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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 14 K 3673/02
Rechtsgebiete: UStG, ZKDV, ZK


Vorschriften:

ZK Art. 204 Abs. 1 Buchst. a
ZK Art. 204 Abs. 3
ZKDV Art. 558 Abs. 1 Buchst. c
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 4
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 5
UStG § 1 Abs. 2
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. a
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... und der Richter am Finanzgericht ... und ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... ohne mündliche Verhandlung am 10. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Änderung des Steuerbescheids vom 19. März 2002 und der Einspruchsentscheidung werden die Einfuhrabgaben auf 4.090,33 Zoll herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 5/11 und der Beklagte zu 6/11.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird hinsichtlich der streitgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuer zugelassen.

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob mit einer litauischen Sattelzugmaschine ein unzulässiger Binnentransport durchgeführt wurde.

Anlässlich einer Kontrolle des Bundesamtes für Güterkraftverkehr am 8. November 2001 beim ehemaligen Zollamt Kiefersfelden-Autobahn wurde wegen fehlender CEMT-Genehmigung anhand des Lieferscheins und des CMR-Frachtbriefs festgestellt, dass die in Litauen auf die Klägerin zugelassene Sattelzugmaschine (Kennzeichen: ...) am 7. November 2001 bei der Firma ... Hamburg ... für die Firma ... in Bergamo geladen hatte. Der Fahrer legte für den Transport eine Genehmigung nach dem Abkommen zwischen Litauen und Deutschland vor, die auf die Klägerin ausgestellt war. Am 9. November 2001 legte die Klägerin, die angab, zwei Fahrzeuge zu besitzen, eine auf sie ausgestellte CEMT-Genehmigung ... vor.

Für den beabsichtigten Transport von Hamburg nach Bergamo nahm das HZA die Klägerin wegen nichtbewilligter vorübergehender Verwendung nach Art. 204 Zollkodex - ZK durch Steuerbescheid vom 19. März 2002 für 4.090,33 Zoll und 4.744,79 Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Anspruch.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung (EE) vom 12. Juli 2002 Klage, mit der sie im Wesentlichen Folgendes geltend macht: Die CEMT-Bescheinigung habe den str. Transport Großenwiehe über Neumünster (Ladungsaufnahme) nach Italien nicht aus betrügersicher Absicht, sondern aus Versehen nicht begleitet. Das eingesetzte Fahrzeug sei am 11. Januar 1999 von Deutschland nach Litauen ausgeführt worden und innerhalb von drei Jahren am 7. Januar 2001 als Rückware einfuhrabgabenfrei wieder eingeführt worden. Es hätte daher nicht durch Steuerbescheid vom 19. März 2002 verzollt werden dürfen. Außerdem seien die Voraussetzungen nach Art. 204 Abs. 1 ZK i.V.m. Art. 859 Nr. 4 ZK-DVO vorgelegen, sodass eine Abgabenschuld nicht entstanden sei; denn der Klägerin wäre es jederzeit möglich gewesen, in Italien eine entsprechende Ausnahmegenehmigung zu erlangen.

Die Klägerin beantragt,

den Steuerbescheid vom 19. März 2002 und die EE aufzuheben.

Das Hauptzollamt beantragt

Klageabweisung

und bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in der EE. Die vorgelegte CEMT-Genehmigung berechtige nicht zur Durchführung von Beförderungen im gewerblichen Straßengüterverkehr nach Österreich und Italien. Der ungenehmigte Binnentransport sei in der Zeit durchgeführt worden, in der das str. Fahrzeug in Litauen zugelassen gewesen sei. Eine Abgabenbefreiung als Rückware scheide daher aus.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

1. Das HZA hat zu Recht mit Steuerbescheid vom 19. März 2002 für die Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen ... Zoll in Höhe von 4.090,33 von der Klägerin angefordert.

Der festgesetzte Zoll für den str. LKW ist durch dessen zweckwidrige Verwendung entstanden (Art. 204 Abs. 1 Buchst. a 2. Alternative i.V.m. Art. 558 Abs. 1 Buchst. c ZK-DVO, Art. 87 Abs. 2 ZK).

Die Abfertigung des str. Lkw im Rahmen der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben wurde u.a. nur unter der Voraussetzung bewilligt, dass der Lkw ausschließlich für Beförderungen verwendet wird, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden (Art. 558 Abs. 1 Buchst. c 1. Halbsatz ZK-DVO). Bei der str. Beförderung von Hamburg nach Italien handelt es sich um einen EU-Binnentransport, der innerhalb der Gemeinschaft beginnt und endet; dieser ist von Art. 558 Abs. 1 Buchst. c 1. Halbsatz ZK-DVO nicht gedeckt.

Im EU-Binnenverkehr können jedoch Beförderungsmittel im Straßenverkehr eingesetzt werden, sofern im Bereich des Verkehrs geltende Vorschriften, insbesondere diejenigen betreffend die Voraussetzung für den Marktzugang und die Durchführung von Beförderungen, einen derartigen Binnentransport vorsehen (Art. 558 Abs. 1 Buchst. c 2. Halbsatz ZK-DVO). Um derartige beförderungsrechtliche Verkehrsvorschriften handelt es sich sowohl bei dem Abkommen zwischen der Regierung der Republik Litauen und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße als auch bei der von der Europäischen Konferenz der Transportminister konsolitierten Resolution Nr. 00/1 betr. die Regeln für den internationalen Frachtverkehr auf der Straße (CM(2000)10/FINAL) CEMT-Regelung -.

Für den Güterverkehr innerhalb der EU, bei dem in einem EU-Mitgliedstaat beladen und in einem anderen entladen wird (EU-Binnenverkehr), wie im vorliegenden Fall, in dem in Deutschland beladen wurde und in Italien entladen werden sollte, ist maßgebend die CEMT-Regelung.

Es handelt sich im Streitfall nicht um einen Binnentransport innerhalb Deutschlands, obgleich im Zeitpunkt der Überprüfung des Transports am 8. November 2001 eine Beförderung nur innerhalb Deutschlands begonnen und durchgeführt worden war. Für die Beurteilung, ob ein EU-Binnentransport vorliegt, kommt es grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Beladung beabsichtigte Güterbeförderung an. Der Umstand, dass der Transport durch die Kontrolle des Lkw noch auf deutschem Territorium endete, änderte an der ursprünglichen Absicht nichts; denn die Beendigung des Transports erfolgte gegen den Willen des Beförderers und hatte ihre Ursache gerade darin, dass ein unzulässiger Binnentransport nicht weiter durchgeführt werden durfte.

Der von der Klägerin durchgeführte Transport hätte einer CEMT-Genehmigung bedurft. Eine Befreiung von der Transporterlaubnis gemäß Kapitel III Titel 2 der CEMT-Regelung ist nicht vorgesehen.

Es kann dahinstehen, ob ein ungenehmigter Binnentransport schon deswegen vorgelegen hat, weil diese nicht mit einer CEMT-Genehmigung, die den Transport begleitet hätte, durchgeführt worden ist. Es braucht auch nicht der Frage nachgegangen werden, ob die CEMT-Genehmigung LT N° 1048 für den str. Transport verwendet werden kann, weil sie bereits für den Transport eines weiteren Fahrzeugs der Klägerin eingesetzt war. Denn die vorgelegte CEMT-Genehmigung LT N° 1048 schloss Transporte von Deutschland nach Italien aus.

Da die Klägerin eine gültige CEMT-Genehmigung für den str. Transport nach Italien nicht vorlegen kann, liegt ein von der Bewilligung der vorübergehenden Verwendung nicht gedeckter EU-Binnentransport vor und damit zollrechtlich eine zweckwidrige Verwendung mit der Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK. Eine Heilung dieser Verfehlung gemäß Art. 204 Abs. 1 ZK i.V.m. Art. 859 ZK-DVO ist nicht vorgesehen, weil auch die nachträglich vorgelegte CEMT-Genehmigung LT N° 1048 nicht für Österreich und Italien gültig war.

Zollschuldnerin ist die Klägerin, weil sie Inhaberin des ihr bei der Einfuhr des str. Lkw bewilligten vorübergehenden Verwendungsverkehrs gewesen ist (Art. 204 Abs. 3 ZK).

Eine Abgabenbefreiung als Rückware gemäß Art. 185 ZK kommt nicht in Betracht, weil der str. Lkw im Zeitpunkt der Zollschuldentstehung, nämlich am 7. November 2001 zu Beginn der str. Beförderung, in Litauen zugelassen war. Daran ändert auch die Stilllegung des Lkw am 28. Dezember 2001 und die Abfertigung als Rückware am 7. Januar 2002 nichts; denn bis zur Wiedereinfuhr am 7. Januar 2002 war der str. Lkw litauische Ware im Wirtschaftverkehr Litauens, für die - auch nicht nachträglich (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 2005 VII R 17/04) - für den Zeitraum vor ihrer Wiedereinfuhr die Abfertigung als Rückware beantragt werden kann.

Ein Erlöschungsgrund der Zollschuld gemäß Art. 233 ZK ist nicht vorhanden.

2. Dagegen ist der Steuerbescheid hinsichtlich der EUSt aufzuheben.

Auf die EUSt sind zwar die Zollvorschriften über die vorübergehende Verwendung, vorbehaltlich des § 11 EUStBV, sinngemäß anzuwenden (§ 5 Abs. 3 UStG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 EUStBV). Ein unzulässiger (inländischer) Binnentransport liegt jedoch nicht vor, weil die Beförderung grenzüberschreitend war und nicht im Inland endete.

Die Anwendung der Zollvorschriften auf die EUSt erfolgt sinngemäß. Das bedeutet, dass die Zollvorschriften soweit nichts anderes bestimmt ist - nur insoweit Anwendung finden können, als sie mit dem Steuergegenstand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG übereinstimmen.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG in der in 2001 maßgeblichen Fassung ist Steuergegenstand der EUSt die Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg. Danach ist nicht wie im Zollrecht die Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft, sondern die Einfuhr im Inland und in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg dafür maßgebend, welche Gegenstände dem Regime der EUSt unterliegen (vgl. hierzu Gutachten des BFH vom 21. 10. 1954 V z D 2/54 S, Schwarz-Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl. E 3032). Das bedeutet, dass die zollrechtlichen Begriffe Zollgebiet der Gemeinschaft jeweils den einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Begriffen Inland und österreichische Gebiete Jungholz und Mittelberg entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 12.9.1989 VII R 24/87, Schwarz-Wockenfoth, a.a.O., E 4524 zur sinngemäßen Anwendung von Zollvorschriften auf die Mineralölsteuer).

Für die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften der vorübergehenden Verwendung auf die EUSt hat dies zur Folge, dass im einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Sinne eine unzulässige vorübergehende Verwendung von Beförderungsmitteln nur vorliegt, wenn deren vorübergehende Verwendung einen unzulässigen Binnentransport im Inland und in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg darstellt und nicht durch verkehrsrechtliche Vorschriften gestattet ist.

Die Voraussetzungen für die einfuhrumsatzsteuerrechtliche vorübergehende Verwendung der str. Beförderungsmitteln liegen sowohl nach Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b ZK-DVO als auch nach Art. 558 Abs. 1 Buchst. c 1. Halbsatz ZK-DVO wie nach Art. 558 Abs. 1 Buchst. c 2. Halbsatz ZK-DVO vor. Die Beförderung war grenzüberschreitend mit Ende im Ausland (§ 1 Abs. 2 Satz 2 UStG).

An dieser Auslegung des Umsatzsteuergesetzes hat das Inkrafttreten des Europäischen Binnenmarktes und seine Umsetzung im Umsatzsteuergesetz 1993, soweit es den kommerziellen Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten betrifft, nichts geändert. Anstelle von Einfuhr und Ausfuhr (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG) sind im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der innergemeinschaftliche Erwerb und die innergemeinschaftliche Lieferung (§ 1 Abs. 1 Nr. 5, § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) getreten. Die Steuerbefreiungen (§ 4b Nr. 3, § 6a UStG) gelten im gleichen Umfang wie bisher für die Einfuhrumsatzsteuer und die Ausfuhr (§§ 5 und 6 UStG). Eine Sonderregelung hinsichtlich des Geltungsbereichs - und damit eine Ausnahme von der sinngemäßen Anwendung nach § 1 Abs. 2 EUStBV - trifft § 11 Abs. 1 EUStBV nur für die in Art. 572 Abs. 1 ZK-DVO genannten Formen, Matrizen, Klischees, Zeichnungen, Modelle und ähnliche Gegenstände.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 2, 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 und 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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