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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 14 K 4316/04
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 91 Abs. 1
AO § 110 Abs. 1 S. 2
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
AO § 355 Abs. 1 S. 1
AO § 365 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 4316/04

Einfuhrumsatzsteuer

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... des Richters am Finanzgericht ... und ... der Richterin am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht auf Zahlung von Einfuhrumsatzsteuer iHv. 11.698,73 EUR in Anspruch genommen wurde.

Nach den Ermittlungen des LKA nahm der Kläger Gemälde, die in den Jahren 1999 und 2000 ohne Gestellung und Anmeldung aus der Tschechischen Republik nach Deutschland eingeführt worden waren, zur weiteren Vermittlung in Empfang.

Mit Steuerbescheid vom 12. November 2003 forderte der Beklagte (Hauptzollamt -HZA -) daher vom Kläger Einfuhrumsatzsteuer iHv. 11.698,73 EUR an. Das HZA schickte den Steuerbescheid am 14. November 2003 mit einfachem Brief an den Kläger persönlich an seine damalige Adresse in Deutschland in der JVA X. Der im entsprechenden Strafverfahren ermittelnde Beamte des BLKA teilte dem zuständigen Sachbearbeiter des Zollfahndungsamtes in einer e-mail vom 26. November 2003 mit, dass ihm der Kläger am Tag zuvor den Steuerbescheid gezeigt habe.

Am 4. Dezember 2003 zeigte Rechtsanwalt B dem HZA unter Vorlage einer Vollmacht eine Vertretung des Klägers im hier streitigen Besteuerungsverfahren an. Dieses Mandat endete nach dem Schreiben des Rechtsanwalts B vom 26. November 2004 an das HZA am 2. August 2004.

Am 14. April 2004 mahnte das HZA die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer iHv. 11.698,73 EUR an und forderte den Kläger zugleich zur Zahlung von Säumniszuschlägen iHv. 582,50 EUR auf. Der zu zahlende Gesamtbetrag belief sich auf 12.281,23 EUR.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26. April 2004 und einem Nachtrag dazu am 27. April 2004, eingegangen beim HZA am 4. Mai 2004, Einspruch ein, den das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 31. August 2004 unter Hinweis auf die abgelaufene Einspruchsfrist als unzulässig verwarf. Hiergegen erhob der Kläger Klage, mit der er im Wesentlichen vorbringt, dass er mit dem Transport der Bilder nach Deutschland nichts zu tun und niemanden dazu beauftragt habe. Eines der Bilder habe er zwar an ein Münchener Auktionshaus weitergegeben, es sei aber in New York verkauft worden, weshalb keine Einfuhrabgaben in Deutschland entstanden seien.

Drei weitere Bilder seien von einer tschechischen an eine deutsche Firma verkauft worden, mit denen er nichts zu tun habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Steuerbescheid vom 12. November 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 31. August 2004 sowie den Änderungsbescheid vom 20. Juli 2006 aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es trägt vor, dass der Einspruch verfristet gewesen sei. Der Steuerbescheid vom 12. November 2003 sei an den Kläger persönlich adressiert worden, weil zu diesem Zeitpunkt für Rechtsanwalt B noch keine Vertretungsmacht im Besteuerungsverfahren bestanden habe. Es weist ferner darauf hin, dass der Kläger keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgetragen habe und auch keine ersichtlich seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Hauptzollamtsakte und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Auf die Nachfrage des Gerichts vom 28. Februar 2005 gab Rechtsanwalt B an, dass ihm der Steuerbescheid vom 12. November 2003 nicht zugestellt worden sei, so dass er auch keinen Einspruch einzulegen hatte.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das HZA hat den Einspruch im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen.

1. Der Kläger hat den Einspruch nicht innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheides i.S.d. § 355 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung 1977 (AO) eingelegt. Der Steuerbescheid vom 12. November 2003 galt gem. § 122 Abs. 2 Nummer 1 AO am 17. November 2003 als bekannt gegeben, da dieser mit einfachem Brief an die damalige inländische Adresse des Klägers geschickt wurde. Er wurde dem Kläger zu Recht persönlich zugesandt. Gem. § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Der Steuerbescheid war für den Kläger bestimmt, da dieser damit als Abgabenschuldner von der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer in Kenntnis gesetzt und zur Zahlung aufgefordert werden sollte. Es besteht auch kein Zweifel, dass der Kläger den Steuerbescheid erhalten hat, da er ihn dem ermittelnden Beamten des LKA am 25. November 2003 gezeigt hat.

Eine eventuell vorrangige Bekanntgabepflicht an einen Bevollmächtigten bestand zu diesem Zeitpunkt nicht, da der Kläger Herrn Rechtsanwalt B erst am 4. Dezember 2003 eine Vollmacht für die Vertretung im vorliegenden Besteuerungsverfahren gegeben hat und dieser das Vertretungsverhältnis am selben Tag gegenüber dem HZA angezeigt hat.

Die Einspruchsfrist begann gem. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am 18. November 2003 und endete gem. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 188 Abs. 2 1. Alt. BGB am 17. Dezember 2003. Der Einspruch des Klägers ging erst am 4. Mai 2004 beim HZA ein. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger den Steuerbescheid erst am 25. November 2003 erhalten hat, war der Einspruch des Klägers am 4. Mai 2004 verfristet. Wiedereinsetzungsgründe hat der Kläger weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

2. Das HZA hat dem Kläger allerdings nicht mitgeteilt, dass sein Einspruch verspätet war und er Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der dafür vorgesehenen Frist vortragen kann. Gem. § 91 Abs. 1 AO soll, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies gilt gem. § 365 Abs. 1 AO im Einspruchsverfahren entsprechend. Unterbleibt eine Anhörung zu möglichen Wiedereinsetzungsgründen, liegt damit ein Verfahrensfehler vor. Denn unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs hätte das HZA den Kläger auf den verspäteten Eingang seines Einspruchsschreibens hinweisen und ihm Gelegenheit geben müssen, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen und die Tatsachen glaubhaft zu machen, die den Antrag begründen sollen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 31. Juli 1962 VII 176/61 U, BStBl III 1962, 405). Dieser Verfahrensmangel war jedoch nicht wesentlich, da das HZA auch nach einer Anhörung des Klägers zu Wiedereinsetzungsgründen die Einspruchsentscheidung in derselben Form hätte erlassen müssen (§ 127 AO), da den Prozessbevollmächtigten ein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur dann gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist zu wahren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO).

Vorliegend ist ein Verschulden des Rechtsanwaltes des Klägers gegeben, das sich der Kläger gem. § 110 Abs. 1 Satz 2 AO zurechnen lassen muss. Der Prozessbevollmächtigte hat nach eigenen Angaben deshalb keinen Einspruch eingelegt, weil der Steuerbescheid vom 12. November 2003 dem Kläger und nicht ihm zugestellt worden ist. Der Senat entnimmt dieser Einlassung, dass der Prozessbevollmächtigte davon ausging, dass der Steuerbescheid nicht ordnungsgemäß, nämlich ihm, bekanntgegeben worden ist und er deshalb keine Fristen in Lauf setzen könne. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass zum Bekanntgabezeitpunkt des Steuerbescheides noch kein nach außen sichtbares Vertretungsverhältnis zum Kläger bestand und daher diesem der Steuerbescheid zu Recht bekannt gegeben worden ist. Eine erneute Bekanntgabe oder Zustellung eines Verwaltungsaktes an einen erst später bestellten Bevollmächtigten sieht die Abgabenordnung jedoch nicht vor. Zudem war Herrn Rechtsanwalt B die Existenz des Steuerbescheides bekannt, da in seinem Schreiben vom 4. Dezember 2003 an das HZA und der damit vorgelegten Vollmacht für das Besteuerungsverfahren das Aktenzeichen des Steuerbescheides genannt und zudem Akteneinsicht beantragt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hätte er für den Kläger noch Einspruch einlegen können, da die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen war. Ferner weist der Kläger in seinem Schreiben vom 21. Februar 2005 an das FG darauf hin, dass er seinen Anwalt damit beauftragt hatte, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Dieser habe ihm später mitgeteilt, die Angelegenheit sei erledigt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).



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