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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.09.2008
Aktenzeichen: 14 K 999/05
Rechtsgebiete: MinöStG, BGB


Vorschriften:

MinöStG § 4 Abs. 1 Nr. 3
MinöStG § 12 S. 1 Nr. 1
MinöStG § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
MinöStG § 13 Abs. 2 S. 4
BGB § 868
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,

der Richterin am Finanzgericht ... und

des Richters am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung am 18. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob von der Klägerin zu Recht Mineralölsteuer für das Jahr 1999 nacherhoben wurde.

Die Klägerin betreibt ein Luftfahrtunternehmen mit Hubschraubern. Sie ist berechtigt, Fluggäste, Post und Fracht im gewerblichen Luftverkehr zu befördern sowie Hubschrauber gewerbsmäßig für sonstige Zwecke (z.B. Fotoflüge) zu verwenden. U.a. setzte die Klägerin im Jahr 1999 auch den Hubschrauber mit dem amtlichen Kennzeichen XY als Luftfahrzeug (Lfz) ein.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2000 erteilte das Hauptzollamt, dessen Rechtsnachfolger das Hauptzollamt (HZA) geworden ist, der Klägerin rückwirkend ab 1. Januar 1999 widerruflich die Erlaubnis zum Bezug und zur Verwendung von gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Mineralölsteuergesetzes steuerfreiem Flugturbinenkraftstoff zum Betrieb des Lfz und stellte einen entsprechenden Erlaubnisschein aus.

Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 schlossen die Firma B in H und die Klägerin für das Lfz einen Halterschaftsvertrag ab, wonach die Klägerin die uneingeschränkte Verantwortung und Haftung und die gesamten mit dem Betrieb eines Luftfahrtunternehmens anfallenden Nutzen und Lasten (ausgenommen der Versicherung) für das Lfz zu tragen hat.

Im Rahmen einer bei der Klägerin für das Jahr 1999 durchgeführten Außenprüfung stellte das HZA fest, dass gleichzeitig auch eine "Kooperationsvereinbarung" zwischen der Klägerin und der H in M, deren Geschäftsführer Herr B ist, abgeschlossen worden war (vgl. Tz. 3.3.5 des Prüfungsberichts vom 23. August 2001). Danach verpflichtete sich die Klägerin, alle ihr von der H erteilten Flugaufträge durchzuführen. Für eigene Aufträge durfte sie das Lfz nur nach Voranmeldung und Absprache mit H nutzen. Nach Klausel Nr. 5 hatte die H der Klägerin für den Einsatz des Hubschraubers pro Flugminute mit Pilotengestellung 16,65 DM zuzüglich der Kraftstoffkosten ohne Mineralölsteuer zu vergüten. Der Standort des Lfz wurde ab Januar 1999 zum Flughafen M verlegt.

In einer Aufstellung der Flughafen M GmbH über die tatsächlichen Bewegungen des Lfz im Jahr 1999 war für die Flüge im Zeitraum vom 28. Februar 1999 bis zum 12. September 1999 als Pilot allerdings "B" eingetragen. Vor diesem Zeitraum sind keine Flüge ausgewiesen, danach ist als Pilot "H" angegeben.

Im Bordbuch des Lfz für den Monat Juli 1999 ist, bis auf einmal, Herr B als Luftfahrzeugführer eingetragen.

Nach den Angaben der Klägerin im Aussetzungsverfahren erfolgte die Betankung des Lfz nur bei Rundflugaktionen durch Tankwagen der Klägerin. Ansonsten wurde das Lfz auf den angeflogenen Flugplätzen über das Carnet der Klägerin betankt, die dementsprechend auch die Tankrechnungen von der Firma X erhielt. Der Erlaubnisschein befand sich bei den Bordpapieren (vgl. Schreiben der Klägerin vom 6. Februar 2003).

In den Betankungsnachweisen zum Lfz, die den Mineralölsteueranmeldungen für 1999 beigefügt waren, ist bei den Betankungen am 20. und am 22. April 1999 die Klägerin als Lieferant eingetragen, ansonsten andere Firmen.

Aufgrund der im Rahmen der Außenprüfung getroffenen Feststellungen forderte das HZA mit Steuer- und Vergütungsänderungsbescheid vom 13. November 2001 für das Jahr 1999 von der Klägerin unter Anrechnung noch zu vergütender Mineralölsteuer insgesamt 42.435,83 DM Mineralölsteuer zurück bzw. nach, die mit Bescheid vom 12. Juli 2004 auf 41.884,82 DM reduziert wurde. Davon entfielen 28.104,88 DM auf die - im vorliegenden Verfahren allein noch streitige - Festsetzung von Mineralölsteuer für die zunächst steuerfreien Betankungen des Lfz.

Den Einspruch der Klägerin wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2005 zurück, weil das Lfz aufgrund des Kooperationsvertrages zwischen der Klägerin und der H nicht von der Klägerin, sondern von der H verwendet worden sei. Darüber hinaus habe sich das Lfz nicht im Besitz der Klägerin befunden. Durch die Übergabe des Erlaubnisscheines an die H zum Betanken des Lfz sei zwischen der H und der Klägerin ein Besitzmittlungsverhältnis entstanden, wobei die H ihr Besitzrecht für den getankten Kraftstoff von der Klägerin ableite und die Klägerin mittelbarer Besitzer geworden sei. Weiterhin habe die Klägerin der H erlaubt, die in ihrem Auftrag unter Vorlage des Erlaubnisscheines der Klägerin getankten steuerfreien Luftfahrtbetriebsstoffe für nicht steuerbegünstigte Zwecke der H zu verwenden. Dadurch seien die Luftfahrtbetriebsstoffe an die H abgegeben worden, was nicht von der Erlaubnis umfasst gewesen sei. Steuerschuldner sei die Klägerin als Lieferer.

Nachdem ihr Einspruch erfolglos blieb, erhob die Klägerin Klage, mit der sie sich nur noch gegen die Festsetzung der Mineralölsteuer für die steuerfreien Betankungen des Lfz i.H.v. 28.104,88 DM wendet. Sie bringt im Wesentlichen vor, die Steuerbefreiung sei für alle Flüge der Klägerin zu Recht in Anspruch genommen worden. Es sei nichts ersichtlich, was für einen mittelbaren Besitz der Klägerin spreche.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Steuer- und Vergütungsänderungsbescheid vom 13. November 2001 in der Gestalt des Erlassbescheides vom 12. Juli 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2005 in Höhe eines Teilbetrages von 14.369,80 EUR aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es nimmt im Wesentlichen Bezug auf seine Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2005.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte, die Gerichtsakten zum Verfahren 3 V 3275/02 und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze hingewiesen.

II. Die Klage ist nicht begründet.

1. Das HZA hat zu Recht zu Lasten der Klägerin Mineralölsteuer i.H.v. 28.104,88 DM festgesetzt.

a) Die Mineralölsteuer ist gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Mineralölsteuergesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (MinöStG) dadurch entstanden, dass die Klägerin Flugturbinenkraftstoff an die H weitergegeben hat.

Gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MinöStG entsteht die Steuer für Mineralöl, das zu einem anderen als dem in der Erlaubnis genannten Zweck abgegeben wird. Davon ist auch der Fall umfasst, dass ein Verwender, dem lediglich die Verwendung, nicht jedoch die Weitergabe des Kraftstoffes gestattet ist, den Kraftstoff weitergibt, weil die Erlaubnis zur Verwendung von Mineralöl dessen Weitergabe nicht einschließt. Dies ergibt sich aus § 12 Satz 1 Nr. 1 MinöStG, wo bezüglich der Erlaubniserteilung ausdrücklich zwischen Verwendung und Abgabe bzw. Verteilung an andere unterschieden wird.

Vorliegend hat das HZA der Klägerin für das Streitjahr 1999 eine Erlaubnis i.S.d. § 12 MinöStG i.V.m. § 19 der Mineralölsteuerverordnung in der hier maßgebenden Fassung (MinöStV) zum Bezug und zur Verwendung von gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG steuerfreiem Flugturbinenkraftstoff erteilt. Die Weitergabe des Kraftstoffes ist dagegen von dieser Erlaubnis nicht umfasst gewesen.

Dennoch hat die Klägerin den Kraftstoff an die H weitergegeben, da sie dieser ermöglicht hat, das Lfz auf Rechnung der Klägerin und unter Vorlage ihres Erlaubnisscheines zu betanken und den Kraftstoff während der sich anschließenden Flüge zu Zwecken der H zu verbrauchen. Der Erlaubnisschein hat sich bei den Bordpapieren befunden und ist an den jeweiligen Einsatzorten des Lfz zur Betankung verwendet worden, wobei die H das Lfz vorrangig nutzen durfte und auch tatsächlich fast ausschließlich genutzt hat. Dies ergibt sich daraus, dass nach den vorliegenden Unterlagen entweder die H, deren Geschäftsführer Herr B ist, oder Herr B selbst bzw. die Firma B als Pilot angegeben gewesen ist (vgl. Aufstellung der Flughafens M über die Bewegungen des Lfz im Jahr 1999 und Auszug aus dem Bordbuch zum Monat Juli). Dementsprechend ist auch der Standort des Lfz zum Flughafen M und damit weg vom Firmensitz der Klägerin verlegt worden.

Eine Abgabe des Kraftstoffes wird auch dadurch bestätigt, dass bei den Betankungen in der Regel das Carnet der Klägerin verwendet worden ist, mit dessen Vorlage beim jeweiligen Mineralöllieferanten auf den Namen der Klägerin Kraftstoff bezogen worden ist, der anschließend für die Flüge der H verwendet worden ist.

b) Die Klägerin ist gem. § 13 Abs. 2 Satz 4 1. Alt. MinöStG als Erlaubnisinhaber Steuerschuldnerin geworden, da sie vor der Steuerentstehung durch die Abgabe des Kraftstoffes an die H Besitz am Mineralöl erlangt hat.

Zwar hat die Klägerin in der Regel keinen unmittelbaren Besitz an dem Kraftstoff innegehabt, da die Betankung des Lfz auf den jeweils angeflogenen Flugplätzen erfolgt ist und die H über den Einsatz des Lfz bestimmen konnte. Da somit die Verfügungsmacht über das Lfz bei der H gelegen ist, hatte die Klägerin auch keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Kraftstoff. Auch wenn nach der Kooperationsvereinbarung der Eindruck erweckt werden sollte, dass die Klägerin über das Lfz verfügen konnte, indem sie Flüge im Auftrag der H ausführen sollte, sind tatsächlich fast alle Flüge von der H bzw. ihrem Geschäftsführer durchgeführt worden. Lediglich hinsichtlich der zwei Betankungen am 20. und 22. April 1999 kommt ein unmittelbarer Besitz der Klägerin in Betracht.

Allerdings ist die Klägerin, solange der Kraftstoff noch nicht verbraucht worden ist, hinsichtlich des Kraftstoffes zumindest mittelbarer Besitzer i.S.d. § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewesen, was für einen Übergang der Steuerschuld grundsätzlich ausreicht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofes - BFH vom 12. Mai 1992 VII B 131/91, BFH/NV 1993, 53). Mittelbarer Besitz entsteht, wenn jemand eine Sache aufgrund eines bestimmten Rechtsverhältnisses besitzt, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt ist. Er setzt voraus, dass zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Besitzer ein Besitzmittlungsverhältnis aufgrund eines Vertrages, des Gesetzes oder eines Hoheitsaktes besteht, der unmittelbare Besitzer über einen entsprechenden Besitzmittlungswillen verfügt und der mittelbare Besitzer den mittelbaren Besitz begründen will (vgl. Bassenge in Palandt § 868 Rdnr. 6 ff.). Aufgrund des Besitzmittlungsverhältnisses steht dem mittelbaren Besitzer ein Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer zu, da dieser nur zeitlich begrenzt zum Besitz berechtigt ist. An diesen Herausgabeanspruch werden jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Insbesondere kann dieser auch bedingt, befristet oder von der Ausübung eines Gestaltungsrechtes (z.B. Kündigung) abhängig sein.

Das Besitzmittlungsverhältnis ergibt sich vorliegend dadurch, dass zwischen der Klägerin und der H Einigkeit bestanden hat, dass die H mit dem Erlaubnisschein der Klägerin Flugbenzin erwirbt und dieser anschließend die Kosten für die verbrauchte Spritmenge ersetzt. Daraus ergibt sich, dass der Kraftstoff zunächst für die Klägerin bezogen worden ist, aber die H ihn verbrauchen und somit auf ihn zugreifen konnte. In dieser Vereinbarung kommt ferner der Wille der H zum Ausdruck, den Kraftstoff für die Klägerin zu besitzen, und der Wille der Klägerin, mittelbarer Besitzer zu werden. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Kooperationsvereinbarung, weil diese aufgrund der völlig anderen Umsetzung durch die Vertragsparteien obsolet geworden ist.

Dass die Klägerin zunächst mittelbarer Besitzer des Kraftstoffes geworden ist, wird auch durch die praktische Umsetzung der Betankungen bestätigt. Aus den Betankungsnachweisen, die den Mineralölsteueranmeldungen für das Jahr 1999 beigefügt sind, und den eigenen Angaben der Klägerin (vgl. Schreiben vom 6. Februar 2003) geht hervor, dass das Lfz an den jeweiligen Einsatzorten betankt worden ist. Dabei sind die Betankungen auf das Carnet der Klägerin erfolgt. Dementsprechend sind auch die Rechnungen der Treibstofflieferanten an die Klägerin adressiert worden.

Die Klägerin hat also den Kraftstoff von den jeweiligen Mineralöllieferanten gekauft (§ 433 BGB) und daran Eigentum erworben, wobei die H als Vertreterin der Klägerin aufgetreten ist (§ 164 BGB), indem sie bei der Betankung mit dem Einverständnis der Klägerin deren Carnet verwendet und damit in deren Namen und mit Vertretungsmacht gehandelt hat. Solange sich der Kraftstoff noch im Tank des Lfz befunden hat, hat ein verwahrungsähnliches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der H bestanden, aus dem sich ein Herausgabeanspruch der Klägerin ergeben hat, der bis zum Verbrauch des Kraftstoffes befristet gewesen ist, weil dann an die Stelle der Herausgabe der Erstattungsanspruch gem. Nr. 5 der Kooperationsvereinbarung getreten wäre. Nur im Fall einer Kündigung oder mit dem zeitlichen Ablauf der Kooperationsvereinbarung wäre das Lfz einschließlich des Kraftstoffes, der sich zu diesem Zeitpunkt noch im Tank befunden hätte, zurückzugeben gewesen. Die H hatte - genau wie am Lfz - in diesem Stadium unmittelbaren Besitz am Kraftstoff und auch noch den erforderlichen Besitzmittlungswillen.

Der Besitzmittlungswille der H und damit der mittelbare Besitz der Klägerin haben jedoch mit dem Verbrauch des Kraftstoffes geendet, da die H diesen dann für eigene Zwecke verwendet (verbraucht) hat und an die Stelle des befristeten Herausgabeanspruches der in Nr. 5 der Kooperationsvereinbarung geregelte Erstattungsanspruch getreten ist. In diesem Moment erfolgte die Abgabe des Kraftstoffes i.S.d. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MinöStG an die H.

Eine Heilung gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 MinöStG kommt vorliegend nicht in Betracht, da das Mineralöl weder untergegangen ist noch die H selbst zum Bezug von steuerbegünstigtem Mineralöl berechtigt gewesen ist.

b) Die Höhe der Mineralölsteuer ist richtig berechnet und von der Klägerin auch nicht beanstandet worden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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