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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 14 K 4588/06
Rechtsgebiete: AO, BrMG


Vorschriften:

AO § 38
AO § 370 Abs. 1
BrMG § 143 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ......,

des Richters am Finanzgericht ...... und

der Richterin am Finanzgericht ...... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...... und ......

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht als Schuldner von Branntweinsteuer in Anspruch genommen wurde.

Die Klägerin versandte am 12. Dezember 1996 mit dem begleitenden Verwaltungsdokument (bVd) Nr. 2050 25.175 Liter 96,4%igen Alkohol zur Ausfuhr unter Steueraussetzung von Italien über Deutschland nach Lettland. Als Bestimmungsstelle war das Zollamt W angegeben. Fahrer des Transports war P.

Nach den Feststellungen des Beklagten (das Hauptzollamt - HZA) und im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 2. September 1999 (Fall Nr. 1), mit dem P wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, wurde der Alkohol unter Vorlage gefälschter Ausfuhrpapiere, die tatsachenwidrig auf nicht hochsteuerbare Waren lauteten, zur Ausfuhr an das Zollamt W verbracht und ausgeführt.

Das HZA setzte deshalb mit Steuerbescheid vom 17. Februar 2006 gegenüber der Klägerin als Versender des Alkohols Branntweinsteuer i.H.v. 316.413,93 EUR fest, da die Sendung in Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden sei. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die deutsche Zollverwaltung nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag der Ausfertigung des bVd die Branntweinsteuer nicht mehr hätte festsetzen dürfen. Deutschland sei nicht innerhalb dieser Dreijahresfrist als der Mitgliedstaat ermittelt worden, in dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist. Die italienische Zollverwaltung habe ihr gegenüber bereits am 14. Mai 1998 einen Steuerbescheid für den streitgegenständlichen Alkoholtransport erlassen.

Die Klägerin beantragt,

den Steuerbescheid vom 17. Februar 2006 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen

und verweist auf den Beschluss des Gerichts vom 22. Mai 2007 - 14 V 4589/06.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist nicht begründet.

Das HZA hat die Klägerin zu Recht als Schuldner der entstandenen Branntweinsteuer in Anspruch genommen.

1. Die Branntweinsteuer für den mit dem streitgegenständlichen Transport aus Italien über Deutschland nach Tschechien verbrachten Alkohol ist gem. § 143 Abs. 1 Satz 1 Branntweinmonopolgesetz - BranntwMonG - entstanden.

Nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entsteht die Steuer, wenn Alkohol während der Beförderung nach den §§ 140 bis 142 BranntwMonG im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren entzogen wird, es sei denn, dass er nachweislich untergegangen oder an Personen im Steuergebiet abgegeben worden ist, die zum Bezug von Erzeugnissen unter Steueraussetzung berechtigt sind.

a) Der beförderte Alkohol befand sich im Steueraussetzungsverfahren.

Er ist unter Steueraussetzung im innergemeinschaftlichen Versandverfahren von Italien durch das deutsche Steuergebiet (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG) befördert worden (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG). Das Steueraussetzungsverfahren ist wirksam eröffnet worden.

Zwar ist dann kein wirksames Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn der Versender im bVd einen nicht bezugsberechtigten oder nicht existierenden Empfänger im Inland angibt und dies auch weiß (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil VII B 39/99 vom 17. März 2000, ZfZ 2000, 312; Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22. Mai 2000 4 K 8348/97, ZfZ 2000, 385). Diese Fälle liegen hier aber nicht vor, da ein Empfänger in Litauen angegeben war. Bei der Ausfuhr von Branntweinerzeugnissen aus dem EG-Verbrauchsteuergebiet unter Steueraussetzung tritt an die Stelle des Empfängers die Zollstelle, an der die Erzeugnisse das EG-Verbrauchsteuergebiet verlassen. In diesem Fall hat die Ausgangszollstelle als Empfänger den bestätigten Rückschein an den Versender zurückzusenden (vgl. § 43 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 3 Branntweinsteuerverordnung; Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren - RL Nr. 92/12; BFH-Urteil vom 30. November 2004 VII R 25/01, ZfZ 05, 163).

Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Alkohol nicht unter Beachtung der Förmlichkeiten des Steueraussetzungsverfahrens von Italien nach Deutschland transportiert worden ist.

b) Der streitgegenständliche Alkohol ist dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden.

Ein Erzeugnis wird, so der BFH (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2002 VII R 48/01, BFH/NV 2003, 279), dem Steueraussetzungsverfahren i.S. von § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG durch jede Unregelmäßigkeit entzogen, die der steuerlichen Regelung der Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung zuwiderläuft und zur Folge hat, dass die Ware als in den steuerrechtlich freien Verkehr entnommen anzusehen ist. Jedenfalls sei von einer Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren im Sinne von § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG auszugehen, wenn die Ware durch die Unregelmäßigkeit der Steueraufsicht (§ 209 Abs. 1 Abgabenordnung - AO) vorenthalten werde.

Der Bundesgerichtshof -BGH- hat mit Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01 (HFR 2003, 609) entschieden, dass bereits im Entfernen der begleitenden Verwaltungsdokumente von der im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren beförderten Alkohollieferung und der Ersetzung durch auf nicht verbrauchsteuerpflichtige Waren lautende Frachtbriefe eine Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren i.S.d. § 143 BranntwMonG liege. Der BFH hat diese Frage im o.g. Urteil vom 29. Oktober 2002 VII R 48/01 zwar offengelassen. Es kommt aber auch nicht darauf an, denn vorliegend ist jede dieser Entziehungshandlungen begangen worden.

Der im Steueraussetzungsverfahren durch das Steuergebiet beförderte Alkohol (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG) ist diesem Verfahren i.S. von § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entzogen worden, indem das bVd gegen gefälschte Ausfuhrpapiere ausgetauscht und bei der Ausgangszollstelle eine andere als die in das Verfahren der Steueraussetzung übergeführte Ware angemeldet und hierbei die gefälschten Versandpapiere vorgelegt worden sind. Hierdurch ist der verbrauchsteuerpflichtige Alkohol verheimlicht und damit der Steueraufsicht vorenthalten worden. Die Ware ist noch während der Beförderung im Steuergebiet (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG) als solche des steuerrechtlich freien Verkehrs behandelt und damit aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a RL Nr. 92/12). Es hat sich mithin um eine Beförderung außerhalb des Verfahrens der Steueraussetzung gehandelt, die zur Entstehung der Verbrauchsteuer geführt hat. Die tatsächliche Ausfuhr des Alkohols in die Tschechische Republik steht der Annahme, dass die Steuer nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entstanden ist, nicht entgegen (vgl. BFH in BFH/NV 2003, 279).

c) Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 2. September 1999, mit dem P wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist. Da die Klägerin gegen die Feststellungen in dem Urteil keine substantiierten Einwendungen erhoben hat und diese nach Auffassung des erkennenden Senats aufgrund der Feststellungen des HZA (vgl. Niederschrift über die Vernehmung des P vom 22. Juni 1998) auch zutreffend sind, kann sich das Gericht diese zu eigen machen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, ZfZ 2004, 162 sowie BFH-Beschlüsse vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513 und vom 2. Juli 2008 VII B 242/07, n.v.). Zur Übernahme der Feststellungen des Strafgerichts besteht insbesondere auch deswegen Anlass, weil die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig geworden ist (BFH-Urteil vom 13. Juni 1973 VII R 58/71, BStBl. II 1973, 666). Das Gericht ist an der Berücksichtigung der Feststellungen in diesem Strafurteil nicht deswegen gehindert, weil die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren am Strafverfahren nicht beteiligt gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1988 VII R 124/85, ZfZ 1988, 297; Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2007 - 4 V 54/07 A, EFG 07, 701).

Das Gericht brauchte deshalb dem Beweisantrag des Klägervertreters auf Vernehmung des P zur Ausfuhr der streitgegenständlichen Alkoholsendung mit den Originaldokumenten nicht nachzukommen. Hierin liegt nämlich nur ein unsubstantiiertes Bestreiten der Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 2. September 1999. Mit diesem Beweisantrag soll nur die Behauptung gestützt werden, dass die streitgegenständliche Lieferung entgegen den Feststellungen des HZA und im Strafurteil doch mit den Originaldokumenten ausgeführt worden ist, ohne dass es hierfür irgendwelche Anhaltspunkte gibt. Es handelt sich somit um einen sog. Ausforschungsbeweisantrag, bei dem unter lediglich formalem Beweisantritt Behauptungen aufgestellt werden, für deren Wahrheitsgehalt nicht einmal eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.

Dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass das bVd mit ordnungsgemäßen Stempeln abgefertigt worden ist, brauchte mangels Entscheidungserheblichkeit ebenfalls nicht stattgegeben zu werden. Denn selbst wenn die auf dem bVd angebrachten Stempel echt gewesen wären, ändert dies nichts an dem Umstand, dass der Alkohol unter Vorlage gefälschter Ausfuhrpapiere, die tatsachenwidrig auf nicht hochsteuerbare Waren lauteten, beim Zollamt Waidhaus zur Ausfuhr angemeldet und dadurch dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden ist.

2. Die Klägerin ist als Versender Steuerschuldner nach § 143 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BranntwMonG.

Als Versender wurde sie Abgabenschuldner, ohne dass es darauf ankommt, ob sie die Waren selbst dem Steueraussetzungsverfahren entzogen oder eine Zuwiderhandlung begangen hat oder ob ihr ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist. Nach § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin gutgläubig gewesen ist und die Zuwiderhandlung auf einen Betrug zurückgeht, mit dem sie nichts zu tun hat, ist deren Inanspruchnahme nicht unverhältnismäßig. Denn anderenfalls wäre für den Versender von steuerpflichtigem Alkohol der Anreiz nicht mehr so stark, für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Steueraussetzungsverfahrens zu sorgen (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs -EuGH- vom 3. April 2008 Rs. C- 230/06, ZfZ 2008, 136 zur Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten bei Zuwiderhandlungen im gemeinschaftlichen Versandverfahren).

3. Die Branntweinsteuer konnte noch festgesetzt werden, da die Festsetzungsfrist vorliegend gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre beträgt, weil die streitgegenständliche Branntweinsteuer hinterzogen worden ist.

a) Indem das bVd gegen gefälschte Ausfuhrpapiere ausgetauscht und bei der Ausgangszollstelle eine andere als die in das Verfahren der Steueraussetzung übergeführte Ware angemeldet und hierbei entsprechend gefälschte Versandpapiere vorgelegt worden sind, ist der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht worden. Da hierdurch die Steuer nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entstanden ist (s.o.), hätte der Steuerschuldner gem. § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG für den streitgegenständlichen Branntwein unverzüglich eine Steueranmeldung abgeben müssen. Da dies unterlassen worden ist, sind die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen worden.

Hinsichtlich des Vorliegens einer Steuerhinterziehung wird auf das Urteil des Landgerichts vom 2. September 1999 verwiesen, mit dem P wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 28. Oktober 2004 VII B 298/03, BFH/NV 05, 1021 m.w.N.) kommt es für die Anwendung der zehnjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO allein darauf an, ob es sich objektiv um eine hinterzogene Steuer handelt; die Vorschrift setzt dagegen nicht voraus, dass der Steuerschuldner selbst oder die Person, derer er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, die Steuerhinterziehung begangen hat. Die Verlängerung der Verjährungsfrist trifft nicht nur den Steuerhinterzieher als Abgabenschuldner, sondern auch den weiteren Abgabenschuldner, der - wie im Streitfall die Klägerin - die Steuerhinterziehung nicht selbst begangen hat (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1999 VII R 85/98, ZfZ 1999, 381 zur Fristverlängerung gegenüber dem Hauptverpflichteten im gemeinschaftlichen Versandverfahren, der eine Spedition beauftragt hat).

b) Die Klägerin hat keine Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO, weil an der Steuerhinterziehung eine Person beteiligt gewesen ist, deren sie sich zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten bedient hat.

Sie war als Versender und Aussteller des streitgegenständlichen bVd verpflichtet, den Alkohol im Verfahren der Steueraussetzung zu befördern und auszuführen (§ 141 Abs. 1 Nr. 3, § 142 BranntwMonG; entspricht Art. 15 Abs. 1 der RL Nr. 92/12). Sie konnte aus ihrer Verantwortung für den Alkoholtransport erst dann entlassen werden, wenn Nachweise über die bestimmungsgemäße Ankunft der Ware vorlagen (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 der RL Nr. 92/12).

Dieser Pflicht brauchte die Klägerin nicht selbst nachzukommen. Sie konnte sich vielmehr zu ihrer Erfüllung auch anderer Personen bedienen, wie sie das, ausweislich des in ihrem Namen unterzeichneten bVd, durch die Einschaltung einer Spedition getan hat. Sie bediente sich also grundsätzlich der Spedition zur Erfüllung ihrer eigenen steuerlichen Pflichten. Diese war damit ihr Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO. War damit die Spedition Erfüllungsgehilfe der Klägerin im genannten Sinn, so waren es auch deren Hilfspersonen wie vorliegend der Fahrer P. Denn auch dessen bediente sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten.

Dabei ist unbeachtlich, ob die Klägerin eine Möglichkeit gehabt hat, auf die Auswahl und Einteilung der Fahrer einzuwirken, denn eine Person, derer sich ein Steuerschuldner i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, kann jede Person sein, die mit Wissen und Wollen des Steuerschuldners in dessen steuerlichem Pflichtenkreis tätig wird. Auf eine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Steuerschuldner (Klägerin) kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 VII R 64/03, ZfZ 05, 18). Die Klägerin, die als Versender des Alkohols gegenüber den Zollbehörden die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Steueraussetzungsverfahrens übernommen hat, muss auch für ein etwaiges Verschulden derjenigen eintreten, welcher sie sich zur Durchführung dieses Verfahrens bedient hat. Dies gilt unabhängig davon, welche Sorgfalt sie bei der Auswahl ihrer Erfüllungsgehilfen hat walten lassen (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 2000 VII R 108/95, ZfZ 01, 55 zum Hauptverpflichteten im Versandverfahren) und ob sie Einfluss auf den von ihr eingesetzten Erfüllungsgehilfen gehabt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juni 2007 VII B 184/06, BFH/NV 2007, 2053).

Der Exkulpationsnachweis ist somit auf den Fall beschränkt, dass der Täter der Steuerhinterziehung eine andere Person ist als der Steuerpflichtige oder sein Erfüllungsgehilfe. Nur bei der Begehung der Steuerhinterziehung durch eine sonstige Person kann der Steuerpflichtige die Verlängerung der Festsetzungsfrist durch einen bestimmten Exkulpationsbeweis abwenden (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1990 VII R 18/88, BFH/NV 1991, 721).

Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass Spedition und Fahrer keine Erfüllungsgehilfen der Klägerin im o.g. Sinn gewesen sind, muss sie die zehnjährige Festsetzungsfrist gegen sich gelten lassen. Denn sie hat nicht nachgewiesen, dass sie durch die Steuerhinterziehung keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass diese auch nicht darauf beruht, dass sie die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

c) Die danach auch gegenüber der Klägerin geltende zehnjährige Festsetzungsfrist war im Streitfall noch nicht abgelaufen. Sie hat gem. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1996 zu laufen begonnen und demzufolge am 31. Dezember 2006, also erst nach Versendung des Steuerbescheids vom 17. Februar 2006 geendet (vgl. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO).

4. Die deutsche Zollverwaltung ist für die Erhebung der entstandenen Branntweinsteuer zuständig (§ 143 Abs. 1 BranntwMonG, Art. 20 Abs. 1 der RL Nr. 92/12).

a) Deutschland konnte gem. Art. 20 Abs. 1 Satz 1 der RL Nr. 92/12 die Branntweinsteuer zu dem Steuersatz erheben, der zum Zeitpunkt des Versands der Waren galt. Art. 20 Abs. 1 der RL Nr. 92/12 weist die Erhebungskompetenz dem Mitgliedstaat zu, in dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2004 VII R 25/01, ZfZ 05, 136).

Ein Fall des Art. 20 Abs. 2 oder 3 der RL Nr. 92/12 liegt nicht vor, weil der Ort der Zuwiderhandlung bestimmt werden konnte. Der Ort der Zuwiderhandlung lag im Bezirk des HZA, da dort die Papiere ausgetauscht und bei der deutschen Ausgangszollstelle eine andere als die in das Verfahren der Steueraussetzung übergeführte Ware angemeldet und hierbei entsprechend gefälschte Versandpapiere vorgelegt worden sind.

Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte für eine frühere Entziehungshandlung in Italien vor. Das Steueraussetzungsverfahren ist in Italien wirksam eröffnet worden. Der Alkohol ist nach der Abfertigung und Entfernung aus dem Steuerlager unter Beachtung der Förmlichkeiten des Steueraussetzungsverfahrens mit dem entsprechenden italienischen bVd bzw. Versandschein von Italien nach Deutschland transportiert worden. Die bloße Absicht, eine im Verfahren der Steueraussetzung befindliche Ware zu einem späteren Zeitpunkt nach einem anderen Ort als dem im bVd angegebenen Bestimmungsort zu verbringen, führt noch nicht zur Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der RL 92/12 (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2004 VII B 293/03, BFH/NV 05, 1018).

b) Die Klägerin kann sich gegenüber dem HZA nicht auf Art. 20 Abs. 4 der RL Nr. 92/12 berufen.

Danach wechselt für den Fall, dass vor Ablauf einer Frist von drei Jahren ab dem Tag der Ausfertigung des bVd der Mitgliedstaat ermittelt wird, in dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist, die Erhebungskompetenz an diesen Mitgliedstaat, wenn die Verbrauchsteuer bereits von einem anderen Mitgliedstaat erhoben worden ist. Diese Vorschrift greift also nur, wenn die Verbrauchsteuer zu einem Zeitpunkt von einem Mitgliedstaat festgesetzt worden ist, zu dem der Ort der Zuwiderhandlung noch nicht festgestanden und die Verbrauchsteuer in diesem Mitgliedstaat entrichtet worden ist. Sie enthält nur eine Regelung für den Ausgleichsmechanismus, der eingreift, wenn die Verbrauchsteuern von verschiedenen Mitgliedstaaten erhoben werden.

Wenn man davon ausgeht, dass der Ort der Zuwiderhandlung im Streitfall noch nicht feststand, als die italienischen Zollbehörden am 14. Mai 1998 den Steuerbescheid erlassen haben, der auch den hier streitgegenständlichen Transport umfasst, ist jedenfalls innerhalb von drei Jahren ab dem Tag der Ausfertigung des bVd der Mitgliedstaat (hier Deutschland) ermittelt worden, in dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist.

Hinsichtlich Ort und Zeitpunkt der Feststellung der Zuwiderhandlung konnte sich das HZA die Erkenntnisse der Zollfahndung (vgl. Aussage des Fahrers vom 22. Juni 1998, Abschlussvermerk des Zollfahndungsamtes vom 19. April 1999) und die Feststellungen im Strafurteil vom 2. September 1999 zu Eigen machen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Januar 2007 VII B 4/06, BFH/NV 07, 1374). Danach ist spätestens im September 1999, also innerhalb von drei Jahren ab Ausstellung des streitgegenständlichen bVd, der Ort der Zuwiderhandlung festgestanden und nicht nur die Zuwiderhandlung als solche festgestellt worden.

Eine ursprünglich nach Art. 20 Abs. 2 oder 3 der RL Nr. 92/12 bestehende Zuständigkeit der italienischen Zollbehörden ist dann zu diesem Zeitpunkt gem. Art. 20 Abs. 4 Satz 1 der RL Nr. 92/12 auf die deutschen Zollbehörden übergegangen. Diese Regelung schreibt aber nicht vor, dass die dann zuständigen deutschen Behörden die Verbrauchsteuer innerhalb der Dreijahresfrist festsetzen müssen.

Die Klägerin kann sich deshalb nur gegenüber den italienischen Zollbehörden auf Art. 20 Abs. 4 Satz 2 der RL Nr. 92/12 berufen und ggf. bei diesen die Erstattung der von diesen erhobenen Verbrauchsteuer beantragen, wenn sie den Nachweis erbringt, dass sie die deutsche Verbrauchsteuer entrichtet hat.

5. Da der Senat keine Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung von Gemeinschaftsrecht hat, bedarf es keiner Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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