommensteuer der individuellen Leistungsfähigkeit im größeren Umfang (z.B. durch Freibeträge und progressive Tarifgestaltung) Rechnung trägt (BFH-Beschluss vom 24. Februar 1999 X R 171/96, BStBl II 1999, 450).

2.2 Die Klage ist auch im Hilfsantrag unbegründet. Die Möglichkeit, einen nicht ausgleichsfähigen Anrechnungsüberhang zurück- bzw. vorzutragen, sieht § 35 EStG nicht vor. Aus den in 2.1 genannten Gründen ist dies auch verfassungsrechtlich nicht geboten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.



Ende der Entscheidung

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