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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 15 K 1050/09
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 1
EStG § 23 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 15. Senat des Finanzgerichts München

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Oktober 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 3.07.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.05.2003 wird dahingehend geändert, dass die festgesetzte Einkommensteuer der Kläger für 2000 auf 25.429,61 EUR (d.h. 49.736 DM) herabgesetzt wird.

2. Der Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 26.02.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.05.2003 wird dahingehend geändert, dass die festgesetzte Einkommensteuer der Kläger für 1999 auf 16.186,48 EUR (d.h. 31.658 DM) herabgesetzt wird.

3. Der Bescheid vom 26.02.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.05.2003 wird dahingehend geändert, dass der zum 31.12.2000 verbleibende Verlustvortrag für die Einkünfte des Klägers zu 1) aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 283.017 DM festgestellt wird.

4. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

5. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

6. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Steuerbarkeit von Verlusten aus Optionsgeschäften.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren mit ihren Einkünften, insbesondere mit den Einkünften des Klägers zu 1) aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 fügten die Kläger eine Aufstellung der teils positiven, teils negativen Ergebnisse des Klägers zu 1) aus einer Vielzahl einzelner Börsengeschäfte - insbesondere aus Geschäften mit Optionsscheinen - bei, die mit einander saldiert einen positiven Überschuss in Höhe von 439.784,90 DM ergaben. Hierin waren u.a. auch Verluste aus dem Verfall von Optionsscheinen in der Summe von 475.695,98 DM enthalten. Der Beklagte übernahm das saldierte rechnerische Ergebnis als Einkünfte des Klägers zu 1) aus privaten Veräußerungsgeschäften bei der Steuerveranlagung und setzte die Einkommensteuer der Kläger für das Streitjahr 1999 mit Bescheid vom 29.03.2001 vorbehaltlos auf 218.962 DM fest. Der Bescheid blieb unangefochten, wurde jedoch infolge der Vornahme eines Verlustrücktrags aus dem Streitjahr 2000 mit Bescheid vom 26.06.2001, wegen einer Grundlagenfeststellung hier unstreitiger anderer Einkünfte mit Bescheid vom 18.07.2001 und schließlich wegen Aufhebung des vorangegangenen Verlustrücktrags aus dem Streitjahr 2000 mit Bescheid vom 26.02.2002 jeweils geändert. Die festgesetzte Einkommensteuer der Kläger für 1999 betrug danach 129.835,42 EUR (d.h. 253.936 DM). Die o.g. Ergebnisse aus den Börsengeschäften des Klägers zu 1) waren dabei nach wie vor erklärungsgemäß berücksichtigt.

Die gemeinsame Einkommensteuererklärung der Kläger für das Streitjahr 2000 enthielt neben den unstreitigen Einkünften gleichermaßen eine Aufstellung der Ergebnisse des Klägers zu 1) aus seinen Börsengeschäften. In der Aufstellung unterschieden die Kläger - wie im Wesentlichen auch schon im Vorjahr - zwischen Gewinnen aus Aktienverkäufen, Gewinnen aus Kaufoptionen (so genannten "Calls") und aus Verkaufsoptionen (so genannten "Puts") und Verlusten aus Währungsgeschäften, Verlusten aus der Verwertung von Verkaufsoptionen sowie Verlusten infolge des Verfalls von Kauf- und Verkaufsoptionen. Bei keinem der einzelnen Börsengeschäfte im Streitjahr 2000 lag zwischen Ankauf und Verkauf bzw. Ende der Option ein Zeitraum von mehr als 12 Monaten. Ingesamt errechneten die Kläger hieraus einen negativen Saldo von 722.802,09 DM.

Die Einzelsparten der zahlreichen Börsengeschäfte stellten sich dabei wie folgt dar:

Streitjahr 2000

 Gewinne aus Aktienverkäufen466.994,25 
Gewinne aus Verwertung von Kaufoptionen ("Calls")507.681,12
Gewinne aus Verwertung von Verkaufsoptionen ("Puts")138.367,83
Summe der Gewinne1.113.043,201.113.043,20
Verluste aus Währungsgeschäften./. 248.360,08 
Verluste aus Verwertung von Verkaufsoptionen ("Puts")./. 80.576,32
Verluste aus verfallenen Kaufoptionen ("Calls")./.1.306.866,35
Verluste aus verfallenen Verkaufsoptionen ("Puts")./. 200.042,54
Summe der Verluste./.1.835.845,29./.1.835.845,29
Saldo der erklärten Einkünfte ./. 722.802,09

Der Beklagte berücksichtigte den erklärten Saldo als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bei der Steuerveranlagung für das Streitjahr 2000, die sich jedoch wegen der fehlenden Verrechenbarkeit dieser Verluste auf die Höhe der Einkommensteuer für das Streitjahr 2000 nicht auswirkten. Die Einkommensteuer der Kläger für 2000 wurde mit Bescheid vom 20.06.2001 - jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung -AO-) - auf 13.656 DM festgesetzt. Zeitgleich stellte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den zum 31.12.2000 verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 722.802 DM fest. Als unmittelbare Folge der Durchführung des o.g. Rücktrags dieses Verlusts auf das Streitjahr 1999 in Höhe von 439.785 DM setzte der Beklagte den zum 31.12.2000 festgestellten Verlustvortrag mit Bescheid vom 26.06.2001 auf 283.017 DM herab. Im Rahmen einer so genannten Betriebsnahen Veranlagung (BNV) änderte der Beklagte seine Rechtsansicht dahingehend, dass er nunmehr die addierten Verluste aus dem Verfall erworbener Kauf- und Verkaufsoptionen im Streitjahr 2000 in Höhe der Aufwendungen für die Optionsscheine von 1.506.908 DM nicht mehr als einkommensteuerrechtlich berücksichtigungsfähig ansah und somit im Ergebnis von positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr 2000 von 784.106 DM ausging (vgl. Feststellungen zur BNV vom 29.01.2002). Das Ergebnis errechnete sich unter Abrundung der Einzelbeträge wie folgt:

Streitjahr 2000

 Saldo der erklärten Einkünfte./. 722.802
Korrektur der Verluste aus verfallenen Kaufoptionen ("Calls")+1.306.866
Korrektur der Verluste aus verfallenen Verkaufsoptionen ("Puts")+ 200.042
Einkünfte laut BNV+784.106

Zum einen änderte der Beklagte dementsprechend die Steuerfestsetzung für 2000 mit Bescheid vom 26.02.2002 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und setzte die Einkommensteuer der Kläger auf 203.546,32 EUR (d.h. 398.102 DM) herauf. Zum anderen hob er zeitgleich (d.h. mit Bescheid vom 26.02.2002) die bisherige Feststellung des zum 31.12.2000 verbleibenden Verlustvortrags für die Einkünfte des Klägers zu 1) aus privaten Veräußerungsgeschäften auf. Dieser Bescheid enthielt die zusätzliche Erläuterung, dass hierdurch der Bescheid vom 26.06.2001 geändert worden sei. Den letztgenannten Bescheid nahm der Beklagte zum Anlass, die Einkommensteuer der Kläger für das Streitjahr 1999 mit Bescheid ebenfalls vom 26.02.2002 - wie oben ausgeführt - heraufzusetzen.

Mit Schreiben ihres steuerlichen Vertreters - ihrem Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren - vom 25.03.2002, das am Folgetag beim Beklagten einging, legten die Kläger gegen die jeweils auf den 26.02.2002 datierten Bescheide über die Einkommensteuer für 1999 und 2000 sowie über den zum 31.12.2000 verbleibenden Verlustvortrag Einspruch ein. Dieser blieb jedoch erfolglos und wurde - nachdem der Beklagte die Einkommensteuer der Kläger für das Streitjahr 2000 wegen einer geänderten und unstreitigen Grundlagenfeststellung mit Bescheid vom 3.07.2002 und unter Beibehaltung der Höhe der streitigen Einkünfte auf 228.863,45 EUR (d.h. 447.618 DM) heraufgesetzt hatte - durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 6.05.2003 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 14.05.2003 erhobene und bei Gericht am Folgetag eingegangene Klage, die die Kläger wie folgt begründen:

Die aus dem Verfall der Optionsscheine resultierenden Verluste des Klägers zu 1) seien entgegen der Rechtsansicht des Beklagten einkommensteuerrechtlich berücksichtigungsfähige Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften. Der Erwerb eines Optionsscheins gelte kraft des Einkommensteuergesetzes als Termingeschäft. Es sei zunächst richtig, dass der gesetzliche Tatbestand der Einkünfte aus Termingeschäften fordere, dass der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlange. Bei Verfall der Option erziele der Erwerber des Optionsscheins wegen dessen Wertlosigkeit zwar keine Einnahme; dennoch habe er - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - insoweit einen Vorteil im Sinne des Einkunftstatbestands erlangt, als er die Kauf- oder Verkaufsoption nicht auszuüben verpflichtet sei. Entwickle sich der Basis- oder Bezugswert der Option im Verhältnis zur ursprünglichen Erwartung des Erwerbers des Optionsscheins gegenläufig, sei die Option verständlicherweise nicht mehr entgeltlich veräußerbar. Der Erwerber werde im Fall von Aktienoptionsscheinen seine Option auch nicht mehr ausüben, weil sich seine Verluste dadurch noch erheblich erhöhen würden. Allein dieses Recht, nicht zum Kauf bzw. Verkauf der betreffenden Aktien verpflichtet zu sein, bedeute einen Vorteil, der die Steuerbarkeit der Verluste begründe.

Der Kläger beantragt,

1.) den Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 3.07.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.05.2003 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Einkommensteuer für 2000 auf 25.429,61 EUR (d.h. 49.736 DM) herabgesetzt wird,

2.) den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 26.02.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.05.2003 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Einkommensteuer für 1999 auf 16.186,48 EUR (d.h. 31.658 DM) herabgesetzt wird und

3.) den Bescheid vom 26.02.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.05.2003 dahingehend zu ändern, dass der zum 31.12.2000 verbleibende Verlustvortrag für die Einkünfte des Klägers zu 1) aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 283.017 DM festgestellt wird,

sowie hilfsweise für den Fall der Klageabweisung

die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

sowie hilfsweise für den Fall der Klagestattgabe

die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Nach dem Wortlaut des Einkommensteuergesetzes seien steuerbare Einkünfte aus Termingeschäften nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige hieraus einen Geldbetrag oder Vorteil erlange. Da Optionsscheine nach dem einkommensteuergesetzlichen Wortlaut als Termingeschäfte gelten, sei dies auch hierfür zu verlangen. Bei Verfall der Option habe der Erwerber des Optionsscheins aber gerade nichts erlangt. Dementsprechend könne ein steuerbarer Verlust nicht angenommen werden. Die Finanzverwaltung habe dies in einem Erlass klar gestellt, auf den Bezug genommen werde (Bundesministerium der Finanzen -BMF- vom 27.11.2001, IV C 3 - S 2256 - 265/01, BStBl I 2001, 986, Rz. 18, 23).

Wegen der seinerzeit beim Bundesfinanzhof (BFH) unter den Aktenzeichen IX R 11/06 und IX R 69/07 anhängigen Revisionsverfahren war durch Beschlüsse des Berichterstatters vom 25.07.2006 bzw. 28.07.2008 das Ruhen des Klageverfahrens angeordnet. Nach Abschluss der bundesgerichtlichen Bezugsverfahren wurde das Klageverfahren durch Beschluss des Berichterstatters vom 7.04.2009 fortgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Verwaltungsakten der Kläger und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8.10.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die Klage ist fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.

a) Dies gilt zunächst einmal für die Klage, soweit sie sich gegen die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2000 in Gestalt des Bescheids vom 3.07.2002 richtet.

Die Kläger sind durch den vorgenannten Einkommensteuerbescheid beschwert. Insbesondere machen sie geltend, durch die infolge der Versagung der Verrechnung der streitigen Verluste des Klägers zu 1) aus den verfallenen Optionen im Streitjahr 2000 mit den in demselben Veranlagungszeitraum erzielten Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 Abs. 3 Satz 8 Halbsatz 1 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr 2000 geltenden Fassung (EStG), und somit durch die ihrer Ansicht nach überhöht festgesetzte Einkommensteuer für das Streitjahr 2000 in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO).

b) Die Kläger sind auch durch die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1999 in Gestalt des Einkommensteuerbescheids vom 26.02.2002 beschwert (§ 40 Abs. 2 FGO).

Ihre sachlichen Einwendungen richten sich nicht gegen die ursprünglich berücksichtigten Besteuerungsgrundlagen des Streitjahrs 1999, sondern gegen die unterlassene Durchführung des Rücktrags der für das Streitjahr 2000 geltend gemachten Verluste aus den im Wert verfallenen Optionen des Klägers zu 1) auf die positiven Einkünfte des Klägers zu 1) aus privaten Veräußerungsgeschäften des Streitjahrs 1999. Aufgrund der Vorschriften gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9, § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG wird ein zurückzutragender Verlust zur Besteuerungsgrundlage des Rücktragsjahrs, wobei die Umsetzung des Verlustrücktrags erforderlichenfalls auf dem verfahrensrechtlichen Weg der Korrektur der früheren Steuerfestsetzung für das Rücktragsjahr zu erfolgen hat (§ 23 Abs. 3 Satz 9, § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG). Die Beschwer der Kläger ergibt sich im Streitfall aus der infolge des unterlassenen Verlustrücktrags höheren Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1999.

c) Beschwert im vorgenannten Sinn sind die Kläger schließlich auch durch den Bescheid vom 26.02.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Vortrags der nicht ausgeglichenen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31.12.2000.

Der klagegegenständliche Feststellungsbescheid ist insoweit widersprüchlich, als der Beklagte hierin einerseits ausdrücklich und unter Berufung auf die Vorschrift des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG die bisherige Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2000 aufgehoben und andererseits den Bescheid in seinen Erläuterungen als Änderung gegenüber dem vorangegangenen Feststellungsbescheid vom 26.06.2001 bezeichnet hat. Aus der Sicht der Kläger ist der Regelungsinhalt dieses Feststellungsbescheids (§ 118 Satz 1 AO) nach seinem objektiven Erklärungswert nicht mit der erforderlichen Gewissheit erkennbar gewesen. Einerseits steht zu vermuten, dass der Beklagte hierdurch sämtliche vorangegangenen Verlustvortragsfeststellungen nach § 23 Abs. 3 Satz 9, § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG beseitigen hat wollen, andererseits enthält der klagegegenständliche Feststellungsbescheid ausschließlich eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Verlustvortragsfeststellung im Bescheid vom 26.06.2001. Wäre hierdurch nur der letztgenannte Feststellungsbescheid geändert oder aufgehoben worden, so wäre die Verlustvortragsfeststellung durch den ursprünglichen Bescheid vom 20.06.2001 über einen Verlustvortrag zum 31.12.2000 in einer das Klagebegehren überschreitenden Höhe von 722.802 DM wieder zur Rechtswirksamkeit erlangt. Angesichts der objektiven Missverständlichkeit dieses Verwaltungsakts und seiner Rechtswirkungen sieht der erkennende Senat die Beschwer der Kläger darin, den hierdurch zumindest entstandenen Rechtsschein der Aufhebung sämtlicher vorangegangener Verlustvortragsfeststellungen in einer die Rechtslage klärenden Weise beseitigen zu lassen.

2.) Die Klage ist begründet.

a) Aufgrund der Selbständigkeit der Einkommensteuerfestsetzungen für die beiden Streitjahre gegenüber der Feststellung des zum 31.12.2000 verbleibenden Verlustvortrags kann der Senat über die klagegegenständlichen Bescheide gemeinsam entscheiden.

Die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4 EStG stellt im Verhältnis zur Einkommensteuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahrs ein selbständiges, und damit selbständig überprüfbares, Verfahren dar (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 2009 IX R 52/08, DStR 2009, 1999). Dies hat nach Ansicht des Senats auch für die im Streitfall nach Maßgabe der Rechtsnormverweisung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG auf § 10d EStG erfolgte gesonderte Feststellung des Vortrags der nicht ausgeglichenen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31.12.2000 durch Bescheid vom 26.02.2002 zu gelten.

b) Die dem Kläger zu 1) im Streitjahr 2000 durch den Erwerb der verfallenen Kauf- und Verkaufsoptionen entstandenen Aufwendungen haben nach Ansicht des erkennenden Senats zu einkommensteuerbaren Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 EStG geführt.

aa) Im Streitjahr 2000 haben zu den Einkünften im Sinn des § 22 Nr. 2 EStG zum einen Veräußerungsgeschäfte gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehört, bei denen Wertpapiere innerhalb einer Frist von einem Jahr seit ihrer Anschaffung weiterveräußert worden sind.

Zum anderen haben hierzu Termingeschäfte gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG gezählt, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt hat, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr betragen hat. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG haben u.a. Optionsscheine auch als derartige Termingeschäfte gegolten. Seit 1.01.2009 handelt es sich bei diesen Einkünften um solche aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 Buchstaben a und b EStG in der derzeit geltenden Fassung, wobei die Begrenzung auf die Jahresfrist jeweils entfallen ist.

Der Gewinn oder Verlust aus einem Wertpapierveräußerungsgeschäft im o.g. Sinn ist durch den Unterschied zwischen Veräußerungspreis und der Summe aus Anschaffungskosten und Werbungskosten zu berechnen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG). Der Gewinn oder Verlust aus einem Termingeschäft oder einem Geschäft mit Optionsscheinen im o.g. Sinn hingegen besteht in dem Differenzausgleich oder dem durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Werbungskosten (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG).

bb) An der Börse handelbare Optionsscheine (engl.: warrants) sind - wie im Streitfall - Wertpapiere, die das Recht aus einem Optionsgeschäft verbriefen.

Die wertpapierhandelsrechtliche Einordnung des Optionsgeschäfts ist seit Jahren im Wandel. War der Begriff des Optionsgeschäfts im Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 26.07.1994 (BGBl. I 1749) noch nicht einmal erwähnt worden und die Qualifikation des Optionsscheins als Wertpapier erstmals in § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes in der Fassung vom 9.09.1998 (BGBl. I 2708) erfolgt, ordnete die zwischenzeitlich wieder aufgehobene Vorschrift des § 2 Abs. 2a des Wertpapierhandelsgesetzes in der Fassung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 21.06.2002 (BGBl. I 2010) den Optionsschein als Finanztermingeschäft ein. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Wertpapierhandelsgesetz in der derzeit gültigen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts vom 20.03.2009 (BGBl. I 607 -WpHG-) zählen Optionsgeschäfte wegen ihrer Abhängigkeit von einem Basiswert (z.B. von einem Aktienkurs oder einem Börsenindex) gesetzestechnisch zu den Derivaten.

Wegen der durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG einkommensteuerrechtlich normierten Gleichstellung von Optionsscheinen mit Termingeschäften kann die wertpapierhandelsrechtliche Einordnung letztlich dahingestellt bleiben. Auch wenn das EStG ausdrücklich nur den Begriff des Optionsscheins, nicht hingegen den des Optionsgeschäfts verwendet, so ist aus der Gleichstellung mit Termingeschäften dennoch ersichtlich, dass der Gesetzgeber hierdurch das wirtschaftliche Ergebnis des zugrunde liegenden Optionsgeschäfts besteuern wollte.

Unter einem Optionsgeschäft ist eine bedingte Verpflichtung des Erwerbers zu verstehen. Der Käufer der Option erhält im Rahmen des bedingten Termingeschäfts gegen Zahlung einer Optionsprämie das Recht, an einem bestimmten Verfallstag oder bis zu einem bestimmten Verfallstag vom Verkäufer der Option (dem so genannten Stillhalter) den Kauf ("Call-Option") oder den Verkauf ("Put-Option") einer bestimmten Menge eines Basiswerts (z.B. eines Aktienkurses oder Börsenindexes) zu einem beim Kauf der Option festgelegten Preis (Ausübungs- oder Basispreis) zu verlangen. Der Käufer der Option ist zur Ausübung seiner Option berechtigt, nicht aber verpflichtet. Am Verfalltag wird somit beispielsweise bei Ausübung eines Aktienoptionsrechts eine effektive Lieferung der Aktie erfolgen. Üblich ist allerdings auch der Barausgleich des Differenzbetrags zwischen Ausübungspreis und Handelspreis im Zeitpunkt der Optionsausübung. Ein solcher Barausgleich wird immer dann praktiziert, wenn - wie im Fall der Option auf einen Börsenindex - eine Lieferung nicht möglich ist, oder wenn die Vertragsparteien durch die Vereinbarung die Erfüllung ausgeschlossen haben (vgl. hierzu Peter Versteegen in Kölner Kommentar zum Wertpapierhandelsgesetz 2007, § 2 Rz. 47). Regelmäßig kommt es auch zur Weiterveräußerung von Optionsscheinen vor Ablauf der Laufzeit der Optionen.

Der Käufer einer Kaufoption rechnet mit einem steigenden Handelspreis bzw. Kurswert, der Käufer einer Verkaufsoption mit einem entsprechend fallenden Handelspreis bzw. Kurswert. Nur wenn sich seine wirtschaftliche Einschätzung steigender bzw. fallender Preise oder Kurse erfüllt, wird er entweder durch Ausübung der Option einen geschäftlichen Vorteil oder durch Erhalt des Differenzbetrags einen Gewinn aus dem Erwerb der Option erzielen können. Entwickelt sich der Handelspreis oder Kurswert bis zum Verfalltag der Option hingegen im Verhältnis zur Einschätzung des Optionskäufers gegenläufig, so wird der Optionsschein wertlos. Die Option, zu der der Inhaber des Optionsscheins in diesem Zeitpunkt theoretisch noch berechtigt wäre, wird er dann aus wirtschaftlich verständlichen Gründen nicht mehr ausüben wollen. Hierdurch würden sich seine Aufwendungen über den Betrag der ohnehin bereits verlorenen Optionsprämie hinaus noch erheblich um die für ihn ungünstige Preis oder Kursdifferenz erhöhen.

cc) Der Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ist eindeutig dahin zu verstehen, dass nur derjenige den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften verwirklicht, der Termingeschäfte abschließt oder Optionsscheine erwirbt, durch die er binnen Jahresfrist einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Mithin ist der Einkunftstatbestand des § 22 Nr. 2 EStG durch den Käufer der Option dann nicht erfüllt, wenn der zunächst erworbene Optionsschein aus den oben unter bb) dargestellten Gründen am Verfallstag wertlos geworden ist. Bei ersatzlosem Verfall des Optionsscheins erlangt der Käufer der Option gerade keinen Differenzausgleich, Geldbetrag oder sonstigen Vorteil aus dem Optionsgeschäft. Diese Rechtsansicht wird durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung auch bestätigt (BFH-Urteile vom 19. Dezember 2007 IX R 11/06, BFHE 219, 574, BStBl II 2008, 519 und vom 9. Oktober 2008 IX R 69/07, BFH/NV 2009, 152).

So verhält es sich auch im Streitfall. Auch der Kläger zu 1) hat im Streitjahr 2000 weder aus den verfallenen Kaufoptionen im Anschaffungspreis von 1.306.866 DM noch aus den verfallenen Verkaufsoptionen im Anschaffungspreis von 200.042 DM einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder sonstigen Vorteil erlangt. Mithin hat der Kläger zu 1) den Einkunftstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG insoweit nicht erfüllt. Entgegen der Rechtsansicht der Kläger ist auch kein Vorteil im Sinn des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG darin zu sehen, dass dem Erwerber der Option ein Wahlrecht zwischen Ausübung und Nichtausübung der Option zusteht. Zweifellos ist es für den Kläger zu 1) zwar vorteilhaft gewesen, die optionalen Wertpapierkäufe oder -verkäufe bei gegenläufiger Kursentwicklung nicht durchführen zu müssen. Abgesehen davon, dass diese Rechtsüberlegung auf den Erwerb von Optionen, deren Bezugsgröße in einem Börsenindex besteht, ohnehin schon deshalb ausscheidet, weil die Option hier nicht einmal theoretisch auf die Durchführung eines Basisgeschäfts gerichtet ist, ist der rechtliche und wirtschaftliche Vorteil des Klägers zu 1) in Gestalt des Wahlrechts nicht - wie dies der Einkunftstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG verlangt - als Folge des Werts der veränderlichen Bezugsgröße (z.B. des Kurswerts oder Indexes) entstanden. Das Wahlrecht hat vielmehr allein auf der Rechtsnatur der Option beruht und ist keine rechtliche oder wirtschaftliche Folge des Termingeschäfts gewesen. Allein der Verfall wertlos gewordener Optionsscheine stellt keine Einkunftsart dar.

dd) Nach Ansicht des erkennenden Senats ergibt sich hieraus aber nicht ohne weiteres, dass ein fehlgeschlagenes Optionsgeschäft deswegen einkommensteuerrechtlich in jeder Hinsicht unbeachtlich ist, wie es der Beklagte annimmt.

Der Beklagte beruft sich auf die bestehende Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (vgl. Bundesministerium der Finanzen -BMF-Schreiben vom 27. November 2001, IV C 3 - S 2256 - 265/01, BStBl I 2001, 986 ff). Die Finanzverwaltung sieht in den Aufwendungen des Erwerbers für eine Optionsprämie im Zeitpunkt des Erwerbs der Option Anschaffungskosten für die Option selbst (vgl. BMF a.a.O. Rz. 14, 19), die sich bei Ausübung einer Kaufoption in Anschaffungskosten auf den Basiswert und bei Ausübung einer Verkaufsoption in Werbungskosten für die Veräußerung des Basiswerts wandeln. Die einkommensteuerrechtliche Auswirkung dieser Aufwendungen ergebe sich danach erst im Zeitpunkt der Veräußerung des Basiswerts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 EStG (vgl. BMF a.a.O. Rz. 15, 20). Erlangt der Optionskäufer (wiederum nur im Fall eines erfolgreichen Optionsgeschäfts) nur einen Barausgleich, so sollen die ursprünglichen Anschaffungskosten der Option Werbungskosten im Rahmen des Termingeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG darstellen (vgl. BMF a.a.O. Rz. 16, 21). Die Anschaffungskosten des Optionserwerbers sollen jedoch nach Ansicht der Finanzverwaltung einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung bleiben, wenn der Inhaber der Option diese (wegen des Wertverfalls) am Ende der Laufzeit "verfallen lässt" (vgl. BMF a.a.O. Rz. 18, 23). "Verfallenlassen" kann hierbei nur in dem Sinn verstanden werden, dass der Erwerber aus den dargestellten, wirtschaftlich verständlichen Gründen bei Wertlosigkeit von der Option keinen Gebrauch machen will.

Die Tatsache, dass sich die Aufwendungen des Klägers zu 1) für die Optionsprämien aus der retrospektiven Betrachtung als Fehlinvestitionen erwiesen haben, schließen deren Abzug als Werbungskosten im Rahmen der von ihm beabsichtigten sonstigen Einkünfte im Sinn des § 22 Nr. 2 EStG jedoch nicht aus. Es ist anerkannt und vielfach entschieden, dass einem Abzug von Aufwendungen grundsätzlich nicht entgegensteht, dass es letztlich zum Zufluss von Einnahmen nicht gekommen ist oder dass dem getätigten Aufwand kein Gegenwert gegenüber steht. Führen Aufwendungen nicht zu dem angestrebten wirtschaftlichen Erfolg, bleibt hiervon ihre einkommensteuerrechtliche Abziehbarkeit unberührt (vgl. zu Werbungskosten: Schmidt/Drenseck EStG 28. Aufl. 2009 § 9 Rz. 44). Es handelt sich in diesen Fällen um so genannte vergebliche oder fehlgeschlagene Aufwendungen (zum Begriff: BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 164/87, BFHE 168, 104, BStBl II 1992, 805).

Den einkommensteuerrechtlich wirksamen Abzug vergeblicher Aufwendungen hat die Rechtsprechung nicht nur für den Bereich von (vergeblichen) Betriebsausgaben im Hinblick auf künftige Gewinneinkünfte nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG (BFH-Beschluss des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830), sondern auch im Bereich vergeblicher Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) im Hinblick auf künftige Überschusseinkünfte im Sinn des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG zugelassen. Letzteres gilt beispielsweise für Schadensersatzleistungen oder Ablösezahlungen, die den Zweck verfolgen, sich von einer gescheiterten Investition zur künftigen Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu befreien (BFH-Urteile vom 7. Juni 2006 IX R 45/05, BFHE 214, 176, BStBl II 2006, 803 und vom 15. November 2005 IX R 3/04, BFHE 212, 45, BStBl II 2006, 258). Die Aufwendungen eines Arbeitssuchenden für seine Bewerbung um eine konkrete Arbeitsstelle sind gleichermaßen vorab entstandene Werbungskosten zum Zweck der künftigen Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die sich im Fall des Scheiterns seiner Bewerbungsbemühungen im Rückblick als vergeblich herausstellen (FG Hamburg Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2000 II 149/98, Haufe-Index 509303). Auch für den Verfall von Aktienoptionen, die ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer als Teil des Arbeitslohns eingeräumt hat, ist dies bereits entschieden. Die dem Arbeitnehmer hierfür entstandenen Aufwendungen hat der BFH als vergebliche Werbungskosten in Bezug auf künftige Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit angesehen (BFH-Urteil vom 3. Mai 2007 VI R 36/05, BFHE 218, 118, BStBl II 2007, 647).

Voraussetzung für den Abzug vergeblicher Werbungskosten ist jedoch, dass diese mit einer bestimmten Überschuss-Einkunftsart in einer klar erkennbaren Verbindung stehen (BFHUrteil vom 13. November 1973 VIII R 157/70, BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161). Im Streitfall hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Kläger zu 1) die Aufwendungen für den Erwerb der (am Ende der Laufzeit schließlich verfallenen) Kauf- und Verkaufsoptionen in der Absicht getätigt hat, in Erwartung der von ihm prognostizierten Preis- bzw. Kursentwicklung der Basiswerte Gewinn zu erzielen. Auch wenn Optionsgeschäften generell - ebenso wie den Optionsgeschäften des Klägers zu 1) im konkreten Streitfall - ein überdurchschnittlich spekulativer Charakter beigemessen werden muss, müsste jede andere Annahme als lebensfremd angesehen werden. Es kann dem Kläger zu 1) ja wohl kaum unterstellt werden, Verluste erzielt haben zu wollen. Darüber hinaus trägt der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung in überzeugender Weise vor, im Zeitpunkt des Erwerbs der Optionsscheine in keinem Fall beabsichtigt zu haben, die Optionen - etwa im Fall von "Aktien-Calls" oder "Aktien- Puts" - am Ende ihrer Laufzeit tatsächlich auszuüben. Der Kläger zu 1) ist bei all seinen Optionsgeschäften für den Erfolgsfall schon deshalb nicht an der Ausführung des Basisgeschäfts, d.h. des Erwerbs der Wertpapiere bzw. der Beschaffung zum Zweck ihrer Weiterveräußerung, interessiert gewesen, weil die Ausübung der Kauf- oder Verkaufsoptionen für ihn wegen des Wertverhältnisses zwischen Optionsschein und der jeweiligen Aktie überhaupt nicht finanzierbar gewesen wäre. Vielmehr ist die Absicht des Klägers zu 1), wie er zur Überzeugung des Senats glaubhaft darstellt, immer nur darauf gerichtet gewesen, allein aus den Optionsscheinen selbst - etwa durch deren profitable Weiterveräußerung - Einnahmen zu erzielen. Insoweit sich die Optionen des Klägers zu 1) auf (Börsen-)Indices bezogen haben, ist ein Basisgeschäft ohnehin von vorneherein auszuschließen gewesen. Die Einlassung des Klägers zu 1) ist auch deshalb glaubhaft, weil das vom Kläger zu 1) geschilderte Geschäftsverhalten im Optionsscheinhandel nach eigener Sachkunde des Senats der weithin üblichen Praxis entspricht.

Zur Überzeugung des Senats steht damit fest, dass der Kläger zu 1) in sämtlichen in Rede stehenden Fällen des Erwerbs später wertlos gewordener Optionsscheine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erzielen hat wollen und ihm eine entsprechende Einkunftserzielungsabsicht nicht abgesprochen werden kann. Da der Kläger zu 1) jedes einzelne seiner Börsengeschäfte im Streitjahr 2000 innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als einem Jahr abgewickelt hat und insbesondere die Laufzeit der in Rede stehenden (verfallenen) Optionsscheine ausnahmslos ein Jahr nicht überschritten haben, hätte er im Erfolgsfall des Eintritts der prognostizierten Kurs- oder Preisentwicklung seine Optionsprämien zweifellos einkommensteuerrechtlich geltend machen dürfen. Entweder hätten diese bei Weiterveräußerung der Optionsscheine vor Ablauf der Laufzeit Anschaffungskosten im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder bei Vereinnahmung eines Barausgleichs im Zeitpunkt der Beendigung der Option Werbungskosten im Sinn des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG im Rahmen eines Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG dargestellt. Die vom Kläger zu 1) zum Zweck der Erzielung der beschriebenen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften getätigten Aufwendungen für die Optionsprämien sind zunächst als vorab entstandene Anschaffungskosten bzw. Werbungskosten anzusehen gewesen, die sich nur infolge der für den Kläger zu 1) ungünstigen Entwicklung des Basiswerts schließlich als vergeblich bzw. fehlgeschlagen herausgestellt haben. Nicht zuletzt ist der BFH auch bei Verfall der Arbeitnehmer- Aktienoptionen von vergeblichen Werbungskosten ausgegangen, auch wenn sich diese auf die Erzielung von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Gestalt der aus der prognostizierten Erwartung der Aktienkurse ergebenden geldwerten Vorteile gerichtet haben (BFH-Urteil vom 3. Mai 2007 VI R 36/05, a.a.O.).

Sollten die vorgenannten Entscheidungen des BFH zu den fehlgeschlagenen Optionsgeschäften (BFH-Urteile vom 19. Dezember 2007 IX R 11/06 und vom 9. Oktober 2008 IX R 69/07, jeweils a.a.O.) dahingehend zu verstehen sein, dass die Aufwendungen des Optionserwerbers auch nicht als vergebliche Anschaffungskosten bzw. Werbungskosten im Rahmen eines beabsichtigten, jedoch fehlgeschlagenen Optionsgeschäfts abziehbar sind, schließt sich der erkennende Senat dieser Rechtsansicht nicht an. Dies würde nicht nur der Entscheidung zu den Arbeitnehmer-Aktienoptionen widersprechen (BFH-Urteil vom 3. Mai 2007 VI R 36/05, a.a.O.), sondern stößt auch in der Literatur auf gewisse Zweifel (vgl. Philipowski, DStR 2007, 1615; Schmidt/Weber-Grellet EStG 28. Aufl. 2009, § 20 Rz. 166). Wenn der Gesetzgeber vergebliche Anschaffungskosten bzw. Werbungskosten im Fall erfolgloser Optionsgeschäfte im Gegensatz zu vergeblichen Anschaffungskosten bzw. Werbungskosten bei anderen Einkunftsarten von der einkommensteuerrechtlichen Wirksamkeit hätte ausschließen wollen, hätte dies einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft.

c) Da der Senat die Abziehbarkeit der hier streitigen Aufwendungen für zulässig erachtet, bedarf es keiner Prüfung der Rechtsfragen, ob andernfalls durch den Vergleich mit vergeblichen Aufwendungen im Zusammenhang mit anderen (Überschuss-)Einkunftsarten die aus Art. 3 Grundgesetz (GG) abgeleiteten Gleichbehandlungsgrundsätze oder die Eigentumsgarantien nach Art. 14 GG wegen einer möglicherweise konfiskatorischen Besteuerung infolge einer nur einseitigen Berücksichtigung erfolgreicher Optionsgeschäfte berührt sein könnten.

3.) Die Einkommensteuer der Kläger für das Streitjahr 2000 sowie die sich nach Berücksichtigung des Verlustrücktrags ergebende Einkommensteuer für das Streitjahr 1999 ist danach wie folgt zu ermitteln (in DM):

 2000 1999
Zu versteuerndes Einkommen bisher 958.800 565.533
Berücksichtigung d. Verlusts aus verfall. Optionen bis z. Höhe d. Gewinns ./. 784.106 ...
Verlustrücktrag von 2000 auf 1999 ... ./. 439.785
Änderung Spendenabzug wg. abweichendem Gesamtbetrag d. Einkünfte ... + 2.511
Zu versteuerndes Einkommen neu 174.694 128.259
Einkommensteuer lt. Splittingtarif 49.912 31.658
Anrechnung ausländ. Steuer ./. 176 ...
Festzusetzende Einkommensteuer 49.736 31.658

Der zum 31.12.2000 verbleibende einkommensteuerrechtliche Verlustvortrag für die Einkünfte des Klägers zu 1) aus privaten Veräußerungsgeschäften berechnet sich wie folgt (in DM):

 Nicht in 2000 abziehbare Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ./. 722.802
Verlustrücktrag auf den Gewinn 1999 aus privaten Veräußerungsgeschäften + 439.785
Verbleibender Verlustvortrag 31.12.2000 für künftige Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften ./. 283.017

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5.) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1, Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Regelung gilt auch nach der Änderung der ZPO durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I 2198) sinngemäß noch für finanzgerichtliche Urteile (FG München Urteil vom 20. Januar 2005, 3 K 4519/01, EFG 2005, 969).

6.) Im Hinblick auf die vorgenannten bundesgerichtlichen Entscheidungen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Dezember 2007 IX R 11/06, a.a.O. und vom 9. Oktober 2008 IX R 69/07, a.a.O.) wird die Revision zum BFH gemäß § 115 Abs. 1 FGO zugelassen. Die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO sieht der Senat als erfüllt an.

Ende der Entscheidung

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