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Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 13 S 2142/06
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 37 Abs. 2
AO 1977 § 44 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

13 S 2142/06

Verfahren wegen Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Abrechnungsbescheid vom 21. Juli 2005 (Az.: 13 K [...] 1/06)

In dem Verfahren

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung ... ohne mündliche Verhandlung am 11. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (ASt) lebt seit November 2003 von ihrem Ehemann (E) getrennt. Zum 1. Juni 2004 hat die ASt bei der Gemeinde einen Gewerbebetrieb angemeldet.

Zur Einkommensteuer 2002 wurden die ASt und E zusammen veranlagt (unter Steuernummer [...] 76). Im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 28. Oktober 2003 setzte das FA gegenüber E und der ASt für das Jahr 2004 vierteljährliche Vorauszahlungen zur Einkommensteuer in Höhe von 2.570 EUR und zum Solidaritätszuschlag von 91 EUR fest. Die Vorauszahlungen für das Jahr 2004 wurden vom FA von einem Girokonto, das allein dem E zustand, abgebucht.

Mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 6. Juli 2005 wurde die ASt alleine zur Einkommensteuer veranlagt (unter Steuernummer [...] 89). Das Finanzamt (FA) setzte gegenüber der ASt die Einkommensteuer - ebenso wie den Solidaritätszuschlag hierzu - auf 0 EUR fest.

Eine Anrechnung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2005 rügte die ASt, dass vom FA nicht berücksichtigt worden sei, dass sie und E unter der gemeinsamen Steuernummer Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer 2004 (von 10.280 EUR) und den Solidaritätszuschlag 2004 (von 364 EUR) geleistet hätten und dass die Vorauszahlungen hälftig auf sie und auf E zu verteilen seien. Bei Anrechnung der Hälfte der Vorauszahlungen würde sich für sie ein entsprechender Erstattungsbetrag von 5.322 EUR (5.140 EUR + 182 EUR) ergeben.

Mit Abrechnungsbescheid vom 21. Juli 2005 stellte das FA fest, dass auf die festgesetzte Einkommensteuer der ASt für 2004 und den Solidaritätszuschlag hierzu keine Vorauszahlungen anzurechnen seien. Denn dem FA sei bereits aufgrund einer persönlichen Vorsprache des Prozessbevollmächtigten der ASt am 13. November 2003 bekannt gewesen, dass die ASt und E getrennt leben würden. Somit sei zum Zeitpunkt der Zahlung dem FA erkennbar gewesen, dass die Zahlungen nicht für Rechnung beider Ehegatten erfolgen sollten, sondern allein für E. Damit würde eine hälftige Aufteilung der geleisteten Vorauszahlungen auf die ASt und auf E ausscheiden. Deshalb würde sich auch kein Erstattungsbetrag zugunsten der ASt ergeben. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006).

Dagegen richtet sich die Klage (Az.: 13 K [...] 1/06). Der ASt stehe aus der Einkommensteuerveranlagung 2004 ein Erstattungsanspruch von 5.322 EUR (einschließlich Solidaritätszuschlag) zu und dieser Erstattungsanspruch sei in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid auszuweisen. E habe keine ausdrückliche Tilgungsbestimmung getroffen und auf den Zahlungsträgern seien auch keine weiteren Vermerke über die Zuordnung der Zahlungen vorgenommen worden. Die Vorauszahlungen seien alle auf die gemeinsame Steuernummer geleistet worden und nur dies sei dem FA erkennbar gewesen. Hätte E erkennbar nur auf seine eigene Steuerschuld aufgrund seiner eigenen Einkünfte leisten wollen, hätte er zumindest eine eigene neue Steuernummer beantragen müssen.

Das FA ist der Auffassung, dass die Klage unbegründet sei. Es würden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass E nur auf seine eigene Steuerschuld habe leisten wollen. Die von der ASt angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) würde nur Fälle betreffen, in denen die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung zum Zahlungszeitpunkt vorgelegen hätten.

Die Antragstellerin beantragt,

für das vorstehende Klageverfahren (Az.: 13 K [...] 1/06) Prozesskostenhilfe zu gewähren und den Prozessbevollmächtigten als Rechtsbeistand beizuordnen.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

1. Nach § 142 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe kommt es wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden (BFH-Beschlüsse vom 25.März 1986 III B 5-6/86, BStBl II 1986, 526; vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149; vom 6. Juni 1994 VII B 2/94, BFH/NV 1995, 281; vom 18. Juni 2003 XI S 23/02 (PKH), BFH/NV 2004, 47, jeweils m.w.N.).

2. Im anhängigen Verfahren verspricht die beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Finanzgericht keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg. Der Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) vom 21. Juli 2005 erscheint bei summarischer Prüfung rechtmäßig und zwar aus folgenden Gründen:

a) Da regelmäßig jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung schuldet (§ 44 Abs.1 Satz 2 AO), kann im Zweifel davon ausgegangen werden, dass jeder nur seine eigene Schuld tilgt.

Daraus folgt, dass in der Regel nur derjenige Gesamtschuldner erstattungsberechtigt ist, der die Zahlung geleistet hat oder für dessen Rechnung von einem Dritten die Zahlung bewirkt worden ist. Hat dagegen der Gesamtschuldner nach dem erkennbar gewordenen Willen für Rechnung aller Gesamtschuldner gezahlt, so sind die Gesamtschuldner nach Köpfen erstattungsberechtigt (BFH-Urteile vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BStBl II 1990, 41; vom 4. April 1995 VII R 82/94, BStBl II 1995, 492).

Für die Ermittlung des erstattungsberechtigten Ehegatten muss also darauf abgestellt werden, für wessen Rechnung der Steuerbetrag gezahlt worden ist. Ist die im Zeitpunkt der Zahlung bestehende Willensrichtung des zahlenden Ehegatten für das FA nicht erkennbar, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jeder Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen will. Bei Eheleuten, die nicht dauernd getrennt voneinander leben, wird mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft vermutet, dass jeder der Ehegatten mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammenveranlagten Ehepartners begleichen will. Dabei ist in diesem Zusammenhang unerheblich, von welchem der Ehegatten, mit wessen Mitteln und von welchem Konto gezahlt worden ist. Denn entscheidend ist nach § 37 Abs. 2 AO allein, wessen Steuerschuld nach dem, dem Finanzamt erkennbaren Willen des zahlenden Ehegatten getilgt werden sollte. Für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind dabei nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem FA im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Es spielt dabei keine Rolle, ob der andere Ehegatte in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO) geführt haben. Ebenso wenig steht es der Annahme, dass Einkommensteuervorauszahlungen auch auf die Steuerschuld des anderen Ehegatten geleistet werden, entgegen, falls nur einer der Ehegatten verpflichtet ist, Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 Abs. 1 Einkommensteuergesetzes - EStG -) zu leisten. Diese Erwägungen gelten unabhängig davon, auf welche Weise die Tilgung der Steuerschulden bewirkt wird, ob dies also z.B. durch Einzelüberweisung oder - wie hier - dadurch geschieht, dass ein Ehegatte dem FA eine Einzugsermächtigung für künftige Steuerschulden erteilt und das FA von dieser später Gebrauch macht (ständige höchstrichterlicher Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile in BStBl II 1990, 41; vom 15. November 2005 VII R 16/05, BStBl II 2006, 453; BFH-Beschlüsse vom 4. November 2003 VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314 vom 15. April 2004 VII B 63/03, BFH/NV 2004, 1214; vom 11. Januar 2005 VII B 136/04, BFH/NV 2005, 833; jeweils m.w.N.).

b) Im Streitfall fehlt eine ausdrückliche Erklärung des Zahlenden E über die beabsichtigte Zurechnung der Zahlung. Das FA musste daher die mutmaßliche Absicht des Zahlenden E aus den ihm erkennbaren Umständen im Zeitpunkt der Zahlung entnehmen. Aus diesen Umständen hat das FA bei summarischer Prüfung zutreffend darauf geschlossen, dass E nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte. Denn im Streitfall hatte der Prozessbevollmächtigte bereits am 13. November 2003 unter Vorlage der Vollmacht vom 11. November 2003 dem FA angezeigt, dass die ASt von E getrennt lebt (Rechtsbehelfsakte Bl. 94). Auf der Vollmachtsurkunde hat die Sachbearbeiterin des FA auch zusätzlich vermerkt, dass die Vollmacht gespeichert wurde und dass bei Zuteilung einer eigenen Steuernummer für die ASt dort das Signal zur Veranlagung von ihrer Einkommensteuer gespeichert werden soll. Zum Zeitpunkt der ersten Abbuchung einer Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2004 (am 11. März 2004) vom Girokonto des E - aufgrund der Einzugsermächtigung aus dem Jahr 1988 - war dem FA somit bekannt, dass die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten nicht mehr besteht und dass wegen des dauernden Getrenntlebens für E grundsätzlich keine Zusammenveranlagung mehr mit der ASt für das Jahr 2004 möglich war. Damit bestand zum Zahlungszeitpunkt auch kein Umstand mehr, aufgrund dessen das FA davon ausgehen konnte, dass E gemeinsame Schulden tilgen wollte. Das FA musste deshalb davon auszugehen, dass E wie jeder andere Schuldner grundsätzlich nur auf seine eigene Schuld leistet. Später eintretende Umstände hat das FA bei dieser Annahme auch nicht berücksichtigt.

c) Die Überlegungen der ASt, dass aus der Vergabe der Steuernummern auf die Absicht des E geschlossen werden könne, dass er mit seinen Zahlungen auch Steuerschuld der ASt begleichen wollte, greifen demgegenüber nicht durch. Das FA hatte nämlich das ehemals gemeinsame Steuerkonto unter der Steuernummer [...] 76 ab der Einkommensteuerveranlagung 2004 nur noch als Steuerkonto des E weitergeführt und für die ASt ein eigenes Steuerkonto unter der Steuernummer [...] 89 eingerichtet. Die Einrichtung einer zusätzlichen weiteren Steuernummer für E war damit gar nicht erforderlich. Außerdem ist dieses zusätzliche Steuerkonto aus Gründen der Verwaltungsökonomie auch gar nicht empfehlenswert. Demgemäß musste auch die letzte Zusammenveranlagung von E und der ASt für das Jahr 2003 unter der gemeinsamen Steuernummer "[...] 76" zu erfolgen. Dass der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 23. Februar 2005 an die ASt und E gemeinsam adressiert wurde, entspricht den Bestimmungen des zusammengefassten Steuerbescheids (§ 155 Abs. 3 AO). Es widerspricht zwar der Vorschrift des § 122 Abs. 7 AO über die Bekanntgabe zusammengefasster Steuerbescheide an Ehegatten, dass das FA nur eine Ausfertigung unter der Wohnanschrift der ASt bekannt gegeben hatte, weil die ASt und E keine gemeinsame Anschrift mehr hatten. Die weitere Schlussfolgerung der ASt, dass aus diesem Bekanntgabefehler darauf geschlossen werden könne, dass dem FA noch zum Zeitpunkt der Erstellung des Steuerbescheides 2003 nicht bekannt gewesen sei, dass die ASt und E getrennt leben würden, trifft demgegenüber aber nicht zu. Denn auf dem Mantelbogen der Einkommensteuererklärung 2003 (Rechtsbehelfsakte Bl. 42) befindet sich in Zeile 7 der Vermerk des Sachbearbeiters, dass die ASt und E seit November 2003 dauernd getrennt leben.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (BFH-Beschluss vom 31. März 2005 III S 8/05, BFH/NV 2005, 1350). Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 1 Nr. 3 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).



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