Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 21.04.2009
Aktenzeichen: 13 K 4357/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 9 Abs. 2
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG in der ab dem 1.1.2001 gültigen Fassung (Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom 21.12.2000, BGBl. I 2000, 1918) sind außergewöhnliche Aufwendungen (z.B. Motorschaden aufgrund vorzeitigen Verschleiß) neben der Entfernungspauschale nicht mehr abziehbar sind.

2. Die ältere BFH-Rechtsprechung nach der außergewöhnliche Aufwendungen neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten abziehbar sind (BFH-Urteile in BFH/NV 1985, 28, in BStBl II 1974, 186; in BStBl II 1982, 325), ist aber durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Wirkung ab dem 1.1.2001 überholt.


In der Streitsache

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[...]

ohne mündliche Verhandlung

am 21. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob Reparaturkosten für ein Kraftfahrzeug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind.

I. Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.

Das vom Kläger mit Erstzulassung im Oktober 2002 erworbene Kraftfahrzeug (Kfz [...]) wies im Juni 2006 einen Kilometerstand von 114.897 km aus. Im Streitjahr musste der Kläger einen Austauschmotor in das Kfz einbauen sowie die Antriebswellen ersetzen lassen und wendete dafür Kosten von 4.942,83 EUR (Rechnung vom 18. Juli 2006) und von 1.031,54 EUR (Rechnung vom 21. Juni 2006) auf. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 2006 machte der Kläger u.a. diese Aufwendungen in Höhe von 5.974,37 EUR neben den Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - folgte den Angaben in der Einkommensteuererklärung insoweit nicht und ließ neben anderen nichtstreitigen Aufwendungen die Reparaturkosten für das Kfz über 5.974,37 EUR nicht als Werbungskosten zum Abzug zu. Für die Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigte das FA eine Entfernungspauschale in Höhe von 4.140 EUR (Fahrten an 230 Tagen über 60 Entfernungskilometer).

Den dagegen gerichteten Einspruch begründeten die Kläger damit, dass die geltend gemachten Reparaturkosten außergewöhnliche Aufwendungen seien. Der Motorschaden sei ein Bruch der Pleuelstange gewesen. Dieser Schaden trete extrem selten auf und könne nicht auf Verschleiß zurückgeführt werden. Gleiches gelte für den Schaden an den Antriebswellen. Antriebswellen seien bis zur Verschrottung des Kfz in Gebrauch. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. November 2007).

Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung bedienen sich die Kläger der bereits im Einspruchsverfahren vorgetragenen Argumente und weisen ergänzend darauf hin, dass bei außergewöhnlichen Aufwendungen ein Abzug neben der Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zulässig sei. Das Kfz des Klägers sei ein Dieselfahrzeug und Dieselfahrzeuge würden nach dem heutigen Stand der Technik eine Laufleistung von 300.000 km erreichen. Da Motor und Antriebswellen bereits im Streitjahr hätten ersetzt werden müssen, läge ein vorzeitiger, außergewöhnlicher Verschleiß vor.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2006 vom 25. Mai 2007 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 16. November 2007 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers weitere Werbungskosten in Höhe von 5.974,57 EUR zum Abzug zuzulassen und die Einkommensteuer entsprechend festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt

die Klageabweisung.

Das FA verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Die jährliche Fahrleistung des Kfz habe circa 30.000 km betragen. Deshalb würde der Schaden an Motor und Antriebswellen kein außergewöhnliches Ereignis darstellen, selbst wenn das Kfz regelmäßig gewartet worden sei. Die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte habe zur Folge, dass die Reparaturkosten, da sie auf normalen Verschleiß zurückzuführen seien, nicht zusätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden könnten. Das Kfz sei am 5. Oktober 2007 vom Kläger abgemeldet worden. Aber selbst wenn der Einbau des Austauschmotors außergewöhnlich sei, könnten die Reparaturkosten nicht in vollem Umfang als Werbungskosten anerkannt werden. Denn es sei nicht möglich, den Motorschaden ausschließlich dem beruflichen Bereich zuzuordnen. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass die zu Grunde liegenden Ursachen gleichermaßen bei beruflicher und privater Nutzung des Kfz gesetzt worden seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -)

II. Die Klage ist unbegründet.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres (EStG) sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen. Danach ist - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - für jeden Arbeitstag, an dem die Arbeitsstätte aufgesucht wird, der sich aus der Entfernung zur Wohnung ergebende Betrag anzusetzen, und zwar unabhängig davon, wie oft die Strecke je Arbeitstag zurückgelegt wird, welches Verkehrsmittel benutzt wird und welche Kosten tatsächlich angefallen sind. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Norm. Aus der Formulierung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG "zur Abgeltung [...] ist für jeden Arbeitstag [...] anzusetzen" ergibt sich unmissverständlich, dass der Abzugsbetrag ungeachtet tatsächlich höherer oder niedrigerer Aufwendungen je Arbeitstag berücksichtigt wird. Dies wird zudem durch § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nochmals bestätigt (Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 11. September 2003, VI B 101/03, BStBl II 2003, 893). Die der Steuervereinfachung dienende Abgeltungswirkung hat angesichts des mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 neugefassten Wortlautes der Vorschrift durch das Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I 2000, 1918) zur Folge, dass auch außergewöhnliche Aufwendungen neben der Entfernungspauschale nicht mehr abziehbar sind (so auch: Hessisches FG, Urteil vom 18. März 2005, 8 K 4194/04, DStRE 2006, 268; FG Hamburg, Urteil vom 5. Juli 2006, 1 K 4/06, EFG 2006, 1822; FG Köln, Urteil vom 31. März 2008, 14 K 2865/07, EFG 2008, 1192; jeweils m.w.N.; gl.A.: Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl. 2008, § 9 Rz. 126 m.w.N.; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-/KStG-Kommentar, § 9 Anm. 631).

Die - für das Begehren des Klägers sprechenden - zur Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG in früheren Jahren ergangenen Entscheidungen des BFH, nach denen mit den Kilometer Pauschbeträgen nur die normalen, voraussehbaren Kosten, die dem Arbeitnehmer bei Benutzung des eigenen privaten PKW für berufliche Zwecke entstehen, abgegolten sind (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1982 VI R 133/79, BStBl II 1982, 325) und daneben als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG noch außergewöhnliche Aufwendungen für das Fahrzeug berücksichtigt werden können, sind für das Streitjahr nicht mehr maßgeblich. Nach dieser älteren Rechtsprechung waren die Aufwendungen, die durch einen Unfall oder durch den vorzeitigen Verschleiß von wichtigen Teilen verursacht worden sind, außergewöhnlich (BFH-Urteil vom 25. Januar 1985 VI R 35/82, BFH/NV 1985, 28); dazu gehören auch die Kosten für einen Austauschmotor, die bei einer geringen Betriebsdauer des Fahrzeugs angefallen sind (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 1973 VI R 26/73, BStBl II 1974, 186; in BStBl II 1982, 325; in BFH/NV 1985, 28; vom 25. März 1977 VI R 222/75, n.v. [...]). Diese Rechtsprechung ist aber durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 überholt, denn Abs. 2 Satz 1 ordnet die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale an und verwendet dafür die - gegenüber den für frühere Veranlagungszeiträume geltenden Fassungen des Einkommensteuergesetzes die neue eindeutige und unmissverständliche - Formulierung "Durch die Entfernungspauschale sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte [...] veranlasst sind."

Daraus folgt für den Streitfall: Das FA hat zu Recht die Reparaturaufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen. Auf die Frage, ob der Motorschaden und der Schaden an den Antriebswellen auf außergewöhnlichen Verschleiß zurückzuführen sind oder nicht, kommt es wegen der im Streitjahr geltenden Gesetzesfassung nicht mehr an. Mit der Entfernungspauschale sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch Familienheimfahrten veranlasst sind (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dass der Motorschaden und der Schaden an den Antriebswellen auf einer Dienstreise im Streitjahr aufgetreten sind, und während der Dienstreise behoben werden mussten, ist angesichts der Reparatur durch das Autohaus am Wohnsitz der Kläger ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück