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Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 14 V 3843/07
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 40 Abs. 2
FGO § 69
FGO § 114 Abs. 3
FGO § 114 Abs. 5
AO § 251 Abs. 1
AO § 258
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 V 3843/07

Erlass einer einstweiligen Anordnung in Sachen Aussetzung oder Unterlassung der Zwangsmassnahmen

In der Streitsache

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung

am 15. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Die Anträge werden abgelehnt.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren die Nichtigerklärung aller Umsatzsteuerbescheide der Antragstellerin zu 1) sowie das Unterlassen von Vollstreckungsmaßnahmen.

Die Antragstellerin zu 1) ist eine mit Vertrag vom 4. November 2002 gegründete GmbH, Geschäftsführer ist der Antragsteller zu 2). Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Datenträgern, datenträgerbasierenden Systemen, Etablierung von Kommunikationssystemen wie z.B. medizinischen Internetportalen sowie Aufbau und Vermarktung von Hard- und Softwaresystemen im Bereich des Gesundheitswesens. Der Sitz der GmbH befand sich zunächst in M und wurde am 1. Dezember 2006 nach I verlegt.

Da die Antragstellerin zu 1) mit der Zahlung von Steuern in Rückstand kam, pfändete das vor der Sitzverlegung zuständige Finanzamt M die Konten der Antragstellerin zu 1) bei der C-AG und der D-AG. Die Pfändungen blieben erfolglos, da die Konten kein pfändbares Guthaben aufwiesen bzw. bereits gelöscht waren.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2007 beantragte das nunmehr zuständige Finanzamt B (FA) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin zu 1). Die Steuerschulden der Antragstellerin zu 1) betrugen mit Stand 9. Oktober 2007 1.290.873,96 EUR. Davon entfallen 220.900,39 EUR auf Umsatzsteuer 2005 und 974.116,80 EUR auf Umsatzsteuer 2006, sowie ein Betrag von 85.745,50 EUR auf steuerliche Nebenleistungen zur Umsatzsteuer 2005 und 2006. Dabei beruht die Umsatzsteuerschuld 2005 auf einer von der Antragstellerin zu 1) eingereichten Umsatzsteuererklärung. Am 29. August 2007 wurden geänderte Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, dritte und vierte Kalendervierteljahr 2005 mit einer Zahllast von 0 EUR eingereicht, die vom FA noch nicht verbucht worden sind, eine geänderte Jahressteuererklärung liegt dem FA nicht vor.

Auch die Umsatzsteuerschuld 2006 beruht auf den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen. Den von der Antragstellerin zu 1) am 29. August 2007 eingereichten geänderten Umsatzsteuervoranmeldungen wurde bisher nur für das vierte Quartal zugestimmt, insoweit ergibt sich eine Zahllast von 612.800 EUR. Derzeit wird durch die Steuerfahndungsstelle des FA geprüft, ob die Sollminderungen für das erste bis dritte Quartal anzuerkennen sind.

Zahlungen gegenüber dem FA sind bislang nicht erfolgt.

Die Antragsteller beantragen im Wege einer einstweiligen Anordnung,

alle Bescheide und Erklärungen der Antragsgegnerin betreffend Umsatzsteuer der Antragstellerin zu 1) für nichtig zu erklären sowie alle Vollstreckungsmaßnahmen zum Beitreiben angeblicher Sollstände der Klägerin zu 1) aus Umsatzsteuerbescheiden auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Anträge haben keinen Erfolg.

1. Soweit der Antragsteller zu 2) vorläufigen Rechtsschutz begehrt, liegen die hierfür erforderlichen allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht vor. Denn er hat nicht schlüssig dargelegt, dass ihn die angefochtenen Steuerbescheide und Vollstreckungsmaßnahmen, die gegenüber der Antragstellerin zu 1) ergangen sind, in seiner Rechtsstellung gefährden und er daher eigene Rechte verfolgt (§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die erforderliche Antragsbefugnis ist daher nicht gegeben.

2. Auch der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der ausschließlich mit der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung begründet wird, ist unzulässig (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.Januar 1984 II B 35/83, BFHE 139, 508, BStBl II 1984, 210). Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung in § 114 Abs.5 FGO kann eine einstweilige Anordnung nicht ausgesprochen werden, soweit der Regelungsbereich der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO reicht (vgl. BFH-Beschluss vom 12.06.1991 VII B 66/91, BFH/NV 1992, 156). Das bedeutet, dass vorläufiger Rechtsschutz mit Gründen, die sich wie im Streitfall gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung richten, grundsätzlich nicht im Wege der einstweiligen Anordnung, sondern nur der Aussetzung der Vollziehung erlangt werden kann.

3. Soweit die Antragstellerin zu 1) den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Aussetzung aller Vollstreckungsmaßnahmen (sog. Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs.1 Satz 2 FGO) begehrt, ist erforderlich, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs.3 FGO i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung -ZPO-). Wird im Verwaltungsvollstreckungsverfahren nach den Vorschriften der Abgabenordnung 1977 (AO) als vorläufiger Rechtsschutz die Verpflichtung der Behörde zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung oder Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme verlangt, so kommt als Rechtsgrundlage für den Anordnungsanspruch die nach § 258 AO in das Ermessen der Behörde gestellte Befugnis zur Gewährung einer vorläufigen Vollstreckungsaussetzung in Betracht (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.08.1991 VII S 40/91, BFH/NV 1992, 317 und vom 4.November 1986 VII B 108/86, BFH/NV 1987, 555, 556 m.w.N.). Voraussetzung für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO ist, dass die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist. Die Unbilligkeit der Vollstreckung folgt aber nicht daraus, dass die Steuerbescheide, auf denen die vollstreckbaren Forderungen beruhen, angefochten sind und über sie noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Die Verwaltung ist grundsätzlich berechtigt, auch aus noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheiden zu vollstrecken, soweit --wie im Streitfall-- ihre Vollziehung nicht ausgesetzt ist (§ 251 Abs.1 AO).

Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen (§ 256 AO), so dass das Vorbringen der Antragstellerin zu 1), soweit es die Rechtmäßigkeit der den Steuerrückständen zugrundeliegenden Umsatzsteuerbescheiden betrifft, im hier zu entscheidenden Verfahren keine Berücksichtigung finden kann.

Darüber hinaus kommt eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (vgl. BFH-Beschluss vom 10.08.1993 VII B 262/92, BFH/NV 1994, 719). Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände müssen über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei einer Vollstreckung zu erwarten sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Umstände, wie die Bezahlung von Steuern, auch wenn sie möglicherweise nach einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren zu erstatten wären, eine zur Bezahlung von Steuern notwendige Kreditaufnahme, ein Zurückstellen betrieblicher Investitionen oder eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards für sich allein keine Anordnungsgründe (vgl. Beschlüsse des Senats vom 30. März 1989 VII B 221/88, BFH/NV 1989, 794, und vom 4.April 1989 VII B 35/85, BFH/NV 1989, 714, m.w.N.).

Im Streitfall hat die Antragstellerin zu 1) solche existenzbedrohenden wesentlichen Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Die beantragte Anordnung ist somit nicht gerechtfertigt, es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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