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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 21.06.2005
Aktenzeichen: 2 K 3182/02
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

2 K 3182/02

Einkommensteuer 2000

In der Streitsache

hat der 2. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht des Richters am Finanzgericht xxx und des Richters am Finanzgericht xxx sowie der ehrenamtlichen xxx und xxx

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 21. Juni 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob die bei der Vereinigung der Anteile einer Gesellschaft in der Hand des Bewerbers nach § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) anfallende Grunderwerbsteuer den erworbenen Anteilen als Anschaffungskosten zuzurechnen oder als Werbungskosten sofort abzugsfähig ist.

I.

Im Streitjahr 2000 wurde der Kläger durch Zuerwerb zweier Anteile an der Akustikbau A GmbH (GmbH) zum Kaufpreis von je 300.000 DM Alleinanteilseigner der GmbH. Die Beteiligung hält er im Privatvermögen. Für den Anteilserwerb setzten der Beklagte (das Finanzamt -FA-) Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG hinsichtlich des Grundbesitzes der GmbH in B in Höhe von 45.045 DM und das FA C hinsichtlich des Grundbesitzes der GmbH in C in Höhe von insgesamt 57.470 DM beim Kläger bestandskräftig fest.

Für diese in Höhe von insgesamt 102.515 DM im Jahr 2000 bezahlte Grunderwerbsteuer wie auch für Darlehenszinsen beantragte der Kläger in der Einkommensteuererklärung 2000 den sofortigen Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Abweichend davon rechnete das FA im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 14. Januar 2002 die Grunderwerbsteuer den Anschaffungskosten zu, da "durch die Auslösung des Grunderwerbsteuertatbestandes wegen des Anteilserwerbes ein unmittelbarer Bezug zur Anschaffung der Anteile gegeben" sei. Darüber hinaus erging der Bescheid vorläufig u.a. hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen, weil zur Zeit die Überschusserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden könne.

Auf den dagegen geführten Einspruch des Klägers hin setzte das FA unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2000 vom 14. Januar die Einkommensteuer 2000 mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2002 nicht mehr vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich der Überschusserzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen fest; im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück, da die Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG Anschaffungsnebenkosten für den Erwerb der GmbH-Anteile darstelle und insoweit den Anschaffungskosten zuzurechnen sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Zur Begründung trägt er unter Berufung auf Müller, DB 1997,1433 vor, dass Anschaffungsnebenkosten begriffsnotwendig den Erwerb eines mit Anschaffungskosten zu bilanzierenden Vermögensgegenstandes i. S. von § 255 Abs. 1 HGB verlangen würden, woran es bei der Anteilsvereinigung fehle. Konkret fehle es am Erwerb eines Grundstücks. Deshalb gehöre die anfallende Grunderwerbsteuer nicht zu den Anschaffungs(neben)kosten, sondern sei sofort abzugsfähiger Aufwand. Weiter trägt er unter Hinweis auf Ellrott/Schmitt-Wendt in Beck Bil-Komm., § 255 Rn 325 unter "Grunderwerbsteuer" vor, dass fiktive Grundstückserwerbe und nicht der gesellschaftsrechtliche Erwerb der Anteile besteuert würden. Da damit ein unmittelbarer Bezug der Grunderwerbsteuer zum Erwerb des die Anteilsvereinigung bewirkenden Anteiles fehle, könne die anfallende Grunderwerbsteuer nicht als Anschaffungsnebenkosten gerade des erworbenen Anteils aktiviert werden. Knüpfe der Grunderwerbsteuertatbestand wie im vorliegenden Fall an fiktive Grundstückserwerbe an, seien weder Anschaffungsnebenkosten der Grundstücke, noch des Anteilserwerbs gegeben. Heine, INF 2002, 44 bestätige diese Auffassung. Da demnach bei Erwerb von Gesellschaftsanteilen keine Anschaffung von Grundstücken in bilanzrechtlichem Sinne durch die betroffene Gesellschaft erfolge, entstünden weder Anschaffungskosten für die Grundstücke noch für den Erwerb von Anteilen an Gesellschaften. Dies gelte auch bei der Vereinigung der Anteile einer Gesellschaft in der Hand des Erwerbers, wenn Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG anfalle. Für den Erwerb der Beteiligung in Höhe der bei den Gesellschaftern anfallenden Grunderwerbsteuer entstünden vielmehr eigene (Sonder-) Werbungskosten. Wegen des weiteren Vertrags des Klägers wird gemäß § 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf den Klageschriftsatz vom 19. Juli 2002 samt Anlagen verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2000 vom 14. Januar 2002 und der zugehörigen Einspruchsentscheidung vorn 19. Juni 2002 bei Ansatz weiterer Werbungskosten in Höhe von 102.515 DM bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Einkommensteuer 2000 neu festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

Klageabweisung.

Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.

Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

II.

1. Die Klage ist unbegründet, weil die bei der Anteilsvereinigung der GmbH-Anteile in der Hand des Klägers nach § 1 Abs. 3 GrEStG beim Kläger anfallende Grunderwerbsteuer den erworbenen Anteilen als Anschaffungskosten zuzurechnen ist.

Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können; hierzu zählen gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere auch die Nebenkosten. Dieser handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz (EStG) nicht nur der Bewertung in der Steuerbilanz (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhof vom 17. Oktober 2001 l R 32/00, BStBI M 2002, 349 m.w.N.), sondern auch bei der Bewertung im Privatvermögen gehaltener Wirtschaftsgüter zugrunde zu legen.

Der Anschaffungskostenbegriff beinhaltet damit - unter Ausschluss der Gemeinkosten - alle mit dem Anschaffungsvorgang verbundenen Kosten (s. bereits BFH-Urteil vom 19. April 1977 VIII R 44/74, BStBI II 1977, 600 sowie Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 255 HGB Anm. 18 und Knop/Küting in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung Einzelabschluss, § 255 HGB Anm. 8, 27). Anschaffungskosten (jedenfalls) in Form der Nebenkosten der Anschaffung i. S. des § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB sind somit alle sonstigen Aufwendungen des Erwerbers neben der Entrichtung des Kaufpreises, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbesondere zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen (s. u.a. BFH-Urteil vom 6. Juli 1989 IV R 27/87, BStBI II 1990, 126). Nicht entscheidend ist dabei, ob diese Kosten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im Anschluss hieran als "unmittelbare Folgekosten des Erwerbsvorgangs" anfallen (s. BFH-Urteile in BStBI II 1990, 126; vom 12. April 1984 IV R 137/80, BStBI II 1984, 489; vom 5. Mai 1983 IV R 18/80, BStBI II 1983, 559; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BStBI II 1978, 620). Die Frage, welche Kosten dem Anschaffungsvorgang im Einzelfall zuzuordnen sind, ist vielmehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1983 IV R 160/78, BStBI II 1984, 101; vom 13. September 1984 IV R 101/82, BStBI II 1985, 49; vom 3. Juli 1997 III R 114/95, BStBI II 1997, 811).

2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf vorliegenden Streitfall ergibt sich, dass die vom Kläger aufgrund der GmbH-Anteilsvereinigung in seiner Hand nach § 1 Abs. 3 des GrEStG zu zahlende Grunderwerbsteuer als unmittelbare Folgekosten für die Anschaffung der beiden Restanteile an der GmbH diesem Erwerb wirtschaftlich zurechenbar und damit Anschaffungsnebenkosten i. S. von § 255 Abs. 1 HGB sind.

Zwar werden nach § 1 Abs. 3 GrEStG, wie Ellrott/Schmitt-Wendt in Beck Bil-Komm. zu § 255 Rn 325 unter "Grunderwerbsteuer" unter Hinweis auf Fischer in Boruttau, § 1 Abs. 3 GrEStG Rz 855 zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung vortragen, fiktive Grundstückserwerbe und nicht der (gesellschaftsrechtliche) Erwerb der Anteile besteuert; denn grunderwerbsteuerrechtlich wird danach mit dem (letzten) Anteilserwerb derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. § 1 Abs. 3 GrEStG behandelt mithin den Inhaber der Anteile, also auch den Kläger als nunmehrigen Alleinanteilseigner der GmbH so, als gehörten ihm zufolge dieser Vereinigung in seiner Hand die Grundstücke, die dieser weiter zuzurechnen sind (vgl. Boruttau a.a.O.. w. w. N.). Aberzwingendes und letztlich auslösendes Moment für den Anfall der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist, dass der Steuerpflichtige durch den unmittelbaren (oder auch nur mittelbaren) Beteiligungserwerb insgesamt mindestens 95 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft erwirbt, die Rechtsinhaberin der Grundstücke ist. Sie ist für diesen Zuerwerb zu zahlen. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ist folglich, worauf Rohde, GmbH-Steuerpraxis 2005, 196 zu Recht hinweist, nicht die Grundstücksübertragung, sondern die Übertragung von Anteilen an einer grundstücksbesitzenden GmbH. Die daraus rührende Grunderwerbsteuer stellt damit unmittelbare Folgekosten für diesen Anteilszuerwerb dar. Sie ist auch wirtschaftlich diesem Anschaffungsvorgang zuzuordnen. Insoweit wurde entgegen der Auffassung des Klägers, der sich insoweit auf die Ellrott/Schmitt-Wendt a.a.O.. beruft, ein Vermögensgegenstand angeschafft, dem die anfallende Grunderwerbsteuer wirtschaftlich als Anschaffungsnebenkosten zuzurechnen ist.

Der Auffassung folgt Gösch in Kirchhof, EStG, § 17 Rn. 245, wonach zu den Nebenkosten zur Anschaffung auch die Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigungen zählt. Ebenso Ortmann-Babel in Lademann/Söffing/Brockhoff, EStG, § 6 Anm. 283 m unter "Grunderwerbsteuer" (Die Grunderwerbsteuer zählt ebenfalls zu den Anschaffungskosten der GmbH-Anteile, "wenn der Übergang von GmbH-Anteilen Grunderwerbsteuer auslöst"), Mayer-Wegelin in Bordewin/Brandt, EStG, § 6 Anm 311 (Zu den Anschaffungs(neben)kosten zählt "ferner eine wegen der Vereinigung aller Anteile nach § 1 Abs. 3 GrEStG anfallende Grunderwerbsteuer"); Knop/Küting, a.a.O.. § 255 HGB Anm. 35 (Zu den Aufwendungen, die mit dem Erwerb des Vermögensgegenstands im Zusammenhang stehen und damit Anschaffungsnebenkosten darstellen, zählt auch die Grunderwerbsteuer, die beim Erwerb von Anteilen an Unternehmen entsteht bzw. "soweit hierdurch Grunderwerbsteuer verursacht wird, vgl. § 1 Abs. 3 GrEStG"), auch Hörger in Littman/Bitz/Pust (L/B/P), Kommentar zum EStG, § 17 Rn 176 (Anschaffungsnebenkosten sind "GrESt bei Vereinigung aller Anteile in einer Hand") sowie Hoffmann in L/B/P § 6 Rn 241 (bei der Anteilsvereinigung ist der Anteilseigener Schuldner der Grunderwerbsteuer, "die deshalb Anschaffungskosten auf die Beteiligung auslöst").

Der anschließende Hinweis von Hoffmann a.a.O.. auf Heine, INF 2002, 44 schlägt allerdings fehl. Denn Heine beruft sich a.a.O.., wie auch Müller in DB 1997, 1433, auf die abweichende Auffassung von Ellrott/Schmitt-Wendt a.a.O..

Aber auch die Ausführungen von Heine a.a.O.. und Müller a.a.O.. überzeugen nicht; sie beschränken sich auf die Wiedergabe der, wie bereits dargelegt, die abweichende Auffassung nicht tragenden Gründe von Ellrott/Schmitt-Wendt a.a.O.. Aus den weiteren Ausführungen Heines hierzu (s. INF 2004, 583 unter 3.2) ergibt sich nichts anderes. Die dortigen Ausführungen zu § 8 Abs. 4 KStG sprechen nicht gegen die Zuordnung der Grunderwerbsteuer zu den Anschaffungskosten im Falle der Anteilsvereinigung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen; die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor, insbesondere ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung.



Ende der Entscheidung

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