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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 16.07.2009
Aktenzeichen: 14 K 4020/06
Rechtsgebiete: UStG, UStDV


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 3
UStG § 6 Abs. 1
UStG § 6 Abs. 4
UStDV § 9 Abs. 1
UStDV § 9 Abs. 2
UStDV § 10 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2003 vom 27. September 2004 und der Einspruchsentscheidung vom 15. September 2006 wird die Umsatzsteuer 2003 auf einen Negativbetrag von 28.825,95 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gründe:

I. Streitig ist, ob Lieferungen des Klägers zu Recht vom Finanzamt (FA) als steuerpflichtig behandelt worden sind.

Der Kläger ist im Bereich Altkleidersammlung und Handelsvermittlung von Textilien unternehmerisch tätig.

Im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung gelangte das Finanzamt (FA) unter anderem zu der Erkenntnis, dass bisher als steuerfrei behandelte Ausfuhrlieferungen an die Firma M mit Sitz in Rumänien der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, da die erforderlichen Ausfuhrbelege nicht vorgelegt worden seien (Bericht vom 21. April 2004, Bl. 6 ff Umsatzsteuerakte FA).

Diesen Feststellungen folgend setzte das FA mit Bescheiden vom 27. Mai 2004 und 27. September 2004 die Umsatzsteuer 2001 auf einen Negativbetrag von 7.660,17 EUR, die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 2.438,99 EUR sowie die Umsatzsteuer 2003 auf einen Negativbetrag von 38.181,72 EUR fest.

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren legte der Kläger unter anderem weitere Ausgangsrechnungen an die Firma M sowie Durchschriften von Zoll- bzw. Versandpapieren, die mit rumänischen Stempeln versehen sind, vor. Er führte an, dass er es aus Unwissenheit versäumt habe, das Exemplar Nr. 3 des Einheitspapiers von der Zollstelle an der EU-Außengrenze in Österreich zurückzuverlangen. Der Antrag auf Rückgabe des Exemplars Nr. 3 erfolge regelmäßig dadurch, dass in der Zeile 44 des Formulars "RET EX" vermerkt werde. Nach Rücksprache mit der Ausfuhrzollstelle in Regensburg sei er informiert worden, dass die Zollstelle der Außengrenze das Exemplar Nr. 3 vernichte, wenn es von der ausführenden Person nicht über den Antrag "RET EX" zurückverlangt werde, und somit nicht mehr beschafft werden könne. Im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung seien jedoch alle vorhandenen Ausfuhrnachweise der Abfertigungszollstellen vorgelegt worden. Die nunmehr beigefügten Kopien der Zolldeklarationspapiere des Einfuhrlandes Rumänien könnten den Formularen 722 Einheitspapier-Versendung/Ausfuhr ohne weiteres zugeordnet werden.

Nach Ansicht des FA erfüllten die nachgereichten Bestätigungen nur teilweise die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der geltend gemachten Ausfuhrlieferungen. Mit Einspruchsentscheidung vom 15. September 2006 wurde die Umsatzsteuer 2001 auf einen Negativbetrag von 7.683,18 EUR, die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 2.835,47 EUR sowie die Umsatzsteuer 2003 auf einen Negativbetrag von 27.992,19 EUR festgesetzt und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der hiergegen eingelegten Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, dass die Lieferungen an die Firma M nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die von ihm gelieferten Waren das Gemeinschaftsgebiet verlassen hätten. Zu Unrecht habe das FA auf die Voraussetzungen für so genannte Beförderungsfälle abgestellt, da bei allen streitigen Lieferungen selbständig beauftragte Spediteure oder Frachtführer mit der Beförderung beauftragt waren und es sich daher um Versandfälle handle. Insoweit sehe das Gesetz eine eher schwächere Nachweisführung für die Steuerfreiheit vor. Im Übrigen könne er sich auch im nationalen Besteuerungsverfahren auf die vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes als anerkannte Bestandteile der Gemeinschaftsordnung hinsichtlich der zu erbringenden Nachweise berufen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2002 jeweils vom 27. Mai 2004 sowie des Umsatzsteuerbescheids 2003 vom 27. September 2004 und der Einspruchsentscheidung vom 15. September 2006 die Umsatzsteuer 2001 um 1.757,71 EUR, die Umsatzsteuer 2002 um 11.718,34 EUR und die Umsatzsteuer 2003 um 10.670,90 EUR herabzusetzen,

hilfsweise

regt er an, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, dass das Vorliegen des Ausfuhrnachweises in Form des Exemplars Nr.3 des Einheitspapiers als Vorraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit unverzichtbar sei. Eine nochmalige Überprüfung der im Einspruchsverfahren eingereichten Rechnungen Nr. 5, Nr. 20 und Nr. 12 habe jedoch ergeben, dass die steuerpflichtigen Umsätze im Jahr 2003 von bisher 65.883 EUR um 5.211 EUR auf 60.672 EUR zu mindern sei. Die Umsatzsteuerschuld 2003 reduziere sich daher um 833,76 EUR (16% aus 5.211 EUR).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist zum größten Teil unbegründet. Das FA hat die an die Firma M erfolgten Lieferungen zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen, da der Kläger die Voraussetzungen für steuerpflichtige Ausfuhrlieferungen nicht nachweisen konnte.

1. Eine Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung - UStG -) liegt gemäß § 6 Abs. 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist oder der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete befördert oder versendet hat und der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat, oder ein ausländischer Abnehmer, aber kein Unternehmer, ist und der Gegenstand in das übrige Drittlandsgebiet gelangt.

Diese Regelung setzt Art. 15 Nr. 1 und Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen "... unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden; Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, ...".

In Ausübung dieser Befugnis verlangt § 6 Abs. 4 Satz 1 UStG, dass u.a. die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein müssen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 2008 V R 21/06, DB 2008, 2745). Das BMF kann gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 UStG mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die Nachweise zu führen hat. Von dieser Befugnis hat das BMF in §§ 8 ff der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) Gebrauch gemacht.

Im Streitfall handelt es sich um so genannte Versendungsfälle, da die Waren von rumänischen Spediteuren in das Drittlandsgebiet verbracht worden sind. In Versendungsfällen soll der Unternehmer den Ausfuhrnachweis nach § 10 UStDV durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstück (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) oder einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs oder durch eine Versandbestätigung des Lieferers (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV), aus denen sich die in § 10 Abs. 2 Nr. 2 a) bis g) aufgezählten Angaben ergeben, erbringen.

2. Der Kläger hat einen solchen Nachweis für die Steuerfreiheit jedoch nicht erbracht, da er weder einen Versendungsbeleg noch einen sonstigen handelsüblichen Beleg vorgelegt hat. Insbesondere hat er die Ausfuhr weder durch eine so genannte weiße Speditionsbescheinigung (vgl. Muster der Anlage 1 zum BMF-Schreiben vom 17. Januar 2000, BStBl I 2000, 179) noch durch einen ordnungsgemäß ausgefüllten CMR-Frachtbrief bestätigt. Im Streitfall liegen zwar Durchschriften der so genannten CMR-Frachtbriefe vor, diese sind jedoch nicht ordnungsgemäß ausgefüllt, insbesondere mangelt es an der im Feld 24 vorgesehenen Bestätigung des Warenempfängers.

Grundsätzlich kann als Ersatznachweis regelmäßig auch der CMR-Frachtbrief anerkannt werden, selbst wenn seine Funktion grundsätzlich nur im Nachweis des Beförderungsvertrages und der Übernahme des Gutes durch den Frachtführer besteht (vgl. Beschluss des Finanzgerichts Bremen vom 1. Dezember 2004 2 V 64/05 (5), EFG 2005, 646, Urteil des Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 27. November 2008 6 K 1463/08, recherchiert über www.[...]web.de).

CMR-Frachtbriefe werden nach Maßgabe des Übereinkommens vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr --CMR-- (BGBl. II 1961, 1120) ausgestellt und müssen die in Art. 6 des Übereinkommens genannten Angaben - beispielsweise Stelle und Tag der Übernahme des Gutes sowie die übliche Bezeichnung der Art des Gutes - enthalten. Die im Streitfall vom Kläger vorgelegten CMR-Formulare entsprechen nicht den sich aus Art. 6 des Übereinkommens ergebenden zwingenden Anforderungen an den Inhalt eines Frachtbriefs, da die in Feld 24 des CMR-Formulars vorgesehene Bestätigung des Empfängers, das Gut erhalten zu haben, fehlt. Sie können deshalb die Versendung der Textilien nach Rumänien an den angegebenen Empfänger nicht belegen.

Da es dem Kläger nicht unzumutbar war, den Ausfuhrnachweis durch die weiße Speditionsbescheinigung oder den CMR-Frachtbrief zu führen, kann der Kläger sich auch nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 2 UStDV berufen, der es erlaubt, die Ausfuhr mit einem Alternativnachweis zu bestätigen.

Insoweit kann er die Ausfuhr wie in den Beförderungsfällen nach § 9 UStDV nachweisen. Im Streitfall liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es dem Kläger unmöglich oder unzumutbar war, einen ordnungsgemäß ausgefüllten CMR-Frachtbrief oder eine weiße Speditionsbescheinigung zu erhalten. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass ihm die Nachweisführung nach § 10 Abs. 1 UStDV unmöglich war, scheitert die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung im Streitfall daran, dass er die nach § 9 Abs. 1 bzw. 2 UStDV geforderten Nachweise gleichfalls nicht vorlegen kann. Denn die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 UStDV geforderte Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle liegt ebenso wenig vor wie die nach § 9 Abs. 2 UStDV für eine Ausfuhr im Carnet TIR-Verfahren erforderliche Abfertigungsbestätigung der Abgangsstelle.

Ob auch lediglich ein Einfuhrabgabenbescheid eines Drittlandes (hier Rumänien) als Ausfuhrnachweis im Sinne von § 6 UStG - ungeachtet der vom Verordnungsgeber in den §§ 9 und 10 UStDV angebotenen Nachweismöglichkeiten - dienen kann, brauchte der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden, weil der Kläger hinsichtlich der streitgegenständlichen Ausfuhren keine solchen Bescheide vorlegen konnte.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -EuGH- sowie des BFH und die im Hinblick darauf in der Literatur entwickelten Meinungen berufen (vgl. Urteil vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06, Netto Supermarkt, DStR 2008, 450 und Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-409/04, Teleos, UR 2007, 774, Karl-Hermann Eckert, Nachweispflichten und Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und Ausfuhrlieferungen, BBK Fach 6, 1479, 22/2008). Auch wenn der EuGH mit diesen Entscheidungen den Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen weiter gestärkt hat, ist nur der Lieferant schützenswert, der in eigener Person die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns beachtet hat und nicht erkannt hat, dass - wie im mit Urteil vom 21. Februar 2008 (a.a.O.) entschiedenen Fall - die Voraussetzungen für die Befreiung in Wirklichkeit nicht gegeben waren, weil die vom Abnehmer vorgelegten Ausfuhrnachweise gefälscht waren. Das ist vorliegend gerade nicht der Fall, weil der Kläger seinen Pflichten zur Führung des Buch- und Belegnachweis nicht nachgekommen ist.

3. Aufgrund der nochmaligen Überprüfung der im Einspruchsverfahren vorgelegten Ausgangsrechnungen im Klageverfahren durch das FA ergibt sich eine Minderung der Umsatzsteuerschuld für das Jahr 2003 um 833,76 EUR und damit eine negative Umsatzsteuer von 28.825,95 EUR. Der Umsatzsteuerbescheid 2003 und die Einspruchsentscheidung werden daher insoweit aufgehoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 S. 3 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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