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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 14 K 2170/06
Rechtsgebiete: AO, UStG, EStG


Vorschriften:

AO § 37
AO § 69
AO § 150
UStG § 18 Abs. 1
EStG § 41a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 2170/06

Haftung für Umsatzsteuer Lohnsteuer Solidaritätszuschlag der Firma H GmbH

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Steuerschulden einer GmbH in Haftung genommen worden ist.

Mit Vertrag vom 5. Februar 2001 wurde der Kläger von der am selben Tag gegründeten Firma A GmbH als Geschäftsführer angestellt (Bl. 19 ff Rechtsbehelfsakte, Bl. 4 f Dauerunterlagen). Sein Aufgabengebiet umfasste laut § 1 Abs. 1.2 des Vertrages "alle steuerlichen Belange in der Überwachung und die Erstellung der Jahresbilanzen mit Gewinnverteilungsvorschlag an die Gesellschafter". Neben dem Kläger waren zwei weitere Personen als Geschäftsführer der A GmbH tätig (vgl. Handelsregisterauszug vom 12. September 2001, Bl. 21 f Dauerunterlagen).

Mit Datum vom 1. August 2001 vereinbarten der Kläger und die Firma H GmbH in einem "Anstellungsvertrag 4", dass der Kläger "Konstruktionszeichnungen und Konstruktionsausarbeitungen" für das Unternehmen ausführen sollte (Bl. 16 ff Rechtsbehelfsakte). Der Vertrag war von keiner der Parteien unterzeichnet worden. Eine Vergütung für die Tätigkeit des Klägers sollte erstmals ab 15. September 2001 bezahlt werden, tatsächlich erfolgte bereits eine Abrechnung für den Monat August 2001.

Mit notarieller Urkunde vom 21. August 2001 war die Firma A GmbH in H GmbH geändert worden, gleichzeitig wurden zwei Geschäftsführer der Firma A GmbH abberufen (Bl. 14 ff Dauerunterlagen), die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 11. Oktober 2001. Der Kläger war nunmehr alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Dem Finanzamt (FA) wurde in einem Fragebogen zur Gründung einer Kapitalgesellschaft am 8. April 2002 in einer vom Kläger unterzeichneten Erklärung mitgeteilt, dass die GmbH von ihm gesetzlich vertreten würde (Bl. 19 f Dauerunterlagen).

Mit notarieller Urkunde vom 27. September 2002 wurde der Kläger als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen (Bl. 31 f Dauerunterlagen).

Seit Unternehmensbeginn hatte die GmbH keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und blieb mit der Zahlung fälliger Lohn- und Umsatzsteuer in Rückstand (vgl. Bl. 46 Rechtsbehelfsakte).

Nachdem die Bemühungen zur Beitreibung der Steuerschulden bei der GmbH erfolglos blieben, nahm das FA den Kläger mit Bescheid vom 3. Januar 2005 nach vorheriger Ankündigung und Anhörung in Höhe von insgesamt 42.319,32 EUR für rückständige Lohn- und Umsatzsteuer der Jahre 2001 und 2002 sowie der dazu angefallenen Säumniszuschläge in Haftung.

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren nahm das FA den Haftungsbescheid mit Entscheidung vom 12. Mai 2006 teilweise zurück. Es setzte die Haftungsschuld für den Haftungszeitraum 1. Juli 2001 bis 19. August 2002 auf 11.776,72 EUR fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass eine formelle Bestellung zum Geschäftsführer der GmbH nie erfolgt sei und er diese Funktion auch nie ausgeübt habe. Er sei ausschließlich als Geschäftsführer der Firma A GmbH angestellt gewesen. Der von ihm unterzeichnete Fragebogen zur steuerlichen Erfassung sei nur der Form halber unterzeichnet worden.

In der Zeit vom 1. August 2001 bis 27. September 2002 sei er ausschließlich als Konstrukteur und Auftragsbearbeiter für die Firma H GmbH tätig gewesen. Der nicht unterschriebene Vertrag vom 1. August 2001 sei tatsächlich ausgeführt worden. Dies ergebe sich auch aus der Bescheinigung seiner Krankenkasse sowie dem Schreiben einer Unternehmensberatung, das bestätige, dass dem Kläger noch Nachzahlungen aufgrund des Arbeitsvertrages zustünden.

Er habe weder die tatsächliche noch rechtliche Möglichkeit und Befugnis gehabt, die Steuerverpflichtungen der GmbH zu erfüllen. Die Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsvertrag als Konstrukteur hätten es nicht erlaubt, Einfluss in die Geschäftsführung zu nehmen. In einem vor dem Amtsgericht Straubing gegen ihn geführten Strafverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung habe der Zeuge U in der mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2004 ausgesagt, dass der Kläger lediglich Maschinenbautechniker gewesen sei und in Bezug auf die Geschäftsführung keinerlei Kompetenzen gehabt habe, auch wenn er formal zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Tatsächlich seien die Geschäfte von Herrn H geleitet worden. Darüber hinaus gehe das FA zu Unrecht davon aus, dass der GmbH ausreichend Mittel zur zumindest teilweisen Begleichung der Steuerrückstände zur Verfügung gestanden hätten. In einem gegen ihn erlassenen Strafbefehl vom 22. Oktober 2004 sei ausgeführt worden, dass die GmbH spätestens seit dem 27. Februar 2002 zahlungsunfähig gewesen sei. Er hätte daher ab diesem Zeitpunkt rein tatsächlich nicht mehr die Möglichkeit gehabt, Steuerverbindlichkeiten zu erfüllen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 3. Januar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2006 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet, das FA hat den Kläger zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.

1. Gemäß § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung 1977 (AO) haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Zu diesen Pflichten gehören die rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen und die Entrichtung der geschuldeten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen aus den Mitteln der Gesellschaft (§§ 34 Abs. 1, 149 AO i.V.m. § 41 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG-für die Lohnsteuer und § 18 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung -UStG-). Wie sich aus den in den Finanzamtsakten befindlichen Kopien der notariellen Urkunden und der Handelsregistereinträge ergibt, war der Kläger ab 5. Februar 2001 Geschäftsführer der A GmbH und nach der Umfirmierung in H GmbH deren Geschäftsführer. Bis zu seiner Abberufung am 27. September 2002 war er daher gesetzlicher Vertreter der GmbH und hatte als solcher ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen.

Der ihm obliegenden Pflicht, die einbehaltene Lohnsteuer einschließlich Annexsteuern an das FA abzuführen, ist er nicht nachgekommen, da er nicht dafür gesorgt hat, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, darf ein Geschäftsführer, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Gesellschaft infolge eines Liquiditätsengpasses zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen und muss aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das FA abführen (vgl. BFH-Urteil vom 4. September 1990 VII B 40/90, BFH/NV 1990, 412).

Zu den steuerlichen Pflichten gehört gemäß § 150 AO i.V.m. § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung (UStG) die rechtzeitige Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen. Dieser Pflicht ist der Kläger ebenfalls nicht nachgekommen.

2. Diese Pflichten hat der Kläger auch grob fahrlässig verletzt. So kann er sich nicht damit entschuldigen, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Vielmehr ergibt sich seine Haftung schon aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und ob sie ausgeübt werden soll. Denn ist ein Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muss er zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02 , BStBl II 2004, 579 , m.w.N.).

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass sein Aufgabenbereich lediglich die Erstellung von Konstruktionszeichnungen und Konstruktionsausarbeitungen" umfasst hat. Eine Haftungsbegrenzung aufgrund einer internen Aufgabenverteilung kommt nur dann in Betracht, wenn die Aufgabenzuweisung klar und eindeutig, d.h. in schriftlicher Form, festgelegt worden ist (BFH - Beschluss vom 31.10.2005 VII B 57/05, BFH/NV 2006, 246). Darüber hinaus wird eine interne Aufgabenverteilung und eine damit verbundene Haftungsbegrenzung hinfällig, wenn ein Vertreter der Gesellschaft für die Mitgeschäftsführer erkennbar die ihm zugewiesenen Aufgaben unzureichend erfüllt oder wenn das Unternehmen in eine finanzielle Krise gerät (vgl. BFH-Urteile vom 13. März 2003 VII R 46/02, BStBl II 2003, 556 undvom 21. August 2000 VII B 260/99, BFH/NV 2001, 413).

Im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Aufgaben des Klägers nach dem 1. August 2001 ausschließlich auf die Vornahme der im "Anstellungsvertrag 4" umschriebenen Konstruktionsarbeiten beschränkt haben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Rechte und Pflichten des Klägers als Geschäftsführer mit der Firmenänderung der A GmbH in H GmbH geendet haben. Der Kläger war als alleiniger Geschäftsführer der H GmbH im Handelsregister eingetragen und hatte dem FA in dem Fragebogen zur Gründung einer Kapitalgesellschaft am 8. April 2002 mitgeteilt, dass er die GmbH gesetzlich vertrete.

Selbst wenn laut Aussage des Zeugen U die für die Firma erheblichen Entscheidungen von Herrn Haas getroffen worden sind und der Kläger nur formal Geschäftsführer gewesen ist, bleibt es doch bei seiner Pflichtenstellung als Geschäftsführer (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten durch Herrn H vertraut hat. Denn hinsichtlich der Überlassung von Geschäftsführeraufgaben an Dritte besteht nach Rechtsprechung des BFH die Pflicht des Geschäftsführers zur sorgfältigen Auswahl sowie laufender Überwachung des Dritten bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben (BFH-Urteil vom 27. November 1990 VII R 20/89, BStBl II 1991, 284). Jeder Geschäftsführer muss sich so eingehend über den Geschäftsgang unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen und ein Fehlverhalten des Beauftragten rechtzeitig erkennen kann.

Nach eigenem Vortrag hat sich der Kläger nie mit der Geschäftsführung befasst und sich auf die Arbeit von Herrn H verlassen. Auch mit dieser mangelhaften Überwachung hat er seine Pflichten grob fahrlässig verletzt.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ändern Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person weder etwas an den steuerlichen Pflichten ihres gesetzlichen Vertreters, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung dieser Pflichten aus. Reichen die Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht aus, sind die rückständigen Steuern und Nebenleistungen vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern (BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776 m.w.N.). Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme).

Es kann dahin gestellt bleiben, ob die GmbH ab 27. Februar 2002 zahlungsunfähig gewesen ist, da das FA die Haftungssumme im Rechtsbehelfsverfahren niedriger als die Höhe der Steuerschulden festgesetzt hat, die von Februar 2001 bis einschließlich Januar 2002 angefallenen sind. Denn dem während dieses Zeitraums aufgelaufenen Steuerrückstand von insgesamt 15.732,94 EUR steht - nur - ein Betrag von 11.776,72 EUR gegenüber, für den das FA den Kläger in Anspruch genommen hat.

4. Ein Ermessensfehlgebrauch (§ 191 AO) bei Erlass des Haftungsbescheides kann nicht festgestellt werden. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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