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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.09.2008
Aktenzeichen: 14 K 355/05
Rechtsgebiete: ZG, AZO


Vorschriften:

ZG § 55 Abs. 2 S. 1
AZO § 39
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,

der Richterin am Finanzgericht ... und

des Richters am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Klägerin Erstattung von Einfuhrumsatzsteuer verlangen kann.

Im Juni 1991 gründeten Herr X und Herr Y eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck im Erwerb eines Flugzeugs bestand. Gleichzeitig gründeten sie die Klägerin, über die dieses Flugzeug vermarktet werden sollte. Geschäftsführer der Klägerin waren ebenfalls Herr X und Herr Y.

Mit Kaufvertrag vom 25. Februar 1991 wurde der Verkauf eines Flugzeugs der Marke G von der amerikanischen Firma F an die GbR vereinbart. Die F stellte der GbR dieses Flugzeug (amtliches amerikanisches Kennzeichen) in Rechnung. Auf dieser Rechnung wurde am 22. Juli 1991 die vollständige Zahlung bestätigt.

Am 4. August 1991 führte der Geschäftsführer der Klägerin, Herr X, das o. g. Flugzeug über den Flughafen M erstmals nach Deutschland ein. Am Flughafen M hatte das Flugzeug ab diesem Zeitpunkt seinen regelmäßigen Standort. In den folgenden zehn Monaten führte die Klägerin mit diesem Flugzeug Inlands- und Auslandsflüge teils privater, teils gewerblicher Art für verschiedene Auftraggeber durch. Eine schriftliche Zollanmeldung wurde nicht abgegeben.

Bei seiner Vernehmung durch das Zollfahndungsamt gab Herr Y an, dass tatsächlicher Eigentümer des Flugzeugs die GbR sei. Die P sei als luftfahrtrechtlicher Eigentümer aufgetreten, um eine amerikanische Zulassung zu erhalten. Ein tatsächlicher Verkauf an die P habe nicht stattgefunden (vgl. Vernehmungsniederschrift vom 15. Februar 1993).

Herr X sagte aus, die GbR sei zum Zweck des Kaufs des Flugzeugs gegründet worden, das mit Rechnung vom 22. Juli 1991 angekauft worden sei. Als Eigentümer des Flugzeugs sei die P in die amerikanische Luftfahrzeugrolle eingetragen worden, damit das Flugzeug nach amerikanischen Luftfahrtbestimmungen betrieben werden konnte (vgl. Vernehmungsniederschrift vom 15. Februar 1993).

Mit Steuerbescheid vom 2. September 1992 setzte das Hauptzollamt, dessen Rechtsnachfolger das HZA (HZA) ist, gegen die Klägerin Einfuhrabgaben i.H.v. 1.726.902 DM (438.300 DM Zoll und 1.288.602 DM Einfuhrumsatzsteuer) fest, die es mit Steueränderungsbescheid vom 4. Juni 1993 auf die Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 1.227.240 DM beschränkte. Die geschuldeten Abgaben wurden vollständig entrichtet. Den Antrag der Klägerin auf Erstattung der gezahlten Einfuhrumsatzsteuer lehnte das HZA ab.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 17. Dezember 2004) erhob die Klägerin Klage, mit der sie im Wesentlichen vorbringt, dass es dem System der Neutralität der Mehrwertsteuer widerspreche, wenn die Klägerin als Unternehmerin die Einfuhrumsatzsteuer bezahlen müsse, ohne dass ihr oder einem anderen Unternehmen dafür ein Vorsteuerabzug gewährt wird. Schließlich sei die Einfuhrumsatzsteuer zu Unrecht erhoben worden, weil die Verfügungsberechtigung an dem Flugzeug im Zeitpunkt der Einfuhr der P, einem ausländischen Unternehmen, zugestanden habe, weil der Kaufvertrag zwischen der F und der GbR aufgelöst worden sei und das Flugzeug stattdessen an die P auf Basis der Bill of Sale vom 14. Juli 1991 verkauft worden sei. Hierfür spreche auch der Eintrag der P im amerikanischen Flugzeugregister. Von einem ausländischen Unternehmen werde vermutet, dass es im Rahmen seines entgeltlichen Luftverkehrs überwiegend internationalen Luftverkehr betreibe. Die Einfuhr von Luftfahrzeugen für diese Unternehmen sei stets umsatzsteuerfrei.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 20. Februar 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Dezember 2004 aufzuheben und das HZA zu verpflichten, der Klägerin Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 627.477,85 EUR zu erstatten.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bestehe kein Anspruch auf Erstattung. Ob jemand zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, spiele für die Abgabenschuldentstehung keine Rolle. Der Standort des Flugzeugs sei am 4. August 1991 nach Deutschland verlegt worden. Die Voraussetzungen zum Zollverfahren der Vorübergehenden Verwendung hätten nicht vorgelegen. Auch die Voraussetzungen für eine steuerfreie Einfuhr im Sinne des Umsatzsteuergesetzes seien - trotz Nachweispflicht der Klägerin - nicht nachgewiesen worden. Unklar seien bisher insbesondere noch die Eigentumsverhältnisse an dem Luftfahrzeug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung hingewiesen.

II. 1. Die Klage ist nicht begründet, weil der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Einfuhrumsatzsteuer zusteht.

Gem. § 14 Abs. 1 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung in der hier maßgeblichen Fassung (EUStBV) i.V.m. Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) werden Einfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war. Die Nachweispflicht liegt diesbezüglich beim Antragsteller.

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Einfuhrabgaben gem. Art. 236 ZK, da diese mit der erstmaligen Einfuhr des Flugzeugs am 4. August 1991 nach Deutschland entstanden sind.

Gem. §§ 13 Abs. 3, 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (UStG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Buchst. d 2. Alt. der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld - Zollschuld-VO (ABl. (EG) Nr. 1 201/15 vom 22. Juli 1987) entsteht eine Zollschuld, wenn eine der Bedingungen für die Überführung von Waren in das betreffende Verfahren nicht erfüllt wird, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

Vorliegend hat die Klägerin nicht die Bedingungen erfüllt, die an eine vorübergehende Verwendung geknüpft sind. Waren, die im Zollgebiet nur vorübergehend verwendet und wieder ausgeführt werden, können in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 4, § 55 des Zollgesetzes - ZG i.V.m. § 39 der Allgemeinen Zollordnung - AZO nur dann übergeführt werden, wenn dieses Zollverfahren bewilligt worden ist.

Dies muss grundsätzlich gem. § 55 Abs. 2 Satz 1 ZG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 AZO schriftlich erfolgen. Eine schriftliche Bewilligung wurde der Klägerin jedoch nicht erteilt.

Sie kann sich auch nicht auf eine allgemeine Bewilligung berufen. Gem. Abschnitt I Nr. 6 der Dienstanweisung VSF-Z 1904 ist die vorübergehende Verwendung allgemein dem Zollbeteiligten für Luftfahrzeuge mit regelmäßigem Standort außerhalb des Zollgebietes bewilligt, die dazu verwendet werden, Personen oder Waren zu befördern, Personen mit gewöhnlichem Wohnsitz im Zollgebiet jedoch nur im grenzüberschreitenden Verkehr oder im Fluglinienverkehr. Gem. Abschnitt II Abs. 12 i.V.m. Abs. 5 VSF-Z 1904 ist der Standort des Flugzeugs dessen regelmäßiger Standort, von dem aus es durch den Verfügungsberechtigten nach bestimmungsgemäßer Verwendung dauernd - abgesehen von vorübergehenden Unterbrechungen - eingesetzt wird und an den es nach dem Einsatz zurückkehrt. Da zulassungspflichtige Fahrzeuge im Allgemeinen in dem Land zuzulassen sind, in dem sie ihren regelmäßigen Standort haben, ergibt sich ihre Beheimatung aus der Zulassung.

Vorliegend ist jedoch der regelmäßige Standort des Flugzeugs mit dem erstmaligen Verbringen nach Deutschland am 4. August 1991 in das Zollgebiet verlegt worden.

Zwar ist das Flugzeug auf die amerikanische Firma P zugelassen gewesen. Allein daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der regelmäßige Standort des Flugzeugs auch nach dem 4. August 1991 in den USA verblieben ist. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kaufvertrag vom 25. Februar 1991 zwischen der F und der GbR nicht rückabgewickelt worden ist und die Klägerin hinsichtlich des Flugzeugs verfügungsberechtigt gewesen ist.

Dass der Kaufvertrag vom 25. Februar 1991 vollzogen worden ist, ergibt sich daraus, dass die F der GbR das Flugzeug in Rechnung gestellt und auf dieser Rechnung unter dem Datum vom 22. Juli 1991 die vollständige Zahlung bestätigt hat. Auch die Aussagen der beiden Geschäftsführer der Klägerin, Herr X und Herr Y beim Zollfahndungsamt sprechen dafür, dass die P lediglich in die amerikanische Luftfahrzeugrolle eingetragen gewesen ist, die GbR aber tatsächlicher Eigentümer des Flugzeugs geworden ist. Der angebliche Verkauf des Flugzeugs an einen anderen Käufer, nämlich die P (vgl. Bill of Sale vom 14. Juli 1991), etwa eine Woche vor der vollständigen Zahlung durch die GbR steht dazu im Widerspruch, den die Klägerin nicht nachvollziehbar aufklären konnte.

Die Klägerin hat auch tatsächlich Verfügungsmacht über das Flugzeug erlangt. Denn Herr X - einer der Geschäftsführer der Klägerin - hat das Flugzeug geflogen, das seit seiner Einfuhr am Flughafen M gestanden hat und von dort aus gestartet und gelandet ist. Dies deckt sich auch mit dem Gesellschaftszweck der Klägerin, der in der Vermarktung des Flugzeugs bestanden hat.

b) Ob der Kaufvertrag rückabgewickelt worden ist, kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist die Abgabenschuld jedenfalls gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. d 1. Alt. Zollschuld-VO mit der Durchführung des ersten Inlandsfluges durch die Klägerin entstanden. Denn dabei handelt es sich um eine zweckwidrige Verwendung, weil das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung den Gebrauch einer Ware im Inland nicht abdeckt.

Die Pflichtverletzung kann auch nicht gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Zollschuld-VO vernachlässigt werden, weil das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung für diese Art der Verwendung nicht hätte bewilligt werden können und sich dadurch die Verfehlung auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zollverfahrens ausgewirkt hat.

c) Dafür dass die Einfuhr gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes steuerfrei ist, hat die Klägerin keine Nachweise erbracht. Die Frage, ob die Klägerin die gezahlte Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

d) Die Klägerin ist gem. §§ 13 Abs. 3, 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 5 3. Alt. bzw. 1. Alt. der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 des Rates über die zur Erfüllung einer Zollschuld verpflichteten Personen vom 18. April 1988 (ABl. (EG) Nr. 1 102/5) Zollschuldnerin geworden, weil sie durch ihren Geschäftsführer Herrn X die Zollanmeldung für das Verfahren der vorübergehenden Verwendung abgegeben hat, dadurch Inhaberin des Zollverfahrens gewesen ist und die Verpflichtungen, die sich aus diesem Verfahren ergeben, einzuhalten bzw. die Bedingungen für die Überführung der Ware in das Zollverfahren zu erfüllen hatte.

e) Die Höhe der Einfuhrumsatzsteuerschuld ist richtig berechnet worden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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