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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 15 K 3193/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1
EStG § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 15. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ....,

des Richters am Finanzgericht ....... und

der Richterin am Finanzgericht ........ sowie

der ehrenamtlichen Richterinnen ...... und .......

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei den von der Klägerin finanzierten und mit einem Teil ihrer Mitarbeiter jährlich unternommenen, einwöchigen Italienreisen um pauschal zu besteuernde Betriebsveranstaltungen oder um geldwerte Vorteile der mitreisenden Angestellten gehandelt hat.

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2000 bis 2003 als gewerbliches Einzelunternehmen die Herstellung von Magnetspielen. Sie beschäftigte in ihrem Betrieb vier feste Angestellte und in diesem Zeitraum darüber hinaus eine wechselnde Anzahl von 17 bis 28 Aushilfskräften.

Die Aushilfskräfte waren jeweils nur zeitweise für verschiedene Hilfstätigkeiten (z.B. Klebe- und Vorsortierarbeiten) angestellt. In den Streitjahren unternahm die Klägerin zusammen mit den vier fest angestellten Mitarbeiterinnen, einer der Aushilfskräfte sowie mit der im Privathaushalt der Klägerin angestellten Haushaltshilfe S jeweils eine einwöchige Reise nach Italien, deren Kosten sich pro Person auf 2.215 DM (Jahr 2000), 2.620 DM (Jahr 2001), 913 EUR (Jahr 2002) und 1.225 EUR (Jahr 2003) beliefen und die die Klägerin vollständig übernahm.

Die Klägerin behandelte die Reisen als Betriebsveranstaltung und versteuerte sie für ihre vier festen Angestellten nach Maßgabe einer pauschalierten Lohnsteuer von 25% der Kosten.

Die Reisekosten für die Aushilfskraft T, deren regulärer Lohn unter dem Gesichtspunkt eines kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisses mit 25% pauschal versteuert worden war, blieben unversteuert. Die vom Beklagten bei der Klägerin für die Streitjahre durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung führte zu einer abweichenden lohnsteuerrechtlichen Behandlung dieses Sachverhalts. Die Lohnsteuerprüferin behandelte die jährlichen Reisen nicht als Betriebsveranstaltungen sondern als individuell zu besteuernde geldwerte Vorteile, weil sie die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erhebung einer pauschalierten Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschläge für die vier festen Angestellten der Klägerin nicht als erfüllt ansah. Die Reisekosten für die mitreisende Aushilfskraft unterwarf die Lohnsteuerprüferin erstmals einer pauschalen Lohnsteuer von 25%. Die bislang pauschaliert besteuerten Reiseaufwendungen der Klägerin für die Zeiträume 2000, 2001 und 2002 betreffend ihre vier festen Angestellten korrigierte die Lohnsteuerprüferin durch "negative Nachforderungen" an Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlägen. Eine entsprechende "Korrektur" unterließ sie hingegen für das Streitjahr 2003, weil die Klägerin die pauschalierte Lohnsteuer etc. für die Italienreise 2003 erst nach Abschluss der Ermittlungsarbeiten der Lohnsteuerprüferin im Rahmen der berichtigten Lohnsteueranmeldung für Dezember 2003 vom 8.04.2004 erklärte. Die Pauschalierungsschulden für die Reisekosten der vier Angestellten ergaben sich rechnerisch aus den Unterschiedsbeträgen der letztgenannten berichtigten Lohnsteueranmeldung für Dezember 2003 zu der vorangegangenen Lohnsteueranmeldung vom 15.01.2004. Die pauschalierte Lohnsteuer für die Reise der vier festen Angestellten in 2003 betrug danach 1.838,54 EUR, die Solidaritätszuschläge hierauf 101,12 EUR, die Kirchenlohnsteuer evangelisch und römisch-katholisch jeweils 64,35 EUR.

Im Einzelnen ergaben sich laut Prüfungsbericht vom 26.05.2004 - einschließlich hier unstreitiger Beanstandungen - rechnerisch folgende lohnsteuerrechtliche Änderungen (in EUR):

 2000200120022003Summen
Haftung LSt.2.357,062.614,741.612,002.193,008.776,80
Haftung KirchenLSt. rk.188,57209,17128,96175,44702,14
Haftung SoliZ129,64143,8088,66120,62482,72
Pausch. LSt. (feste Angestellte)- 1.699,29- 2.009,93- 1.370,19--------- 5.079,41
Pausch. Kirchen LSt. ev. (feste Angestellte)- 59,47- 70,35- 47,95--------- 177,77
Pausch. Kirchen LSt. rk. (feste Angestellte)- 59,47- 70,35- 47,96--------- 177,78
Pausch. SoliZ (feste Angestellte)- 93,45- 110,55- 75,36--------- 279,36
Pausch. LSt. (Aushilfskraft)283,13334,90228,25306,251.152,53
Pausch. Kirchen LSt. ev. (Aushilfskraft)6,617,815,327,1426,88
Pausch. Kirchen LSt. rk. (Aushilfskraft)13,2115,6310,6414,2853,76
Pausch. SoliZ (Aushilfskraft)15,5718,4212,5516,8463,38
Unstreitige Pausch. LSt.773,07773,07780,00780,003.106,14
Unstreitige Pausch. Kirchen LSt. ev.18,0418,0418,2018,2072,48
Unstreitige Pausch. Kirchen LSt. rk.36,0836,0836,4036,40144,96
Unstreitige Pausch. SoliZ42,5242,5242,9042,90170,84

Die Rechtsansichten der Lohnsteuerprüferin teilte auch der Beklagte und zog die Schlussfolgerungen durch Erlass eines Haftungs- und Nachforderungsbescheids. Der Haftungsbescheid enthielt in einer Summe die jeweiligen Haftungsschulden für alle Streitjahre zusammengefasst.

Im Nachforderungsbescheid addierte der Beklagte die jeweils für alle Streitjahre ermittelten positiven und negativen Beträge und setzte die jeweiligen Summen an Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlägen zugunsten bzw. zulasten der Klägerin fest.

Gleichzeitig hob der Beklagte für die geprüften Lohnsteuerzeiträume den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Dem zunächst falsch adressierten und deshalb vom Beklagten als nichtig angesehenen Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 21.06.2004 folgte der nunmehr klagegegenständliche zusammengesetzte Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 18.05.2006 mit folgendem Inhalt (in EUR):

 Haftungsschulden 2000 - 2003Pauschalierungsschulden 2000 - 2003
Lohnsteuer8.776,80- 820,74
Solidaritätszuschlag482,72- 45,14
Kirchenlohnsteuer evang.--------- 78,41
Kirchenlohnsteuer röm.-kath.702,1420,94

Der Einspruch der Klägerin vom 12.06.2006 gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid blieb erfolglos und wurde durch zusammengefasste Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 10.07.2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 9.08.2006 erhobene Klage, die die Klägerin wie folgt begründet:

Der klagegegenständliche Haftungsbescheid sei aufzuheben, weil es sich bei den jährlichen Reisen nach Italien um Betriebsveranstaltungen gehandelt habe. Die Übernahme der Kosten der Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung stelle keine Lohnzuwendung dar. Voraussetzung hierfür sei, dass sie als allgemein üblich angesehen werde und das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Förderung des Betriebsklimas den Entlohnungswillen verdränge und die Arbeitnehmer die Zuwendung nicht als Teil des Entgelts für ihre Arbeitsleistung betrachteten. Dies liege im Streitfall vor. Dass die Klägerin diese Reisen jeweils in erster Linie ihren vier festen Angestellten, nicht jedoch sämtlichen Aushilfskräften angeboten hat, schließe den Begriff der Betriebsveranstaltung nicht aus. Bei den Aushilfskräften habe es sich weitgehend um Schüler und Studenten, teilweise um Minderjährige gehandelt, die ihre Arbeiten meist von zu Hause verrichtet hätten und auch nur vorübergehend bei der Klägerin beschäftigt gewesen seien. Die Aushilfskräfte seien nicht in das betriebliche Stammpersonal eingegliedert gewesen und hätten auch ganz andere Aufgaben erledigt. Der klagegegenständliche Nachforderungsbescheid sei gleichfalls dahingehend zu korrigieren, dass nur die unstreitigen Nachforderungsbeträge für die Lohnsteuerzeiträume 2000 bis 2003 aufrecht erhalten blieben. Insbesondere die "negativen" Nachforderungsbeträge für 2000 bis 2002 seien wieder aufzuheben. Außerdem seien noch die für den Lohnsteueranmeldungszeitraum Dezember 2003 von der Klägerin angemeldeten Beträge für Lohnsteuer (i.H.v. 2.700,40 EUR), für Solidaritätszuschläge (i.H.v. 148,50 EUR), für Kirchenlohnsteuer evangelisch (i.H.v. 64,35 EUR) und für Kirchenlohnsteuer römisch-katholisch (i.H.v. 133,29 EUR) mit den bislang nachgeforderten Beträgen zu saldieren.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin die Klage hinsichtlich des Nachforderungsbescheids vom 18.05.2006 betreffend die Lohnsteuerzeiträume 2000, 2001 und 2002 zurück und beschränkte ihre Klage in Bezug auf den o.g. Nachforderungsbescheid betreffend den Lohnsteuerzeitraum 2003 auf die Verrechnung mit Lohnsteuer von 1.838,58 EUR, mit Solidaritätszuschlägen von 101,12 EUR und mit Kirchenlohnsteuer evangelisch und römisch-katholisch von jeweils 64,35 EUR.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 18.05.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2006 aufzuheben,

hilfsweise,

für den Fall der Klageabweisung, den zusammengesetzten Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 18.05.2006 in Bezug auf das Streitjahr 2003 dahingehend zu ändern, dass die für 2003 erklärten pauschalierten Beträge in Höhe von 1.838,58 EUR Lohnsteuer, 101,12 EUR Solidaritätszuschläge und jeweils 64,35 EUR Kirchenlohnsteuer römisch-katholisch und evangelisch mit den festgesetzten Haftungsbeträgen saldiert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht sei der zusammengefasste Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 18.05.2006 rechtmäßig. Es habe sich bei den Reisen gerade nicht um Betriebsveranstaltungen gehandelt. Zum einen hätten die Aufwendungen der Klägerin die hierfür vorgesehene Grenze von 200 DM bzw. 110 EUR pro Person deutlich überschritten, zum anderen stehe der Pauschalierung entgegen, dass die Klägerin diese Zuwendungen nur einem kleinen, auserwählten Kreis aus ihren Angestellten angeboten habe. Dadurch sei deutlich erkennbar, dass die jährlichen Reisen individuellen Entlohnungscharakter gehabt hätten. Eine Betriebsveranstaltung müsse eben dem gesamten Personal offen stehen, was im Streitfall nicht gegeben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Finanzamtsakten der Klägerin und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30.04.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.) Gegenstand der Klage ist - nach Berücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme - zum einen der Haftungsbescheid vom 18.05.2006 und zum anderen der Nachforderungsbescheid vom 18.05.2006 wegen des Lohnsteuerzeitraums 2003.

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung richtet sich die Klage auch gegen den o.g. Nachforderungsbescheid. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung der Klageschrift vom 9.08.2006 und des hierin zum Ausdruck gekommenen Willens der Klägerin. Dadurch, dass die Klägerin hierin nicht die ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheids sondern die Saldierung der festgesetzten Haftungsschulden mit den im Fall der Aufhebung des Haftungsbescheids fortbestehenden lohnsteuerrechtlichen Pauschalierungsschulden beantragt hat, wird das gegen beide Verwaltungsakte gerichtete Klagebegehren deutlich, auch wenn die Klägerin im Betreff der Klageschrift namentlich nur auf den Haftungsbescheid Bezug genommen hat. Der ursprünglich beantragte Umfang der Klage ist im Übrigen auch zweifelsfrei aus der Klagebegründung mit Schriftsatz der Klägerin vom 2.11.2006 ersichtlich.

2.) Die Klage ist insoweit unzulässig, als sie sich gegen die Nachforderung der pauschalierten Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschläge für die der Aushilfskraft T zugewendete Italienreise in 2003 richtet.

Der Anstellung der besagten Aushilfskraft hat nach den insoweit unstreitigen Feststellungen der Lohnsteueraußenprüferin ein kurzfristiges Beschäftigungsverhältnis zugrunde gelegen, das gemäß § 40a Abs. 1 EStG eine pauschale Besteuerung deren regulären Arbeitslohns in Höhe von 25% erlaubt hat. Die Beantwortung der in Bezug auf die festen Angestellten der Klägerin streitigen Frage, ob die Zuwendung der Kosten der Italienreisen - hier: im Jahr 2003 - eine Pauschalbesteuerung nach Maßgabe des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe von ebenfalls 25% erlaubt, hat auf die die Aushilfskraft T betreffenden Nachforderungsbeträge an Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlägen wegen der nämlichen Besteuerungshöhe keinen Einfluss. In dieser Hinsicht hat die Klägerin keine im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO hinreichend schlüssige subjektive Rechtsverletzung geltend gemacht. Da die Klägerin die Lohnbesteuerung der jährlichen Italienreisen ihrer Mitarbeiter generell nicht bestreitet und die Reisekosten der besagten Aushilfskraft u.a. für das Streitjahr 2003 bis zum Ergehen des klagegegenständlichen Nachforderungsbescheids unterblieben ist, ist die diesbezügliche Belastung der Klägerin nach ihrem eigenen Sachvortrag nicht überhöht.

3.) Soweit sich die Klage gegen die Festsetzung der lohnsteuerrechtlichen Haftungsschulden für die Streitjahre 2000, 2001, 2002 und 2003 richtet, ist sie zwar zulässig, jedoch unbegründet.

a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist es nach § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht. Zum Arbeitslohn in diesem Sinne zählen alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuer- Durchführungsverordnung -LStDV-). Unerheblich ist dabei, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV). Zahlt der Arbeitgeber Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen, so kann er die Lohnsteuer hierauf - abweichend vom Regelverfahren nach §§ 38 - 38 b EStG - mit einem Pauschsteuersatz von 25% erheben (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Ist die Pauschalierung hiernach zulässig, so hat der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer als eigene Schuld zu übernehmen (§ 40 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG).

b) Die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für die infolge der ihren vier fest angestellten Beschäftigten zugewendeten geldwerten Vorteile in Gestalt der Kosten der jährlichen Italienreisen in den Streitjahren 2000, 2001, 2002 und 2003 entstandenen Lohnsteuer ist zu Recht erfolgt und beruht auf § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dasselbe gilt für die Kirchenlohnsteuer (Art. 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 14 Bayerisches Kirchensteuergesetz -BayKiStG-) und der auf die Arbeitslöhne entfallenden Solidaritätszuschläge (§ 51 a Abs. 1, Abs. 2a EStG, § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a Solidaritätszuschlagsgesetz in der für die Besteuerungszeiträume geltenden Fassung -SolZG-). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG für eine lohnsteuerrechtliche Pauschalierung dieser Reisekosten sind nicht erfüllt.

aa) Die von der Klägerin für ihre vier unbefristet beschäftigen Angestellten übernommenen Reisekosten sind Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 LStDV. Arbeitslohn liegt nur dann nicht vor, wenn die Zuwendung im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt wird (Bundesfinanzhof -BFH-Urteile vom 17. September 1982 VI R 75/79, BStBl II 1983, 39 und vom 20. Mai 1983 VI R 39/81, BStBl II 1983, 712). Derartige Leistungen werden vom Arbeitgeber nicht mit dem Ziel der Entlohnung gewährt und vom Arbeitnehmer nicht als "Frucht" seiner Dienstleistung aufgefasst (BFH-Urteil vom 21. Februar 1986 VI R 21/84, BStBl II 1986, 406). Lohnsteuerfreie Zuwendungen in dem bezeichneten Sinne können auch anlässlich einer Betriebsveranstaltung gewährt werden. Unter Betriebsveranstaltungen sind beispielsweise jährliche Betriebsausflüge oder auch Betriebsreisen, Weihnachtsfeiern oder Jubiläumsfeste zu verstehen.

Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers kann etwa dann zu bejahen sein, wenn er durch die Betriebsveranstaltung den Kontakt der Arbeitnehmer unter einander und damit das Betriebsklima fördern möchte. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Zuwendung eine bestimmte Höhe pro Person nicht übersteigt (BFH-Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BStBl II 1992, 655). Die in diesem Zusammenhang richterrechtlich festgelegte Freigrenze liegt bei 200 DM bzw. 110 EUR pro Arbeitnehmer (BFH-Urteil vom 16. November 2005 VI R 151/99, BStBl II 2006, 439). Dem entspricht auch die lohnsteuerrechtliche Sachbehandlung durch die Finanzverwaltung (vgl. jeweils Abschnitt R 72 Abs. 4 Satz 2 Lohnsteuerrichtlinien 2000 bis 2003). Unerheblich in diesem Zusammenhang ist nach jüngerer und insoweit geänderter bundesgerichtlicher Rechtsprechung, ob die Zuwendung üblich oder die Betriebsveranstaltung mehrtägig ist (BFH-Urteil vom 16. November 2005 a.a.O.). Da im Streitfall die geringfügige Freigrenze unstreitig und eindeutig überschritten worden ist, kann an der Lohnsteuerpflicht der von der Klägerin ihren Angestellten zugewendeten geldwerten Vorteile in Gestalt der Reisekosten kein Zweifel bestehen.

bb) Ob die demnach einkommensteuerpflichtigen Zuwendungen der Klägerin der regulären Lohnbesteuerung nach §§ 38 - 38 b EStG unterliegen, wie es der Beklagte annimmt, oder entsprechend der Rechtsansicht der Klägerin nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich mit 25% pauschal lohnbesteuert werden dürfen, ist allein am Begriff der Betriebsveranstaltung zu entscheiden. Von Betriebsveranstaltungen kann allerdings nur gesprochen werden, wenn die Teilnahme daran allen Arbeitnehmern des Betriebs oder zumindest allen Arbeitnehmern einer bestimmten Betriebsabteilung offensteht (BFH-Urteil vom 4. August 1994 VI R 61/92, BStBl II 1995, 59). Die Begrenzung des Teilnehmerkreises ist nur dann für die Pauschalierungsoption unschädlich, wenn sie bei der Trennung nach Organisationseinheiten den betrieblichen Erfordernissen Rechnung trägt (vgl. Küttner/Thomas Personalbuch 2006, 13. Auflage Stichwort Betriebsveranstaltung Rz. 11).

Die von der Klägerin in den Streitjahren mit einem Teil ihrer Angestellten durchgeführten Italienreisen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Der Senat hält den Sachvortrag der Klägerin nicht für überzeugend, dass ihrer Entscheidung, die jährlichen Reisen nur mit ihrem Stammpersonal, nicht hingegen mit dem ständig wechselnden Aushilfspersonal unternommen zu haben, betriebliche Erfordernisse zugrunde gelegen hätten. Zunächst einmal ist der Unterschied zwischen unbefristet und befristet angestellten Arbeitnehmern nicht betriebsorganisatorischer sondern rein arbeitrechtlicher Art. Die zeitliche Beschränkung bei Aushilfsarbeitsverhältnissen ist allein kein geeignetes Abgrenzungskriterium für die Berechtigung zur Teilnahme an einer bestimmten Betriebsveranstaltung. Solche stehen üblicherweise allen zu diesem Zeitpunkt beschäftigten Arbeitnehmern offen. Auch sieht der Senat keinen Grund dafür, dass die Einbeziehung der Aushilfskräfte für das Betriebsklima im Betrieb der Klägerin belanglos wäre. Einzig überzeugender Abgrenzungsgrund wäre eine betriebsorganisatorische Trennung der Arbeitsabläufe der beiden Arbeitnehmergruppen. Nach dem Sachvortrag der Klägervertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung haben zwischen den einerseits dem Stammpersonal und andererseits den Aushilfskräften übertragenen Arbeiten Unterschiede bestanden. Die Produktion der Fertigungsteile, insbesondere die Magnetstanzarbeiten, und der Vertrieb der Produkte haben im Verantwortungsbereich des Stammpersonals gelegen, wogegen die reinen Sortier- und Klebearbeiten den Aushilfskräften zugekommen sind. Allein die hierdurch bestehende Arbeitsteilung ist jedoch noch kein ausreichendes Ausgrenzungskriterium. Arbeitsteilige Organisationsabläufe sind heutzutage in fast jedem Betrieb die Regel. Eine gewisse organisatorische Ausgliederung der Aushilfsarbeiten ist möglicherweise bei denjenigen wenigen Aushilfskräften anzunehmen, die in einer erheblichen Entfernung von bis zu 120 km vom Betriebssitz ihre Arbeiten verrichtet und im Allgemeinen keinen Kontakt zum Stammpersonal unterhalten haben, weil ihnen die Klägerin die für ihre Arbeiten notwendigen Materialien persönlich nach Hause gebracht und nach Fertigstellung dort wieder abgeholt hat. Dies hat nach dem Sachvortrag der Klägervertreterin jedoch nicht für den überwiegenden Teil der Aushilfskräfte gegolten, die im unmittelbaren örtlichen Umfeld des Betriebs tätig gewesen sind. Letztere haben nämlich ihre Arbeitsmaterialien persönlich im Betrieb der Klägerin abgeholt und nach Fertigstellung wieder zurückgebracht. Den Umstand, dass sie ihre Arbeiten regelmäßig zu Hause verrichtet haben, sieht der Senat noch nicht als zulässiges Ausgrenzungskriterium an. In einem kleinen Betrieb, wie dem der Klägerin, ist eine zeitliche und organisatorische Abstimmung unter den wenigen Beschäftigten und eine regelmäßige Kommunikation zwischen ihnen erforderlich und anzunehmen. Die jeweiligen Arbeiten müssen schließlich Hand in Hand erfolgen. Von zwei voneinander völlig unabhängig agierenden Betriebsabteilungen im o.g. Sinne kann deshalb nicht die Rede sein. Angesichts dieser Gegebenheiten sieht der Senat keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein betriebsinternes Erfordernis für eine weitgehende Ausgrenzung der Aushilfskräfte der Klägerin bei den jährlichen Italienreisen. Abgesehen davon hat die Klägerin weder die Differenzierung zwischen Stamm- und Aushilfspersonal noch die Differenzierung zwischen Betriebsangehörigen und Privatangestellten konsequent durchgehalten. Wenn die Klägervertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung als Grund für die Teilnahme der Aushilfsangestellten T und der Hausangestellten S auf deren Betriebsnähe verweist und keine weiteren Unterscheidungsgründe vorträgt, wird ersichtlich, dass die Auswahl der Reiseteilnehmer nicht an betriebsorganisatorische Bedingungen geknüpft gewesen ist.

Vielmehr sieht der Senat in der konkreten Auswahl des Teilnehmerkreises für die Reisen eher das wohl verstandene betriebliche Interesse der Klägerin zur Gewährung einer besonderen Auszeichnung des langjährigen Stammpersonals und den der Klägerin aus anderen Gründen persönlich näher stehenden Personen. Zweifellos ist eine solche Maßnahme geeignet, das Betriebsklima unter dem Stammpersonal zu verbessern und das Zusammengehörigkeitsgefühl der teilnehmenden Betriebsangehörigen zu fördern. Den jedoch nicht an organisatorischen Rahmenbedingungen orientierten Zuwendungen ist dann jedoch eher ein incentiver Charakter beizumessen. Eine die Betriebsgemeinschaft betreffende Betriebsveranstaltung ist darin nicht zu sehen. Solche Zuwendungen an einen auserwählten Kreis von Arbeitnehmern haben einen individualisierten Entlohnungszweck und unterliegen - entsprechend der im Streitfall erfolgten Handhabung durch den Beklagten - der regulären Lohnbesteuerung als geldwerter Vorteil nach §§ 38 - 38 b EStG (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1990 VI R 48/87, BStBl II 1990, 711).

cc) Der klagegegenständliche Haftungsbescheid begegnet schließlich im Hinblick auf seine Rechtsnatur als Ermessensentscheidung des Beklagten keinen rechtlichen Bedenken (§ 191 Abs. 1 Satz 1, § 5 AO).

Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch seitens des Beklagten sind nicht ersichtlich (§ 102 Satz 1 FGO). Insbesondere kann das Gericht keinen Ermessensfehler des Beklagten bei der Ausübung des Auswahlermessens feststellen.

Die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin als Arbeitgeberin anstelle der Inanspruchnahme der einzelnen Arbeitnehmer ist nicht zu beanstanden, weil letztere mit höherem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juli 1995 VI B 28/95, BFH/NV 1996, 32).

4.) Die Klage ist auch bezüglich des Hilfsantrags unbegründet.

Mit dem Antrag "auf Verrechnung" der bisher angemeldeten Pauschalierungsschulden bezweckt die Klägerin, eine doppelte Lohnbesteuerung des hier streitigen Sachverhaltes der Italienreisen ihrer fest angestellten Arbeitnehmer im Wege sowohl der Haftung als auch der Pauschalierung zu vermeiden.

a) Die von der Klägerin für Dezember 2003 angemeldeten Pauschalierungsschulden berühren die Rechtmäßigkeit des klagegegenständlichen Haftungsbescheids nicht. Die für das Streitjahr 2003 klagegegenständliche Festsetzung der lohnsteuerrechtlichen Haftungsschulden ist - wie unter Textziffer 3 ausgeführt - zu Recht erfolgt und beruht auf der Vorschrift des § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Höhe der lohnsteuerrechtlichen Haftungsschulden für 2003 wird durch die für 2003 zusätzlich angemeldeten und bezahlten Pauschalierungsschulden nicht gemindert. Der sachliche Widerspruch durch die doppelte lohnsteuerrechtliche Berücksichtigung desselben Sachverhalts im Wege sowohl der Haftung als auch der Pauschalierung kann nur durch die Korrektur der Pauschalierungsschuld, nicht hingegen durch Änderung des Haftungsbescheids aufgelöst werden.

b) Der Klägerin ist grundsätzlich einzuräumen, dass die in der Lohnsteueranmeldung für Dezember 2003 vom 8.04.2004 enthaltenen pauschalen Lohnsteuern von - wie beantragt - 1.838,58 EUR, die Solidaritätszuschläge von 101,12 EUR und die Kirchenlohnsteuern evangelisch und römisch-katholisch von jeweils 64,35 EUR für die Reisekosten ihrer vier fest angestellten Beschäftigten angesichts der Festsetzung der Haftungsschulden für diesen Arbeitslohn wieder zu korrigieren sind. Die hiernach erforderliche Korrektur kann aber nicht durch die im Hilfsantrag begehrte Änderung des klagegegenständlichen Nachforderungsbescheids für 2003 in einen "negativen" Nachforderungsbescheid erreicht werden. Für einen solchen Bescheid gibt es keine Rechtsgrundlage.

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat das Verhältnis eines Pauschalierungs- oder Nachforderungsbescheids, der einen Sachverhalt aufgreift, der in einer zuvor eingereichten Lohnsteueranmeldung zu erfassen gewesen wäre, aber zu Unrecht nicht erfasst worden ist, zu der insoweit unvollständigen Lohnsteueranmeldung als Verhältnis eines Änderungsbescheids zum Erstbescheid qualifiziert (BFH-Urteile vom 23. Oktober 1992 VI R 65/91, BStBl II 1993, 844 und vom 15. Mai 1992 VI R 183/88, BStBl II 1993, 829). Dies hat der BFH angenommen, obwohl ein Pauschalierungsbescheid lediglich eine punktuelle Korrektur des Steuerbescheids in Form der Lohnsteueranmeldung (§ 150 Abs. 1 Satz 3, § 167, § 168 Satz 1 AO) bewirkt und nicht den gesamten Inhalt der Lohnsteueranmeldung in sich aufnimmt (BFH-Urteil vom 15. Mai 1992, a.a.O.). Ein Pauschalierungsbescheid stellt als Nachforderungsbescheid hinsichtlich des nämlichen Lohnsteuerzeitraums insoweit eine erneut geänderte Lohnsteuerfestsetzung dar, als er die bislang unberücksichtigt gebliebenen Sachverhalte der (pauschalen) Lohnbesteuerung unterwirft. Ebenso wie eine Lohnsteueranmeldung oder auch eine die vorangegangene Lohnsteueranmeldung ändernde Lohnsteuerfestsetzung durch die Finanzbehörde nach § 164 Abs. 2 AO oder einer anderen Änderungsvorschrift schafft ein Nachforderungsbescheid den festsetzungsrechtlichen Rechtsgrund für die Erhebung der Lohnsteuerschulden. Stellt sich die im Rahmen einer Lohnsteueranmeldung erklärte Pauschalierungsschuld des Arbeitgebers nachträglich als unzutreffend heraus, so ist sie durch eine geänderte Lohnsteuerfestsetzung ohne die erklärten Pauschalierungsschulden zu korrigieren. Die zugunsten des Arbeitgebers geänderte Lohnsteuerfestsetzung hat dann erhebungsrechtlich einen Erstattungsanspruch zur Folge.

Für den Streitfall bedeutet dies Folgendes:

Die Lohnsteueranmeldung der Klägerin für Dezember 2003 vom 8.04.2004 ist als eine nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Lohnsteuerfestsetzung anzusehen, die die ursprüngliche, einer Lohnsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende Lohnsteueranmeldung (§ 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 AO) ersetzt hat. Der klagegegenständliche Pauschalierungsbescheid vom 18.05.2006, durch den die bisherigen Vorbehalte der Nachprüfung aufgehoben worden sind (§ 164 Abs. 3 AO), stellt als Nachforderungsbescheid hinsichtlich des Lohnsteuerzeitraums 2003 nur insoweit eine erneut geänderte Lohnsteuerfestsetzung dar, als er die Sachverhalte der Lohnbesteuerung der Italienreise der Aushilfskraft T sowie der unstreitigen weiteren Prüfungsfeststellung aufgegriffen hat, die in den zuvor für 2003 abgegebenen Lohnsteueranmeldungen zu erfassen gewesen wären, jedoch nicht erfasst worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1992, a.a.O.). Der klagegegenständliche Pauschalierungs- oder Nachforderungsbescheid hat hingegen keine Regelung bezüglich der hier streitigen Reisekosten der vier fest angestellten Beschäftigten der Klägerin enthalten und bedarf deshalb insoweit auch keiner Korrektur im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage.

Die in Bezug auf die streitigen Reisekosten zu Unrecht für 2003 angemeldeten Pauschalierungsschulden mögen durch eine diese Beträge aussparende, geänderte Lohnsteuerfestsetzung, nicht jedoch durch Erlass eines "negativen" Nachforderungsbescheids, wie ihn der Beklagte auch für die Streitjahre 2000, 2001 und 2002 erlassen hat, zu korrigieren sein. Regelungsgehalt eines die bisherige Lohnsteuer ändernden Pauschalierungsbescheids ist die festzusetzende Pauschalierungsschuld und nicht der sich erst aus dem erhebungsrechtlichen Abgleich mit vorangegangenen Festsetzungen ergebende Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Letztlich kann diese Frage jedoch dahin gestellt bleiben, weil sie nicht die klagegegenständlichen Verwaltungsakte betrifft und im weiteren finanzbehördlichen Verfahren zu klären ist.

5.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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