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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 14 K 2074/05
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 4 Nr. 22b | |
UStG § 15 Abs. 2 Nr. 1 |
Finanzgericht München
Umsatzsteuer 2000
In der Streitsache
...
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
...
ohne mündliche Verhandlung
am 25. Oktober 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2000 vom 10. Januar 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2005 wird die Umsatzsteuer für 2000 auf einen Negativbetrag von 5.709,86 EUR (11.167,51 DM) festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu drei Vierteln, die Klägerin zu einem Viertel.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den Baukosten für die Errichtung einer Schießstandüberdachung zusteht.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen als gemeinnützig anerkannten Schützenverein. In der für das Jahr 2000 eingereichten Umsatzsteuererklärung wurden abziehbare Vorsteuern in Höhe von 30.474,87 DM geltend gemacht. Bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer ließ das das Finanzamt (FA) einen Betrag von 19.675,15 DM aus den Baukosten der Schießstandüberdachung nicht zum Abzug zu. Es vertrat die Auffassung, dass dem Verein, soweit er Mitgliederbeiträge vereinnahme, um in Erfüllung seines satzungsgemäßen Gemeinschaftszwecks die Gesamtbelange seiner Mitglieder wahrzunehmen, keine Unternehmereigenschaft zuzusprechen sei. Ein Leistungsaustausch liege insoweit nicht vor. Mit Bescheid vom 10. Januar 2003 setzte das FA die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 in Höhe von 2.457,27 EUR fest.
Der dagegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 25. April 2005).
Mit der hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Überdachung des Schießstandes eine Leistung sowohl für den unternehmerischen als auch für den nichtunternehmerischen Bereich des Vereins darstelle. Das Schießstandgebäude würde für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (Veranstaltungen), den Zweckbetrieb des Vereins (Verkauf von Munition und Schießscheiben) sowie den ideellen Bereich des Vereins (Schießübungen durch Vereinsmitglieder) genutzt. Entgegen der Ansicht des FA liege eine unternehmerische Nutzung zu mehr als 10% der Gesamtnutzung vor. Somit habe der Verein die volle Zuordnung der Überdachung zum Unternehmen vorgenommen. Dies belege im Streitjahr auch der Umfang des Umsatzes im unternehmerischen Bereich in einer Höhe von 101.532,57 DM im Vergleich zum Umsatz im nichtunternehmerischen Bereich, der nach Abzug einer Versicherungsentschädigung in Höhe von 75.000 DM lediglich 26.780,72 DM ausmache.
Bereits bei Bezug der Eingangsleistungen im Streitjahr hätte die Absicht bestanden, umsatzsteuerpflichtige Leistungen zu erbringen. An dieser Tatsache ändere auch nichts, dass erst in den Jahren 2002 und 2003 mit vier anderen Schützenvereinen Verträge über die Mitbenutzung der Schießanlage abgeschlossen worden seien. Die Situation sei vergleichbar mit einem Wareneinkauf. Auch für Ware, die im Jahr 2000 eingekauft werde, sei selbstverständlich der Vorsteuerabzug vorzunehmen, auch wenn die Ware erst im Jahr 2003 veräußert werde.
Aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. April 2003 (IV B 7-S 7100-77/03, BStBl I 2003, 279) ergebe sich für die Klägerin zudem ein Wahlrecht für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen. Danach könne ein Unternehmer die Umsätze aus dem Betrieb einer Sportanlage insgesamt als steuerpflichtig behandeln, die Umsätze aus dem Betrieb einer anderen Sportanlage aber weiterhin nach Abschnitt 86 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR 2000) aufteilen.
Nach Hinweis des Gerichts teilte die Klägerin mit Schreiben vom 6. Juli 2007 die Höhe der im Streitjahr vereinnahmten Mitgliedsbeiträge (11.826 EUR = 23.130 DM) mit.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids vom 10. Januar 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2005 die Umsatzsteuer in Höhe eines Negativbetrages von 7.602,04 EUR festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
das Verfahren bis zur Entscheidung des BFH in der Sache V R 69/06 ruhen zu lassen
sowie hilfsweise
die Zulassung der Revision.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass hinsichtlich der Anwendbarkeit des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 21. März 2002 und der Steuerbefreiung für die Durchführung sportlicher Veranstaltungen ein Verfahren des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz beim Bundesfinanzhof (Az. V R 69/06) anhängig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
Die Umsätze des Klägers sind mangels Eingreifens einer Steuerbefreiungsvorschrift in vollem Umfang steuerpflichtig. Der Kläger ist deshalb berechtigt, die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in gesamter Höhe als Vorsteuer abzuziehen, ohne dass der Vorsteuerabzug für einen Teil der Steuerbeträge nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) ausgeschlossen ist.
1. Entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die eine Steuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen mangels Vorliegens eines entgeltlichen Leistungsaustauschs verneint hat, hat der Europäische Gerichtshof - EuGH-klar gestellt, dass eine Leistung steuerpflichtig ist, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung darstellt (EuGH-Urteil vom 21. März 2002 Rs. C174/00, Kennemer Golf & Country Club, UVR 2002, 154). Daraus ergibt sich, dass Mitgliedsbeiträge eines Sportvereins steuerbar sind. Auch der Umstand, dass der von den Vereinsmitgliedern zu zahlende Jahresbeitrag ein Pauschalbetrag ist und nicht jeder persönlichen Nutzung des Schießstandes zugeordnet werden kann, ändert daran nichts. Denn die Leistungen des Vereins bestehen darin, dass er seinen Mitgliedern dauerhaft Sportanlagen und damit verbundene Vorteile zur Verfügung stellt, und nicht darin, dass er auf Verlangen seiner Mitglieder gezielt Leistungen erbringt. Somit besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Jahresbeiträgen der Mitglieder eines Sportvereins und den von diesem Verein erbrachten Leistungen. Die von der Klägerin im Streitjahr vereinnahmten Mitgliedsbeiträge in Höhe von 11.826 EUR unterliegen daher als steuerbare Leistungen der Umsatzsteuer.
Mit Urteil vom 9. August 2007 (V R 27/04 recherchiert unter www.bundesfinanzhof.de) hat sich der BFH unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1995 V R 40/93, BStBl II 1995, 753) dieser Rechtsprechung angeschlossen. Für ein Ruhenlassen des Verfahrens besteht daher keine Veranlassung.
2. Den Vorsteuerabzug ausschließende Steuerbefreiungstatbestände liegen nicht vor.
2.1. Bei den im Streitfall erbrachten Leistungen handelt es sich nicht um eine nach § 4 Nr. 22 b UStG steuerfreie sportliche Veranstaltung. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Begriff der sportlichen Veranstaltung in § 4 Nr. 22 b UStG und in § 67 a AO in gleicher Bedeutung zu verwenden, so dass insoweit an die Auslegungsergebnisse von Rechtsprechung und Fachschrift zu § 67 a AO angeknüpft werden kann (Sölch/Ringleb, Kommentar zur Umsatzsteuer, Rdn. 20 zu § 4 Nr. 22 b UStG).
Unter sportlicher Veranstaltung ist danach die organisatorische Maßnahme eines Sportvereins zu verstehen, die es aktiven Sportlern -nicht nur Mitgliedern des Vereins -ermöglicht, Sport zu treiben. Eine bestimmte Organisationsform oder Organisationsstruktur schreibt das Gesetz dabei nicht vor. Es dürfen insoweit nur geringe Anforderungen an das Vorliegen einer organisatorischen Maßnahme gestellt werden, denn auch ein bloßes Training kann als sportliche Veranstaltung anzuerkennen sein. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass eine sportliche Veranstaltung nur dann vorliegen kann, wenn Publikum teilnimmt oder sich ausschließlich Vereinsmitgliedern betätigen. Die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung ist danach erst dann unterschritten, wenn sich die organisatorische Maßnahme auf Sonderleistungen für einzelne Personen beschränkt. Dies liegt vor, wenn die Maßnahme nur eine Nutzungsüberlassung von Sportgegenständen bzw. Sportanlagen oder bloß eine konkrete Dienstleistung, wie z.B. die Beförderung zum Ort der sportlichen Betätigung oder ein spezielles Training für einzelne Sportler zum Gegenstand hat.
Darüber hinaus schafft die Vermietung von Sportstätten auf kurze Dauer lediglich die Voraussetzungen für eine sportliche Veranstaltung, wird jedoch nicht selbst zu einer sportlichen Veranstaltung. Es reicht somit für die Annahme einer sportlichen Veranstaltung nicht aus, wenn lediglich die Nutzung von Sportgegenständen bzw. Sportanlagen gestattet wird und sich die organisatorischen Maßnahmen des Vereins auf die ordnungsgemäße Benutzung dieser Sportgegenstände beschränken (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1996 V R 7/95, BStBl II 1997, 154; BFH-Beschluss vom 7. Mai 1997 V B 95/96, BFH/NV 1998, 96). So verhält es sich jedoch im Streitfall.
2.2. Auch ein Ausschluss des Vorsteuerabzugs i.S.d. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG liegt nicht vor, denn eine Aufspaltung der von der Klägerin erbrachten Leistungen in eine (gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 steuerfreie) Grundstücksüberlassung und sonstige Dienstleistungen kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 V R 97/98 BStBl II 2001, 658). Eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung darf im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht in mehrere selbständige Leistungen zerlegt werden, wenn sie wirtschaftlich ein unteilbares Ganzes bildet. Daher ist bei Erbringung eines Bündels von Leistungen das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln und aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH --, Urteil vom 25. Februar 1999, Rs. C-349/96, Card Protection Plan, UVR 1999, 157, Rz. 29; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 1 RdNr. 15 ff.). Umsatzsteuerrechtlich ist eine einheitliche nicht aufteilbare Leistung anzunehmen, wenn die verschiedenen Leistungselemente aus der Sicht eines durchschnittlichen Leistungsempfängers zur Erreichung eines einheitlichen wirtschaftlichen Ziels beitragen und hinter dem Ganzen zurücktreten (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 1994 V R 46/92, BStBl II 1994, 957; Lange, Steuer und Wirtschaft --StuW --1999, 264).
Die Nutzungsüberlassung der Sporteinrichtungen einer Anlage stellt jedoch eine einheitliche, steuerpflichtige Leistung dar (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd., Slg. 1999, I-973, UVR 1999, 157 Rdnr. 29 ff). Dem Benutzer einer Sportanlage (als "Durchschnittsverbraucher") kommt es in erster Linie darauf an, die beabsichtigte sportliche Betätigung mit Hilfe der dafür erforderlichen Vorrichtungen ausüben zu können. Der von ihm in Anspruch genommene Leistungsgegenstand ist ein anderer, als er vom Zweck der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umfasst wird, auch wenn regelmäßig das Grundstück/Gebäude wesentliche Voraussetzung für die darauf errichtete Sportanlage ist.
Denn die Tätigkeit des Betriebes einer Schießanlage umfasst im Allgemeinen nicht nur die passive Zurverfügungstellung des Geländes, sondern außerdem seitens des Dienstleistenden eine Vielzahl geschäftlicher Tätigkeiten wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung der Anlagen. Sofern nicht ganz besondere Umstände vorliegen, kann die Vermietung des Schießplatzes also nicht die ausschlaggebende Dienstleistung darstellen. Auch der europäische Gerichtshof verweist darauf, dass Dienstleistungen, die mit Sport und Körperertüchtigung zusammenhängen, möglichst als Gesamtheit zu würdigen sind (Urteil vom 18. Januar 2001 Rs. C-150/99, Stockholm Lindöpark AB, Rdnr. 24 ff., Slg. 2001, I-0493, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--2001, 153, UVR 2001, 108).
Der Klägerin ist daher der beantragte Vorsteuerabzug aus ihren Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überdachung der Schießstätte zu gewähren.
Unter Zugrundelegung steuerpflichtiger Leistungen von insgesamt 120.671 DM (lt. Steuererklärung angesetzte 97.541 DM zuzüglich Mitgliedsbeiträge 23.130 DM) und einem Vorsteuerabzug von 30.474,87 DM ergibt sich somit für das Streitjahr eine negative Umsatzsteuer in Höhe von 11.167,51 DM (= 5.709,86 EUR).
Ein darüber hinaus gehender Vorsteuerabzug kann vom Gericht nicht festgestellt werden, die Klage war daher insoweit abzuweisen.
3. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO-).
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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