Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 15 K 3058/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9
EStG § 33 Abs. 1
EStG § 33a Abs. 1
EStG § 33a Abs. 2
EStG § 33a Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

15 K 3058/05

Einkommensteuer 2001 und 2002

In der Streitsache

...

hat der 15. Senat des Finanzgerichts München

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Abzug von Schulgeld für ein Studium des Sohnes der Kl und von Aufwendungen für dessen Internatsunterbringung in Großbritannien als außergewöhnliche Belastungen in den Streitjahren 2001 und 2002.

B ist mit einem IQ von 133 hochbegabt. Er wechselte von der zweiten in die vierte Grundschulklasse und besuchte danach das Europäische Gymnasium in A. Ausweislich eines Schreibens des Allgemeinen Sozialdienstes vom 17. August 1999 verweigerte der Sohn der Kläger im Jahr 1999 die Schule und verhielt sich Mitschülern gegenüber aggressiv. Der Allgemeine Sozialdienst empfahl im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a des Kinder- und Jugendhilfegesetztes (KJHG) einen Besuch der Cademuir International School in Schottland, um einer bereits entstehenden Fehlentwicklung des Kindes entgegen wirken zu können und bleibende seelische und soziale Schädigungen zu verhindern. Ausweislich eines ärztlichen Gutachtens der Hausärztin des Sohnes der Kläger, Dr. S, vom 29. September 1999 leidet der Sohn der Kläger unter einer "minimal Brain Dysfunktion" in Sinne eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms, während seine verbal-akustischen und manuell-visuellen Fähigkeiten deutlich über den Fähigkeiten seiner Altersgruppe lägen. Dies führe zu einer Isolation von Klassenkameraden und intellektueller Unterforderung an deutschen allgemeinbildenden Schulen. Die Unterbringung an einer Schule für Hochbegabte sei notwendig, um einer nachhaltigen narzistischen Persönlichkeitsstörung mit reaktiver Depression bei anhaltender seelischer und mentaler Verarmung entgegen zu wirken. Eine solche Schule sei für die Altersgruppe, in der sich der Sohn des Klägers in den Streitjahren befunden habe, in Deutschland nicht verfügbar gewesen. Ergänzend bestätigte der Nervenarzt Dr. L am 19. Juli 1999, dass die Unterbringung des Sohnes der Kläger in einer Internatsschule in Schottland zum Wohl des Kindes und aus sozialpsychologischen und sozialmedizinischen Gründen therapeutisch notwendig sei. Der Amtsarzt der Stadt X, Dr. L, stellte in seinem Gutachten vom 20. Juni 2002 fest, dass bei Hochbegabung auftretende Störungen als Krankheit und als seelische Behinderung anzusehen seien und dass der Sohn der Kläger ausschließlich wegen einer Behinderung im Interesse einer angemessenen Ausbildung auf den Besuch einer Privatschule mit individueller Förderung angewiesen sei. Die Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung in einem Internat würden unmittelbare Krankheitskosten darstellen, da sie ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder zu dem Zweck erfolgten, die Krankheit erträglicher zu machen. Dabei erfolge die Schulausbildung des Sohnes der Kläger anlässlich einer Heilbehandlung und nicht nur nebenbei und nachrangig.

Die Kläger brachten ihren Sohn seit dem 28. August 1999 in einem Internat der Cademuir International School in Schottland unter. Er bestand im Mai 2003 das Abitur an der Cademuir International School und begann danach ein Studium an der Universität A. Die Stadt X zahlte an die Kläger zur Erledigung des Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht wegen der Gewährung von Jugendhilfe nach § 35a Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) für die Zeit von August 1999 bis Mai 2002 eine Betrag von 40.000 EUR. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erhielten die Kläger von der Stadt Augsburg einen Betrag in Höhe von 20.906,77 EUR für den Schulbesuch ihres Sohnes in der Zeit von Oktober 2002 bis August 2003.

Die Kläger machten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von xx.xxx DM (2001) und in Höhe von xx.xxx EUR (2002) geltend, die der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nicht zum Abzug zuließ. In den Einkommensteuerbescheiden für das Jahr 2001 vom 14. Februar 2003 und für das Jahr 2002 vom 25. März 2004 setzte das FA eine Einkommensteuer in Höhe von xx.xxx EUR (2001) bzw. in Höhe von xx.xxx EUR (2002) fest.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 legten die Kläger fristgemäß Einsprüche ein. Zur Begründung führten sie aus, dass es sich bei der Unterbringung ihres hochbegabten Sohnes in einem Internat in Großbritannien um eine Maßnahme zur Minderung bzw. Heilung einer Krankheit gehandelt habe.

In der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2005 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Das FA vertrat die Ansicht, dass es sich bei Schulgeld für den Besuch einer Privatschule um typische Kosten der Berufsausbildung handele, weshalb nach § 33a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Anwendung des § 33 EStG ausgeschlossen sei. Darüber hinaus scheitere die Annahme unmittelbarer Krankheitskosten und damit die Annahme außergewöhnlicher Belastungen daran, dass vor dem Besuch des Internats in Schottland kein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten eingeholt worden sei, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit des Internatsbesuchs ergeben habe. Die nachträgliche Vorlage eines amtsärztlichen Attestes könne keine Wirkung für die Vergangenheit entfalten.

Mit der dagegen durch Schriftsatz vom 9. August 2005 eingereichten Klage machen die Kläger geltend, dass die medizinische Notwendigkeit der Unterbringung des Sohnes der Kläger in einer Privatschule auch durch andere Nachweise wie die vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen habe nachgewiesen werden können. Wegen der von der Stadt X erhaltenen Zahlungen in Höhe von 40.000 EUR für die Zeit von August 1999 bis September 2002 und in Höhe von 20.906,77 EUR für die Zeit von Oktober 2002 bis August 2003 seien nur außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 9.331,98 EUR für das Jahr 2001 und in Höhe von 11.027,92 EUR für das Jahr 2002 zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters verwiesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

1. den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 14. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2005 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen in Höhe von x.xxx EUR als außergewöhnliche Belastungen bzw. als Sonderausgaben berücksichtigt werden,

2. den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 25. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2005 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen in Höhe von xx.xxx EUR als außergewöhnliche Belastungen bzw. als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2005 und die Schriftsätze des FA verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2001 und 2002 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

a. Das FA hat zu Recht die für den Schulbesuch der Kinder geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassungen steuermindernd berücksichtigt.

aa. Gemäß § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Zwangsläufigkeit ist nach § 33 Abs. 2 EStG dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

bb. Die Anwendung des § 33 EStG ist durch § 33a Abs. 5 EStG u.a. dann ausgeschlossen, wenn es sich um Aufwendungen für die Berufsausbildung von Kindern i.S. des § 33a Abs. 2 EStG handelt. Der Begriff der Berufsausbildung i.S. des § 33a Abs. 1 und 2 EStG ist weit zu fassen, er umfasst die gesamte Schulbildung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BStBl II 1993, 212). Eine Anwendung des § 33 EStG daneben ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn dem Steuerpflichtigen durch außergewöhnliche Umstände zusätzliche, durch die Pauschalregelungen des § 33a Abs. 2 EStG sowie im Falle der Schulausbildung von Kindern auch die durch zu beachtenden Pauschalen aus dem Familienleistungsausgleich (§ 31 EStG i.V.m. §§ 32 Abs. 6, 53, 66 Abs. 1 EStG) nicht abgegoltene besondere Aufwendungen entstehen (BFH-Urteil vom 17. April 1997 III B 216/96, BStBl. II 1997, S. 752). Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule stellen unabhängig von der Höhe der dadurch entstehenden Kosten noch keine derartigen Aufwendungen dar, da sie durch die Kinderfreibeträge wie auch das Kindergeld grundsätzlich abgegolten sind. Soweit darüber hinaus ausbildungsbedingte Mehrkosten durch eine auswärtige Unterbringung entstehen, werden diese durch den Ausbildungsfreibetrag i.S.d. § 33a Abs. 2 EStG pauschal in der dort vorgegebenen Höhe abgegolten.

Allerdings schließt § 33a Abs. 5 EStG die Anwendung des § 33 EStG nicht aus, wenn einem Steuerpflichtigen durch außergewöhnliche Umstände zusätzliche, durch die Pauschalregelungen des § 33a Abs. 2 EStG nicht abgegoltene besondere Aufwendungen entstehen. Das kann insbesondere bei Krankheitskosten der Fall sein. Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Krankheitskosten gehören nur dann zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel gemacht werden, die Krankheit erträglicher zu machen. In diesem Sinn sind alle Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung und für eine krankheitsbedingte Unterbringung als außergewöhnliche Belastung typisierend zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22. September 2005 IX R 52/03, BFH/NV 2006, 281). Nach der Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen von Eltern für die Internatsunterbringung dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn der Aufenthalt zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich unabdingbar notwendig ist und der Schulbesuch nur anlässlich dieser Heilbehandlung gleichsam nebenbei und nachrangig erfolgt (BFH-Beschluss vom 16. August 2006 III B 20/06, BFH/NV 2006, 2075).

cc. Der Abzug der geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen scheitert im vorliegenden Fall daran, dass die Kläger vor der Internatsunterbringung ihres Sohnes kein amtsärztliches Attest eingeholt haben, aus dem sich ergibt, dass eine Krankheit die Unterbringung des Sohnes in der Cademuir International School erforderlich gemacht hat. Sind Aufwendungen für Maßnahmen entstanden, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Erforderlichkeit deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH seit dem Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BStBl II 1980, 295, betr. Badekur in Ibiza) in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlung zweifelsfrei ergibt (BFH-Urteile vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386, betr. Frischzellenbehandlung; vom 9. August 1991 III R 54/90, BStBl II 1991, 920, betr. Bett mit motorgetriebener Oberkörperaufrichtung; vom 30. Juni 1995 III R 52/93, BStBl II 1995, 614, betr. Kuraufenthalt; vom 9. August 2001 III R 6/01, BStBl II 2002, 240, betr. Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BStBl II 2002, 592, betr. Neuanschaffung von Mobiliar wegen Formaldehydemission; vom 21. April 2005 III R 45/03, BStBl II 2005, 602, betr. Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe; BFH-Beschluss vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, betr. Aufwendungen für Fettabsaugung). Da es den Steuergerichten und Finanzbehörden nicht möglich ist, ohne sachkundige und Unvoreingenommenheit verbürgende Unterstützung anhand objektiver Kriterien über die Notwendigkeit und damit die Zwangsläufigkeit der Unterbringung eines Kindes in einem Internat zu entscheiden, ist ein vor der Durchführung der Maßnahme erstelltes Gutachten eines Amtsarztes unentbehrlich. Den Nachweis in dieser qualifizierten Weise zu führen, ist unverzichtbar, um die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu verhindern, mit der in besonderem Maße bei Aufwendungen zu rechnen ist, die ihrer Art nach auch deshalb getätigt werden, um Krankheiten lediglich vorzubeugen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 2000 III R 54/98, BStBl II 2001, 94; BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01, BStBl II 2002, 240). Ausnahmsweise genügen auch Bescheinigungen bestimmter weiterer amtlicher Stellen wie solche des medizinischen Dienstes einer öffentlichen Krankenversicherung, einer Versicherungsanstalt oder einer behördlichen Beihilfestelle (BFH-Beschluss vom 23. Oktober 2006 III B 142/05, BFH/NV 2007, 422). Durch die Einschaltung eines Amts- oder Vertrauensarztes --oder eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers wie einer Beihilfestelle oder einer gesetzlichen Krankenkasse-sollen zum einen Gefälligkeitsgutachten vermieden werden. Zu anderen ist eine vorherige Begutachtung vor allem deshalb erforderlich, weil sich frühere Gegebenheiten im Nachhinein regelmäßig nicht oder jedenfalls nicht zuverlässig feststellen lassen (BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841).

Bei dem am 29. September 1999 von der Hausärztin des Sohnes der Kläger, Dr. S, und dem am 19. Juli 1999 vom Nervenarzt Dr. L erstellten Gutachten handelt es sich nicht um Gutachten eines Amtsarztes oder anderer amtlicher Stellen. Eine von dem behandelnden Facharzt ausgesprochene Empfehlung steht einem amts- oder vertrauensärztlichen Attest oder Gutachten nicht gleich (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2007 III B 178/06, BFH/NV 2008, 561). Bei dem Gutachten des Allgemeinen Sozialdienstes der Stadt X vom 17. August 1999 handelt es sich zwar um ein vor der Internatsunterbringung eingeholtes Gutachten. In diesem wird jedoch nicht festgestellt, dass eine Krankheit die Unterbringung des Sohnes der Kläger in einem Internat wie der Cademuir International School erforderlich macht. Der Allgemeine Sozialdienst der Stadt X kommt in seinem Gutachten lediglich zu dem Ergebnis, dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand eine Betreuung und Beschulung des Sohnes der Kläger in der Cademuir International School erforderlich sei, um einer bereits bestehenden Fehlentwicklung des Sohnes der Kläger entgegen wirken zu können und bleibende seelische und soziale Schädigungen zu verhindern. Dass die Unterbringung des Sohnes der Kläger in einem Internat in Schottland zur Heilung oder Linderung einer Krankheit unabdingbar notwendig war und der Schulbesuch nur anlässlich einer Heilbehandlung nebenbei erfolgen sollte, kann dem Gutachten nicht entnommen werden. Kosten für die Unterbringung eines Kindes aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen sind jedoch nicht nach § 33 EStG zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 28. Februar 1964 VI 314/63 U, BFHE 79, 104, BStBl III 1964, 270; vom 18. April 1990 III R 160/86, BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962; Beschlüsse des BFH vom 17. August 1998 III B 92/97, BFH/NV 1999, 306; vom 25. Februar 2005 III B 13/04, BFH/NV 2005, 1065).

dd. Das nachträglich eingeholte Gutachten des Amtsarztes Dr. med. L vom 20. Juni 2002 genügt als Nachweis der Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen für den Besuch der Cademuir International School nicht.

Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Gutachten ausnahmsweise als ausreichend angesehen werden, wenn sich der Amtsarzt bei der Beurteilung des früheren Gesundheitszustandes nicht auf die Schilderungen und subjektiven Beurteilungen anderer behandelnder Ärzte oder deren eigene Vermutungen stützt, sondern wenn er sein Gutachten aufgrund objektiver, "apparatemedizinischer" Untersuchungen erstellen kann (BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841). Das nachträglich eingeholte Gutachten des Amtsarztes L vom 20. Juni 2002 genügt diesen Anforderungen nicht. Der Amtsarzt L erstellte sein Gutachten aufgrund der ihm überlassenen Gutachten (Testbericht Dipl.-Psychologe J vom 10. September 1996, Schreiben der AOK vom 20. Februar 1998, Bestätigung des analytischen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten M vom 25. Mai 1998, Gutachten des Dr. L vom 19. Juli 1999, Gutachten der Dr. S vom 29. September 1999, u.a.), in denen die Vorgutachter ihre eigenen Diagnosen und subjektiven Beurteilungen zum Ausdruck brachten. Eine erneute, persönliche Untersuchung des Sohnes der Kläger erfolgte nicht. Aus dem Inhalt des Gutachtens des Amtsarztes Dr. L ergibt sich, dass dieser sein Ergebnis nicht aufgrund objektiver, ihm vorliegender, apparatemedizinischer Untersuchungen, sondern mit Hilfe der ihm vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen anderer Ärzte fand.

Darüber hinaus hat der BFH hat in seinem Urteil vom 12. Juni 1991 III R 102/89 (BStBl II 1991, 763) ausnahmsweise in einem Fall, der sich auf die neuen Bundesländer beschränkt hat, die Vorlage eines erst nachträglich ausgestellten amtsärztlichen Attestes als zum Nachweis der Zwangsläufigkeit ausreichend anerkannt. Ein diesem Fall vergleichbarer Fall ist vorliegend nicht gegeben, da sich die vom BFH entschiedene Fallgestaltung auf Steuerpflichtige aus den neuen Bundesländern beschränkt hat, um die es sich im Streitfall jedoch nicht handelt.

Die nachträgliche Erstellung eines amtsärztlichen Attestes hat der BFH ausnahmsweise auch in dem Urteil vom 13. Februar 1987 III R 208/81 (BStBl II 1987, 427) mit der Erwägung zugelassen, dass von dem Steuerpflichtigen in dem vom BFH konkret entschiedenen Einzelfall nicht erwartet werden konnte, dass er die Notwendigkeit erkennt, eine amtsärztliche Begutachtung im Vorhinein vornehmen zu lassen, wenn die Rechtsprechung erstmals in einem Fall zur Frage der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen entscheidet. Nach Überzeugung des erkennenden Senats liegen ähnliche, dem vom BFH entschiedenen Fall vergleichbare Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Die Notwendigkeit einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung von Maßnahmen, die nicht eindeutig und unmittelbar der Behandlung oder Linderung einer Krankheit dienen, wird in der Rechtsprechung des BFH seit langem hervorgehoben. Diese Rechtsprechung hätte von den Klägern bzw. einem steuerlichen Berater, dessen Rat sie ggf. hätten einholen müssen, berücksichtigt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV 1997, 337).

ee. Auch für die im Schuljahr 2002 von den Klägern verauslagten Aufwendungen für den Besuch der Cademuir International School konnte der Nachweis der Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen nicht erbracht werden. Zwar wurde das amtsärztliche Gutachten am 20. Juni 2002 und damit noch im Laufe des Streitjahrs 2002 erstellt. Eine Anerkennung zeitlich danach entstandener Aufwendungen als zwangsläufig kommt aber deshalb nicht in Betracht, weil das amtsärztliche Gutachten jedenfalls nicht vor Beginn des betreffenden Schuljahrs als nach Auffassung des erkennenden Senats maßgeblichen Zeitraum der therapeutischen Maßnahme erstellt worden war.

b. Die Kläger können auch nicht 30% des an die Cademuir International School gezahlten Schulgelds in den Jahren 2001 und 2002 als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in Abzug bringen.

aa. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ermöglicht den Abzug von 30 von Hundert des Entgelts als Sonderausgaben, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemein bildenden Ergänzungsschule entrichtet mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung. Die Cademuir International School als Schule im Ausland ist nach dem Gesetzeswortlaut keine der in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG genannten Schulen, da nach diesem nur inländische Schulen unter § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallen können (BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 74/95, BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617).

bb. Die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf inländische Schulen verstößt jedoch grundsätzlich gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 11. September 2007, Rs. C-76/05 (Schwarz) entschieden hat. Mit Urteil vom 11. September 2007 hat der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren entschieden, dass dann, wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EGV fallen (also keine Privatschulen sind, die sich im wesentlichen aus privaten Mitteln finanzieren), Art. 18 EGV einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen steht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt. Gleiches gilt für Privatschulen, da dann ein Verstoß gegen Art. 49 EGV vorliegt. Dieser Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (Beschränkung des Sonderausgabenabzugs auf Schulgeldzahlungen an inländische Schulen) hat zur Folge, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG dahingehend gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden muss, dass auch Zahlungen an Schulen im übrigen Gemeinschaftsgebiet als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Die Abzugsfähigkeit ergibt sich aus dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot. Der Gleichheitssatz kann nur dadurch gewahrt werden, dass die Vergünstigung, die die Mitglieder einer begünstigten Gruppe erhalten, auch auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe erstreckt wird (ebenso FG Köln vom 14. Februar 2008 10 K 7404/01, DStR 2008, 663).

cc. Der Abzug von Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG scheitert jedoch daran, dass die Cademuir International School nicht allgemein zugänglich ist. Die Versagung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG für Schulgeld verletzt nämlich dann nicht das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, wenn die Höhe des Schulgeldes eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördert und es deshalb auch beim Besuch einer inländischen Schule steuerlich nicht berücksichtigt werden könnte (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 IX R 66/03, BStBl II 2005, 473).

Nach Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG ist die Genehmigung für den Betrieb einer privaten Ersatzschule zu versagen, wenn eine Sonderung der Schüler nach Besitzverhältnissen der Eltern gefördert wird. Aufgrund der hohen Schulgeldzahlungen könnte die Cademuir International School - wenn sie eine inländische Schule wäre - nach materiellem inländischem Recht nicht staatliche anerkannt, genehmigt oder erlaubt werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG als verletzt angesehen, wenn eine Schule nicht mehr allgemein zugänglich ist, d.h. wenn nicht alle Schüler ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage die Privatschule besuchen können (BVerfG-Urteil vom 8. April 1987 1 BvL 8, 16/84, BVerfGE 75, 40, 63 f.). Für das Jahr 1983 hat das BVerfG festgestellt, dass schon ein Schulgeld von 170 bis 190 DM monatlich zu einer verfassungsrechtlich untersagten Sonderung nach den Besitzverhältnissen führt. Der BFH hat die allgemeine Zugänglichkeit einer Privatschule in einem Fall, in dem im Streitjahr 1998 ein monatliches Schulgeld in Höhe von etwa 3.600 DM erhoben wurde, verneint (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 XI R 66/03, BStBl II 2005, 473; vgl. auch BFH-Beschluss vom 18. Juli 2005 XI B 50/04, BFH/NV 2005, 266).

Nach diesen Grundsätzen stellt die Cademuir International School keine allgemein zugängliche Schule dar mit der Folge, dass ein Abzug des Schulgeldes nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auch nach europarechtskonformer Auslegung der Norm nicht in Betracht kommt.

Der durchschnittliche Bruttojahresverdienst in der Bundesrepublik Deutschland lag im Jahr 2001 bei 38.204 EUR und im Jahr 2002 bei 39.440 EUR. Ehepaare mit zwei Kindern kamen bei einem Alleinverdiener auf einen durchschnittlichen Nettojahresverdienst von 25.649 EUR im Jahr 2000 und von 27.929 EUR im Jahr 2004 (vgl. Statistisches Jahrbuch 2005 für das Ausland des Statistischen Bundesamtes). Bei doppelt verdienenden Ehepaaren mit zwei Kindern lag der durchschnittliche Nettojahresverdienst bei 40.663 EUR im Jahr 2000 und bei 44.544 EUR im Jahr 2004 (Statistisches Jahrbuch 2005 für die Bundesrepublik Deutschland des Statistischen Bundesamtes). Wenn man berücksichtigt, dass die Kläger im Jahr 2001 Aufwendungen in Höhe von 51.616 DM (= 26.390 EUR) und im Jahr 2002 Aufwendungen in Höhe von 23.457 EUR trugen, dann bleibt unter Berücksichtigung der notwendigen (durchschnittlichen) Ausgaben für Lebenshaltungskosten kein finanzieller Raum, um einem Elternpaar - von zwei zu unterhaltenden Kindern - das jährliche Schulgeld für die Cademuir International School zu finanzieren (vgl. Urteil des Finanzgerichts Köln vom 29. November 2007 15 K 2532/06, EFG 2008, 606; Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 11.07.2007 2 K 1741/06, EFG 2007, 1943-1944).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

Zurück