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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: 14 V 4005/08
Rechtsgebiete: UStG, UStDV, FGO


Vorschriften:

UStG § 4
UStG § 6a Abs. 1
UStG § 6a Abs. 3
UStDV § 17a Abs. 2
UStDV § 17c Abs. 1
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung am 06. April 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe:

I. Streitig ist die Anerkennung der Lieferung von fünf Fahrzeugen im Jahr 2002 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

Die Antragstellerin ist unter anderem im Kfz-Handel unternehmerisch tätig.

Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 2002 bis April 2006 kam das Finanzamt unter anderem zu dem Ergebnis, dass als innergemeinschaftliche Lieferungen an die Firma S behandelte Umsätze im Jahr 2002 nicht steuerfrei seien, da es sich bei diesem Abnehmer um eine Scheinfirma gehandelt habe (Bericht vom 8. August 2006, Betriebsprüfungsakte FA). Die S sei zwar im Handelsregister der British Virgin Islands erfasst, in London residiere ein "Taxrepresentative", ein Firmensitz oder eine wirtschaftliche Tätigkeit sei jedoch nicht feststellbar. Tatsächlich würden die Firmengeschäfte von dem italienischen Staatsbürger N betrieben. Die an die S verkauften Fahrzeuge seien teilweise durch die S (Porsche und VW Beetle) bzw. durch Speditionen (drei Fahrzeuge der Marke Mercedes Benz) zu einem Lagerplatz in Italien verbracht worden. DieS habe die Fahrzeuge weder in Italien noch in Großbritannien der Erwerbsbesteuerung unterworfen. Die tatsächlichen Abnehmer der Fahrzeuge konnten nicht ermittelt werden.

Diesen Feststellungen folgend setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 7. September 2006 die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 68.880,66 EUR fest.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 2. Januar 2008 wies das aufgrund einer Sitzverlegung der Antragstellerin zuständig gewordene Finanzamt (FA) den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit ihrem Antrag beim Finanzgericht trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass sämtliche Belegnachweise vollständig erbracht worden seien. Insbesondere sei der Tag der jeweiligen Lieferung durch die entsprechenden CMR-Frachtpapiere dokumentiert worden.

Außerdem habe es sich bei der S nicht um eine Scheinfirma gehandelt, da sie zu zahlreichen Kfz-Händlern rege Geschäftskontakte unterhalten habe. Es könne keine Rede davon sein, dass sie keine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet habe. Erst im Jahr 2003 habe die Antragstellerin davon erfahren, dass gegen den Geschäftsführer der S im Zusammenhang mit Steuerdelikten ermittelt werde, und daraufhin sofort die Geschäftsbeziehungen beendet. Die Fahrzeuge seien nachweislich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt.

Die Antragstellerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 7. September 2006 in Höhe von 39.520 EUR bis zur Entscheidung in der Hauptsache von der Vollziehung auszusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Antragstellerin die ihr obliegenden Aufzeichnungspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.

Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf Gutglaubensschutz berufen. Der Geschäftsführer der Antragstellerin sei ebenfalls Geschäftsführer der inzwischen im Handelsregister gelöschten Firma A GmbH (A) gewesen, die ebenfalls im Kfz- Handel tätig gewesen sei. Bereits in der Zeit vom 30. Juli 2001 bis 21. November 2002 sei im Rahmen einer gegen die A durchgeführten Steuerfahndungsprüfung festgestellt worden, dass auch die A Geschäftsbeziehungen zur S sowie weiteren Firmen unterhalten habe, die ebenfalls von N geführt worden seien. Die von der A geltend gemachten steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen seien nicht anerkannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des Bescheides (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298) und zwar aus folgenden Erwägungen:

Das Finanzamt hat zu Recht die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6 a UStG versagt, weil die Antragstellerin die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht ordnungsgemäß nachgewiesen hat.

Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst a UStG) und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG).

Die Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG). Die Einzelheiten der Nachweispflicht anhand Beleg- und Buchführung ergeben sich aus § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG i.V.m. § 17a ff der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) und § 17 c UStDV.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin den Buch- und Belegnachweis schon deshalb nicht geführt, weil sie die Umsatzsteueridentifikationsnummer der jeweiligen Fahrzeugabnehmer nicht buchmäßig nachgewiesen hat. Sie hat es unterlassen, beim Bundesamt für Finanzen eine qualifizierte Bestätigungsabfrage durchzuführen und sich die Richtigkeit der von den Abnehmern gemachten Angaben zu Name, Ort, Postleitzahl und Straße bestätigen zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, DStR 2008, 819). Ihren Pflichten nach § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV ist sie somit nicht nachgekommen.

Darüber hinaus fehlen die in § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV geforderten handelsüblichen Belege, aus denen sich der Bestimmungsort der jeweiligen Lieferungen ergibt. Der Gesetzeszweck des § 6a UStG erfordert jedoch diesen Nachweis, weil nur damit sichergestellt ist, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BStBl II 2007, 420). Die im Streitfall vorliegende Versicherung, "dass der Gegenstand der Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht wird und nicht zum Verbleib in Deutschland bestimmt ist", die in allen hier streitigen Lieferungen erfolgt ist, wird den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht gerecht, da der Bestimmungsort insoweit nicht ersichtlich ist.

In den so genannten Abholfällen i.S.d. § 17 a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV ergeben, dass dieser tatsächlich Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten. Außerdem muss sich aus den Unterlagen eindeutig ergeben, dass der Abnehmer den Beauftragten tatsächlich mit der Entgegennahme des Gegenstandes der Lieferung beauftragt hat. Die Identität des Beauftragten muss belegt werden. Darüber hinaus muss sich aus der Versicherung bzw. aus der Empfangsbestätigung ergeben, dass der Abnehmer den Beauftragten mit der Beförderung des Liefergegenstandes im Rahmen der Lieferung an den Abnehmer beauftragt hat (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067).

Hinsichtlich der Lieferung der Fahrzeuge Porsche und VW Beetle sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die vorliegenden Unterlagen sind zwar mit dem Firmenstempel der S sowie einem nicht leserlichen Namenszeichen versehen. Es ist jedoch nicht erkennbar, ob insoweit der Firmeninhaber, der Geschäftsinhaber oder ein sonstiger Beauftragter tätig geworden ist. Hinsichtlich der drei Lieferungen der Fahrzeuge Mercedes Benz ist die Antragstellerin ihren Nachweispflichten schon deswegen nicht nachgekommen, weil nicht feststeht, ob die Fahrzeuge von der Antragstellerin, dem Abnehmer oder einem Bevollmächtigten befördert oder versendet wurden, da sich die Angaben auf der Abnahme-Bestätigung und auf dem CMRFrachtbrief widersprechen. Während laut CMR Frachtbrief die Fahrzeuge jeweils vom Geschäftsführer der Antragstellerin nach Italien transportiert wurden, ist die Beförderung auf den Abnahmebestätigungen durch zwei Speditionsfirmen bzw. die S vermerkt. Aufzeichnungen über die Identität des Beauftragten der Speditionsfirmen liegen nicht vor. Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass der Firmeninhaber der S Bevollmächtigungen für die Abholung der Fahrzeuge erteilt hat. Insoweit muss nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch nachgewiesen werden, dass der Abholer tatsächlich Beauftragter des vom Lieferer aufgezeichneten Abnehmers war (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067). Auch diese Belege liegen nicht vor.

Der Antragsteller kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof berufen (vgl. Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-409/04, Teleos, UR 2007, 774) berufen. Auch wenn der EuGH mit dieser Entscheidung den Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen weiter gestärkt hat, ist nur der gutgläubige Lieferant schützenswert, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen. Das ist vorliegend gerade nicht der Fall.

2. Eine Aussetzung der Vollziehung kann auch nicht im Hinblick auf eine "unbillige Härte" gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gewährt werden.

Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (Beschlüsse des BFH vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510 und vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren sind auch im Fall der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu berücksichtigen. Da - wie oben ausgeführt - keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, kommt eine Aussetzung wegen unbilliger Härte grundsätzlich nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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