Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: 15 K 4118/07
Rechtsgebiete: AO, EStG, GmbHG
Vorschriften:
AO § 34 Abs. 1 | |
AO § 69 | |
AO § 191 Abs. 1 | |
EStG § 42d Abs. 3 | |
GmbHG § 64 Abs. 2 | |
GmbHG § 35 Abs. 1 |
In der Streitsache
...
hat der 15. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht .....,
des Richters am Finanzgericht ....... und
der Richterin am Finanzgericht .......... sowie
der ehrenamtlichen Richter .....und ......
ohne mündliche Verhandlung am 15. Dezember 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu Recht als Geschäftsführer seiner Gesellschaft mit beschränkter Haftung für deren lohnsteuerrechtliche Entrichtungsschulden in Haftung genommen worden ist.
Der Kläger war in dem in Rede stehenden Lohnsteueranmeldungszeitraum August 2004 als alleiniger Geschäftsführer der C GmbH (im Weiteren GmbH genannt) im Handelsregister beim Amtsgericht - Registergericht - eingetragen. Die GmbH zahlte die Löhne für ihre Arbeitnehmer für Mai 2004 am 4.06.2004, für Juni 2004 am 5.07.2004 und für Juli 2004 am 6.08.2004 aus. Das bei der Sparkasse geführte Kontokorrentkonto der GmbH wies zum 14.07.2004 einen Negativsaldo von 286.688,89 EUR, nach Auszahlung der Nettolöhne für Juli 2004 einen solchen von 246.192,23 EUR und am 26.08.2004 einen solchen von 209.387,21 EUR aus. Es handelte sich dabei jeweils um eine von der Sparkasse geduldete Kontoüberziehung. Nach den unstreitigen Angaben des Klägers erlitt die GmbH in diesem Zeitraum einen Forderungsausfall gegenüber einer Fa. A in Höhe von 100.274,43 EUR, die die Sparkasse zum Anlass nahm, den der GmbH geduldeten Überziehungskredit mit Mitteilung vom 10.09.2004 sofort fällig zu stellen. Infolgedessen blieb die hierdurch zahlungsunfähig gewordene GmbH dem Beklagten die seit 10.09.2004 fälligen lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden für den Anmeldungszeitraum August 2004 schuldig. Mit Vertrag vom 23.09.2004 übertrug die GmbH ihren gesamten Geschäftsbetrieb einschließlich aller Wirtschaftsgüter des Anlageund Umlaufvermögens auf die neu gegründete C GmbH & Co. KG,. Deren Kommanditist und gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, der C Verwaltungsgesellschaft mbH, war ebenfalls der Kläger. Auf den Eigenantrag der GmbH vom 20.10.2004 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 28.10.2004 (Az.: .......) das Insolvenzverfahren über deren Vermögen. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt G bestellt.
Das Insolvenzverfahren ist bislang noch nicht abgeschlossen. Nach Anhörung des Klägers mit finanzamtlichen Schreiben vom 12.11.2004 nahm der Beklagte den Kläger mit Haftungsbescheid vom 25.02.2005 in Höhe von 14.489,95 EUR als Geschäftsführer der GmbH in Haftung. Die festgesetzte Haftungsschuld setzte sich wie folgt zusammen (in EUR):
Haftungsschulden | Säumniszuschläge | |
Lohnsteuer August 2004 | 12.546,46 | 750,00 |
Solidaritätszuschlag hierzu | 585,95 | 33,00 |
Lohnkirchensteuer evang. hierzu | 243,35 | 12,00 |
Lohnkirchensteuer röm.-kath. hierzu | 301,19 | 18.00 |
Summe der Steuerbeträge | 13.676,95 | 813,00 |
Summe der Säumniszuschläge | 813,00 | |
Gesamtbetrag Haftung | 14.489,95 |
Der Einspruch des Klägers mit Schreiben vom 7.03.2005 hatte in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Beklagte die festgesetzte Haftungsschuld in seiner Einspruchsentscheidung vom 25.10.2007 auf 12.651 EUR herabsetzte und den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückwies. Die Verminderung der Haftungsschuld beruhte auf der Rechtsansicht des Beklagten, dass der Kläger nur wegen derjenigen lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden in Haftung genommen werden könnte, die bei Kürzung der Nettolöhne für Juli 2004 auf die am 6.08.2004 vorhandene Liquidität der GmbH entstanden wären. Im Ergebnis kürzte der Beklagte die Steuerschulden um 9,3% und berechnete hierauf für zwei Monate Säumniszuschläge.
Im Einzelnen ergab sich folgende Neuberechnung der Haftungsschuld:
Bisher festgesetzt | abzgl. 9,3% | Verminderte Beträge | Säumniszuschläge | |
Lohnsteuer August 2004 | 12.546,46 | 1.166,82 | 11.379,64 | 227,00 |
Solidaritätszuschlag hierzu | 585,95 | 54,49 | 531,46 | 10,00 |
Lohnkirchensteuer evang. hierzu | 243,35 | 22,63 | 220,72 | 4,00 |
Lohnkirchensteuer röm.-kath. hierzu | 301,19 | 28,01 | 273,18 | 5,00 |
Summe der Steuerbeträge | 13.676,95 | 1.217,46 | 12.405,00 | 246,00 |
Summe der Säumniszuschläge | 813,00 | 246,00 | ||
Gesamtbetrag Haftung | 14.489,95 | 12.651,00 |
Für die streitgegenständlichen Entrichtungsschulden hatte der Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2005 auch die C GmbH & Co. KG als Betriebsübernehmerin in Haftung genommen. Letztere hatte hiergegen fristgerecht Einspruch eingelegt, über den der Beklagte bislang noch nicht entschieden hat.
Gegen den Haftungsbescheid vom 25.02.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2007 richtet sich die mit Schriftsatz vom 22.11.2007 erhobene Klage, die der Kläger wie folgt begründet:
Der Haftungsbescheid sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig und ermessensfehlerhaft. Vor allem fehle es an dem für die Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers erforderlichen Verschulden des Klägers in der Form grober Fahrlässigkeit. Für den Kläger sei seinerzeit weder der Forderungsausfall gegenüber der Fa. A noch die Entscheidung der Sparkasse, die bisher im Umfang von 285.000 EUR geduldete Kontoüberziehung nicht mehr zu gewähren vorhersehbar gewesen. Die Kontostände vor und nach der Auszahlung der Arbeitslöhne für Juli 2004 hätten angesichts des bis dahin praktizierten Verhaltens der Sparkasse die vollständige Bezahlung der Lohnsteuer gewährleistet. Erst durch die überraschende Entscheidung der Sparkasse sei die GmbH zahlungsunfähig geworden. Dies könne dem Kläger ebenso wenig angelastet werden, wie die zwischenzeitlich eingetretene Änderung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung. Außerdem sei aus der Insolvenzmasse mit einer Befriedigungsquote von 50% zu rechnen.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid wegen Lohnsteuer, Solidaritätszuschläge hierauf, Lohnkirchensteuer evangelisch, Lohnkirchensteuer römisch-katholisch und Säumniszuschlägen betreffend den Anmeldungszeitraum August 2004 vom 25.02.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Ansicht sei die Haftungsinanspruchnahme des Klägers zu Recht erfolgt. Der Kläger habe sich nicht darauf verlassen dürfen, die Lohnsteuerrückstände durch Realisierung von Forderungsaußenständen ausgleichen zu können. Die bloße Wahrscheinlichkeit des Eingangs weiterer Geldmittel reiche zum Ausschluss des Verschuldens nicht aus. Dies sei nur im Fall einer verbindlichen Zusage des Eingangs zusätzlicher Geldmittel anders zu sehen. Einen solchen Sachverhalt habe der Kläger aber nicht nachgewiesen. Vielmehr habe er lediglich darauf vertraut, dass die finanzierende Bank weitere Kreditmittel zur Verfügung stellen würde. Ein solches Verhalten sei mindestens grob fahrlässig. Die Beschränkung der Haftung auf die im Zeitpunkt der Lohnauszahlung vorhandene Liquidität sei in der Einspruchsentscheidung berücksichtigt worden. Eine weitere Herabsetzung der Haftungsschuld komme nicht in Betracht.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die Finanzamtsakten des Klägers Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1.) Die Entscheidung ergeht gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
2.) Die fristgerecht erhobene, und daher zulässige Klage ist unbegründet.
a) Das Finanzamt hat beim Erlass des klagegegenständlichen Haftungsbescheids die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) beachtet und den Kläger zu Recht für die verbliebenen Steuerschulden der GmbH wegen Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlägen des Anmeldungszeitraums August 2004 zuzüglich eines Teils der hierdurch entstandenen Säumniszuschläge in Anspruch genommen.
aa) Die nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO erforderliche gesetzliche Haftung ergibt sich im Streitfall aus § 69 Satz 1 AO. Hiernach haften gesetzliche Vertreter juristischer Personen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 AO für deren Steuerschulden, soweit diese infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der den gesetzlichen Vertretern auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Zu diesem Personenkreis ist auch der Kläger zu zählen, weil er im Zeitraum der Entstehung und Fälligkeit der streitgegenständlichen Steuerschulden der GmbH als deren Geschäftsführer im Sinne des § 35 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) bestellt und im Handelsregister eingetragen gewesen ist. Maßgeblich ist hierbei allein die nominelle Bestellung zum Geschäftsführer ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich hat ausgeübt werden können oder sollen (Bundesfinanzhof -BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579). Den Kläger als Geschäftsführer der GmbH hat nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO insbesondere die Pflicht getroffen, dafür zu sorgen, dass die Steuern der Gesellschaft aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet hat. Dies gilt u.a. für die - hier im Streit stehende - Pflicht zur Abführung der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum August 2004 einbehaltenen Lohnsteuer ( § 38 Abs. 3 Satz 1, § 41 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz in der für die Anmeldungszeiträume geltenden Fassung -EStG), Lohnkirchensteuer (Art. 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Bayerisches Kirchensteuergesetz -Bay KiStG) und der auf die Arbeitslöhne entfallenden Solidaritätszuschläge ( § 51 a Abs. 2a EStG, § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a Solidaritätszuschlagsgesetz -SolZG). Die Haftung umfasst dabei nicht nur die bezeichneten Entrichtungssteuerschulden, sondern außerdem die für die Steuerschulden entstandenen Säumniszuschläge ( § 69 Satz 2 AO).
bb) Der Kläger hat es unterlassen, die in der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2007 genannten Steuerschulden der GmbH aus deren Vermögen an den Beklagten zu bezahlen und dadurch seine Entrichtungspflicht verletzt. Er kann sich im Streitfall auch nicht auf das die Haftung begrenzende Gebot der anteiligen Tilgung von Steuerschulden berufen. Es ist zwar grundsätzlich zutreffend, dass der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft deren Steuerschulden bei nicht ausreichender Liquidität lediglich in dem quotalen Verhältnis zu bezahlen braucht, in der die Gesellschaft auch fällige Forderungen anderer Gesellschaftsgläubiger zu bedienen vermag (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 VII R 34/92, BStBl II 1995, 230). Ist die Kapitalgesellschaft bereits illiquide, entfällt im Regelfall die Steuerentrichtungspflicht. Dieser Grundsatz ist nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung aber nicht ohne Weiteres auf die Pflicht zur Abführung von Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlägen anwendbar. Zeichnet sich bei Auszahlung der Arbeitslöhne bereits ab, dass die finanziellen Mittel der Gesellschaft nicht auch für die Entrichtungssteuerschulden ausreichen und muss der Geschäftsführer deshalb den Ausfall der steuerlichen Abzugsbeträge befürchten, so hat der Geschäftsführer die Arbeitslöhne entsprechend zu kürzen, sodass die vorhandenen Mittel sowohl die Nettolöhne als auch die Abzugssteuern abdecken ( BFHUrteile vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BStBl II 1988, 859 und vom 20. April 1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142).
Diese Befürchtung ist im Streitfall berechtigt gewesen, weil die GmbH nach dem Sachvortrag des Klägers bereits Monate vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Begleichung ihrer Verbindlichkeiten lediglich durch die Inanspruchnahme eines durch die Sparkasse geduldeten Überziehungskredits in beträchtlicher Höhe für ihr laufendes Bankkonto zu bewerkstelligen vermocht hat. Anders als bei einem so genannten Dispositionskredit oder gar einem regulären Darlehensvertrag, die beide nur aufgrund einer konkreten Vertragsverletzung seitens des Darlehensnehmers kündbar gewesen wären, hat der Kläger als Geschäftsführer der GmbH bei einer bloßen Duldung der Kontoüberziehung keinerlei solide Fremdfinanzierungsgrundlage gehabt, auf die er sich vernünftigerweise verlassen hätte können. Die Behauptung des Klägers, die Kontostände auf dem laufenden Bankkonto der GmbH hätten die Bezahlung der lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden gewährleistet, ist unzutreffend. Nicht der Kontostand, sondern die Duldung der Überziehung des Kontos durch die Sparkasse hätte die Abführung der Steuerabzugsbeträge ermöglicht. Ein geduldeter Überziehungskredit ist ein jederzeit und ohne ersichtlichen Grund beendbares Entgegenkommen des Kreditinstituts. Die Entscheidung der Sparkasse, den Schuldbetrag fällig zu stellen, mag auf der Kenntnis von dem behaupteten Forderungsausfall in Höhe von gerundet 100.000 EUR beruht haben, wäre aber auch ohne diesen und ohne Angabe von Gründen jederzeit zulässig gewesen. Auch wenn der Kläger - wie vorgetragen - auf den Fortbestand dieser Duldungspraxis durch das Kreditinstitut vertraut haben sollte, ist er damit bewusst ein ständiges Finanzierungsrisiko eingegangen. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Realisierung dieses Risikos im Streitfall für den Kläger unvorhersehbar gewesen ist, auch wenn die Entscheidung des Kreditinstituts für ihn möglicherweise doch überraschend gekommen ist. Im Streitfall hätte der Kläger somit für die Sicherstellung der lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden für die im August ausbezahlten Arbeitslöhne rechtzeitig Sorge tragen müssen.
cc) Die Pflichtverletzung durch den Kläger ist auch ursächlich geworden für den entsprechenden Ausfall der Steueransprüche des Finanzamts. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung hat die Haftungsnorm des § 69 AO Schadensersatzcharakter (für viele: BFH-Urteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271).
Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die pflichtwidrige Unterlassung der Begleichung der Entrichtungsschulden durch den Kläger den Ausfall der in der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2007 erfassten Steuerbeträge zur Folge gehabt hat. In diesem Zusammenhang ist die vom Kläger noch im Einspruchsverfahren vorgetragene Erwägung unerheblich, dass aus der rückblickenden Betrachtung die nicht abgeführten Steuerschulden für den Fall ihrer Bezahlung durch den für die GmbH später bestellten Insolvenzverwalter im Wege der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) zurückgefordert hätten werden können. Die Frage nach der Zulässigkeit der Berücksichtigung eines solchen hypothetischen Kausalverlaufs hat der BFH mit der Begründung eindeutig verneint, dass die im Zivilrecht für die Kausalität geltenden Grundsätze sowie der zivilrechtliche Schadensersatzbegriff nicht uneingeschränkt auf das Abgabenrecht übertragbar seien (BFH-Urteile jeweils vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, BStBl II 2008, 273 und VII R 30/06, BFH/NV 2008, 1 sowie vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18). Der Schutzzweck der steuerrechtlichen Haftungsvorschriften als Rückgriffsinstrument zur Sicherung des Steueraufkommens verbietet die Beachtung eines hypothetischen Kausalverlaufs wegen der damit verbundenen Unwägbarkeiten. Der Sicherungszweck der Haftungsnorm des § 69 AO verlangt daher nur die Berücksichtigung des tatsächlichen Kausalverlaufs und schließt die Beachtung hypothetischer Alternativen aus.
Die bezeichnete bundesgerichtliche Rechtsprechung ist auch auf den Streitfall anwendbar, obwohl diese erst nach dem hier zu beurteilenden Verhalten des Klägers als Geschäftsführer der GmbH ergangen ist. Eine Verschärfung der "zivilgerichtlichen" Rechtsprechung - wie der Kläger behauptet - ist nicht zu verzeichnen und wäre im Übrigen für die abgabenrechtliche Rechtsfrage auch nicht ohne Weiteres maßgeblich. Die Relevanz hypothetischer Kausalverläufe für die zivilrechtliche Schadenszurechnung mag eine Wertungsfrage für die konkret anzuwendende zivilrechtliche Rechtsnorm darstellen (z.B. Bundesgerichtshof -BGH-Urteil vom 7. Juni 1988 IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355). Dieser Überlegung hat sich der BFH jedoch - wie aus den o.g. Entscheidungen ersichtlich - nicht angeschlossen. Die Rechtsprechung des BFH zur Problematik von potentiellen Anfechtungstatbeständen in Haftungsfällen hat zu einer Korrektur der erstinstanzlichen Rechtsprechung geführt, stellt aber keine Änderung der Rechtsprechung des BFH dar.
dd) Aus demselben Grund kommt - entgegen der durch den Beklagten in der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2007 dem Kläger zugestandenen Verminderung der Haftungsschuld - auch die Berücksichtigung fiktiver Lohnkürzungen bei der Bemessung der Haftungssummen nicht in Betracht. Allein maßgeblich ist die Höhe der infolge der tatsächlichen Lohnauszahlungen entstandenen Abzugsbeträge und nicht deren fiktive Höhe bei Vornahme der pflichtwidrig unterlassenen Kürzung der Nettolöhne (BFH-Urteil vom 19. September 2007, a.a.O.). Entscheidend sind somit für die Haftung nicht diejenigen steuerlichen Abzugsbeträge, die das Finanzamt bei pflichtgemäßer Kürzung der Nettolöhne noch erhalten hätte können, sondern die als zwingende Folge der tatsächlich ausgezahlten Löhne kraft Gesetzes entstandenen. Die Frage des Vertrauensschutzes bei Verschärfung bundesgerichtlicher Rechtssprechung stellt sich jedoch insoweit im Streitfall nicht, weil eine Verschlechterung der prozessrechtlichen Lage des Klägers dem Senat wegen der Rechtsschutzfunktion des finanzgerichtlichen Verfahrens ohnehin verwehrt wäre (Gräber/von Groll FGO 6. Auflage 2006, § 96 Rz. 5).
ee) Der Kläger handelte im Sinne des § 69 Satz 1 AO auch mindestens grob fahrlässig, weil er - wie bereits oben unter bb) ausgeführt - mit einem nicht zu vernachlässigenden Steuerausfallrisiko rechnen hatte müssen. Die Zahlungsunfähigkeit der GmbH mag sich für den Kläger abrupt ergeben haben, gleichwohl ist sie angesichts des Kontostands nicht überraschend eingetreten. In diesem Zusammenhang bleibt auch noch zu berücksichtigen, dass der Kläger durch die praktizierte Auszahlung der Arbeitslöhne für die Monate Mai bis Juli 2004 jeweils erst in den ersten Tagen des Folgemonats ohnehin einen - durchaus zulässigen - Verzögerungseffekt für die Fälligkeit der lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden bewirkt hat. Demzufolge ist die Lohnsteuer etc. für die Arbeitslöhne für Juli 2004 erst am 10.09.2004 fällig geworden. Auf diese Weise hat ihm ein längerer Zeitraum von immerhin 5 Wochen für die Sicherstellung der haftungsrelevanten Steuerschulden bei Fälligkeit zur Verfügung gestanden, als es bei Auszahlung des Arbeitslohns zum Monatsende des arbeitsrechtlichen Lohnzahlungszeitraums (Ende Juli 2004) der Fall gewesen wäre.
Im Streitfall ist die Haftung des Klägers auch nicht durch die Masseerhaltungspflicht des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GmbHG ausgeschlossen. Danach würde sich der Geschäftsführer einer GmbH (zivilrechtlich) ersatzpflichtig machen, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH an deren Gläubiger noch Zahlungen leistete, es sei denn dies wäre mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar (vgl. zur Pflichtenkollision: BFH-Urteil vom 27. Februar 2007 VII R 67/05, BFH/NV 2007, 1732). Einer solchen Pflichtenkollision kann jedoch dann keine schuldausschließende Wirkung beigemessen werden, wenn der Geschäftsführer - wie im Streitfall der Kläger - die ungekürzten Nettolöhne auszahlt und es unterlässt, die Steuerbeträge abzusondern und zur Abführung an das Finanzamt bereitzuhalten ( BFH-Urteil vom 20. April 1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994,142). Abgesehen davon hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Begleichung der steuerlichen Abzugsbeträge als rechtlich zwingende Folge der vorherigen Auszahlung der Nettolöhne mit der Sorgfalt eines Geschäftsmanns vereinbar ist und auch deshalb keine Pflichtenkollision auslöst ( § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG).
b) Der klagegegenständliche Haftungsbescheid begegnet auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsnatur als Ermessensentscheidung des Beklagten keinen rechtlichen Bedenken ( § 191 Abs. 1 Satz 1, § 5 AO). Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch seitens des Beklagten sind nicht ersichtlich ( § 102 Satz 1 FGO).
Insbesondere hat der Beklagte auch sein Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Die unmittelbare Inanspruchnahme der von der Lohnzahlung für Juli 2004 betroffenen Arbeitnehmer der GmbH durch den Beklagten ist wegen § 42 d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG auszuschließen gewesen. Eine solche scheidet aus, wenn die nicht an das Finanzamt abgeführten Entrichtungssteuern vom Arbeitgeber - wie im Streitfall - ordnungsgemäß einbehalten und angemeldet worden sind. Dies ist auch bei der Haftung für lohnsteuerrechtliche Entrichtungsschulden nach § 69 AO zu beachten. Da der Beklagte - wenn auch erst im Verlauf des Einspruchsverfahrens - mittels Bescheids vom 15.11.2005 zusätzlich die C GmbH & Co. KG als Betriebsübernehmerin im Sinne des § 75 AO für die streitgegenständlichen Entrichtungsschulden in Haftung genommen hat, hat er sämtliche Möglichkeiten für die Durchsetzung der Haftungsschuld ausgeschöpft. Über die Anmeldung der Entrichtungssteuern zur Insolvenztabelle ( §§ 174 ff InsO) hinaus ist dem Beklagten eine unmittelbare Haftungsinspruchnahme der GmbH als Arbeitgeberin gemäß § 42 d EStG wegen § 87 InsO bislang verschlossen geblieben.
Der Beklagte muss sich auch nicht vorhalten lassen, dass angeblich mit einer Befriedigungsquote von 50% aus der insolvenzrechtlichen Verteilungsmasse zu rechnen sei. Zum einen ist diese Behauptung des Klägers durch nichts belegt, zum anderen ist es dem Beklagten auch nicht zumutbar, mit seiner Haftungsinanspruchnahme den üblicherweise mit erheblichen Unwägbarkeiten behafteten Ausgang des Insolvenzverfahrens abwarten zu müssen.
Schließlich hat der Beklagte auch die Säumniszuschläge zu den rückständigen bzw. verspätet bezahlten Entrichtungsschulden dem Grunde nach ermessensfehlerfrei in den Haftungsbescheid mit aufgenommen. Grundsätzlich ist schon richtig, dass bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Steuerschuldners die Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen zumindest zur Hälfte zu erlassen sind, weil diese ihren teilweisen Zweck als "Druckmittel eigener Art" verloren haben (für viele: BFH-Urteil vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2000, 161). Die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners für die zweite Hälfte der vom Steuerschuldner verwirkten Säumniszuschläge ist hingegen zulässig (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 VII R 63/)), BStBl II 2001, 217). Angesichts des zwischen der Fälligkeit der lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden am 10.09.2004 und der Bekanntgabe des Haftungsbescheids am 25.02.2005 verstrichenen Zeitraums ist die Höhe der in die Haftungsinanspruchnahme aufgenommenen Säumniszuschläge auch unter Berücksichtigung der o.g. Rechtsprechung nicht zu beanstanden.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.