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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.03.2009
Aktenzeichen: 14 K 4678/06
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 227 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung [...]

ohne mündliche Verhandlung am 19. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) zu Recht den Antrag des Klägers auf Erlass von Haftungsschulden abgelehnt hat.

Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung für ein von R bei der Stadt B angemeldetes Unternehmern einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung stellte das FA fest, dass das Unternehmen tatsächlich von der C GmbH in I geführt worden war und rechnete Umsätze aus Arbeitnehmerüberlassung der C GmbH zu (vgl. Umsatzsteuerbescheid für 1987 vom 25. April 1990).

Nachdem die C GmbH die Umsatzsteuerrückstände wegen der Eröffnung des Konkursverfahrens nicht bezahlen konnte, nahm das FA den Kläger als Geschäftsführer der GmbH mit Haftungsbescheid vom 20. Dezember 1993 für Umsatzsteuer 1987 der C GmbH mit 18.682,83 DM in Haftung (vgl. Bl. 59 Rechtsbehelfsakte).

Einen mit Schreiben vom 15. März 2000 erstmals beantragten Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen lehnte das FA am 17. März 2000 ab, ebenso einen weiteren Antrag vom 26. Januar 2001 mit Bescheid vom 2. Juli 2001.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 9. November 2006 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die im Jahr 1987 getätigten Umsätze von R erklärt und die Umsatzsteuer tatsächlich bezahlt worden sei. Er habe für die strittigen Umsätze keine Rechnungen erstellt, ein doppelter Abzug von Vorsteuer sei daher nicht möglich gewesen. Es sei unbillig, wenn durch seine Haftung Umsatzsteuer für Umsätze bezahlt werden müsse, für die trotz Leistung an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer kein Vorsteuerabzug möglich ist. Die Umsatzsteuer sei daher aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 2. Juli 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2006 die Haftungsschuld für Umsatzsteuer 1987 von 9.552,38 EUR (=18.682,83 DM) zu erlassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

II. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat den Erlass der Umsatzsteuer zu Recht abgelehnt.

Nach § 227 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch die Ansprüche aus einer Haftungsschuld gehören ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme - wie diese - ist eine Ermessensentscheidung, die durch das Gericht nur nach Maßgabe des § 102 FGO auf Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens oder Ermessensfehlgebrauch geprüft werden kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juni 2004 IV R 9/02 BFH/NV 2004, 505). Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einer Erlassentscheidung nach § 227 AO die Billigkeit sowohl tatbestandsmäßige Voraussetzung des Erlasses als auch Ermessensschranke ist. Ist im Einzelfall festgestellt, dass die Einziehung der Forderung unbillig wäre, so verbleibt kein Ermessensspielraum. Für die Ermessensprüfung kommt es dabei auf die tatsächlichen Verhältnisse an, die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) gegeben bzw. erkennbar waren.

Im Streitfall hat das FA den Billigkeitserlass der mit Haftungsbescheid vom 20. Dezember 1993 bestandskräftig festgesetzten Haftungsschuld aus sachlichen Gründen - denn nur solche wurden vorgetragen - zu Recht abgelehnt.

Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit kommt bei Unanfechtbarkeit des den Steuerpflichtigen belastenden Verwaltungsaktes nur dann in Betracht, wenn der unanfechtbare Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig fehlerhaft ist. Hinzu kommt, dass der in Anspruch Genommene das seinerseits Erforderliche getan haben muss, um die richtige Festsetzung zu erreichen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 2002 VII B 312/00, BFH/NV 2002, 889 und vom 14. Juli 1987 VII B 45/87, BFH/NV 1988, 212, m.w.N.). Danach können im Erlassverfahren Erwägungen, die die Richtigkeit einer bestandskräftig durchgeführten Festsetzung der Haftungsschuld betreffen, nur ausnahmsweise beachtet werden, wenn es dem in Anspruch Genommenen nicht möglich oder nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit der Festsetzung mit dem hierfür vorgesehenen Rechtsbehelf zu wehren (BFH-Urteil vom 11. August 1987 VII R 121/84, BStBl II 1988, 512, m.w.N.). Solche Gründe sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, insbesondere ist nicht erkennbar, dass es dem Kläger unzumutbar gewesen wäre, sich im Einspruchsverfahren gegen die Haftungsinanspruchnahme zu wenden.

Darüber hinaus kann der Kläger auch nicht geltend machen, dass die Einziehung der Haftungsschuld sachlich unbillig wäre, weil durch seine Haftung Umsatzsteuer für Umsätze bezahlt werden müsse, für die trotz Leistung an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer kein Vorsteuerabzug möglich sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt ein Erlass aus Gründen der Unbilligkeit der Einziehung einer Steuer nur in Betracht, wenn die Besteuerung im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist. Das ist der Fall, soweit nach dem erklärten oder mutmaßlichen --objektivierten-- Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, der Gesetzgeber würde die Frage --hätte er sie geregelt-- im Sinne der beantragten Billigkeitsentscheidung beantwortet haben. Erfüllt ein Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand, läuft aber die Besteuerung den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, kann ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein. Umstände, die dem Besteuerungszweck entsprechen oder die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch einem Erlass entgegen (vgl. BFH-Urteile vom 6. Oktober 2005 V R 15/04, BFH/NV 2006, 836 und vom 21. Oktober 1999 V R 94/98, BFH/NV 2000, 610).

Da das Gesetz (§§ 1, 2, 13, 16 ff. UStG) die Umsatzsteuerpflicht des leistenden Unternehmers nicht vom Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers abhängig macht, entspricht es den Wertungen des Gesetzes, dass der leistende Unternehmer unabhängig vom Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zur Umsatzsteuer veranlagt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 4. April 2003 V B 212/02, BFH/NV 2003, 1098). Die Inanspruchnahme des leistenden Unternehmers ist daher nicht sachlich unbillig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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