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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 23.09.2008
Aktenzeichen: 12 K 718/08
Rechtsgebiete: EStG, BayEUG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1
BayEUG Art. 92
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 12. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[....]

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Schuldgeld nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 Einkommensteuergesetz (EStG) als Sonderausgabe abzuziehen ist.

Die Tochter des Klägers besuchte die Munich International School in Starnberg (MIS). In 2005 beliefen sich die für den Besuch der elften und zwölften Klasse entrichteten Schulgeldzahlungen auf insgesamt EUR. Das Finanzamt erkannte diesen in der Einkommensteuererklärung als Sonderausgaben geltend gemachten Betrag unter Hinweis auf die in Abstimmung mit dem Bayerischen Kultusministerium ergangene Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 23. Juni 2006, S 2221 - 16 St 32/St 33, nicht an, da die MIS nur in den Jahrgangsstufen 1 bis 9, nicht jedoch in den Jahrgangsstufen 10 bis 12 als Ersatzschule genehmigt sei, weil insoweit die Lehrpläne nicht die für eine Anerkennung als Ersatzschule erforderlichen Voraussetzungen aufwiesen.

Zur Begründung des Einspruchs machte der Kläger geltend, die Verfügung vom 23. Juni 2006 berücksichtige nicht, dass für die Jahrgangstufen 10 bis 12 unterschiedliche Möglichkeiten des Schulbesuchs bestünden und sei daher unvollständig. Die von der Tochter besuchte Oberstufe habe mit dem "International Baccalaureate Diploma" abgeschlossen, welches die allgemeine Hochschulreife beinhalte. Der Lehrplan sei dem eines staatlichen Gymnasiums ebenbürtig.

Der Einspruch blieb erfolglos, da es nach Auffassung des Finanzamts nicht auf eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Oberstufenabschlüssen ankomme.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Das Finanzamt habe nicht dargelegt, inwieweit die MIS nicht die erforderlichen Voraussetzungen für ein Anerkennung als Ersatzschule aufweise. Gemäß einer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder über die Anerkennung des International Baccalaureate Diploma vom 10. März 1986 i.d.F. vom 18. November 2004 sei der Abschluss als allgemeine Hochschulzugangsberechtigung anerkannt. Die Zeugnisanerkennungsstelle des Freistaats Bayern habe mit Schreiben vom 3. März 2005 und 31. März 2006 der MIS ausdrücklich bestätigt, diesen Beschluss mitzutragen. Der Beweis des ersten Anscheins spreche daher für die Erfüllung der Voraussetzungen. Seine Tochter habe mit der erworbenen Hochschulreife einen Studienplatz in Jura an der FU Berlin belegt. Die Finanzverwaltung gehe offensichtlich davon aus, dass die MIS zumindest eine Ergänzungsschule sei. Da es in Bayern mangels Erforderlichkeit der staatlichen Anerkennung keine anerkannten Ergänzungsschulen gebe, wäre ein Sonderausgabenabzug nicht möglich. Damit wäre ein wesentlicher Teil der Steuerbegünstigung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG aufgrund eines Defizits der Landesgesetzgebung nicht zu erlangen. Es bedürfe daher einer sachgerechten erweiternden Auslegung der Vorschrift.

Entscheidend sei der Status der Schule, wenn das Landesrecht die vorgegebene Regelung enthielte. Ansonsten würde ein Steuerpflichtiger in Bayern gegenüber Steuerpflichtigen in anderen Bundesländern in gleichheitswidriger Weise benachteiligt. Im Übrigen verkenne der Erlass des Bayerischen Landesamts für Steuern, dass auch nach Landesrecht erlaubte Ersatzschulen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG begünstigt seien. Wenn für Ergänzungsschulen in Bayern eine staatliche Anerkennung nicht erforderlich sei, seien diese ohne Anerkennung als Ersatzschule erlaubt und damit begünstigt. Außerdem verstoße § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Rs. C-76/05 und C-318/05 vom 11. September 2007 gegen Gemeinschaftsrecht. Eine Gleichbehandlung grenzüberschreitender Fälle, wie vom EuGH gefordert, habe wiederum Rückwirkung auf die Behandlung der Inlandsfälle. Eine Begünstigung ausländischer Schulen nach einem objektiven Maßstab müsse wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes dann auch für vergleichbare inländische Schulen gelten. Als objektives Kriterium könne dabei nur gelten, ob die Privatschule in den Lehrzielen und der Ausbildung der Lehrkräfte vergleichbar sei. Dem dürfte die MIS unstreitig entsprechen, was auch durch die Anerkennung in anderen Bundesländern bestätigt werde.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat das Schulgeld für den Besuch der MIS durch die Tochter des Klägers im Streitjahr zu Recht nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben berücksichtigt.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG können 30 v.H. des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz (GG) staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule oder einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule entrichtet, als Sonderausgaben abgezogen werden. Ausgenommen ist das Entgelt für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.

Mit den in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG genannten Schulen knüpft der Gesetzgeber erkennbar an schulrechtliche Begriffe an, die durch Art. 7 Abs. 4 GG vorgeprägt und in den Gesetzen der Länder, die die staatliche Schulaufsicht über Schulen in freier Trägerschaft regeln, konkretisiert sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH-, z.B. Urteil vom 14. Dezember 2004 XI R 32/03, BStBl II 2005, 518, m.w.N.). Der Abzug von Schulgeld als Sonderausgabe sollte auf den Besuch solcher Schulen beschränkt werden, die in gewisser Weise in das öffentliche Schulwesen einbezogen sind, bestimmte staatliche Anforderungen erfüllen und deshalb typischerweise besonders förderungsbedürftig sowie förderungswürdig sind (vgl. Urteile in BStBl II 2005, 518 und vom 16. November 2005 XI R 79/03, BStBl II 2006, 377, m.w.N.). Erfüllt eine Schule die genannten Voraussetzungen, rechtfertigt dies eine Unterstützung aus staatlichen Mitteln der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Unterstützung dient auch die Regelung über die Anerkennung von Sonderausgaben in Höhe des gezahlten Schulgelds (vgl. BT-Drucks 11/7833, S. 8; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 16. April 2004 2 BvR 88/03, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2004, 690; BFH-Urteil in BStBl II 2005, 518).

Die Qualifizierung einer Schule als Ersatzschule oder Ergänzungsschule im Einzelfall ist nicht den Finanzbehörden oder Finanzgerichten überlassen. Diese sind vielmehr an die Entscheidungen der hierfür zuständigen obersten Kultusbehörden der Länder gebunden (BFH-Urteil in BStBl II 2005, 518). Wie aus der im vorbereitenden Verfahren abgegebenen Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus hervorgeht, ist die MIS nur in den Jahrgangsstufen 1 bis 9 eine als Volkschule staatlich genehmigte Ersatzschule (Art. 92 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen - BayEUG - ). In den Jahrgangsstufen 10 bis 12 ist sie eine angezeigte Ergänzungsschule und daher nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG begünstigt.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt weder eine gegen Art. 3 GG verstoßende Benachteiligung noch eine in verfassungskonformer Auslegung zu schließende Regelungslücke darin, dass eine Begünstigung der Schulgeldzahlungen schon daran scheitert, weil nach der bayerischen Schulgesetzgebung eine staatliche Anerkennung von Ergänzungsschulen nicht vorgesehen ist. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 11. Juni 1997 X R 144/95, BStBl II 1997, 621), der der Senat folgt, werden Steuerpflichtige, deren Kinder andere als die in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG aufgezählten Schulen besuchen, im Vergleich zu Steuerpflichtigen mit Kindern, die eine Ersatzschule oder eine nach Landesrecht anerkannte allgemeinbildende Ergänzungsschule besuchen, nicht gleichheitswidrig benachteiligt. Nach dem GG haben die Länder die ausschließliche Zuständigkeit zur Regelung des Privatschulwesens (vgl. Art. 30, 70 ff. GG). Da es danach grundsätzlich Sache der Länder sei, die Schultypen des öffentlichen Schulwesens zu bestimmen, könne es vorkommen, dass ein und derselbe Privatschultyp nicht in allen Ländern eine Ersatzschule sei. Auch die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Land die Anerkennung von Ergänzungsschulen grundsätzlich vorsehe, obliege allein den Ländern. Dies sei dem Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG bewusst gewesen. Es habe den Ländern überlassen bleiben sollen, ggf. durch Änderung ihrer Schulgesetze, die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug zu schaffen. Da unterschiedliche Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern durch die Schulhoheit der Länder vorgegeben seien, könne auch nicht unterstellt werden, eine in einem Land lediglich erlaubte Ergänzungsschule werde in einem anderen Bundesland anerkannt. Aus der vom Kläger angeführten Genehmigung der International School of Bremen als Ersatzschule kann daher im Streitfall auch nicht abgeleitet werden, dass die unter denselben Privatschultyp fallende MIS als genehmigte Ersatzschule i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG anzusehen ist. Ebensowenig ergibt sich aus dem fehlenden Erfordernis einer staatlichen Anerkennung für Ergänzungsschulen, dass in Bayern jede Ergänzungsschule als eine nach Landesrecht erlaubte Ersatzschule zu behandeln ist.

Wie der BFH für eine Deutsche Schule im Ausland erkannt hat (Urteil in BStBl II 2005, 518), genügt für eine Abzugsfähigkeit von Schulgeld nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG allerdings auch eine Einbeziehung der Schule in das öffentliche deutsche Schulwesen durch Anerkennung seitens der KMK. Eine Anerkennung seitens der KMK sei der Gesamtheit der Länder zuzurechnen und entfalte ebenso Bindungswirkung für die Finanzbehörden wie die Anerkennung durch ein einzelnes Land. In dem entschiedenen Fall kam die Anerkennung darin zum Ausdruck, dass die Deutsche Schule im Ausland von der KMK in einem festgelegten Verfahren als Schule genehmigt worden war, die zur deutschen allgemeinen Hochschulreife führt, und außerdem der ständigen Aufsicht und Qualitätssicherungsmaßnahmen der KMK unterlag. In seinem Urteil vom 5. April 2006 XI R 1/04, BStBl II 2006, 682 hat der BFH außerdem für die öffentlich-rechtliche Europäische Schule entschieden, dass diese durch staatliche Akte des Bundesgesetzgebers einen Status erlangt habe, der einer staatlich genehmigten Schule i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG entspreche. Dabei war maßgeblich, dass der Deutsche Bundestag den verschiedenen Protokollen und Satzungen, die zur Gründung und zum weiteren Betrieb von Europäischen Schulen verabschiedet worden waren, in mehreren Gesetzen ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. die Nachweise im Urteil in BStBl II 2006, 682).

Die MIS ist jedoch, soweit es die Jahrgangsstufen 10 bis 12 betrifft, nicht in vergleichbarer Weise durch einen staatlichen Akt in das deutsche öffentliche Schulwesen einbezogen worden.

Insbesondere ist sie weder von der KMK in einem festgelegten Verfahren als Schule genehmigt worden, die zur deutschen allgemeinen Hochschulreife führt, noch unterliegt sie ihrer ständigen Aufsicht und Qualitätssicherungsmaßnahmen. Wie aus der Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus hervorgeht, hat die MIS in den Jahrgangsstufen 10 bis 12 im Gegenteil bewusst darauf verzichtet, in ihrem pädagogischen Konzept und ihren Lehrplänen staatlichen Vorgaben zu folgen. Auch ist die Schule bei der Wahl ihrer Lehrkräfte freier und kann im Hinblick auf deren Qualifikation vom staatlichen Standard abweichen. Abgesehen davon führt entgegen der Behauptung des Klägers auch der von der Tochter absolvierte Oberstufenabschluss, das International Baccalaureate Diploma, in der BRD nicht automatisch zur allgemeinen Hochschulreife, sondern bedarf einer besonderen Anerkennung durch die Zeugnisanerkennungsstellen der jeweiligen Länder, die von unterschiedlichen, sich ständig ändernden Voraussetzungen abhängt. Darauf wird im Prospekt der MIS auch ausdrücklich hingewiesen (www.mis-munich.de).

Mit Urteil vom 11. September 2007 Rs. C - 76/05 (HFR 2007, 1253) hat der EuGH entschieden, dass dann, wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EGV fallen (also keine Privatschulen sind, die sich im wesentlichen aus privaten Mitteln finanzieren), Art. 18 EGV einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen steht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt. Gleiches gilt für Privatschulen, da dann ein Verstoß gegen Art. 49 EGV vorliegt. Dieser Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (Beschränkung des Sonderausgabenabzugs auf Schulgeldzahlungen an inländische Schulen) hat zur Folge, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG dahingehend gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden muss, dass auch Zahlungen an Schulen im übrigen Gemeinschaftsgebiet als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Die Abzugsfähigkeit ergibt sich aus dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot. Der Gleichheitssatz kann nur dadurch gewahrt werden, dass die Vergünstigung, die die Mitglieder einer begünstigten Gruppe erhalten, auch auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe erstreckt wird (vgl. FG Köln vom 14. Februar 2008 10 K 7404/01, DStR 2008, 663 und FG München vom 29. Mai 2008 15 K 3058/05, [...]).

Im Streitfall wird der Abzug des Schulgelds jedoch nicht durch die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs auf Schulgeldzahlungen an inländische Schulen verhindert. Er scheitert vielmehr daran, dass die MIS in den Jahrgangstufen 10 bis 12 nicht dem staatlichen System für die allgemeinbildenden Schulen entspricht und daher nach materiellem inländischem Recht nicht als Ersatzschule genehmigt werden kann. Unter diesen Umständen wäre das Schulgeld auch dann nicht abzugsfähig, wenn die MIS in einem anderen Mitgliedstaat der EU betrieben würde. Eine europarechtswidrige Diskriminierung läge auch in diesem Fall nicht vor (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 XI R 66/03, BStBl II 2005, 473 für den Fall von Schuldgeldzahlungen an ein britisches College, deren Höhe eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördert und die deshalb auch beim Besuch einer inländischen Schule steuerlich nicht berücksichtigt werden könnten).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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