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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 14 K 934/06
Rechtsgebiete: AO 1977
Vorschriften:
AO 1977 § 34 | |
AO 1977 § 37 | |
AO 1977 § 69 |
Finanzgericht München
Haftung i.S. M-GmbH
In der Streitsache
...
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
...
ohne mündliche Verhandlung
am 28. Juni 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Steuerschulden einer GmbH in Haftung genommen worden ist. Gegenstand des Unternehmens war der Vertrieb von Grundstücken sowie die Veranstaltung so genannter Kaffeefahrten.
Der Kläger war im Zeitraum vom 21. Juni 1991 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3. März 2003 Geschäftsführer der Gesellschaft.
Aufgrund einer Betriebsprüfung (vgl. Prüfungsbericht vom 21. September 2001, Bl. 5 der Heftung 1996-1998 Betriebsprüfungsakten) erließ das Finanzamt (FA) am 8. November 2001 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 und 1997, die zu einer Nachzahlung in Höhe von 18.506,12 EUR und 44.327,59 EUR jeweils zuzüglich Zinsen führten. Die Nachzahlungsbeträge resultierten überwiegend aus der Margenbesteuerung von Reiseleistungen, die von der GmbH bisher als steuerfrei behandelt wurden, nach Ansicht des FA jedoch als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen waren, der umsatzsteuerpflichtigen Kfz-Gestellung an den Kläger sowie zu Unrecht geltend gemachter Vorsteuerbeträge.
Die aufgrund der abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen Januar, Mai und August 2002 zu entrichtende Umsatzsteuer wurde von der GmbH teilweise bezahlt, die aufgrund der abgegebenen Lohnsteueranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr 2002 zu entrichtende Lohnsteuer einschließlich Zuschlagsteuern blieb die Gesellschaft vollständig schuldig.
Mit Bußgeldbescheid vom 21. März 2002 wurde gegen den Kläger wegen leichtfertiger Verkürzung von Umsatzsteuern für die Jahre 1996 und 1997 ein Bußgeld in Höhe von 10.000 EUR verhängt (vgl. Bl. 72 Haftungsakte).
Nachdem die Bemühungen zur Beitreibung der Steuerrückstande bei der GmbH erfolglos geblieben waren, nahm das FA den Kläger mit Bescheid vom 9. Oktober 2003 nach vorheriger Ankündigung und Anhörung in Höhe von insgesamt 107.263,15 EUR für rückständige Lohn- und Umsatzsteuer, Zinsen sowie Säumniszuschläge in Haftung.
Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte überwiegend keinen Erfolg. Unter teilweiser Zurücknahme des Haftungsbescheids setzte das FA mit Entscheidung vom 3. Februar 2006 die Haftungsschuld auf 83.793,40 EUR fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass das FA ihm zu Unrecht die Verletzung seiner steuerlichen Pflichten vorwerfe. Aufgrund des schwierigen materiellen Umsatzsteuerrechts sei der Kläger fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die von ihm getätigten Auslandsumsätze im Inland nicht steuerbar seien. In der Annahme, dass er seine steuerlichen Angelegenheiten zutreffend erledigen würde, habe er es unterlassen, steuerlichen Rat bezüglich der Reiseleistungen einzuholen. Als "einfacher Handelsvertreter" hätte er die Schwierigkeiten der Rechts- und Sachlage schlicht verkannt. Grobe Fahrlässigkeit und damit ein ungewöhnlich hohes Maß an Pflichtwidrigkeit könne ihm nicht vorgeworfen werden.
Eine Haftung für Umsatzsteuer 1996 und 1997 zuzüglich Zinsen und Säumniszuschläge komme daher nicht in Betracht.
Hinsichtlich der Haftung für die Umsatzsteuern der Monate Januar, Mai und August 2002 zuzüglich Säumniszuschläge sei zu berücksichtigen, dass er nur in dem Umfang hafte, in dem das FA bei der Tilgung gegenüber der Gesamtheit aller Gläubiger benachteiligt worden sei. Seiner Berechnung nach reduziere sich die Haftung der Höhe nach auf eine Quote von 26,6%.
Mit der Heranziehung zur Haftung für Lohnsteuer des vierten Kalendervierteljahres 2002 zuzüglich Säumniszuschläge erkläre er sich dagegen einverstanden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Haftungsbescheids vom 9. Oktober 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2006 die Haftungssumme in Höhe von 2.335,04 EUR festzusetzen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2007 wurde der Haftungsbescheid in Höhe von 1.135 EUR entfallend auf Umsatzsteuer Januar, Mai und August 2002 zurückgenommen, die Haftungssumme beträgt nunmehr 82.658,40 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Klage ist unbegründet, das FA hat den Kläger zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.
1. Gemäß § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung 1977 (AO) haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Zu diesen Pflichten gehören die rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen und die Entrichtung der geschuldeten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen aus den Mitteln der Gesellschaft (§§ 34 Abs. 1, 149 AO i.V.m. § 41 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG-für die Lohnsteuer und § 18 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung -UStG-). Die Haftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO nicht nur auf Steuerschulden, sondern auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301, m.w.N.).
a) Als Geschäftsführer war der Kläger in der Zeit vom 21. Juni 1991 bis zum 3. März 2003 der gesetzliche Vertreter der GmbH und hatte als solcher ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen.
Der ihm obliegenden Pflicht, die einbehaltene Lohnsteuer für das vierte Kalendervierteljahr 2002 einschließlich Nebensteuern und Säumniszuschlägen an das FA abzuführen, ist er nicht nachgekommen, da er nicht dafür gesorgt hat, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, darf ein Geschäftsführer, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Gesellschaft infolge eines Liquiditätsengpasses zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen und muss aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das FA abführen (vgl. BFH-Urteil vom 4. September 1990 VII B 40/90, BFH/NV 1990, 412). Dies hat der Kläger jedoch unterlassen.
Zu den steuerlichen Pflichten gehört gemäß § 150 AO i.V.m. § 18 Abs. 3 UStG auch die rechtzeitige Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen. Dieser Pflicht ist der Kläger ebenfalls nicht nachgekommen, da er in den Jahreserklärungen 1996 und 1997 steuerpflichtige Umsätze in erheblichem Umfang nicht angegeben hat.
b) Diese Pflichten hat der Kläger auch grob fahrlässig verletzt.
Grob fahrlässig i.S. des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer acht lässt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 VII R 52/91, BFH/NV 1992, 785 m.w.N.).
Der Kläger kann sich nicht auf seine mangelnden Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen berufen. Falls er diese --wie er behauptet--nicht gehabt hat, hätte er die Geschäftsführertätigkeit bei einer GmbH nicht übernehmen dürfen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 4. März 1986 VII S 33/85, BStBl II 1986, 384). Von einem Geschäftsführer ist zu verlangen, dass er die steuerlichen Pflichten kennt, die er mit seinem Amtsantritt übernommen hat (BFH-Beschluss vom 20.10.2005 VII B 17/05, BFH/NV 2006).
Da der Kläger neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer verschiedene weitere Einzelunternehmen betrieben hatte, hätte er die steuerrechtliche Relevanz der im Ausland getätigten Umsätze erkennen müssen. Bei Unkenntnis der steuerlichen Behandlung von Reiseleistungen hätte er fachkundigen Rat bei seinem Steuerberater einholen müssen. Dabei trifft einen Geschäftsführer die Pflicht, den Steuerberater von sich aus über bestimmte Sachverhalte zu informieren, statt abzuwarten, bis dieser seine steuerliche Behandlung korrigiert (BFH-Beschluss vom 7. Januar 2003 VII B 196/01, BFH/NV 2003, 445).
c) Die durch das FA ermittelte Haftungsquote und daraus folgend die Summe, für die der Antragsteller als Haftungsschuldner einzustehen hat, begegnet keinen Bedenken.
Zur Feststellung der Haftungssumme kann das FA vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum gemäß § 90 Abs. 1 AO verlangen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 1999 VII S 1/99 BFH/NV 2000, 1). Verfügt eine GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit von Abgabenverbindlichkeiten nicht über ausreichende Mittel, um sowohl diesen als auch den sonstigen Verbindlichkeiten nachzukommen, so haftet der Geschäftsführer in dem Umfang für die nicht entrichteten Abgaben, in dem er das FA zu einer geringeren Quote als die Gesamtheit aller Gläubiger befriedigt hat. Hierfür ist anhand einer so genannten Mittelverwendungsquote die durchschnittliche Tilgungsquote zu ermitteln, d.h. die Quote, zu welcher die Gesamtverbindlichkeiten während des Haftungszeitraums getilgt worden sind.
Das FA ist davon ausgegangen, dass die GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer 1996 und 1997 am 11. Dezember 2001 nicht mehr über ausreichende Mittel zur Zahlung der Verbindlichkeiten verfügt hat. Gleichwohl durfte das FA den Kläger für die Umsatzsteuer 1996 und 1997 in vollem Umfang in Haftung nehmen. Denn hätte der Kläger die Umsätze und Vorsteuern in 1997 und 1998 abgegebenen Erklärungen ordnungsgemäß erfasst, wären diese Ansprüche bereits in diesem Zeitraum in zutreffender Höhe festgesetzt und erfüllt worden, da die GmbH zum damaligen Zeitraum noch über ausreichende Mittel zur Entrichtung der Steuern verfügt hatte.
Im Übrigem hat das Fa seiner Berechnung der Haftungssumme die im Einspruchsverfahren vom Kläger berechnete durchschnittliche Quote von 63,16% zugrunde gelegt, mit der die übrigen Verbindlichkeiten der GmbH getilgt worden sind.
Gemäß § 69 S. 2 AO umfasst der Haftungstatbestand auch die rückständigen Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung angefallen sind. Das FA durfte daher auch Säumniszuschläge in die Haftungssumme aufnehmen. Zutreffend hat es insoweit nur die Hälfte der nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH geltend gemacht, da die andere Hälfte auch der GmbH ab diesem Zeitpunkt gemäß § 227 AO zu erlassen gewesen wäre.
Dem Vorbringen des Klägers bezüglich der Umsatzsteuer für die Monate Januar, Mai und August 2002 hat das FA durch die teilweise Rücknahme des Haftungsbescheids am 14. Mai 2007 Rechnung getragen.
d) Ein Ermessensfehlgebrauch (§ 191 AO) bei Erlass des Haftungsbescheides liegt nicht vor. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt. Infolge ihrer Zahlungsunfähigkeit war eine Realisierung der Steuerrückstände bei der GmbH nicht mehr möglich, eine Inanspruchnahme des Klägers war daher gerechtfertigt.
2. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung).
3. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 S. 3 Finanzgerichtsordnung.
Ende der Entscheidung
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