Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 14 K 1401/01
Rechtsgebiete: AO 1977, HGB


Vorschriften:

AO 1977 § 191 Abs. 1
HGB § 171 Abs. 1
HGB § 172 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 1401/01

Haftung für Umsatzsteuer 1989

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht des Richters am Finanzgericht und des Richters am Finanzgericht sowie der ehrenamtlichen Richter und

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Kläger als Kommanditist für Umsatzsteuerschulden der Consulting mbH & Co. Verwaltungs-KG i. L. (KG) haftet.

Der Kläger ist gemäß Handelsregistereintrag mit einer Einlage von 90.000 DM als Kommanditist an der KG beteiligt. Die KG wurde am 08. Oktober 1987 gegründet und am 16. Dezember 1987 beim Amtsgericht unter HGB RA XY ins Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens waren Unternehmensberatungen aller Art. Aus den daraus erzielten Umsätzen wurde die KG zur Umsatzsteuer veranlagt. Mit nach § 172 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 11.03.1999 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer auf 210.091,58 DM fest, was zu einer Nachzahlung von 21.491,48 DM führte. Die KG blieb mit diesem Betrag zuzüglich Zinsen und Säumniszuschlägen im Rückstand. Die Vollstreckung in das Vermögen der KG blieb erfolglos. Mit Haftungsbescheid vom 14. Dezember 1999 nahm deshalb das Finanzamt gestützt auf § 191 AO und §§ 128, 161, 171 HGB den Kläger für rückständige Umsatzsteuern und steuerliche Nebenleistungen der KG von insgesamt 31.398,48 DM in voller Höhe in Haftung. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung EE- vom 22. Februar 2001). Ausweislich der Bilanzen sei die Kommanditeinlage voll einbezahlt worden. Ihr gegenüber stehe ein Konto "Gesellschafterdarlehen", auf dem Entnahmen, Einlagen, Gewinn- und Verlustanteile gebucht würden. Bereits in den Jahren 1987 bis 1989 seien Entnahmen des Klägers i.H. von rd. 3,8 Mio. DM gebucht, denen Einlagen - auch in den folgenden Jahren - nicht gegenüber stünden. Dadurch sei die Kommanditeinlage des Klägers vollständig unter den eingetragenen Betrag herabgemindert worden, so dass die Haftung gerechtfertigt sei.

Der Kläger hat dagegen Klage erhoben. Unstreitig sei zwischen den Beteiligten, dass der Kläger seine Kommanditeinlage i.H. von 90.000 DM bei Gründung der Gesellschaft in 1987 voll erbracht habe und er die Anteile treuhänderisch für JK von Beginn an gehalten habe. In der Folge, d.h. nach vollständigem Erbringen der Einlage durch den Kläger, habe die Gesellschaft Gelder an den Treugeber JK ausgereicht; Gesellschaften, an denen JK beteiligt gewesen sei, seien auch nahezu ausschließlich Gläubiger der Gesellschaft. Der vom Finanzamt daraus gezogene rechtliche Schluss, dass durch die Ausreichung der Gelder an JK die Kommanditeinlage des Klägers gemindert worden sei, sei falsch. Wenn das Finanzamt annehme, der Kläger habe diese Gelder entnommen, dann gehe es bereits von einem falschen Sachverhalt aus. Aus den Unterlagen der Gesellschaft ergebe sich zweifelsfrei, dass sämtliche Ausreichungen der Gelder an den Treugeber JK erfolgt seien und nicht an den Kläger. Die Ausreichungen seien auch steuerlich entsprechend dem Treugeber JK zugerechnet worden. Er habe sie in sein Privat- bzw. Betriebsvermögen eingebracht und dort entsprechend erfasst. Weder steuerrechtlich noch zivilrechtlich könnten hier Treuhänder und Treugeber "vermischt" werden.

Unstreitig sei auch, dass die Beteiligten zunächst die Folgen der Treuhandschaft aus § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO insbesondere in den Steuererklärungen und Jahresabschlüssen verkannt hätten und erst durch die erste Außenprüfung der KG in 1991 darauf hingewiesen worden seien, dass sowohl ertragsteuerlich als auch vermögensteuerlich die Treuhandbeteiligung des Klägers JK als Treugeber zuzurechnen sei. Ab diesem Zeitpunkt seien dann die Bilanzen so erstellt worden, dass Herr JK als Kommanditist ausgewiesen worden sei und die an ihn ausgereichten Gelder als Gesellschafterdarlehen. Tatsächlich habe sich aber seit Gründung der Gesellschaft an den rechtlichen Verhältnissen nichts geändert. Der Kläger sei nach wie vor Kommanditist. Zum Beweis dafür seien die Steuerakten ab 1987 (Gründungsjahr) heranzuziehen ebenso der frühere steuerliche Berater der KG, Herr Steuerberater, M.

Das Finanzamt habe noch im Vorverfahren fälschlicherweise behauptet, dass der Kläger die Anteile seit 1990 treuhänderisch für JK halte. Dies würde voraussetzen, dass entweder zunächst JK - ohne Bestehen eines Treuhandverhältnisses - Kommanditist gewesen sei und nach Minderung der Einlage durch die Entnahmen seine Anteile an seinen Sohn M. übertragen habe, oder dass letzterer zunächst Kommanditist gewesen sei (ohne Treuhandverhältnis) und das Treuhandverhältnis erst später- 1989/1990) begründet worden sei. In beiden Fällen sei eine Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB zu bejahen. Diese Voraussetzungen seien aber nicht gegeben und so auch nicht ansatzweise aus dem Akteninhalt und den Feststellungen des Finanzamts ersichtlich. Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 14. Dezember 1999 betreffend Umsatzsteuer 1989 zuzüglich Nebenleistungen der KG in Gestalt der EE vom 22. Februar 2001 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt

Klageabweisung.

Die im Verfahren getroffenen Aussagen zu dem Treuhandverhältnis beruhten auf den nach Aktenlage ersichtlichen Daten und Fakten, da eine vertragliche Vereinbarung über das Treuhandverhältnis nicht vorliege und auch trotz entsprechender Aufforderung von der Klägerin nicht habe beigebracht werden können. Die erkennbaren Anhaltspunkte sprächen für die Begründung des Treuhandverhältnisses bereits in 1987, auch wenn, wegen des Fehlens einer schriftlichen Vereinbarung im zurückliegenden Verfahren widersprüchliche Aussagen gemacht worden seien.

Soweit der Kläger geltend mache, die Ausreichung der Gelder an den Treugeber könnte nicht ihm als Treuhänder als Entnahme zugerechnet werden, müsse an der Tatsache festgehalten werden, dass insbesondere in den Jahren 1988 und 1989 ausweislich der vorliegenden Bilanzen Entnahmen des Treuhänders verzeichnet worden seien, welche dessen Einlage um ein Vielfaches überstiegen. Für welche Zwecke der Kläger die entnommenen Beträge dann tatsächlich verwendet habe, sie z.B. dem Treugeber überlassen habe, sei nicht entscheidungsrelevant, da im Ergebnis eine Herabminderung der Kommanditeinlage im Sinne von § 172 Abs. 4 HGB erfolgt sei. Die ertrag- bzw. vermögensteuerliche Behandlung der entnommenen bzw. ausgereichten Gelder sei für das streitgegenständiiche Verfahren gleichermaßen unbeachtlich.

Wegen des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens im Einzelnen wird auf die dem Gericht vorgelegten Steuerakten sowie auf den Inhalt der FG-Akte 14 K 1401/01 und 14V 1402/01 Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat den Kläger zu Recht gemäß § 191 Abs. 1 AO und §§ 171 Abs. 1 und 172 Abs. 4 HGB zur Haftung herangezogen.

Ein Kommanditist haftet nach § 171 Abs. 1 HOB den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist.

Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie gemäß § 172 Abs. 4 HGB den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird.

Rückzahlung im Sinne des Gesetzes ist jede Zuwendung eines Vermögenswerts an den Kommanditisten zu Lasten des Gesellschaftsvermögens, ohne dass der Gesellschaft ein wertmäßig entsprechender Vermögenswert zufließt. Jede an den Kommanditisten oder für seine Rechnung erbrachte Leistung von Vermögenswerten ist eine Einlagenrückgewähr, wenn dadurch das haftende Vermögen der Gesellschaft geschmälert wird. Gemäß dem Sinn und Zweck des § 172 Abs. 4 HGB als Kapitalsicherungsnorm kommen im Wesentlichen zwei Tatbestände als "Rückzahlungen" in Betracht: Einmal die Schmälerung der Eigenmittel der KG durch Leistung, insbesondere Auszahlung aus haftendem Kapital, zum anderen aber auch die Beseitigung des Kapitalkontos, sei es durch Auszahlung, sei es durch Umwandlung der Einlage in Fremdkapital (vgl. Münchner Kommentar, Handelsgesetzbuch, Band 3, § 171, 172 Rz. 66 und 67).

Der Kläger ist It. Eintragung im Handelsregister seit Gründung der KG an dieser mit einer Einlage von 90.000 DM als Kommanditist beteiligt. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger die Einlage bei Gründung der KG geleistet hat und somit die Haftungsbeschränkung gem. § 171 Abs. 1 2. Halbsatz HGB eingetreten ist. Vom Finanzamt ist im Ergebnis auch unstreitig gestellt, dass, wie vom Kläger behauptet, die Kommanditbeteiligung von ihm treuhänderisch für den Treugeber JK gehalten wurde. Das Treuhandverhältnis hindert aber nicht die Rechtsfolge aus § 172 Abs. 4 HGB.

Aus den Jahresabschlüssen 1987 bis 1989 und der Kapitalkontenentwicklung in diesen Jahren ergibt sich eindeutig, dass durch die den Ergebnisanteil übersteigenden Entnahmen des Klägers ein als Gesellschafterdarlehen bezeichnetes "negatives Kapitalkonto" des Klägers in Höhe von 3.106.496 DM zum 31.12.1989 entstanden ist. Der haftungsbegründete Tatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB ist damit erfüllt.

Wenn der Kläger dagegen einwendet, er habe diese Gelder nicht entnommen, aus den Unterlagen der Gesellschaft ergebe sich zweifelsfrei, dass sämtliche Ausreichungen der Gelder an den Treugeber JK erfolgten, kann dem nicht gefolgt werden. Aus den Bilanzunterlagen ergibt sich die Verwendung der Entnahmen des Klägers nicht. In den Bilanzen der KG ist lediglich auf der Aktivseite in einem Betrag ein Gesellschafterdarlehen ausgewiesen, das die Summe der negativen Kapitalkonten der beiden Kommanditisten der KG darstellt.

Die vom Kläger vorgetragenen Einwendungen finden allein in der wohl der KG zugrundeliegenden Rechtskonstruktion ihre Rechtfertigung, wonach die KG als eine von der Einzelperson JK zu 100% beherrschte Gesellschaft unter Einschluss der Beteiligung an weiteren Firmen als Holding fungierte. Würde man jedoch unter diesem Gesichtspunkt bzw. dem der Treuhandschaft zwischen dem Kläger und dem beherrschenden Gesellschafter jede Entnahme aus der KG dem beherrschenden Gesellschafter und Treugeber zurechnen und dabei die Stellung des Klägers als Kommanditist und die Auswirkung der Entnahme auf dessen Beteiligung negieren, würde dies den Sinn und Zweck des § 172 Abs. 3 Satz 2 HGB widersprechen. Denn Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist die Einlagensicherung und Kapitalsicherung. Der Kommanditist haftet solange nicht persönlich, wie er der Gesellschaft keine Mittel aus dem gebundenen Vermögen entzieht und ihr die Mittel auch als Einlage, ausgewiesen als haftendes Kapital, beläßt. Die Haftung lebt deshalb nach § 172 Abs. 4 HGB auf, wenn er zwar Mittel der Gesellschaft beläßt, aber nicht mehr als haftendes Kapital, sondern als Fremdkapital, z.B. als Darlehen (Münchener Kommentar, HGB, Band III, §§ 171, 172 Rz. 63).

Die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB sind somit gegeben. Im Übrigen konnte auch in den Folgejahren das Kapitalkonto des Klägers durch entsprechende Gewinnanteile nicht ausgeglichen werden. Das Darlehen ist nach Aussage des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung an den Kläger auch niemals zurückbezahlt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück