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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 3 K 2219/06
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 13c
UStG § 27 Abs. 7
RL 77/388/EWG Art. 21 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

3 K 2219/06

In der Streitsache

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

ohne mündliche Verhandlung

am 21. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Haftungsbescheid vom 6. März 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2006 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Klägerin für Umsatzsteuerschulden der F-GmbH haftet.

Die Klägerin, ein Kreditinstitut, führte für die F-GmbH ein Girokonto, auf dem eine Kreditlinie in Höhe von 170.000 DM eingeräumt war. Zur Sicherung aller Ansprüche der Klägerin trat die F-GmbH der Klägerin am 16. Juli 1993 ihre sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen sowie aus Mietverträgen im Rahmen einer Globalzession ab.

Am 7. September 2004 machte die Klägerin von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch und stellte die ihr aus dem Girokonto zustehenden Forderungen gegenüber der F- GmbH mit sofortiger Wirkung fällig. Im Oktober 2004 zog sie aufgrund der Globalzession Forderungen der F-GmbH, die in den Monaten August und September 2004 entstanden waren, in Höhe von 5.610,76 EUR (darin enthaltene Umsatzsteuer: 956,20 EUR) ein.

Am 2. November 2004 wurde über das Vermögen der F-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Gelder, die aufgrund der an die Klägerin abgetretenen Forderungen betreffend die Monate August und September eingingen, leitete die Insolvenzverwalterin der F-GmbH an die Klägerin weiter. Am 17. März 2005 reichte die Insolvenzverwalterin die Umsatzsteuer- Voranmeldungen der F-GmbH für August und September 2004 beim Beklagten (dem Finanzamt - FA -) ein. Bei der Berechnung der angemeldeten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen wurden die Umsätze, die den eingezogenen Forderungen zu Grunde lagen, berücksichtigt.

Hinsichtlich der einzelnen eingezogenen Forderungen wird auf die Übersicht in der Klageschrift (dort Seite 2) verwiesen.

Mit Haftungsbescheid vom 6. März 2006, auf den verwiesen wird, nahm das (für die F-GmbH zuständige) FA die Klägerin gemäß § 13 c Umsatzsteuergesetz (UStG) für Umsatzsteuern der F-GmbH aus den Voranmeldungszeiträumen August und September 2004 in Höhe von 956,20 EUR in Haftung.

Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung der dagegen gerichteten Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, § 13 c UStG sei gemäß § 27 Abs. 7 UStG auf Forderungen anzuwenden, die nach dem 7.

November 2003 abgetreten worden seien. Maßgebendes Rechtsgeschäft hierfür sei die Globalzession vom 16. Juli 1993, nicht dagegen das Entstehen der einzelnen abgetretenen Forderung. Davon gehe auch der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 8. Juni 2004 (BFH/NV 2004, 1369) aus. Zudem verstoße § 13 c UStG gegen Art. 21 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten (Richtlinie 77/388/EWG).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 18. Juli 2006 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 6. März 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2006 aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens des FA wird auf den Schriftsatz vom 5. September 2006 verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin haftet nicht für rückständige Umsatzsteuer der F-GmbH.

1. Gemäß § 13 c Abs. 1 Satz 1 UStG haftet der Abtretungsempfänger, soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist.

Gemäß § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG in der in 2006 geltenden Fassung ist § 13 c UStG auf Forderungen anzuwenden, die nach dem 7. November 2003 abgetreten, verpfändet oder gepfändet worden sind.

2. Im Streitfall sind die streitgegenständlichen Forderungen bereits am 16. Juli 1993 und damit vor dem 7. November 2003 abgetreten worden.

Zwar handelte es sich vorliegend um die Abtretung künftiger Forderungen (sog. Vorausabtretung), bei der die Abtretung erst mit dem Zeitpunkt wirksam wurde, in dem die Forderungen entstanden, und bei der die Forderungen von der Klägerin erst mit deren Entstehen erworben wurden, im Streitfall also nach dem 7. November 2003 (vgl. hierzu Roth in Münchner Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, § 398 Rz. 74; Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 398 Rz. 11; Bundesgerichtshof - BGH - Urteil vom 16. März 1995 IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668).

Maßgebliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG ist jedoch der Abtretungsvertrag gemäß § 398 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (entgegen Abschnitt 182 b Abs. 38 Umsatzsteuerrichtlinien 2005, der darauf abstellt, ob die Forderung nach dem 31. Dezember 2003 entstanden ist, sowie entgegen BMF-Schreiben vom 24. Mai 2004, BStBl I 2004, 514, dort Rz. 41).

Denn wenn der Gesetzgeber in § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG die Formulierung wählt, § 13 c UStG sei auf Forderungen anzuwenden, die nach dem 7. November 2003 abgetreten worden sind, dann stellt er nach dem Wortlaut - sei es in Kenntnis oder Unkenntnis der Problematik von Vorausabtretungen - auf das Rechtsgeschäft des Abtretungsvertrages ab, nicht dagegen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Abtretung.

Angesichts des eindeutigen Wortlauts bleibt kein Raum für eine erweiternde Auslegung des Begriffs (vgl. auch BFH-Beschluss vom 8. Juni 2004 VII B 363/03, BFH/NV 2004, 1369, allerdings für den Fall von schuldrechtlichem Vertrag und Wirksamwerden vor dem 7. November 2003). Anhaltspunkte für ein Versehen des Gesetzgebers, das Anlass zu einer Korrektur im Wege der Auslegung durch teleologische Betrachtung oder zu einer über den Wortsinn hinausgehenden Rechtsfortbildung geben könnte, sind nicht ersichtlich. Denn der Gesetzgeber beabsichtigte, den betroffenen Unternehmen Vertrauensschutz zu bieten; deshalb sollten Unternehmer nicht in Anspruch genommen werden können, wenn die maßgeblichen Rechtsgeschäfte am oder vor dem 7. November 2003 getätigt wurden (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs BT-Drucksache 15/1562, dort S. 54). Es ist aber zweifelhaft, ob dieser Vertrauensschutz auch dann hinreichend gewahrt ist, wenn bei Vorausabtretungen (im Rahmen von Globalzessionen) auf das Wirksamwerden der Abtretung abgestellt wird. Denn zum einen hat der Abtretungsempfänger darauf keinen Einfluss, da es dabei nicht um von ihm getätigte Rechtsgeschäfte handelt. Zum anderen wäre er - obwohl er bei Abschluss der Vorausabtretung/ Globalzession möglicherweise hinreichend gesichert war - gezwungen gewesen, ab 7. November 2003 neue Absicherungen vom Abtretenden einzufordern, obwohl der Sicherungsfall möglicherweise bereits eingetreten ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Steuerrecht (und auch das Haftungsrecht) Eingriffscharakter hat mit der Folge, dass eine Auslegung zu Lasten des Haftungsschuldners zumindest dann ausgeschlossen ist, wenn sich nicht aus dem Gesetz und den Gesetzesmaterialien klar ergibt, dass der Gesetzgeber auch den nach dem Wortlaut nicht geregelten Fall tatsächlich entsprechend hat regeln wollen (vgl. BFH 7. Senat, Urteil vom 25. Februar 1997 VII R 15/96, BStBl II 1998, 2 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO); der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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