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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 14 K 1898/04
Rechtsgebiete: GG, Richtlinie 77/388/EWG, UStG


Vorschriften:

GG Art. 10 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 5
Richtlinie 77/388/EWG Art. 22 Abs. 2a
UStG § 3
UStG § 14
UStG § 15 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 1898/04

In der Streitsache

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung des... sowie

der ehrenamtlichen Richter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2001 vom 27. November 2003 in Gestalt des Umsatzsteuerbescheids vom 03. Januar 2006 und der Einspruchsentscheidung wird die Umsatzsteuer für 2001 auf einen Negativbetrag von X EUR festgesetzt.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

I. Die Klägerin ist eine im Jahr 2000 gegründete GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war zunächst B.S., ab 01. Mai 2001 trat M. K. in die Gesellschaft ein und wurde ebenfalls zum Geschäftsführer bestellt.

Auf Grund der Ergebnisse einer Prüfung der Steuerfahndungsstelle (Steufa) ließ der Beklagte (das Finanzamt - FA -) von der Klägerin geltend gemachte Vorsteuerbeträge nicht mehr zum Abzug zu.

Nach den Feststellungen der Steufa beteiligte sich die Klägerin an einem betrügerischen, europaweiten Umsatzsteuerkarussell (vgl. Steufa-Bericht vom 10. November 2003).

Danach war Warengegenstand des Umsatzsteuer-Karussells der zentrale Rechenprozessor (Central Processing Unit - CPU -) der Firma I. Nach den Feststellungen der Steufa kreisten die CPU's zwischen den beteiligten Unternehmen über mehrere parallele Lieferstränge. Die Klägerin habe dabei als so genannter Distributor, d.h. als sog. Exporteur ins europäische Ausland fungiert.

Die Klägerin bezog die CPU's im Streckengeschäft von den Firmen T, L und C, die ihrerseits die Waren von der Firma H. bezogen hatten. Die Abnehmer der Klägerin im europäischen Ausland führten die CPU's nicht einem möglichen Verbau zu, sondern fakturierten sie zu einem nicht unbedeutenden Anteil weiter an wechselnde inländische Scheinfirmen ("Missing Trader").

Nach der Auffassung des Finanzamts wurde durch die genannten Warenbewegungen innerhalb eines Umsatzsteuer-Karussells keine Verfügungsmacht verschafft bzw. stellten diese Vorgänge Scheingeschäfte dar.

Der gegen den Umsatzsteuer-Bescheid 2001 vom 27. November 2003 eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 29. März 2004).

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen folgendes geltend: Das Finanzamt mache nur allgemeine Angaben zu einem angeblich bestehenden Umsatzsteuer- Karussell, detaillierte Ausführungen seien nicht zu erkennen.

Das Finanzamt habe außerdem die Aufzeichnungen aus der Telefonüberwachung zu Unrecht verwertet, da diese unter Verletzung des Art. 10 Abs. 1 GG durchgeführt worden sei, so dass im Besteuerungsverfahren ein Verwertungsverbot bestünde.

Die Ausführungen im Steuerfahndungsbericht zum so genannten "Graumarkt" seien fehlerhaft.

Sämtliche Direktpartner der Firma I. müssten Dispositionen über einen zu erwartenden Bedarf an CPU's mit einem Vorlauf von ca. 6 Monaten treffen. Daraus ergäben sich in diesem Markt zwangsweise nicht benötigte Überhänge, aber auch häufig Engpässe für aktuelle PC-Produktionen.

Von besonderer Bedeutung bei dem CPU-Handel sei der ständige Preisverfall des Produkts.

Dieser Preisverfall und die von I. gewährten mengenbezogenen Rückvergütungen, Boni und Werbekostenzuschüsse an die OEM (Original Equipment Manufacturer) - Partner könnten dazu führen, dass CPU's auch unter den offiziellen I.-Preisen gehandelt würden. Wie in dem Steufa-Bericht ausgeführt werde, seien die CPU's durch den so genannten "Missing Trader" im Regelfall verbilligt. Deshalb sei es verständlich, dass sich in einer freien Marktwirtschaft ein Markt für CPU's von selbst entwickelte. Die nachfolgenden Händler müssten gar nicht notwendig in das System eines Umsatzsteuerkarussells integriert sein, damit ein Handel von entsprechend verbilligten CPU's zustande komme.

Der eigentliche Schaden beim Umsatzsteuerkarussell bestehe in der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch den "Missing Trader" auf der ersten Stufe. Dies könne jedoch nicht zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs beim Abnehmer auf der vierten Stufe führen, weil insoweit keine Verknüpfung bestehe.

Der Klägerin sei in jedem Einzelfall von dem leistenden Unternehmer die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand verschafft worden. Sie sei bei der Auswahl der Verkäufer und der Käufer der CPU's völlig frei gewesen und dabei allein den Regeln eines funktionierenden Marktes gefolgt. Die Erfassung der Box- und Lot-Nummern durch die Klägerin sei wegen der Abwicklung möglicher Gewährleistungsfälle erforderlich gewesen, die auch einzeln aufgetreten und von der Klägerin reguliert worden seien.

Eine intakte Verpackung der CPU's sei für die Marktfähigkeit und den Handel dieser Ware von wesentlicher Bedeutung gewesen. Nur wenn die Verpackung ein unversehrtes Siegel getragen habe, habe sich der Käufer darauf verlassen können, dass in der Verpackung Original I. Produkte enthalten gewesen seien. Auch für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen sei die Unversehrtheit der Verpackung von wesentlicher Bedeutung gewesen.

Die schnelle technische Entwicklung der CPU's und der damit zusammenhängende Preisverfall sei auch ein Grund dafür, dass keine umfangreichen Lagerbestände gehalten worden seien. So hätten insbesondere die PC-Hersteller versucht, die CPU's nur auftragsbezogen zu bestellen.

Auch soweit das Finanzamt mit angeblich unrealistisch hohen Stückzahlen argumentiere, sei dies unzutreffend. Im Jahr 2000 seien allein in Deutschland ca. 6 Mio. PC's und im europäischen Markt mehr als 20 Mio. PC's verkauft worden. Die Klägerin, die im Jahr 2003 eine eigene PC-Fertigung begonnen habe, habe bereits im ersten Jahr 16.000 PC's verkauft. Es sei weiterhin auch unzutreffend, dass Sachverhalte im Zusammenhang mit Geschäften der X Multimedia AG zur Beurteilung des Sachverhalts bei der Klägerin hinzugezogen würden. Die Klägerin habe nachweislich keine Waren direkt von einem so genannten "Missing Trader" erworben, ihr sei auch nicht bekannt gewesen, dass Vorlieferanten möglicherweise ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachgekommen seien. Die Klägerin hatte auch keinerlei Veranlassung anzunehmen, dass einer der Vorlieferanten Umsatzsteuer hinterzogen habe.

Sie sei völlig frei in ihrer Entscheidung gewesen, ob und von wem sie CPU's kaufe und an wen sie diese verkaufe. Das Bestehen eines "grauen Marktes" sei insbesondere durch die Zeugenaussagen B (Bk) und D (D) im Strafverfahren gegen Frau E S (S.) bestätigt worden.

Aus der Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens gegen den Geschäftsführer der Klägerin und aus dem Freispruch der Frau S. werde deutlich, dass die bei der Klägerin beschäftigten Personen und Verantwortlichen von dem angeblichen Umsatzsteuerkarussell keine Kenntnis gehabt hatten und von einem reellen Geschäft, dem so genannten "grauen Markt" ausgehen konnten.

Die Klägerin habe ihren Geschäftsbetrieb erst im Dezember 2000 aufgenommen, so dass ohne weiteres erklärbar sei, dass sie in dem streitgegenständlichen Zeitraum bis zum März 2001 nur eine eingeschränkte Zahl von Lieferanten und Abnehmern zur Verfügung gehabt hatte.

Im Strafverfahren gegen Frau S. habe der Zeuge Bk beim Landgericht G bestätigt, dass die Menge der gehandelten CPU's kein Kriterium sei, das auf Karussell-Ware hindeute. Der Umstand, dass es bei der Klägerin bei 103 bezogenen Warenpaketen zu zwei Doppellieferungen gekommen sei, könne nicht als Beleg für eine Einbeziehung der Klägerin in ein Umsatzsteuer- Karussell gewertet werden. Da sich der "graue Markt" als eine Art Börse darstelle, könne es in einem derart geringen Umfang auch zu Doppellieferungen kommen. Dass die von der Klägerin gehandelten Pakete zum Teil mit Markierungen versehen gewesen seien, werde von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten. Die Preise der von der Klägerin gehandelten CPU's hätten dem Marktpreis des "grauen Marktes" entsprochen.

Eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit der einzelnen CPU's sei nicht angebracht gewesen, da dafür die Original Verpackung hätte geöffnet werden müssen, wodurch die Handelbarkeit der CPU's erheblich eingeschränkt worden wäre.

Die Klägerin beantragt, unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2001 vom 27. November 2003 in Gestalt des Umsatzsteuerbescheids vom 03. Januar 2006 und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer für 2001 auf einen Negativbetrag von X EUR festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Telefonüberwachung im Rahmen der Ermittlungen bei der Klägerin sei zu Recht erfolgt, da diese wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung in Verbindung mit einer Steuerhinterziehung erfolgt sei. Das Finanzamt sei deshalb nicht gehindert, die unmittelbar aus der Telefonüberwachung erlangten Beweismittel zur Grundlage der im Besteuerungsverfahren zu erlassenden Steuerbescheide zu machen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Steufa fungierte die Klägerin in dem aufgedeckten Karussell als so genannter Distributor. Weiterhin müsse die Geschäftstätigkeit der Klägerin im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Firma B. AG gesehen werden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin beschäftigte Frau S (S) bereits bei der Firma B. AG von dem Geschäftsführer der Klägerin in das Trading-Geschäft eingeführt worden sei. Mit dem Wechsel von Frau S zur Klägerin seien die Karussell-Geschäfte auf diese übertragen und dort mit den gleichen Lieferanten und Abnehmern fortgesetzt worden.

Der Darstellung der Klägerin, dass sie lediglich auf dem (legalen) "Graumarkt" und nicht in einem künstlichen Karussellmarkt tätig gewesen sei, sei Folgendes entgegenzuhalten: Der reguläre Vertriebsweg im CPU-Bereich sei dadurch gekennzeichnet, dass die Ware in kurzer Zeit auf direktem Weg vom Produzenten zum Verbraucher gelange. Dieser kurze Vertriebsweg resultiere aus der Tatsache, dass jede CPU dafür vorgesehen sei, in einem Computer verbaut zu werden. Weitere Vertriebsstationen würden zwangsläufig das Produkt ver- und überteuern und somit für einen potenziellen Verbauer uninteressant machen. In einer solchen betriebswirtschaftlich orientierten Lieferkette sei die Klägerin zweifellos nicht eingebunden gewesen. Es sei weder ein Warenbezug von OEM bzw. offiziell autorisierten I.- Distributoren noch sei ein so genannter Broker des "Graumarktes" in den ermittelten Warenketten involviert gewesen. Außerdem sprächen die festen Lieferanten der Klägerin, die Firma T, L und C sowie deren feste Abnehmer, nämlich vorwiegend vier Firmen aus Belgien, Dänemark und Holland dafür, dass es sich um Geschäfte der Klägerin im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells gehandelt habe. Auch der Umsatz der Klägerin stehe in keinem Verhältnis zu dem auf dem "Grau-Markt" gehandelten CPU-Mengen. Auch die bei der Klägerin in kurzer Zeit festgestellten zwei Doppeldurchläufe sowie die marktunüblichen niedrigen Preise, die fehlende Lagerhaltung, die nicht erfolgte Warenkontrolle und der Umstand, dass 7 die Klägerin nicht an Endverbraucher geliefert hätte, sprächen für eine Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell.

Aus diesen Gründen seien zwar Warenbewegungen ausgeführt worden, sie hätten aber nur der Vortäuschung von Lieferungen gedient, so dass der Klägerin kein Vorsteuerabzug aus den drei gegenständlichen Rechnungen zustände.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die vom Gericht beigezogenen Akten in den Strafverfahren .... Bezug genommen.

II. Die Klage ist begründet. Das FA hat der Klägerin zu Unrecht den Abzug der Vorsteuern aus den Rechnungen der Firmen L, T und C. versagt.

1. Nach § 15 Abs.1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der hier maßgebenden Fassung 1999, kann der Unternehmer als Vorsteuerbeträge u.a. abziehen: die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1999 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Der entsprechende Artikel 17 der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 (Richtlinie 77/388/EWG) bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer unter anderem die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert worden sind, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

a) Entgegen der Auffassung des FA haben die unstreitig existenten Unternehmer, die Firmen L, T und C, der Klägerin tatsächlich die streitgegenständlichen Waren geliefert bzw. ihr Verfügungsmacht an den CPU's verschafft.

Eine Lieferung liegt nach § 3 UStG vor, wenn der Unternehmer einem Anderen Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft. Nach dem entsprechenden Artikel 5 der Richtlinie 77/388/EWG gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

Der als Verschaffung der Verfügungsmacht umschriebene Leistungsbegriff ist zwar nicht bereits dann erfüllt, wenn lediglich das Recht übertragen wird, über einen Gegenstand zu verfügen. Vielmehr ist erforderlich, dass dem Leistungsempfänger Substanz, Wert und Er8 trag des Gegenstandes zugewendet werden. Dementsprechend liegt eine Lieferung vor, wenn die wirtschaftliche Substanz eines Gegenstandes unbedingt vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist Wird der Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer (hier die Klägerin) versendet, so gilt die Lieferung mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur als ausgeführt. Diese Regelung lehnt sich an die bürgerlich-rechtliche Gestaltung an, wonach mit der Übergabe der verkauften Sache an den Spediteur die Gefahr des Untergangs der Ware auf den Käufer übergeht. Bei dieser Fiktion geht das Gesetz von der Vorstellung aus, dass der Spediteur aufgrund des Speditionsvertrages verpflichtet ist, dem Abnehmer, an den der Gegenstand der Lieferung versendet wird, den Gegenstand auszuhändigen. Die Verpflichtung des Spediteurs gewährleistet mithin wie im Streitfall, dass dem Abnehmer die Verfügungsmacht an der Ware auch tatsächlich verschafft wird. Aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Speditionspapiere und der vorgelegten Dokumentationen über die Einschaltung und Überwachung der Spediteure hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin tatsächlich Verfügungsmacht über die streitgegenständlichen CPU's erlangt hat.

b) Die Klägerin hat auch ordnungsgemäße Rechnungen der Firmen L, T und C über die Lieferung der Waren vorgelegt, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist.

aa) Der Leistungsgegenstand ist aus dem Abrechnungspapier eindeutig zu identifizieren.

Da das Abrechnungspapier als Belegnachweis für den Vorsteuerabzug dient, muss es Angaben tatsächlicher Art enthalten, die - ggf. unter Bezugnahme auf weitere Geschäftsunterlagen - die Identifizierung der Leistungen ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Allgemeines Erfordernis ist, dass die Angaben zweifelsfrei ergeben, der Rechnungsaussteller habe gegenüber dem Rechnungsempfänger Lieferungen und sonstige Leistungen ausgeführt oder werde solche Leistungen ausführen, für die die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt wird (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584, vom 11. November 1994 V R 45/93, BFHE 176, 472 und vom 12. Dezember 1996 V R 16/96 , BFH/NV 1997, 717 ). Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist.

Diese Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung steht auch im Einklang mit den entsprechenden Regelungen der hier noch einschlägigen Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 (Richtlinie 77/388/EWG).

So hat nach Art. 22 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG jeder Steuerpflichtige Aufzeichnungen zu führen, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und die Überprüfung durch die Steuerverwaltung ermöglichen. Zwar ergibt sich aus Art. 22 der Richtlinie77/388/EWG keine Bestimmung, die speziell dem vom Steuerpflichtigen/ Unternehmer zu erbringenden Nachweis des Rechts auf Vorsteuerabzug regelt. Jedoch gestatten diese Regelungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug vom Besitz einer Rechnung abhängig zu machen, die - über die in Art. 22 Abs. 3 Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG geforderten Angaben hinaus - bestimmte Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Finanzverwaltung zu sichern. Solche Angaben dürfen lediglich nicht durch ihre Zahl oder ihre technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juli 1988, Rs. 123, 330/87, Jeunehomme, Slg. 1988, 4537; Umsatzsteuer Rundschau 1989, 380).

Mit diesen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ist die dargelegte Anforderung an die Bezeichnung des Leistungsgegenstandes in einem Abrechnungspapier vereinbar (BFH-Urteil vom 10. November 1994 V R 45/93 a.a.O.).

Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich für den Streitfall, dass die von den Lieferanten der Klägerin erstellten Rechnungen eine Identifizierung der abgerechneten Gegenstände zulassen und insoweit zur Ausübung des Vorsteuerabzugs berechtigen, denn die Abrechnungen enthalten als Leistungsbeschreibung die Angabe "CPU Intel Pentium III - 800, 256 KB, 133 MHz" aus der sich eindeutig der Liefergegenstand erkennen lässt.

bb) Der Vorsteuerabzug scheitert außerdem auch nicht daran, dass die von ihren Lieferanten ausgestellten Rechnungen über CPU Prozessoren nicht in allen Fällen mit einer Seriennummer des Herstellers versehen worden sind.

Der § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999, der seit dem UStG 1980 unverändert geblieben ist, macht im streitigen Zeitraum 2001 den Vorsteuerabzug nämlich nicht davon abhängig, dass die betreffenden Rechnungen sämtliche zivilrechtlich erforderlichen Angaben etwa über Menge und die handelsübliche Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung oder die Art und Umfang der sonstigen Leistungen enthalten (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UStG).

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24. September 1987 V R 50/87, BFHE 153, 65) lag es bei der Neufassung des Umsatzsteuergesetzes 1980 nicht im gesetzgeberischen Willen, die Anforderungen an den Rechnungsinhalt für den Vorsteuerabzug zu verschärfen, 10 etwa dadurch, dass die in § 14 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 UStG 1980 geforderten Angaben über den Leistungsgegenstand (Menge und handelsübliche Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung oder Art und Umfang der sonstigen Leistung) zu Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gemacht worden wären.

Der vom Leistungsempfänger verlangte Rechnungsnachweis stellt eine Form des Belegnachweises dar, der nicht dem Zweck dient, eine Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse beim Leistenden zu ermöglichen. Das Umsatzsteuerrecht knüpft mit seinen die Rechnungserteilung betreffenden Regelungen zwar an die zivilrechtlichen Abrechnungspflichten an, das bedeutet jedoch nicht, dass diese Anknüpfung eine durchgängige unveränderte Übernahme der entsprechenden zivilrechtlichen Grundsätze begründet.

Im Hinblick auf die zivilrechtliche Regelung in § 14 Abs.1 Satz 1 zweite Alternative UStG 1999 ist so zwar im einzelnen vorgeschrieben, welche Angaben solche Rechnungen enthalten müssen (insbesondere die Angabe der Menge und handelsüblichen Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung oder der Art und des Umfangs der sonstigen Leistung --Nr.3--), die der Unternehmer im Falle der Ausführung von Umsätzen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen auf Verlangen unter gesondertem Steuerausweis auszustellen hat.

Das Umsatzsteuergesetz 1999 macht jedoch den Vorsteuerabzug nicht davon abhängig, dass die betreffenden Rechnungen sämtliche Angaben enthalten, was mit der gebotenen Rücksichtnahme auf die praktischen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Verkehrs begründet wird (BFH vom 24. September 1987, a.a.O.). Danach ergeben sich für die Angabe des Leistungsgegenstandes aus der in § 14 Abs. 4 UStG 1980 enthaltenen Rechnungsdefinition, insbesondere aus deren Element der Abrechnung über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger, keine Anforderungen über das hinaus, was in § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967/1973 und zunächst auch in § 15 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 selbst zum Ausdruck kommt, dass nämlich die Steuer für eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmer in Rechnung gestellt sein muss.

Nicht gefordert werden kann nach der Rechtsprechung des BFH danach, dass die Angaben schon für sich allein geeignet sein müssen, um eine Identifizierung bei Lieferungen zuzulassen.

Dementsprechend hat es der BFH (Urteil vom 24. April 1986 V R 138/78, BFHE 146, 489) für den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung für ausreichend erachtet, dass gelieferte Waren, die aus einem Kreis von 14 Warengruppen stammten, mit dem Begriff Lebensmittel beschrieben waren, obwohl in den umstrittenen Rechnungen die Spalte für die Artikelnummer unausgefüllt geblieben war.

Mithin kann es für den vorliegend zu entscheidenden Fall - ungeachtet der Frage, ob dies handelsüblich ist, nicht darauf ankommen, ob bei den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen in allen Fällen die Seriennummern der jeweiligen CPU's angegeben waren. Ausreichend ist vielmehr, dass die Angaben in den Abrechnungspapieren so eingehend und genau sind, dass sie ohne weiteres Gewissheit über Art und Umfang des Leistungsgegenstands zu verschaffen vermögen.

c) Der der Klägerin zustehende Vorsteuerabzug kann insbesondere auch nicht mit dem Hinweis darauf verweigert werden, sie habe innerhalb eines Umsatzsteuerkarussells gehandelt, in der ein Missing Trader eingebunden gewesen sei.

aa) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass jedenfalls nicht die Lieferanten der Klägerin sog. Missing Trader gewesen sind. Die etwaige Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch einen Vorlieferanten ihrer Lieferanten, kann nicht grundsätzlich nicht zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs auf der Ebene der Klägerin führen, da insoweit keine Verknüpfung besteht (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, Optigen u.a., BFH/NV Beilage 2006, 144).

bb) Allerdings ist das Recht auf Vorsteuerabzug dann zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Dies gilt gerade auch dann, wenn - wie hier-- der fragliche Umsatz den objektiven Kriterien des Umsatzsteuerrechts genügt (EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04 Kittel u.a., Deutsches Steuerrecht 2006, 1274). Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt zwar für das Vorliegen der Voraussetzungen die Feststellungslast (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 V B 81/00, BFH/NV 2002, 553); dies gilt allerdings nicht, soweit ihm vorgeworfen wird, dass er wissentlich an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war und ihm deswegen der Vorsteuerabzug zu verweigern ist. Hier hat das Finanzamt die Feststellungslast für das Vorliegen der objektiven Umstände, aus denen sich schließen lässt, dass der Leistungsempfänger seine Einbeziehung in die Umsatzsteuerhinterziehung kannte oder hätte kennen müssen. Den Leistungsempfänger wiederum trifft die Feststellungslast für diejenigen Tatsachen, mit denen er die Verdachtsgründe entkräften kann (vgl. Lohse, Vorsteuerabzug bei Steuerhinterziehung und Missbrauch, Betriebs-Berater 2006, 2222).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze folgt der Senat den Feststellungen des LG G (Az: 3 KLs 59 Js 6991/01 in der Strafsache S.) in seinem Urteil vom 16. Oktober 2004 und macht sich diese zu Eigen. Danach liegen im Streitfall keine zwingenden objektiven Umstände vor, die den Schluss erlauben, dass die Klägerin bzw. die für sie handelnde Angestellte S und der 12 Geschäftsführer, wussten oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit dem Erwerb der CPU's an einem Umsatz beteiligt haben, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

Der Senat teilt dabei die Auffassung des Landgerichts G, dass das Funktionieren eines Karussells nicht zwingend voraussetzt, dass alle Beteiligten über ihre Teilnahme an solch einem künstlichen Karussell Bescheid wissen. Insbesondere auf der nachgeschalteten Ebene der Buffer-Firmen können auch die gezielt eingesetzten allgemeinen Marktregeln den einmal angestoßenen Kreislauf am Leben erhalten und zum Ausgangsland zurücklenken. Wie das Landgericht auf Grund der von ihm vernommenen Zeugen festgestellt hat, gibt es grundsätzlich zwei Märkte für die CPU's. Neben der Veräußerung von I. an Großkunden oder Großhändler besteht ein so genannter "Grauer Markt", auf dem Übermengen, die beim offiziellen Vertrieb anfallen, legal gehandelt werden. Darüber hinaus wird dort illegale Ware wie z.B.

Diebesgut, Fälschungen und Ware im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen vertrieben.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass im Streitjahr der "Graue Markt" nicht weit überwiegend mit so genannter Karussellware bestückt wurde, sondern dass es durchaus einen nicht unerheblichen Teil ordnungsgemäßer Ware gab und der so genannte "Graue Markt" insofern auch aus legalen Übermengen gespeist wurde.

Selbst wenn tatsächlich etwa 2% der CPU-Lieferungen über die Klägerin in derselben Lieferkette mehrfach abgewickelt worden sein sollten, lässt dieser Umstand allein noch nicht den Schluss zu, dass die Klägerin im Sinne eines bewussten Mitwirkens an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war bzw. sie aufgrund dieses Umstandes hätte wissen müssen, dass sie sich mit ihrem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

Anders als das Finanzamt meint, ist auch weder der Einkaufs- noch der Verkaufspreis bei der Klägerin ein eindeutiges Indiz dafür, dass sie wusste oder hätte wissen müssen, dass sie in ein Vorsteuerkarussell involviert war. Nach den Aussagen der Zeugen Bk und D im Strafverfahren gegen Frau S. war es nicht ungewöhnlich, dass die Preise auf dem so genannten "Grauen Markt" auch unter den offiziellen I. Preisen lagen. Mithin lässt ein Unterschreiten der offiziellen I. Preise keine Rückschlüsse auf mögliche Karussellware zu.

Auch das Abweichen vom klassischen Vertriebssystem (von groß nach klein) ist kein zwingender Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin in ein Umsatzsteuerkarussell bewusst eingebunden war. Denn bei dem so genannten Trading handelt es sich gerade nicht um einen Vertrieb im klassischen Sinn, bei dem die Ware vom Hersteller über Großhändler und gegebenenfalls weitere kleinere Händler zum Verbauer gelangt, sondern um eine daneben bestehende mehr börsenmäßige Gestaltung, bei der schnelle Gewinne und nicht die Warenbeschaffung im Vordergrund stehen.

Auch der Umstand, dass die Klägerin die CPU's nicht im Einzelnen auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft hat, sondern auf die Unversehrtheit der Verpackung wert gelegt hat, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen können, dass sie Teil eines Umsatzsteuerkarussells war. Maßgeblich für die Marktfähigkeit und den Handel der CPU's ist nämlich deren intakte Verpackung, und das unversehrte Siegel, was darauf hindeutet, dass in der Verpackung Original I. Produkte enthalten sind, zumal auch für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen die Unversehrtheit der Verpackung von wesentlicher Bedeutung war.

Schließlich hat zwar die Angestellte Frau S. in der Fa. B. AG vor ihrem Wechsel zur Klägerin schon umfangreiche Geschäfte mit CPU's getätigt und sich dabei im Wesentlichen derselben Lieferanten und Abnehmer wie bei ihren Ein- und Verkäufen bei der Klägerin bedient; es gibt jedoch keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, dass sie bei ihrer früheren Tätigkeit wusste oder hätte wissen müssen, dass sie in ein Vorsteuerkarussell involviert war. Das LG G weist vielmehr zu Recht darauf hin, dass die Fa. B AG Ende 1999 einer Umsatzsteuerprüfung durch den Beklagten unterzogen wurde. Im Rahmen dieser Prüfung äußerte das FA den Verdacht, dass die Firma B. AG an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt sein könnte, ohne dass damals detaillierte Informationen zum Ablauf des Karussells durch die Steuerbehörden gegeben wurden. Trotz dieser seitens des FA geäußerten Verdachtsmomente wurde die zunächst zurückgehaltene Umsatzsteuer Anfang 2000 kommentarlos erstattet. Bereits zu dieser Zeit pflegte die Fa. B. AG bzw. deren Angestellte S. regen Geschäftskontakt zu den - wie sich später herausstellte - am Umsatzsteuerkarussell beteiligten Firmen. Da diese Geschäfte nach der kommentarlosen Auszahlung der Umsatzsteuer für die Betroffenen auf Seiten der Fa. B. AG als ordnungsgemäß erscheinen durften, musste die Fa. B. AG und die Angestellte Frau S. erst recht keinen Verdacht gegen diese Geschäftskontakte hegen, so dass der Senat aus der vorangegangenen Tätigkeit der Angestellten Frau S. bei der Fa. B. AG gleichfalls keinen ausreichenden Anhaltspunkt darin sieht, dass die Klägerin wusste oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit dem Erwerb der CPU's an einem Umsatz beteiligt haben, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

d) Letztlich kommt es mithin nicht mehr darauf an, ob das FA die Aufzeichnungen aus der Telefonüberwachung zu Recht im Besteuerungsverfahren verwertet hat oder ob insoweit, wofür nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Februar 2004 VII B 260/03, BFH/NV 2004, 807, vom 26. Februar 2001 VII B 265/00, BFH/NV 2001, 824) vieles spricht, ein Verwertungsverbot vorgelegen hat.

Ende der Entscheidung

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