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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 31.07.2007
Aktenzeichen: 12 K 5/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 2
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

12 K 5/03

In der Streitsache

hat der 12. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 4. August 1999 über die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27. November 2002 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für die Tochter A für die Jahre 1998 und 2000 zu gewähren.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist noch, ob dem Kläger für das Kind A (geb. am ...) für die Jahre 1998 und 2000 Kindergeld zusteht.

Im Streitzeitraum studierte A. Der Kläger stellte nach dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau (gest. am ...), die bisher das Kindergeld erhalten hatte, am 14. August 1997 bei der damals zuständigen Familienkasse B (FK) einen Kindergeldantrag zu seinen Gunsten. In der Folgezeit wurde der Kläger mehrfach aufgefordert, Erklärungen zu den Einkünften und Bezügen des Kindes abzugeben sowie Studienbescheinigungen, Einkommensteuerbescheide und Bescheide über Waisengeld und Waisenrente für A vorzulegen. Die erforderlichen Erklärungsvordrucke wurden übersandt. Der Sohn C des Klägers wandte sich mit Schreiben vom 28. November 1997 an die FK, legte Studienbescheinigungen für seine Schwester für das Wintersemester 1997 vor und bat um einen Beratungstermin, da ihm die Erklärung zu den Einkünften und Bezügen zu unverständlich sei. Ein Beratungsgespräch kam nicht zustande; die angeforderten Erklärungen und Unterlagen wurden nicht eingereicht. Mit Bescheid vom 4. August 1999 lehnte die FK den Abtrag ab und setzte das Kindergeld für A auf 0 DM fest. Der Kläger legte zur Begründung des hiergegen erhobenen Einspruchs Studienbescheinigungen für das Wintersemester 1999 vor und forderte die FK auf, seine Kinder zu beraten. Die FK übersandte daraufhin am 15. Mai 2002 nochmals die Erklärungen über die Einkünfte und Bezüge an den Kläger und wies ihn darauf hin, dass er verpflichtet sei, Unterlagen, die zur Prüfung des Leistungsanspruchs benötigt würden, der FK vorzulegen. Nachdem dieses Schreiben unbeantwortet blieb, wurde der Einspruch am 27. November 2002 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Die FK berechnete auf Grund der im Klageverfahren von den Kindern des Klägers vorgelegten Unterlagen und Erklärungen die Einkünfte für C und A neu. Mit Bescheid vom 22. August 2006 wurde für C Kindergeld für die Jahre 1997, 1999, 2000 und 2001 festgesetzt, für A für die Jahre 1997 und 1999. Hinsichtlich dieser Jahre haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Verfahren wurden mit Beschluss vom 8. Mai 2007 abgetrennt (vgl. Bl. 219, 220 der FG-Akte).

Die Klage hinsichtlich Kindergeld für C für das Jahr 1998 wurde mit Schriftsatz vom 27. Juli 2007 zurückgenommen. Die Klage hinsichtlich Kindergeld für A für das Jahr 2002 wurde in der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2007 zurückgenommen. Die Verfahren wurden in soweit mit Beschluss vom 31. Juli 2007 abgetrennt und eingestellt (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2007).

Hinsichtlich der Klagen auf Gewährung von Kindergeld für C für das Jahr 2002 und für A für das Jahr 2001 erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2007 übereinstimmend die Hauptsache für erledigt. Die Verfahren wurden insoweit mit Beschluss vom 31. Juli 2007 abgetrennt (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2007).

Die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen beinhalten u.a. die Einkommensteuerbescheide für A für die Jahre 1998 und 2000. Aus dem Einkommensteuerbescheid 1998 ergibt sich, dass im Jahr 1998 Kapitalertragsteuer in Höhe von 2.913 DM und Lohnsteuer in Höhe von 209 DM einbehalten wurde (vgl. Einkommensteuerbescheid für 1998, Bl. 314 der KG- Akte). Im Jahr 2000 wurde Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.558 DM und Lohnsteuer in Höhe von 808 DM einbehalten (vgl. Einkommensteuerbescheid für 2000, Bl. 257 der KG-Akte).

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger nunmehr im Wesentlichen noch vor, dass folgende weitere, von der FK nicht anerkannte Kosten bei der Berechnung des Jahresgrenzbetrags zu berücksichtigen seien:

Im Jahr 1998:

Optiker 388,00 DM

Zusätzliche Werbungskosten Kapitalvermögen 60,00 DM

Kranken- und Pflegeversicherung 979,00 DM

Studentenwerksbeitrag 108,00 DM

Bücher und Kopien 260,90 DM

Im Jahr 2000:

Zusätzliche Werbungskosten Kapitalvermögen 192,00 DM

Kranken- und Pflegeversicherung 1.070,00 DM

Krankheit 430,00 DM

Studentenwerksbeitrag 108,00 DM

Zusätzliche Aufwendungen für Bücher und Kopien 42,40 DM

Der Kläger beantragt nunmehr noch,

unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 4. August 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2002 die Beklagte zu verpflichten, ihm für das Kind A in den Jahren 1998 und 2000 Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte, die nunmehr zuständige Familienkasse D, beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Für die noch anhängigen Streitjahre seien folgende Berechnungen durchzuführen:

 Jahr 1998: 
Versorgungsbezüge:10.562,00 DM
Versorgungsfreibetrag:./. 4.224,80 DM
Werbungskosten:./. 2.000,00 DM
Einkünfte aus Kapitalvermögen:15.770,00 DM
Werbungskosten:./. 100,00 DM
Sparerfreibetrag:./. 6.000,00 DM
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:429,00 DM
Halbwaisenrente:0,00 DM
Besondere Ausbildungskosten: 
Fahrten Wohnung - Ausbildungsstätte:./. 396,90 DM
Fachliteratur:./. 3,00 DM
maßgebliche Einkünfte:14.043,30 DM

 Jahr 2000: 
Versorgungsbezüge: 11.188,00 DM
Versorgungsfreibetrag: ./. 4.475,20 DM
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: 3.545,00 DM
Werbungskosten: ./. 2.000 DM
Einkünfte aus Kapitalvermögen: 9.042,00 DM
Werbungskosten: ./.100,00 DM
Sparerfreibetrag: ./. 3.000 DM
Einkünfte aus Vermietung u. Verpachtung: 1.764,00 DM
Halbwaisenrente: 0,00 DM
Besondere Ausbildungskosten: 
Fahrten Wohnung - Ausbildungsstätte: ./. 709,80 DM
Arbeitsmittel: ./. 628,46 DM
maßgebliche Einkünfte: 14.625,54 DM

Zur Begründung trägt die FK im Wesentlichen noch vor, die Studentenwerksbeiträge, Krankheitskosten und die einbehaltenen Steuerbeträge könnten bei der Berechnung des Grenzbetrages nicht in Abzug gebracht werden.

Auf die Anordnungen des Gerichts vom 9. November 2004, 15. März 2006 und 28. Juni 2007 und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Zwischen den Beteiligten ist vorliegend nur noch streitig, ob die Einkünfte und Bezüge von A in den Streitjahren 1998 und 2000 den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten. Dies ist nicht der Fall.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein in Ausbildung befindliches volljähriges Kind - wie im Streitfall A - nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.360 DM (1998) bzw. 13.500 DM (2000) hat.

Die FK berechnete das zu berücksichtigende Einkommen für das Jahr 1998 mit 14.043,30 DM. Die zugrunde liegende Berechnung enthält einen Subtraktionsfehler. Korrigiert um diesen Fehler beträgt das von der FK berechnete zu berücksichtigende Einkommen 14.036,30 DM. Die Differenz zwischen Jahresgrenzbetrag 1998 in Höhe von 12.360 DM und Einkommen in Höhe von 14.036,30 DM beträgt 1.676,30 DM.

Nach Auffassung des Senats sind die im Jahr 1998 einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 2.913 DM und die einbehaltene Lohnsteuer in Höhe von 209 DM unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 2005(Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) nicht in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen. Nach dem Beschluss des BVerfG in BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 verstößt die Einbeziehung von gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, weil in Höhe dieser Beträge die Einkünfte des Kindes keine Minderung der Unterhaltslasten und somit auch keine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Eltern bewirken. Wie bei den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich auch bei der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer um Beträge, die von Gesetzes wegen dem einkünfteerzielen den Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung von Unterhalt zu dienen bestimmt sind. Das BVerfG hat ausdrücklich offen gelassen, welche Beträge es nicht in die Berechnungsgröße einbeziehen will. Aus der Entscheidung wird deutlich, dass es sich bei den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handelt.

Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer in Höhe von 2.913 DM und der Lohnsteuer in Höhe von 209 DM ist der Jahresgrenzbetrag von 12.360 DM im Jahr 1998 - unabhängig von der Berücksichtigung der sonstigen geltend gemachten und von der FK nicht anerkannten Aufwendungen - unterschritten.

Die Differenz zwischen dem von der FK berechneten zu berücksichtigenden Einkommen für das Jahr 2000 in Höhe von 14.625,54 DM zu dem Jahresgrenzbetrag 2000 in Höhe von 13.500 DM beträgt 1.125,54 DM. Im Streitjahr ist Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.558 DM und Lohnsteuer in Höhe von 808 DM einbehalten worden, die - wie vorstehend dargelegt - nicht in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen ist. Der Jahresgrenzbetrag von 13.500 DM ist damit bereits - unabhängig von der Berücksichtigung der sonstigen geltend gemachten und von der FK nicht anerkannten Aufwendungen - unterschritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die einbehaltene Kapitalertragsteuer und die einbehaltene Lohnsteuer bei der Ermittlung des Grenzbetrages in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen sind, nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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