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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 14 K 1899/04
Rechtsgebiete: UStG, RL. 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 1 S. 1
UStG § 2 Abs. 1 S. 3
RL. 77/388/EWG Art. 4 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 1899/04

Umsatzsteuer 1995

In der Streitsache

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ,

des Richters am Finanzgericht und

der Richterin am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter und aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 25. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Umsatzsteuer 1995 wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2002 und der Einspruchsentscheidung vom 31. März 2004 auf einen Negativbetrag von 2.600,74 EUR festgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Kläger mit dem Betrieb einer Photovoltaikanlage als Unternehmer tätig waren.

Die Kläger erstellten im Streitjahr auf dem Dach ihres zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses eine Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 2.880 W. Der Gesamtkaufpreis betrug 38.688,75 DM incl. 15% Umsatzsteuer i.H.v. 5.046,36 DM. Die Aufwendungen für die Installation beliefen sich auf 362,25 DM incl. Umsatzsteuer i.H.v. 47,25 DM. Für die Anlage erhielten die Kläger vom Bundesamt für Wirtschaft einen nicht rückzahlbaren Zuschuss i.H.v. 20.160,- DM (Zuwendungsbescheid vom 5. Oktober 1995).

Die Anlage wurde am 11. November 1995 in Betrieb genommen.

Lt. einem Schreiben der E vom 7. Mai 1996 speisen die Kläger seit 13. Februar 1996 in ihrer Photovoltaikanlage erzeugten Strom nach Abdeckung des Eigenbedarfs in das Stromnetz der E ein. Das Entgelt hierfür betrug damals 17,21 Pf/kWh. Bezogener Strom kostete ca. 24 Pf/kWh.

Da die Stromerzeugung ungleichmäßig erfolgt - in den Sommermonaten ist die Stromerzeugung hoch bei niedrigem Eigenbedarf und in den Wintermonaten niedrig bei hohem Bedarf - konnten von der in den Jahren 1996 und 1997 selbst erzeugten Strommenge von 2.476 kWh bzw. 2.683 kWh in 1996 nur 940 kWh (= 37,96%) und in 1997 nur 1.039 kWh (= 38,72%) selbst verbraucht werden. Die übrige Menge von ca. 62% wurde in das Stromnetz eingespeist und das hierfür erhaltene Entgelt mit den höheren Kosten für Stromzukäufe verrechnet.

Vom gesamten Eigenbedarf des Hauses in Höhe von 3.708 kWh in 1996 bzw. 3.938 kWh in 1997 wurden danach ca. 25% durch selbst produzierten Strom und der Rest durch Zukäufe gedeckt.

Seit Mai 2000 wird der mit der, um eine Zelle erweiterten, Photovoltaikanlage erzeugte Strom komplett an E geliefert. Ab diesem Zeitpunkt werden die Kläger vom Beklagten (das Finanzamt -FA-) als Unternehmer angesehen.

Die Vergütung für eingespeisten Strom betrug für 1995 lt. Angabe der Kläger 6.- DM und lt. den Strombezugsabrechnungen der E für 1996: 256,61 DM, 1997: 278,35 DM, 1998: 258,23 DM, 1999: 243,84 DM.

Mit Schreiben vom 17. September 2002 stellten die Kläger, unter gleichzeitigem Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung und Vorlage einer Umsatzsteuererklärung 1995 vom gleichen Tag, einen Antrag auf Durchführung einer Umsatzsteuerveranlagung für 1995 und machten Vorsteuern i.H.v. 5.093,61 DM aus der Anschaffung und Installation der Photovoltaikanlage geltend.

Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. November 2002 ab, da die Ehegatten keine Unternehmer seien.

Nach erfolglosem Einspruch machen die Kläger mit ihrer Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 31. März 2004 im Wesentlichen Folgendes geltend: Da sie seit der Installation der Photovoltaikanlage unternehmerisch tätig gewesen seien, stehe ihnen der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen für das Unternehmen zu. Im Jahr 1995 sei nur ein Zähler vorhanden gewesen, welcher bei Stromlieferung an E rückwärts gelaufen sei. In diesem Jahr seien somit 100% des Solarstroms eingespeist worden. Ab dem Jahr 1996 sei nur der überschüssige - nach Eigenverbrauch verbliebene - Strom gemessen und an die E geliefert worden.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2002 und der Einspruchsentscheidung, die Umsatzsteuer 1995 auf einen Negativbetrag von 2.600,74 EUR (= 5.086,60 DM) festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen und verweist auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die FA-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung hingewiesen.

II. Die Klage ist begründet.

Das FA hat die von den Klägern geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung und Installation der Photovoltaikanlage zu Unrecht nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) kann ein Unternehmer die in den Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist dabei nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt.

Bei richtlinienkonformer Anwendung des § 2 Abs. 1 UStG muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -Richtlinie 77/388/EWG- ausgeübt werden. Demnach gilt als Steuerpflichtiger (Unternehmer), wer eine der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig ausübt.

Der Betrieb einer Photovoltaikanlage erfüllt diese Voraussetzungen, wenn er als Nutzung eines Gegenstands (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt.

Diese Feststellung ist aufgrund der Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. Kann ein Gegenstand - wie vorliegend - seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, so sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. In diesem Fall kann der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird (Urteil des Europäischen Ge7 richtshofs -EuGH- vom 26. September 1996 Rs. C-230/94, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer- Recht -UVR- 1996, 338; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Dezember 1996 V R 23/93, BStBl II 1997, 368).

Zu berücksichtigen ist auch, dass aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG hervorgeht, so der EuGH (a.a.O.), dass der Zweck und das Ergebnis der Tätigkeit als solche bei der Ermittlung des Anwendungsbereichs der Richtlinie77/388/EWG unerheblich sind.

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Kläger bereits im Streitjahr als Unternehmer tätig gewesen.

Die Photovoltaikanlage ist zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen angeschafft worden.

a) Aufgrund der Planung und Auslegung der Anlage ist von vornherein festgestanden, dass dauernd überschüssiger Strom erzeugt werden wird, der dann dauerhaft gegen Entgelt in das allgemeine Stromnetz eingespeist wird. Da ein Stromüberschuss nicht nur gelegentlich entsteht, dient sie nicht ausschließlich oder überwiegend der eigenen (privaten) Stromversorgung (vgl. Umsatzsteuerrichtlinien -UStR- 2000 zu § 2 UStG Abschnitt 18 Abs. 2 Satz 14 und 15).

Wie die für die Jahre 1996 und 1997 festgestellten Zahlen zeigen - ca. 62% des Solarstroms sind in das Stromnetz eingespeist worden - ist es trotz der jahreszeitbedingt unterschiedlichen Stromerzeugung die Regel, dass über das ganze Jahr überschüssiger Strom erzeugt wird. Dies gilt auch für die Wintermonate. Die Strombezugsabrechnungen der E für die Wintermonate November 1996 bis Februar 1997 belegen, dass auch in dieser Zeit überschüssiger - nach Eigenverbrauch verbliebener - Strom gemessen und an E geliefert worden ist.

Die Kläger haben somit nicht nur gelegentlich, sondern jeden Monat Strom an E geliefert und damit nachhaltig Einnahmen erzielt. Es ist nicht erforderlich, dass 100% des erzeugten Solarstroms in das Netz eingespeist worden sind.

Dabei ist nach den obigen Ausführungen unbeachtlich, dass in einzelnen Monaten oder im Jahresvergleich in der Photovoltaikanlage weniger Strom erzeugt als privat verbraucht wird.

Dies wird mittlerweile auch von der Finanzverwaltung so gesehen, denn nach den UStR 2005 zu § 2 UStG Abschnitt 18 Abs. 4 Satz 2 ist das Betreiben einer solchen Anlage durch sonst nicht unternehmerisch tätige Personen unabhängig von der leistungsmäßigen Auslegung der Anlage und dem Entstehen von Stromüberschüssen eine nachhaltige Tätigkeit und begründet die Unternehmereigenschaft.

Ebenso wenig macht es einen Unterschied, ob der Betrieb der Photovoltaikanlage aufgrund der Fördermaßnahmen des Bundesamtes für Wirtschaft erfolgt oder nach den Vorschriften über das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare- Energien-Gesetz -EEG-). Das Inkrafttreten des EEG ändert nichts an der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung des Betriebs. Nach § 3 Abs. 3 EEG ist Anlagenbetreiber, wer die Anlage zum Zweck der Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien nutzt.

Des Weiteren geht auch die Finanzverwaltung bei Betreibern von einer unter das EEG fallenden Anlage davon aus, dass diese Anlage auch dann ausschließlich der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Stromerzeugung dient, wenn der erzeugte Strom nur teilweise, aber regelmäßig und nicht nur gelegentlich, eingespeist wird (vgl. UStR 2005 zu § 2 UStG Abschnitt 18 Abs. 4 Satz 1).

b) Anders als das FA meint, ist deshalb auch nicht entscheidungserheblich, ob die Kläger die Absicht der Erzielung eines Umsatzsteuerüberschusses gehabt haben oder ob bzw. inwieweit der Solarstrom wirtschaftlich dazu dient, den Aufwand für den erforderlichen Stromzukauf für die Versorgung des eigenen Hauses zu mindern, denn gem. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ist gleichgültig, zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis die Tätigkeit ausgeübt wird. Ebenso wenig ist eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Soweit die Kläger in der Photovoltaikanlage erzeugten Strom zum Teil selbst verbrauchen, führt dies nur dazu, dass die Stromerzeugung insoweit als Entnahme i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 a UStG 1993 bzw. § 3 Abs. 1 b Nr. 1 UStG 1999 mit den Selbstkosten (§ 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG) der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz unterliegt.

c) Des Weiteren ist nicht maßgeblich, ob - wie das FA vorbringt - im Streitjahr 1995 noch kein Strom an EVO geliefert worden ist, denn nach dem Grundsatz des "Sofortabzugs" ist der Vorsteuerabzug bereits in dem Besteuerungs- bzw. Voranmeldungszeitraum zu gewähren, in dem die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (vgl. EuGHUrteile vom 8. Juni 2000 Rs. C- 400/98 - Breitsohl -, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2000, 329 und vom 8. Juni 2000 Rs. C-396/98 - Schlossstrasse -, UVR 2000, 308; BFHUrteil vom 8. März 2001 V R 24/98, BFH/NV 2001, 876).

Danach kann der Vorsteuerabzug bereits in der Investitionsphase geltend gemacht werden, denn eine unternehmerische Tätigkeit liegt bereits dann vor, wenn eine wirtschaftliche Betätigung ernsthaft beabsichtigt und diese Absicht durch objektive Merkmale nach9 gewiesen wird (EuGH-Urteil vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94, BStBl II 1996, 655).

Hat der Unternehmer in der Investitionsphase mit den Leistungsbezügen noch keine Umsätze ausgeführt, aber Leistungen bezogen, ist auf die beabsichtigten Verwendungsumsätze abzustellen. Er braucht die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs seines Unternehmens nicht abzuwarten, sondern kann den sofortigen Vorsteuerabzug aus den ersten Investitionsausgaben tätigen, wenn er die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben hat und dies durch objektive Anhaltspunkte belegt (EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98, a.a.O.). Maßgebend für die Überprüfung der durch objektive Anhaltspunkte belegten Verwendungsabsicht ist der jeweilige Zeitpunkt des Leistungsbezugs, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 876).

Im Streitfall ist aufgrund der Planung und Auslegung der Anlage sowie der Gesamtumstände objektiv belegt, dass die Kläger bereits im Streitjahr zum Zeitpunkt der Errichtung die Absicht gehabt haben, damit Strom gegen Entgelt in das Stromnetz einzuspeisen und nachhaltig Einnahmen erzielen zu wollen.

Deswegen kommt es auch nicht darauf an, ob im Streitjahr die von E an die Kläger gelieferte Strommenge nur durch einen rückwärts laufenden Zähler mit dem von der Photovoltaikanlage erzeugten und eingespeisten Strom saldiert und nur die Differenz in Rechnung gestellt worden ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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