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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 14 K 3117/07
Rechtsgebiete: GG, AO, FGO


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 3
GG Art. 100 Abs. 1
AO § 125 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig sind die Festsetzung der Umsatzsteuer sowie Vollstreckungsmaßnahmen.

Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich um eine mit Vertrag vom 4. November 2002 gegründete GmbH (nachfolgend: E), Geschäftsführer ist der Kläger zu 3) (nachfolgend: Kläger). Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Datenträgern, datenträgerbasierenden Systemen, Etablierung von Kommunikationssystemen wie z.B. medizinischen Internetportalen sowie Aufbau und Vermarktung von Hard- und Softwaresystemen im Bereich des Gesundheitswesens.

Der Sitz der GmbH befand sich zunächst in M und wurde am 1. Dezember 2006 nach I verlegt.

Für das Jahr 2005 wurde am 7. August 2006 eine Umsatzsteuererklärung beim damals zuständigen Finanzamt K eingereicht (Bl. 7 FA-Akte). Die selbst errechnete Umsatzsteuer belief sich auf einen Negativbetrag von 11.134 EUR. Nachdem keine Bilanz vorgelegt wurde, wurde die Umsatzsteuererklärung nicht zum Soll gestellt. Am 31. Oktober 2006 reichte die E eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2005 ein und errechnete darin eine Umsatzsteuerzahllast von 220.866 EUR (Bl. 10 ff FA-Akte).

Laut den - jeweils nach vorhergegangenen Schätzungen - ursprünglich beim Finanzamt München für Körperschaften eingereichten Voranmeldungen I - IV/2006 erzielte die E im Jahr 2006 Umsätze von insgesamt 2.258.230 EUR und machte Vorsteuern in Höhe von 380.000 EUR geltend. Am 26. Oktober 2006 reichte die E berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen I - III/2006 und am 2. Juli 2007 eine geänderte Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum IV/2006 ein. Insgesamt ergab sich eine Zahllast von 361.316,80 EUR. Eine Jahreserklärung wurde nicht abgegeben.

Am 5. Oktober 2006 begann das FA mit der Durchführung einer Umsatzsteuer- Sonderprüfung für den Voranmeldungszeitraum I - II/2006. Zugleich erfolgte eine Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin zu 2) (nachfolgend: G) und dem Kläger, dem gemeinsamen Geschäftsführer beider Gesellschaften.

Mit Schreiben vom 12. August 2007 legte die E Einspruch gegen die Umsatzfestsetzung der Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 ein. Als Begründung führte sie an, die Bescheide seien nichtig, weil sie sich auf das Umsatzsteuergesetz 1999 als Ermächtigungsgrundlage stützten. Diese Ermächtigungsgrundlage sei jedoch ebenso wie das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19. Dezember 2001 nichtig, weil sie gegen den Verfassungsgrundsatz des Zitiergebotes i.S.d. Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 Grundgesetz (GG) verstoßen würden.

Am 29. August 2007 reichte die E nochmals geänderte Umsatzsteuervoranmeldungen I - IV/2006 ein. Für die Quartale I - III/2006 ergab sich eine noch nicht zum Soll gestellte Zahllast von 0 EUR, für das Quartal IV/2006 eine Zahllast von 612.800 EUR.

Mit Schreiben vom 6. September 2007 wurde die Euro-Med auf eine mögliche Verfristung des Einspruchs durch das Finanzamt hingewiesen. Mit Entscheidung vom 17. Oktober 2007 wurde der Einspruch als unzulässig verworfen (Bl. 7 ff FG-Akte).

Bei der G handelt es sich um eine im Jahr 2004 gegründete GmbH. Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Datenträgern, datenträgerbasierenden Systemen, Etablierung von Kommunikationssystemen wie z.B. medizinischen Internetportalen sowie Aufbau und Vermarktung von Hard- und Softwaresystemen im Bereich des Gesundheitswesens.

Im Jahr 2005 erklärte die G Vorsteuern von 234.180,17 EUR, die vom FA ausgezahlt wurden.

Für das Jahr 2006 meldete die G Vorsteuern von 411.902 EUR an, die vom FA für die Monate Januar bis Juli in Höhe von 260.512 EUR ausbezahlt wurden. Nachdem G am 29. August 2007 berichtigte Voranmeldungen über Vorsteuern von 617.882,93 EUR abgegeben hatte, nahm das FA keine Verbuchung vor und erstattete lediglich den für Oktober angemeldeten Betrag von 307,23 EUR.

Am 11. September 2006 begann das FA mit der Durchführung einer Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum 1 - 12/2006 (vgl. Bericht vom 12. März 2008), eine Schlussbesprechung wurde nicht abgehalten. Dabei wurde festgestellt, dass die geltend gemachten Vorsteuern ausschließlich aus Rechnungen der E stammten. Nach Ansicht des Prüfers enthielten die Rechnungen ungenaue Leistungsbeschreibungen.

Da der Kläger der Steuerfahndungsstelle des FA mit Schreiben vom 28. August 2007 mitgeteilt hatte, dass die Leistungen der E an die G und die Rechnungen storniert worden seien und nunmehr eine Belastung der G mit neu vereinbarten weiterberechneten Lizenzgebühren erfolge, kam das FA zu dem Ergebnis, dass zwischen den beiden Gesellschaften kein Leistungsaustausch stattgefunden habe. Bei der E GmbH wurden die an die G in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als unberechtigt ausgewiesene Steuern behandelt.

Am 5. Mai 2008 erging ein strafrechtlicher Ermittlungsbericht, dem der Umsatzsteuerprüfungsbericht vom 12. März 2008 beigefügt war. Am 30. Juli 2008 wurde der Kläger von der Staatsanwaltschaft M vernommen, anwesend waren dabei auch der Fahndungsprüfer und der Umsatzsteuerprüfer des FA, die dem Kläger die Ergebnisse der durchgeführten Prüfungen erläuterten.

Das FA setzte für die G jeweils mit Bescheid vom 25. Juni 2008 die Umsatzsteuer 2005 mit einem Negativbetrag von 13.309,20 EUR und die Umsatzsteuer 2006 mit einem Negativbetrag von 5.785,29 EUR fest. Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 4. November 2008).

Auf Grund der bestehenden Steuerrückstände der G in Höhe von 511.517.83 EUR leitete das FA Vollstreckungsmaßnahmen ein, insbesondere brachte es am 28. August 2008 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung bei der Sparkasse W an. Zahlungen gegenüber dem FA sind bislang nicht erfolgt.

Mit ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass sämtliche Umsatzsteuerbescheide aufzuheben seien. Die Vollstreckungsmaßnahmen des FA beruhten auf reinen Luftbuchungen, da alle Bescheide nichtig seien. Der Antrag des FA auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der E sei sittenwidrig, da insoweit auch eine Stundung oder ein Erlass der Steuerrückstände in Betracht gekommen wäre.

Nachdem die im Jahr 2001 eingeführte Vorschrift des § 27 b UStG das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung im Sinne von Art. 13 GG einschränke und der Gesetzgeber es versäumt habe, auf diesen Grundrechtseingriff entsprechend Art. 19 Abs. 2 GG hinzuweisen, ergebe sich die Nichtigkeit des gesamten Umsatzsteuergesetzes 1999 und damit auch aller darauf beruhenden Bescheide.

Darüber hinaus habe das FA verfassungswidrig keine Schlussbesprechung nach Durchführung der Umsatzsteuerprüfung bei der G abgehalten, auch aus diesem Grund seien Prüfungsbericht und Umsatzsteuerbescheide nichtig. Zu Unrecht sei außerdem der Vorsteuerabzug aus Lizenzgebühren versagt worden.

Die Kläger beantragen,

die Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2007 aufzuheben, die Nichtigkeit der gegen die E und G ergangenen Umsatzsteuerbescheide 2003 und 2007, des Betriebsprüfungsberichts vom 12. März 2003 sowie des Antrags auf Insolvenzeröffnung vom 4. Juli 2007 festzustellen, Vollstreckungsaufschub zu gewähren, sowie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Ergänzend trägt es vor, dass das Amtsgericht W die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der E am 21. Februar 2008 mangels Masse abgelehnt habe. Der Kläger sei ab April 2008 zum Liquidator über das Vermögen der E bestellt worden. Ein Antrag auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei beim Finanzgericht München unter dem Aktenzeichen mit Beschluss vom 6. Dezember 2007 zurückgewiesen worden, da keine Ermessensfehler des FA festgestellt hätten werden können.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer der E für die Jahre 2003 und 2004 beruhten auf Schätzungsbescheiden vom 2. Januar 2006 für das Jahr 2003 und vom 11. April 2006 für das Jahr 2004, Einspruch sei dagegen nicht eingelegt worden. Die Umsatzsteuervorauszahlungen 2007 wurden in Höhe von 0 EUR festgesetzt, ein Jahressteuerbescheid 2007 sei noch nicht ergangen.

Entsprechend der im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung getroffenen Erkenntnisse sei die Umsatzsteuer 2006 für die E mit Bescheid vom 14. Juli 2008 mit 612.800 EUR festgesetzt worden.

Der dagegen gerichtete Einspruch habe nur teilweise Erfolg gehabt (vgl. Entscheidung vom 12. November 2008). Die Umsatzsteuer sei auf 255.033,94 EUR festgesetzt worden und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen worden. Dieser Bescheid könne jedoch nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens werden.

Die G sei seit 15. April 2004 umsatzsteuerlich erfasst. Die Festsetzung der Umsatzsteuer der G für das Jahr 2004 sei entsprechend einer am 13. Juni 2006 eingereichten Umsatzsteuererklärung erfolgt. Für das Jahr 2007 sei noch kein Jahresbescheid ergangen. Auf Grund der bis Juli 2007 noch eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen habe das FA Vorsteuererstattungen vorgenommen. Einspruchsverfahren seien nicht durchgeführt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage hat keinen Erfolg.

I. E 1. Die Klage der E auf Feststellung die Nichtigkeit aller Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2003 bis 2007 - soweit das Jahr 2006 betroffen ist in Gestalt des zum Gegenstand des Verfahrens nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) gewordenen Steuerbescheids vom 14. Juli 2008 - ist unbegründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2007 sind weder nichtig noch rechtswidrig.

Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Ein solch schwerwiegender Fehler liegt vor, wenn unter keinen vertretbaren Umständen eine gesetzliche Grundlage oder Begründung gefunden werden kann, etwa wenn eine Einkunfts- oder Vermögensart erfasst wird, die das Einkommensteuergesetz oder Bewertungsgesetz nicht kennt. Dasselbe gilt, wenn eine Steuer festgesetzt wird, die in keinem Gesetz vorgesehen ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Verwaltungsakt jedenfalls nicht nichtig, weil er auf einem für verfassungswidrig gehaltenen, aber vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) noch nicht für verfassungswidrig erklärtes Gesetz gestützt wird (BFH-Beschluss vom 01. Oktober 1981 IV B 13/81, BStBl II 1982, 133). Ein Verwaltungsakt verdient nur dann keine Beachtung, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemand erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen.

Das UStG ist bislang nicht vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden. Die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Nichtbeachtung eines für verfassungswidrig erachteten Verwaltungsakts liegen nicht vor.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind auch nicht rechtswidrig. Im Rahmen der erhobenen Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides zu überprüfen (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei ist auch und zunächst zu klären, ob das UStG als (einfachgesetzliche) Ermächtigungsgrundlage für den Steuerbescheid seinerseits verfassungsgemäß ist. Sofern der Senat das UStG in den vom Kläger benannten Punkte für verfassungswidrig erachten sollte, hätte er den Rechtsstreit auszusetzen und die Sache dem BVerfG vorzulegen (Art 100 Abs. 1 Satz 1 GG - konkrete Normenkontrolle). Voraussetzung für den Vorlagebeschluss ist die Überzeugung des Gerichts, der Vorlagegegenstand (UStG) sei mit dem Kontrollmaßstab (GG) nicht vereinbar.

Die von den Klägern genannten Gründe führen nicht zur Verfassungswidrigkeit des UStG.

Insoweit schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen des Niedersächsichen Finanzgerichts an (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19. Dezember 2007 5 K 377/07, DStRE 2008, 897). Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Diese Vorschrift enthält das Gebot, in grundrechtseinschränkenden Gesetzen die betroffenen Grundrechte zu nennen (Zitiergebot). Dadurch soll sichergestellt werden, dass nur ausdrücklich gewollte Eingriffe vorgenommen werden. Weiter soll die Vorschrift eine "Warn- und Besinnungsfunktion" erfüllen, damit der Gesetzgeber die grundrechtsverkürzenden Auswirkungen seiner Gesetzgebung bedenkt (Sachs, GG Kommentar, Art. 19 Rz. 25 m.w.N.).

Das UStG enthält keinen Hinweis darauf, dass Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingeschränkt ist.

Das Zitiergebot ist dadurch nicht verletzt. Es findet nur Anwendung auf Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen. Dazu gehört das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht (BVerfG-Urteil vom 27. November 1990 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130). Das UStG enthält auch keinen Hinweis darauf, dass durch die zum 1. Januar 2002 eingeführte Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) Art 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) eingeschränkt ist. Dies ist im Ergebnis unerheblich, weil sich ein Verstoß gegen das Zitiergebot auf die mögliche Verfassungswidrigkeit des - im Streitfall nicht einschlägigen - § 27b UStG beschränken würde.

Der Senat kann die Frage offenlassen, ob das im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau eingeräumte Betretungsrecht von Wohnungen und Geschäftsräumen einen Eingriff in den Schutzbereich des Art 13 GG darstellt (dafür: Zugmaier, in Hartmann-Metzenmacher, § 27 b UStG Rz. 6; Wäger, DB 2002, Beilage 1/2002, 68 ff; Tormöhlen, UVR 2006, 84 ff; Helmschrott, StC 2007, 28; dagegen: Nieskens, in Rau/Dürrwächter, § 27 b UStG, Rn 31; Mende/ Huschens, in Vogel/Schwarz, § 27b UStG Rz. 28; Leonard, in Bunjes/Geist, § 27b UStG, Rz. 7).

Selbst wenn man dies bejahen und einen Verstoß gegen das Zitiergebot annehmen wollte, hätte dieser jedenfalls nicht die Nichtigkeit des gesamten UStG zur Folge. Die Nichtigkeitsfolge kann nämlich nur die Gesetzesvorschriften erfassen, welche in Grundrechte eingreifen, ohne dem Zitiergebot Genüge zu tun. Nur insoweit fordert der Zweck des Zitiergebots die Nichtigkeit. Art.19 Abs. 1 Satz 2 will den Gesetzgeber nicht für eine Grundrechtsverletzung "bestrafen", sondern will die Grundrechte schützen. Dem wird durch die Teilnichtigkeit Genüge getan (Helmschrott, SteuerConsultant (StC) 2007, 28, 32).

Die Teilnichtigkeit ist zwar als Rechtsfolge in Art. 95 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) nicht ausdrücklich vorgesehen. Das BVerfG und die Literatur legen diese Vorschrift jedoch dahingehend aus, dass nur von einer Teilnichtigkeit auszugehen ist, wenn damit der Verstoß gegen das Grundgesetz ausgeräumt ist (Helmschrott, StC 2007, 28, 32 m.w.N. zur Rspr des BVerfG in Fn. 51/52).

Ein Verstoß gegen das Zitiergebot hätte damit allenfalls die Nichtigkeit des § 27b UStG zur Folge, der indes im Streitfall keine Anwendung gefunden hat. Eine diesbezügliche Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet damit aus, weil es auf die Gültigkeit dieser Norm im Streitfall nicht ankommt.

Sonstige Gründe, die zur Rechtswidrigkeit der Bescheide führen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Auch soweit die E die Feststellung der Nichtigkeit des Antrags auf Insolvenzeröffnung begehrt, weil das FA zur Rückstandsunterbindung auch eine Stundung oder einen Erlass gewähren hätte können, hat die Klage keinen Erfolg.

Die Entscheidung über Stundung (§ 222 AO) und Erlass (§ 227 AO) stehen im Ermessen der Finanzbehörde, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist. Nach § 102 FGO ist die gerichtliche Prüfung dieser Billigkeitsmaßnahmen darauf beschränkt, ob die beklagte Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Zu Recht hat das FA im Streitfall die Ablehnung einer Stundung insbesondere auf die mangelnde Stundungsbedürftigkeit der E gestützt, die sich das Verhalten ihres Geschäftsführers zurechnen lassen muss, und darauf hingewiesen, dass Steuernachzahlungen einer GmbH, die auf einer Steuerhinterziehung des Geschäftsführers beruhen, nicht gestundet werden können. Die Voraussetzungen für einen Erlass - die Unbilligkeit der Einziehung der Steuerrückstände der E - liegen nicht einmal ansatzweise vor.

Darüber hinaus steht es grundsätzlich im Ermessen des FA, welche Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelfall zur Beitreibung von Steuerrückständen gewählt werden. Ermessensfehler des FA sind im hier zu entscheidenden Fall nicht ersichtlich.

II. G Sofern sich die G gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer der Jahre 2003 bis 2007 wendet, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.

Da diese Gesellschaft erst im Jahr 2004 gegründet worden ist, konnte keine Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2003 ergehen, eine Klagebefugnis ist nicht gegeben.

Die Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzung der Jahre 2005 und 2006 ist unbegründet.

Der Umstand, dass nach Beendigung der Umsatzsteuerprüfung keine Schlussbesprechung stattgefunden hat, führt nicht zur Nichtigkeit des Prüfungsberichts und der Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006. Zu Recht hat das FA darauf hin gewiesen, dass dieser Mangel durch die Anhörung des Geschäftsführers am 30. Juli 2008 gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2-3, Abs. 2 Abgabenordnung 1977 (AO) geheilt wurde (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Dezember 1997 X B 182/96, BFH/NV 1998, 811 m.w.N.). Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Prüfungsberichts und der Steuerbescheide gemäß § 125 AO sind nicht erfüllt.

Darüber hinaus hat das FA zu Recht den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Euro-Med versagt:

Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) kann ein Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

In tatsächlicher Hinsicht trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. September 1993 V B 113/93, BFH/NV 1994, 281).

Diesen Verpflichtungen ist die G jedoch nicht einmal ansatzweise nachgekommen. Unterlagen zum Nachweis eines Leistungsaustausches konnten nicht nachgewiesen werden. Nach Ansicht des Gerichts ist die Antragstellerin nicht als leistender Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG anzusehen, denn es wurden unter ihrem Namen lediglich Rechnungen ausgestellt, wobei der Unternehmenszweck von vornherein nicht auf die Erzielung von Einnahmen i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG, sondern darauf gerichtet war, anderen Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug zu ermöglichen.

Wie das FA im Bericht vom 12. März 2008 außerdem zutreffend ausführt, ist eine Stornierung von Leistungen und ihr "Ersatz" durch neu vereinbarte weiterberechnete Lizenzgebühren unmöglich, da sich eine Dienstleistung mit ihrer Erbringung verbraucht und deshalb nicht rückgängig gemacht wird. Darüber hinaus hat die G auch nicht den Nachweis erbracht, dass die E tatsächlich Lizenzleistungen an sie erbracht hat. Ein Vorsteuerabzug kommt daher nicht in Betracht.

III. E und G wegen Vollstreckungsmaßnahmen

Mit der vorliegenden Klage kann die (einstweilige) Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung oder die (einstweilige) Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme nicht erreicht werden. Bereits aus dem Wortlaut des § 258 AO ergibt sich, dass nur der Vollstreckungsbehörde die Befugnis zu einer Maßnahme nach § 258 AO zusteht und das Gericht lediglich das insoweit ausgeübte Ermessen nach § 102 FGO überprüfen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 1989 VIII B 88/89, BFH/NV 1990, 253 258). Ermessensfehler sind jedoch nicht ersichtlich.

Billigkeitsmaßnahmen nach § 258 AO kommen nur in Betracht, wenn vorübergehende Umstände vorliegen, die eine Vollstreckung unbillig erscheinen lassen. Umstände, die zu einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung Anlass geben, können bei der Anwendung des § 258 AO nicht berücksichtigt werden, da die Vorschrift eine Unterbindung der Vollstreckung auf Dauer nicht vorsieht (BFH-Beschluss vom 7. Oktober 1992 VII B 92/92, BFH/NV 1993, 513).

Im Hinblick auf den Zweck der Vollstreckungsvorschriften (§§ 249 ff. AO) ist zu berücksichtigen, dass die Finanzbehörden vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes für eine gleichmäßige Einziehung der Steuerforderungen zu sorgen haben. Das Ermessen der Finanzbehörden ist daher von vornherein zu Lasten des Vollstreckungsschuldners insoweit eingeschränkt, dass - im Rahmen der Verhältnismäßigkeit - grundsätzlich alle gesetzlich vorgesehen Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen sind, wenn ein Vollstreckungsschuldner nicht freiwillig zahlt. Nachteile, die üblicherweise mit der Vollstreckung oder der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme verbunden sind, begründen keine Unbilligkeit (BFH-Beschluss in BFH/NV 1989, 565).

IV. Kläger

Die Klage des Klägers ist unzulässig, weil die hierfür erforderlichen allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Er hat nicht schlüssig dargelegt, dass ihn die Steuerbescheide und Vollstreckungsmaßnahmen, die gegenüber der Klägerin ergangen sind, in seiner Rechtsstellung gefährden und er daher eigene Rechte verfolgt (§ 40 Abs. 2 FGO). Die erforderliche Klagebefugnis ist somit nicht gegeben.

V. Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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