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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 21.09.2009
Aktenzeichen: 14 K 3219/08
Rechtsgebiete: UStG, VO 2454/93
Vorschriften:
UStG § 13 Abs. 2 | |
UStG § 21 Abs. 2 | |
VO 2454/93 Art. 232 Abs. 1 | |
VO 2454/93 Art. 233 | |
VO 2454/93 Art. 234 Abs. 2 | |
VO 2454/93 Art. 558 Abs. 1 |
In der Streitsache
...
hat das Finanzgericht München, 14. Senat,
durch
den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter
ohne mündliche Verhandlung
am 21. September 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA) gegenüber dem Kläger zu Recht Einfuhrabgaben für einen Pkw festgesetzt hat.
Der Kläger wurde am 25. September 2007 durch die Polizei einer Verkehrskontrolle unterzogen.
Dabei wurde festgestellt, dass der Pkw mit dem amtlichen türkischen Kennzeichen ... am 6. September 2007 in der Türkei zugelassen worden war und der Kläger diesen über Ungarn bzw. Bulgarien nach Deutschland eingeführt hatte. Eine weitere Überprüfung ergab, dass der Kläger seinen Wohnsitz in X/Deutschland hatte.
Das HZA setzte deshalb mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25. Juni 2008 gegenüber dem Kläger Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt 2.804,91 EUR fest, weil er den Pkw vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe. Dabei ging es von einem Zollwert des Pkw in Höhe von 9.077,36 EUR aus.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung vom 24. September 2008 Klage, mit der er im Wesentlichen Folgendes geltend macht:
Er habe den Pkw nur vorübergehend als Beförderungsmittel im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet. Er habe nie die Absicht gehabt, diesen nach Deutschland einzuführen. Er habe den Pkw während seines Urlaubs in der Türkei im August/September 2007 gekauft, wo er den Urlaub mit seinen Kindern verbracht habe. Es sei nur deshalb mit dem neu gekauften Pkw nach Deutschland gefahren, weil seine Tochter rechtzeitig zum Schulbeginn anwesend sein musste. Unmittelbar danach sei er wieder in die Türkei gefahren und habe den Pkw dort gelassen. In Deutschland benutze er einen in Deutschland zugelassenen anderen Pkw. Außerdem besitze er sowohl in Deutschland als auch in Z/Türkei, wo er Grund und Boden besitze, einen Hauptwohnsitz.
Der Kläger beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 25. Juni 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 24. September 2008 aufzuheben.
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist auf die Einspruchsentscheidung und bringt ergänzend vor, dass es nicht darauf ankomme, ob der Kläger das Fahrzeug mittlerweile wieder in die Türkei ausgeführt habe, denn die Einfuhrabgaben seien bereits mit dem erstmaligen Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft entstanden, ohne dass es darauf ankomme, ob der Pkw wiederausgeführt werden sollte. Ausländische Fahrzeuge, die durch Gebietsansässige - wenn auch nur vorübergehend - eingeführt werden, seien einfuhrabgabenpflichtig.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten und die im Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung - FGO).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das HZA hat gegenüber dem Kläger zu Recht Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 2.804,91 EUR festgesetzt.
1. Die Einfuhrabgaben sind gem. Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Zollkodex (ZK) i.V.m. §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz in der hier maßgebenden Fassung (UStG) mit dem vorschriftswidrigen Verbringen des Fahrzeugs im September 2007 in die Gemeinschaft entstanden. Waren gelten gem. Art. 234 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex (ZK-DVO) als vorschriftswidrig verbracht, wenn sich bei einer Kontrolle ergibt, dass die Willensäußerung i.S.d. Art. 233 ZK-DVO erfolgt ist, ohne dass die verbrachten Waren die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 ZK-DVO erfüllen.
Dies ist vorliegend der Fall, denn der Kläger konnte für sein Fahrzeug keine Zollanmeldung zur vorübergehenden Verwendung gem. Art. 232 Abs. 1 Buchst. b ZK-DVO durch eine Willensäußerung i.S.d. Art. 233 Abs. 1 Buchst. a Anstrich 2 ZK-DVO abgeben, weil die Voraussetzungen für eine vorübergehende Verwendung des Pkw zum privaten Gebrauch unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben gem. Art. 137 ZK i.V.m. Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b ZK-DVO nicht vorlagen.
Gem. Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b ZK-DVO ist eine vorübergehende Verwendung von Straßenfahrzeugen zum privaten Gebrauch bei vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben nur möglich, wenn das Fahrzeug auf den Namen einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person amtlich zugelassen ist und von einer außerhalb dieses Gebietes ansässigen Person verwendet wird.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Einfuhr in der Gemeinschaft ansässig war, da er seinen normalen Wohnsitz in X/Deutschland hatte (Art. 4 Nr. 2 Anstrich 1 ZK).
Der Begriff des normalen Wohnsitzes ist zwar nicht im ZK definiert. Da der Begriff gemeinschaftsrechtlich zu bestimmen ist, kann bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals auch nicht auf § 8 der Abgabenordnung (AO) abgestellt werden (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 244/02, BFH/NV 2003, 833). Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) hat sich jedoch in seiner Rechtsprechung zu Art. 7 der Richtlinie 83/182/EWG über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel zum Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" geäußert (vgl. EuGH-Urteile vom 23. April 1991 Rs. C-297/89, Slg. 1991, I-1943 Rdnr. 17 ff. und vom 12. Juli 2001 Rs. C-262/99, Slg. 2001, I-5547 Rdnr. 43 ff.). Danach ist, wenn eine Person über persönliche und berufliche Bindungen in zwei Mitgliedstaaten verfügt, der bei einer Gesamtwürdigung aller erheblichen Tatsachen ermittelte Ort ihres gewöhnlichen Wohnsitzes der Ort, an dem sich der ständige Mittelpunkt ihrer Interessen befindet. Wenn eine Gesamtbewertung der beruflichen und persönlichen Bindungen nicht ausreicht, um den ständigen Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen örtlich zu bestimmen, ist bei dieser Ortsbestimmung den persönlichen Bindungen der Vorrang einzuräumen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielrichtungen des Art. 7 der Richtlinie 83/182/EWG und der Vorschriften über die vorübergehende Verwendung kann o. g. Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" zwar nicht unmittelbar (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 244/02, a.a.O.), aber sinngemäß auf Art. 4 Nr. 2 ZK angewendet werden (Schwarz/Wockenfoth, Kommentar zum Zollrecht, Anm. 16 zu Art. 184 ZK).
Das HZA hat zu Recht angenommen, dass es sich beim Kläger um eine in der Gemeinschaft ansässige Person i.S.v. Art. 4 Nr. 2 Anstrich 1 ZK gehandelt hat. Der Kläger hatte unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einreise seinen normalen bzw. gewöhnlichen Wohnsitz im Inland, nämlich in X, weil sich dort bei einer Gesamtwürdigung der von den Beteiligten dargelegten Umstände der ständige Mittelpunkt seiner Interessen befunden hat.
Vorliegend hat der Kläger, außer dem Umstand, dass er in der Türkei Grund und Boden besitze und dort einen weiteren Hauptwohnsitz in Z habe, nichts vorgetragen, was für eine berufliche oder persönliche Bindung zu diesem Ort sprechen würde. Die Feststellungen des HZA und die eigenen Einlassungen des Klägers sprechen vielmehr dafür, dass sich der ständige Mittelpunkt der Interessen des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt in X befunden hat.
So ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, dass er einen Friseursalon in X betrieben hat und dort auch seine Tochter zur Schule gegangen ist. Er hat danach sowohl berufliche als auch persönliche Bindungen an seinen Wohnort in X gehabt. Demgegenüber ins Gewicht fallende Bindungen an seinen angeblichen Wohnort in der Türkei sind nicht ersichtlich. Der bloße Besitz von Grund und Boden in der Türkei ist insoweit nicht maßgeblich.
Schließlich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen für eine abgabenfreie Verwendung des Pkw durch den Kläger als Gebietsansässigen nach den Art. 559 bis 561 ZK-DVO nicht erfüllt. Der Kläger kann sich insbesondere nicht auf Art. 559 Buchst. c ZK-DVO berufen.
Selbst wenn im Erfordernis des rechtzeitigen Verbringens der Tochter zum Schulbeginn nach Deutschland eine Notsituation gesehen werden könnte, wäre dieser Tatbestand nicht erfüllt. Die Verwendung des Pkw durch den Kläger in Deutschland hätte dann nämlich fünf Tage überschritten, da die Kontrolle des Klägers am 25. September 2007 erfolgt ist, also mehr als 10 Tage nach Beginn des Schuljahres in Bayern.
2. Der Kläger ist gem. Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK i.V.m. §§ 13 a Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG Abgabenschuldner geworden, weil er den Pkw vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat. Darauf, ob er den Pkw wieder ausführen wollte, kommt es nicht an, denn die Einfuhrabgaben sind mit der vorschriftswidrigen Einfuhr entstanden. Die tatsächliche Ausfuhr stellt keinen Erlöschenstatbestand dar.
Ein eventueller Irrtum des Klägers darüber, ob er den Pkw vorübergehend verwenden durfte, ohne Abgabenschuldner zu werden, ist unerheblich, denn der Steueranspruch entsteht verschuldensunabhängig sobald der Tatbestand verwirklicht wird, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO).
3. Die Berechnung der Höhe der Einfuhrabgaben ist nicht zu beanstanden.
4. Die deutsche Zollverwaltung ist für die Abgabenfestsetzung zuständig, auch wenn der Pkw über einen bulgarischen oder ungarischen Grenzübergang vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführt worden ist. Gemäß Art. 215 Abs. 4 ZK gilt die Zollschuld, da sie weniger als 5.000 EUR beträgt, als in Deutschland entstanden, weil hier die vorschriftswidrige Einfuhr festgestellt worden ist. Dies gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer (§ 21 Abs. 2 UStG; BFH-Urteil vom 6. Mai 2008 VII R 30/07, BFHE 221, 325, ZfZ 2008, 301).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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