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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 14 K 1722/06
Rechtsgebiete: AO, UStG
Vorschriften:
AO § 37 Abs. 2 S. 2 | |
AO § 218 Abs. 2 | |
UStG § 17 |
Finanzgericht München
Rückforderungsbescheid
In der Streitsache
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
[....]
auf Grund mündlicher Verhandlung vom 29. November 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Der Rückforderungsbescheid vom 25. Juli 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 28. März 2006 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Rechtsgrund für die Verrechnung von Vorsteuerbeträgen auf die Umsatzsteuerschuld der Klägerin als Zessionarin i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung 1977 (AO) weggefallen ist.
Die Klägerin stand zu der Fa. xxxx GmbH & Co. xxxx KG (nachfolgend HHB) in Geschäftsbeziehungen und führte für diese im Jahr 2004 steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen aus. Aufgrund der Leistungen an die HHB entstanden bei dieser Vorsteuererstattungsansprüche, die wiederum teilweise an die Klägerin abgetreten wurden. Im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung bei der HHB stellte das Finanzamt (FA) fest, dass die HHB gegenüber der Klägerin noch Verbindlichkeiten aus nicht bezahlten Eingangsrechnungen hatte.
Aufgrund der am 22. April 2005 angeordneten vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der HHB kam das FA zu dem Ergebnis, dass diese Forderungen der Klägerin uneinbringlich geworden sind und der durch die HHB in Anspruch genommene Vorsteuerabzug rückgängig zu machen sei. Die Vorsteuerberichtigung wurde darauf hin mit Bescheid vom 13. Mai 2005 über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für April 2005 gegenüber HHB vollzogen.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 forderte das FA gegenüber der Klägerin die verrechneten bzw. erstatteten Beträge in Höhe von 258.364,56 EUR zurück. Zur Begründung führte das FA an, dass mit der Vorsteuerberichtigung bei der HHB der Rechtsgrund für die aufgrund der Abtretungsanzeigen geleisteten Umbuchungen, d.h. für die Verrechnungen mit eigenen Umsatzsteuerschulden der Klägerin entfallen sei. Die Verrechnungen seien in Höhe von 258.364,56 EUR rückgängig zu machen.
Der gegen den Rückforderungsbescheid eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 28. März 2006).
Mit ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen Folgendes geltend: Das FA gehe fehl in der Annahme, dass konkrete Vorsteuerbeträge einzelner Rechnungen abgetreten worden seien, es handele sich vielmehr um Vorsteuererstattungsansprüche, die auf einen bestimmten Zeitraum bezogen gewesen seien. Die Abtretungen seien wirksam zustande gekommen und von der Beklagten auch erfüllt worden und würden nicht rückwirkend wegfallen. Erst in einem anderen Veranlagungszeitraum, nämlich im Jahr 2005 sei die Zedentin in Insolvenz gegangen. Damit sei auch eine Änderung der Bemessungsgrundlage erst im Jahr 2005 eingetreten. Jeder Soll-Versteuerer müsse die Mehrwertsteuer aus den von ihm erstellten Rechnungen zum Monat der Rechnungsstellung an das Finanzamt bezahlen. Werde die Rechnung nicht bezahlt und stehe z.B. erst nach drei Jahren fest, dass die Rechnung aufgrund einer Insolvenz des Schuldners nicht mehr bezahlt werde, erhalte der Steuerpflichtige auch nicht die drei Jahre zuvor bezahlte Mehrwertsteuer rückwirkend erstattet, sondern die Finanzverwaltung ermäßige die Mehrwertsteuer in dem Zeitpunkt, in dem der endgültige Forderungsausfall feststehe.
Die Klägerin beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 25. Juli 2005 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist gleichfalls der Meinung, dass der Vorsteuerabzug aus nicht bezahlten Eingangsrechnungen rückgängig zu machen sei, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden sei. Die Berichtigung sei demnach in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eintrete. Deswegen sei vorliegend auch die Umsatzsteuerfestsetzung der HHB für April 2005 berichtigt worden.
Gleichwohl sei der Rückforderungsbescheid rechtmäßig, weil aufgrund der Berichtigung nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Rechtsgrund für die Vorsteuererstattungen aus den nicht bezahlten Eingangsrechnungen weggefallen und dem FA ein Rückforderungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO) zustehe. Sei eine Steuer oder eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so habe derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei, nach § 37 Abs. 2 AO an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Das gelte auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder die Rückzahlung später entfalle. Die Klägerin trete dabei als Zessionarin in die Rechtsstellung des Abtretenden (Zedenten). Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs habe bereits wiederholt festgestellt, dass der Zessionar mit der Abtretung des Zahlungsanspruchs aus einer Umsatzsteuerfestsetzung in die Rechtsstellung eintrete, die der Steuerpflichtige im Erhebungsverfahren innehabe. Der Abtretungsempfänger könne mithin rechtlich nicht besser gestellt werden als der Steuerpflichtige selbst. Wer sich demgemäß eine steuerrechtliche Forderung abtreten lasse, übernehme eine mit dem Risiko ihres Bestehens behaftete Forderung.
II.
Die Klage ist begründet. Der Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 25. Juli 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. März 2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, sie sind daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO --).
Das FA ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung im Jahr 2004 führt. Die hier allein maßgebende Änderung, nämlich die Uneinbringlichkeit einer Forderung nach § 17 Abs. 2 UStG, ist vielmehr erst im Besteuerungszeitraum der Änderung, also im Jahr 2005, vorzunehmen.
1. Streitgegenstand ist, wie das FA mit Schriftsatz vom 23. November 2006 im Verfahren xxxxx zugestanden hat, die geltend gemachte Rückforderung von erstatteten bzw. verrechneten Vorsteuerbeträgen für die Voranmeldungszeiträume 3, 5, 6 und 7/2004 der Fa. HHB in Höhe eines Betrags von 216.225,53 EUR, da an das FA noch weitere Teilzahlungen in Höhe von 305.507,99 EUR erfolgt sind. Im Übrigen, also in Höhe von 216.225,53 EUR, ist der Rückforderungsbescheid des FA nicht rechtmäßig.
2. Die Voraussetzungen für einen Rückforderungsbescheid nach § 218 Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 AO sind nicht erfüllt, da der Beklagte den Vorsteuerüberhang der HHB mit rechtlichem Grund gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO an die Klägerin verrechnet bzw. erstattet und die Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG nicht zu einem späteren Wegfall des rechtlichen Grundes für die Auszahlung des Vorsteuerüberschusses gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO geführt hat. Nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über eine Streitigkeit, die einen Erstattungsanspruch im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 AO betrifft, durch Verwaltungsakt. Ist eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Dies gilt auch, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt, § 37 Abs. 2 Satz 2 AO.
Zwar gehört der Vorsteuerüberschuss aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung der HHB für 03/2004 bis 7/2004 zu den Steuervergütungen, unbeschadet dessen, dass es sich dabei um verfahrensrechtlich unselbständige Besteuerungsgrundlagen handelt. Wie das FA zu Recht hervorhebt, ist die Klägerin im Streitfall auch als Leistungsempfängerin anzusehen, da der Vorsteuerüberschuss der HHB an sie abgetreten war und der Beklagte den Anspruch auf Auszahlung der Steuervergütung durch Verrechnung mit ihren Steuerschulden bzw. durch Auszahlung erfüllt hat.
Ein Rückforderungsanspruch setzt jedoch voraus, dass der Rechtsgrund für die Zahlung entweder von vornherein fehlte, § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, oder später entfallen ist, § 37 Abs. 2 Satz 2 AO. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
Der Senat nimmt insoweit auf die ausführlich begründete Auffassung im Urteil des FG des Landes Berlin/Brandenburg vom 27.09.2007 (6 K 5154/04 B, bisher n.v.) Bezug, wonach aufgrund der abschnittsweisen Entstehung der Umsatzsteuer bereits während des Besteuerungszeitraums (Kalenderjahr) mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums, der Rechtsgrund für die Zahlung an die Klägerin in dem in entsprechender Höhe bestehenden Vorsteuerüberschuss aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung der HHB zu sehen und dieser auch nicht weggefallen ist, weil eine Korrektur der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht zu einem späteren Wegfall des rechtlichen Grundes der Zahlung führt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 V B 70/06, BStBl II 2007, 415 und mit überzeugender Begründung: Klenk, Änderung der Bemessungsgrundlage und Rückforderung einer Erstattung, UR 2007, 205).
Wird nämlich eine Lieferung rückgängig gemacht, haben der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen; die Berichtigungen sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG).
Die Vorschrift des § 17 UStG hat einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der AO. Liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung i.S. von § 17 UStG vor, so führt dies nicht zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung für den entsprechenden Umsatz; dieser Sachverhalt ist vielmehr (als unselbständige Besteuerungsgrundlage nach § 157 Abs. 2 AO) in der Umsatzsteuerfestsetzung für den maßgeblichen Besteuerungszeitraum (§ 17 Abs. 1 UStG) zu berücksichtigen (a.A. wohl BFH-Urteil vom 9. April 2002 VII R 108/00, BStBl II 2002, 562). Mit der Berichtigung der Bemessungsgrundlage entfällt nämlich nicht zugleich der Rechtsgrund für die Erstattung der entsprechenden Vorsteuer im Zeitpunkt der "ursprünglichen" Umsatzsteuerfestsetzung.
Geht man von diesen Rechtsgrundsätzen aus, ist vorliegend eine Änderung der Bemessungsgrundlage nicht im Jahre 2004, sondern erst im Jahr 2005 eingetreten, so dass das FA die Vorsteuerüberschüsse der HHB zu Unrecht nicht mit den Umsatzsteuerschulden der Klägerin verrechnet hat, weil die Rechtsgrundlage hierfür nicht entfallen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf den § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. 4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
Ende der Entscheidung
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