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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 15 K 1779/06
Rechtsgebiete: GG, VStG, FGO, AO
Vorschriften:
GG Art. 3 | |
VStG § 10 | |
FGO § 65 Abs. 1 | |
AO § 118 | |
AO § 155 Abs. 1 | |
AO § 162 Abs. 1 | |
AO § 235 Abs. 1 | |
AO § 235 Abs. 4 | |
AO § 238 Abs. 2 | |
AO § 347 | |
AO § 370 Abs. 1 |
In der Streitsache
...
hat der 15. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,
des Richters am Finanzgericht ....und
der Richterin am Finanzgericht ... sowie
der ehrenamtlichen Richter ... und ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Oktober 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1.) Der Bescheid vom 3.11.2000 über Hinterziehungszinsen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2006 wird insoweit geändert, als die hierin jeweils nach Anrechnung der Zinsen gemäß § 233a Abgabenordnung für hinterzogene
a) Vermögensteuer auf den 1.01.1989 festgesetzten Zinsen auf 0,- EUR (d.h. 0,- DM),
b) Vermögensteuer auf den 1.01.1990 festgesetzten Zinsen auf 19,43 EUR (d.h. 38,- DM),
c) Vermögensteuer auf den 1.01.1991 festgesetzten Zinsen auf 13,29 EUR (d.h. 26,- DM),
d) Vermögensteuer auf den 1.01.1992 festgesetzten Zinsen auf 25,05 EUR (d.h. 49,- DM), herabgesetzt werden.
2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids zur Festsetzung von Zinsen wegen hinterzogener Einkommensteuer für die Jahre 1989 bis 1997 sowie hinterzogener Vermögensteuer auf jeweils den 1. Januar der Jahre 1989 bis 1996.
Der ledige Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit sowie aus Kapitalvermögen. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1989, 1990, 1991 und 1992 erklärte der Kläger nur geringfügige Kapitaleinnahmen in der Größenordnung zwischen ca. 700 DM bis ca. 1.300 DM. Seine Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997 enthielten hingegen keine Angaben über Kapitaleinnahmen. Vermögensteuererklärungen gab der Kläger für die streitigen Stichtage nicht ab.
Umfassende finanzbehördliche Ermittlungen bei der X Bank erbrachten Erkenntnisse über bislang unbekannte Kapitalanlagen des Klägers bei der vorgenannten Bank, die zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung und zur Durchführung einer Fahndungsprüfung durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Y führten. Der Fahndungsprüfer hielt den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung von Einkommensteuern und Vermögensteuern für erfüllt und ermittelte für den gesamten streitigen Zeitraum zunächst die nachweisbaren Kapitaleinnahmen bzw. das nachweisbare Kapitalvermögen des Klägers aufgrund der vorgefundenen Unterlagen. Da der Kläger laut Fahndungsbericht vom 15.03.1999 bei der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nicht mitwirkte und der Anfangsbestand seines Kapitalvermögens zum 1.01.1989 nicht belegbar war, schätzte der Fahndungsprüfer zu diesem Stichtag eine Anfangs-Kapitalanlage von 50.000 DM, für die er in den Folgejahren die jeweils bankübliche Verzinsung annahm (vgl. Kurzmitteilung des Fahndungsprüfers vom 8.10.2002). Im Einzelnen ergaben sich somit für die Streitjahre folgende Einnahmebeträge (in DM):
Jahre | Angesetzte Kapitaleinnahmen | Hierin enthaltene Schätzungsbeträge |
1989 | 26.961,00 | 3.500,00 |
1990 | 33.342,00 | 3.745,00 |
1991 | 35.618,00 | 4.759,60 |
1992 | 43.057,00 | 4.945,97 |
1993 | 35.096,00 | 4.006,23 |
1994 | 31.565,00 | 3.538,84 |
1995 | 26.177,00 | 3.715,78 |
1996 | 22.251,00 | 3.121,26 |
1997 | 23.861,00 | 2.434,58 |
Für die streitigen Stichtage ergaben sich nach den Ermittlungen des Fahndungsprüfers folgende vermögensteuerrechtlich angesetztes Vermögen (in DM):
1.01.1989 | 1.01.1990 + 1.01.1991 | 1.01.1992 | 1.01.1993 + 1.01.1994 | 1.01.1995 + 1.01.1996 | |
1.) 140% d. Einheitswert d. inländ. Grundvermögens | ---------- | ----------- | ---------- | 9.240 | 9.240 |
2.) Summe d. Kapitalvermögens u. sonstigen Vermögens | 169.918 | 276.816 | 410.926 | 393.995 | 308.565 |
3.) Gesamtvermögen (nach Abzug der Schulden) | 112.211 | 182.129 | 275.919 | 291.051 | 314.330 |
4.) Gesamtvermögen gerundet | 112.000 | 182.000 | 275.000 | 291.000 | 314.000 |
5.) Steuerpfl. Vermögen (nach Abzug des Freibetrags) | 42.000 | 112.000 | 205.000 | 221.000 | 194.000 |
6.) in der Summe unter 2.) enthaltene Schätzung (teilw. gerundet) | 50.000 | 53.500 | 61.825 | 66.771 | 74.316 |
Der Beklagte folgte der Rechtsansicht des Fahndungsprüfers, änderte die bisher insoweit jeweils erklärungsgemäß festgesetzte Einkommensteuer aufgrund der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen entsprechend den Feststellungen im Fahndungsbericht und setzte mit Bescheiden jeweils vom 28.04.1999 die Einkommensteuer des Klägers für die Jahre 1989 bis 1997 erheblich herauf. Mit Bescheiden desselben Tages führte der Beklagte vermögensteuerrechtlich jeweils erstmals auf den Stichtag 1.01.1989 eine Hauptveranlagung, auf die Stichtage 1.01.1990, 1.01.1991 und 1.01.1992 eine Neuveranlagung sowie auf die Stichtage 1.01.1993, 1.01.1994 und 1.01.1995 und 1.01.1996 eine Hauptveranlagung durch. Im Einzelnen wird insoweit auf die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten (Einkommensteuer, Vermögensteuer) Bezug genommen. Gegen die bis dahin unangefochtenen Bescheide legte der Kläger mit Schreiben seines damaligen steuerlichen Vertreters vom 8.11.1999 unter gleichzeitiger Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zunächst Einspruch ein, nahm diesen jedoch mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 27.05.2002 wieder zurück. Der Kläger erklärte daraufhin persönlich die "Rücknahme" der Einspruchsrücknahme, worauf der Beklagte das Rechtsbehelfsverfahren fortsetzte, das jedoch erfolglos blieb (vgl. Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 17.10.2002). Die vom Kläger im Anschluss daran gegen die o.g. Steuerbescheide erhobene Klage (Az.: 15 K 4949/02) wurde durch Urteil des Einzelrichters vom 29.09.2005 abgewiesen. Das Urteil wurde nach erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesfinanzhof -BFH- (vgl. BFHBeschluss vom 1. Dezember 2005 VIII B 200/05) sowie erfolgloser Revision (vgl. BFHBeschluss vom 1. Dezember 2005 VIII R 67/05) rechtskräftig.
Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren hatte das Amtsgericht Z durch Strafbefehl vom 11.01.2000 abgeschlossen und gegen ihn wegen hinterzogener Einkommensteuer für 1992 bis 1997 eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 80 DM verhängt.
In Bezug auf die nachträglich festgesetzte Vermögensteuer war kein Strafverfahren eingeleitet worden.
Mit klagegegenständlichem Bescheid vom 3.11.2000 hatte der Beklagte gegen den Kläger Zinsen wegen hinterzogener Einkommensteuer für 1989 bis 1997 sowie wegen hinterzogener Vermögensteuer für 1989 bis 1996 wie folgt festgesetzt (in DM):
Steuerart und -zeitraum | Rechnerische Hinterziehungszinsen | Anzurechnende Verzinsung (§ 233a Abgabenordnung -AO-) | Festgesetzte Hinterziehungszinsen |
ESt 1989 | 4.773,00 | 2.064,00 | 2.709,00 |
ESt 1990 | 4.074,00 | 2.016,00 | 2.058,00 |
ESt 1991 | 4.292,50 | 2.424,00 | 1.868,50 |
ESt 1992 | 4.562,50 | 3.000,00 | 1.562,50 |
ESt 1993 | 2.449,00 | 1.896,00 | 553,00 |
ESt 1994 | 2.205,00 | 1.665,00 | 540,00 |
ESt 1995 | 1.102,00 | 725,00 | 377,00 |
ESt 1996 | 450,00 | 234,00 | 216,00 |
ESt 1997 | 247,00 | -------- | 247,00 |
VSt 1989 | 98,00 | 48,00 | 50,00 |
VSt 1990 | 215,00 | 120,00 | 95,00 |
VSt 1991 | 185,00 | 120,00 | 65,00 |
VSt 1992 | 310,00 | 240,00 | 70,00 |
VSt 1993 | 275,00 | 264,00 | 0,00 |
VSt 1994 | 209,00 | 203,50 | 0,00 |
VSt 1995 | 247,00 | 237,50 | 0,00 |
VSt 1996 | 133,00 | 123,50 | 0,00 |
Gesamtbetrag | 10.411,00 |
Mit Schreiben seines damaligen steuerlichen Vertreters vom 21.11.2000 legte der Kläger ausdrücklich nur gegen den Zinsbescheid in Sachen Vermögensteuer auf den 1.01.1989, 1.01.1990, 1.01.1991 und auf den 1.01.1992 mit der Begründung Einspruch ein, der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung wäre nur hinsichtlich der Einkommensteuern, nicht jedoch hinsichtlich der Vermögensteuer belegt. Im Ergebnis blieb der Einspruch gegen den Zinsbescheid erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24.03.2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Die vorliegende, am 24.04.2006 zur Niederschrift in der Geschäftstelle des Senats erhobene Klage richtet sich gegen den gesamten Zinsbescheid vom 3.11.2000, wird jedoch ausschließlich damit begründet, dass der Beklagte wegen der jeweils hinzu geschätzten Kapitaleinnahmen bzw. des jeweils hinzu geschätzten Kapitalvermögens keine Hinterziehungszinsen festsetzen habe dürfen.
Der Kläger beantragt,
den Zinsbescheid vom 3.11.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2006 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung des wegen hinterzogener Steuern jeweils zu verzinsenden Betrags an
1.) Einkommensteuer 1989 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 3.500,- DM,
2.) Einkommensteuer 1990 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 3.745,- DM,
3.) Einkommensteuer 1991 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 4.759,60 DM,
4.) Einkommensteuer 1992 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 4.945,97 DM,
5.) Einkommensteuer 1993 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 4.006,23 DM,
6.) Einkommensteuer 1994 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 3.538,84 DM,
7.) Einkommensteuer 1995 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 3.715,78 DM,
8.) Einkommensteuer 1996 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 3.121,26 DM,
9.) Einkommensteuer 1997 Einnahmen aus Kapitalvermögen von 2.424,58 DM,
10.) Vermögensteuer auf den 1.01.1989 ein Kapitalvermögen von 50.000,- DM,
11.) Vermögensteuer auf den 1.01.1990 und auf den 1.01.1991 ein Kapitalvermögen von jeweils 53.500,- DM,
12.) Vermögensteuer auf den 1.01.1992 ein Kapitalvermögen von 61.825,- DM,
13.) Vermögensteuer auf den 1.01.1993 und auf den 1.01.1994 ein Kapitalvermögen von jeweils 66.771,- DM und an
14.) Vermögensteuer auf den 1.01.1995 und auf den 1.01.1996 ein Kapitalvermögen von jeweils 74.316,- DM
als Besteuerungsgrundlagen außer Ansatz bleiben und die insoweit festgesetzten Zinsen entsprechend herabgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2006 hält es der Beklagte für rechtmäßig, zur Ermittlung der verkürzten Steuern die nicht aufklärbaren Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.
Trotz richterlichen Hinweises auf die sachlich beschränkte Anfechtung des klagegegenständlichen Zinsbescheids im finanzbehördlichen Rechtsbehelfsverfahren hält der Kläger die Klage ausweislich seiner Erklärung im Schriftsatz vom 15.08.2006 ausdrücklich in vollem Umfang aufrecht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Verwaltungsakten des Klägers und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8.10.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1.) Gegenstand der vorliegenden Klage ist der Zinsbescheid vom 3.11.2000 einschließlich sämtlicher hierin enthaltener Regelungen. Der im Streit stehende Zinsbescheid ist kein einheitlicher Verwaltungsakt über den Gesamtbetrag der hierdurch festgesetzten Zinsen, sondern setzt sich aus jeweils eigenständigen und deshalb auch selbständig anfechtbaren Regelungen im Sinn des § 118 Satz 1 AO für jede einzelne Steuerart und für jeden einzelnen Besteuerungszeitraum zusammen. Der Gegenstand des Klagebegehrens gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO (Streitgegenstand) ist dementsprechend teilbar.
2.) Die Klage ist insoweit unzulässig, als sie sich gegen die Festsetzung von Zinsen wegen hinterzogener Einkommensteuer 1989 bis 1997, sowie wegen hinterzogener Vermögensteuer auf die Stichtage 1.01.1993, 1.01.1994, 1.01.1995 und 1.01.1996 richtet. Da der damalige steuerliche Vertreter des Klägers den klagegegenständlichen Zinsbescheid hinsichtlich der vorgenannten Zinsfestsetzungen ausdrücklich nicht mit Einspruch gemäß § 347 AO angefochten hat, ist dieser nach Ablauf der durch § 355 Abs. 1 Satz 1 AO vorgegebenen Einspruchsfrist in diesem Umfang formell bestandskräftig geworden. Insoweit die vorliegende Klage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegen bestandskräftige Verwaltungsakte gerichtet ist, steht dem Senat keine Sachentscheidungsbefugnis zu.
Hinsichtlich der Zinsfestsetzung wegen hinterzogener Vermögensteuer zum 1.01.1989, 1.01.1990, 1.01.1991 und zum 1.01.1992 ist die Klage fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.
3.) Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet.
a) Hinterzogene Steuern sind gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinsbescheid hat sich an den Zinsschuldner im Sinn des § 235 Abs. 1 Satz 2 AO zu richten, d.h. an denjenigen, zu dessen Vorteil die Steuer hinterzogen worden ist. Voraussetzung ist hierfür die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Straftatbestands einer vollendeten Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO. Die Feststellung der Straftat ist strafrechtliche Vorfrage der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung (vgl. Bundesfinanzhof -BFHBeschluss des Großen Senats vom 5. März 1979 GrS 5/77, BStBl II 1979, 570; Beschluss vom 18. Dezember 1986 I B 49/86, BStBl II 1988, 213). Ob das Strafverfahren tatsächlich eingeleitet oder der Täter verurteilt worden ist, ist demgegenüber unerheblich (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 II R 25/99, BStBl II 2000, 378). Der Zinslauf beginnt grundsätzlich mit dem Eintritt der Steuerverkürzung (§ 235 Abs. 2 Satz 1 AO) und endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuer (§ 235 Abs. 3 Satz 1 AO). Soweit für die hinterzogene Steuer Zinsen nach § 233 a AO für denselben Zeitraum festgesetzt worden sind, sind diese auf die Hinterziehungszinsen anzurechnen (§ 235 Abs. 4 AO).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist der klagegegenständliche Zinsbescheid insoweit rechtswidrig, als der Beklagte als Bemessungsgrundlage auch diejenige Vermögensteuer zum 1.01.1989, 1.01.1990, 1.01.1991 und zum 1.01.1992 berücksichtigt hat, die auf den durch den Fahndungsprüfer jeweils hinzu geschätzten Kapitalvermögensbeträgen beruht haben.
aa) Zunächst ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger in Bezug auf die o.g. Vermögensteuern dem Grund nach eine Steuerhinterziehung begangen, d.h. sowohl den objektiven als auch den subjektiven Straftatbestand gemäß § 370 Abs. 1 AO verwirklicht hat. Der Kläger hatte es unterlassen, wegen seines nicht unerheblichen Kapitalvermögens beim Beklagten auf den Stichtag des 1.01.1989 zum Zweck einer Hauptveranlagung eine Vermögensteuererklärung abzugeben (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Vermögensteuergesetz in der damals geltenden Fassung -VStG-). Infolgedessen hatte der Beklagte weder zum 1.01.1989 noch zu den nachfolgenden drei Stichtagen des 1.01.1990, 1.01.1991 und des 1.01.1992, bei denen es sich nicht um Hauptveranlagungstermine gehandelt hatte (vgl. § 2 Abs. 1 Gesetz zur Änderung des Hauptfeststellungszeitraums für die wirtschaftlichen Einheiten des Betriebsvermögens sowie des Hauptveranlagungszeitraums für die Vermögensteuer, BGBl. I 1991, 1322) Vermögensteuer festgesetzt. Mithin hat der Kläger die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Vermögensteuer für die bezeichneten Streitjahre verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
bb) Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für die hinterzogene Vermögensteuer ist auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Unvereinbarkeit des § 10 VStG mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz (GG) noch zulässig gewesen. Auch wenn die zeitliche Anwendbarkeit der Vorschriften des VStG durch die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung bis 31.12.1996 begrenzt worden ist (BVerfG Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655), hat der Beklagte für hinterzogene Vermögensteuer aus der Zeit bis einschließlich des Jahres 1996 die Hinterziehungszinsen hierfür auch nach dem 31.12.1996 noch festsetzen dürfen (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 II R 25/99, BStBl II 2000, 378).
cc) Zinsen nach § 235 Abs. 1 Satz 1 AO dürfen jedoch nur in dem Umfang festgesetzt werden, als Steuer - hier: die Vermögensteuer - auch tatsächlich hinterzogen worden ist (BFHUrteil vom 18. März 1970 I R 176/69, BStBl II 1970, 556). Die Frage nach dem betragsmäßigen Umfang der Steuerhinterziehung ist somit eigenständig im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheids zu beantworten (BFHUrteil vom 19. März 1998 V R 54/97, BStBl II 1998, 466; vgl. auch Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler § 235 AO Rz. 46). Infolgedessen besteht auch keine Bindungswirkung gegenüber den im Streitfall auf die Stichtage 1.01.1989, 1.01.1990, 1.01.1991 und 1.01.1992 ergangenen und bereits bestandskräftigen Vermögensteuerbescheiden vom 28.04.1999.
Der Senat hat demnach auch in Bezug auf die vom Beklagten hinzu geschätzten und hier streitigen Beträge an Kapitalvermögen den Straftatbestand der Steuerhinterziehung zu prüfen. Die Befugnis der Finanzbehörden im Steuerfestsetzungsverfahren nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO, Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO dann schätzen zu dürfen, wenn diese nicht zu ermitteln oder zu berechnen sind, gilt grundsätzlich auch im Fall hinterzogener Steuern. Soweit jedoch die Feststellung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung eine strafrechtliche Vorfrage der Rechtmäßigkeit eines finanzbehördlichen Verwaltungsakts - wie im Streitfall des Zinsbescheids vom 3.11.2000 - darstellt, gilt hinsichtlich des Beweisgrads ebenfalls der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo", d.h. dass der Straftatbestand zweifelsfrei feststehen muss (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1986, a.a.O. und Urteil vom 14. August 1991 X R 86/88, BStBl II 1992, 128). Muss die hinterzogene Steuer mangels besserer Erkenntnismöglichkeiten der Finanzbehörde bzw. des Gerichts im Weg der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen errechnet werden, so sind an das Schätzungsverfahren wesentlich erhöhte Anforderungen zu stellen (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 235 AO Rz. 21,23). Die Schätzung hat mithin so zu erfolgen, dass der Betrag der auf jeden Fall hinterzogenen Steuer mit der Gewissheit strafrichterlicher Überzeugung feststeht, auch wenn der Steuerschuldner nicht in dem für das Besteuerungsverfahren zu fordernden Umfang bei der Sachverhaltsaufklärung mitwirkt (BFH-Urteil vom 14. August 1991, a.a.O.).
Die im Streitfall für die Stichtage 1.01.1989, 1.01.1990, 1.01.1991 und 1.01.1992 hinzu geschätzten Beträge an Kapitalvermögen stehen nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Nach der Erläuterung des Fahndungsprüfers in seiner schriftlichen Kurzmitteilung vom 8.10.2002 an den Beklagten, hat die Schätzung ausschließlich auf der Annahme beruht, der Kläger habe zum 1.01.1989, dem Beginn des Prüfungszeitraums, über ein Anfangskapitalvermögen von 50.000 DM verfügt. Zunächst ist nicht verständlich, was denn überhaupt unter dem Anfangsbestand zu verstehen sein soll, wenn das Kapitalvermögen durch den Fahndungsprüfer vermögensteuerrechtlich tatsächlich auf den 1.01.1989 ermittelt worden ist. Insoweit der Fahndungsprüfer bzw. in dessen Folge auch der Beklagte damit von einer eventuell weiteren und auch nach Abschluss der fahndungsrechtlichen Ermittlungen unbekannt gebliebenen und auch in den Folgejahren verzinsten Kapitalanlage ausgehen will, mag diese Annahme zwar nicht abwegig sein, entbehrt jedoch der notwendigen strafprozessualen Gewissheit. Dem Fahndungsbericht vom 15.03.1999 ist in dieser Hinsicht nur zu entnehmen, dass der Kläger jedenfalls zum 1.01.1989 einen nachgewiesenen Bestand an festverzinslichen Wertpapieren gehabt hat. Anhaltspunkte für eine darüber hinaus - eventuell bei weiteren Geldinstituten - bestehende Kapitalanlage sind in keiner Weise belegt. Die Annahme des Straftatbestands der Steuerhinterziehung auch in Hinsicht auf das hinzu geschätzte Kapitalvermögen ist demzufolge nicht tragfägig.
3.) Die hiernach festzusetzenden Zinsen errechnen sich folgerndermaßen:
a) Für die Zinsberechnung ergeben sich auf dieser Grundlage folgende Beträge an hinterzogener Vermögensteuer auf die Stichtage 1.01.1989, 1.01.1990, 1.01.1991 und 1.01.1992 (in DM):
1.01.1989 | 1.01.1990 1.01.1991 | 1.01.1992 | |
Sonstiges Vermögen laut VStB v. 28.04.1999 | 168.918 | 275.816 | 409.926 |
./. geschätztes Kapitalvermögen | ./. 50.000 | ./. 53.500 | ./. 61.825 |
Saldo | 118.918 | 222.316 | 348.101 |
./. Freibetrag nach § 110 BewG | ./. 10.000 | ./. 10.000 | ./. 10.000 |
Rohvermögen | 108.918 | 212.316 | 338.101 |
./. Schulden | ./. 46.707 | ./. 83.687 | ./.124.007 |
Gesamtvermögen | 62.211 | 128.629 | 214.094 |
Gesamtvermögen (abgerundet) | 62.000 | 128.000 | 214.000 |
./. Persönlicher Freibetrag | ./. 70.000 | ./. 70.000 | ./. 70.000 |
Steuerpflichtiges Vermögen | 0 | 58.000 | 144.000 |
Vermögensteuer (0,5%) | 0 | 290 | 720 |
b) Mangels hinterzogener Vermögensteuer auf den 1.01.1989 ergeben sich diesbezügliche Hinterziehungszinsen von 0,- EUR. Für die Stichtage 1.01.1990, 1.01.1991 und 1.01.1992 sind die Hinterziehungszinsen unter Berücksichtigung der Rundungsregelung des § 238 Abs. 2 AO wie folgt zu ermitteln (in DM):
Hinterzog. VSt | Abrundung (§ 238 Abs. 2 AO) | Beginn des Zinslaufs | Ende des Zinslaufs | Zinszeitraum in Monaten | Zinssatz (0,5% p.m.) | Zinsbetrag | |
VSt 1990 | 290 | 200 | 1.04.1992 | 1.06.1999 | 86 | 43 | 86,00 |
VSt 1991 | 290 | 200 | 1.04.1993 | 1.06.1999 | 74 | 37 | 74,00 |
VSt 1992 | 720 | 700 | 1.04.1994 | 1.06.1999 | 62 | 31 | 217,00 |
c) Die nach § 235 Abs. 4 AO hierauf anzurechnenden Zinsen gemäß § 233a AO errechnen sich wie folgt (in DM):
Doppelt verzinster Steuerbetrag | Beginn des doppelten Zinslaufs | Ende des doppelten Zinslaufs | Doppelt erfasste Zinsmonate | Zinssatz (0,5% p.m.) | Zinsbetrag | |
VSt 1990 | 200 | 1.04.1992 | 31.03.1996 | 48 | 24 | 48,00 |
VSt 1991 | 200 | 1.04.1993 | 31.03.1997 | 48 | 24 | 48,00 |
VSt 1992 | 700 | 1.04.1994 | 31.03.1998 | 48 | 24 | 168,00 |
d) Nach Anrechnung der Zinsen gemäß § 233a AO sind die im Zinsbescheid für Vermögensteuer auf den 1.01.1989, 1.01.1990, 1.01.1991 und 1.01.1992 festgesetzten Zinsen wie folgt zu ändern (in DM):
Rechnerische Hinterziehungszinsen | Anzurechnende Zinsen | Festzusetzende Hinterziehungszinsen | |
VSt 1989 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
VSt 1990 | 86,00 | 48,00 | 38,00 |
VSt 1991 | 74,00 | 48,00 | 26,00 |
VSt 1992 | 217,00 | 168,00 | 49,00 |
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Dem Kläger sind die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang aufzuerlegen, weil er mit seinem Klageantrag nur zu einem erheblich unter 5% liegenden Anteil obsiegt hat.
Ende der Entscheidung
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