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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 3 K 2891/04
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 9a Nr. 1
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
RL 77/388/EWG Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a
RL 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

3 K 2891/04

Umsatzsteuer 2002

In der Streitsache

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

ohne mündliche Verhandlung

am 18. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob bei steuerfreier Vermietung eines Teils eines gemischt genutzten Gebäudes eine Vorsteuerabzugsberechtigung hinsichtlich der Herstellungskosten des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteils besteht.

Die Ehegatten A und B erwarben mit notariellem Vertrag vom 17. Juli 2001 gemeinsam ein unbebautes Grundstück. Hierauf errichteten sie ein Gebäude; Fertigstellung war im September 2002.

Mit Vertrag vom 15. Mai 2002 wurde eine Teilfläche von 39,53% des Gebäudes ab dem 1. September 2002 steuerfrei an die B GmbH vermietet. Im übrigen (zu 60,47% ) wurde das Gebäude von den Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken genutzt.

In ihrer am 30. Dezember 2003 beim Beklagten (Finanzamt -FA-) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2002 machte die Klägerin (die Ehegattengemeinschaft) die Vorsteuer aus den Herstellungskosten des Gebäudes i.H.v. 26.404,53 EUR geltend, die auf den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil entfiel.

Als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a UStG erklärte die Klägerin lediglich die auf den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil entfallende Abschreibung für Abnutzung gem. § 7 Abs.4 EStG i.H.v. 1.100,19 EUR. Steuerfreie Vermietungsumsätze wurden i.H.v. 4.700,00 EUR erklärt.

Das FA setzte die Umsatzsteuer 2002 mit Bescheid vom 4. Februar 2004 auf 0,- EUR fest; die geltend gemachte Vorsteuer sowie die erklärte Wertabgabe wurden nicht berücksichtigt.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2004, beim FA eingegangen am 24. Februar 2004, Einspruch ein. Diesen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2004 als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2004 Klage. Zur Begründung verwies sie auf die EuGH-Entscheidung vom 8. Mai 2003 (C-269/00 - Seeling, EuGHE I 2003, 4101) und führte an, dass die Vermietung an die B GmbH - unabhängig davon, ob steuerpflichtig oder steuerbefreit - einen steuerbaren Umsatz darstelle und deshalb das gesamte Gebäude dem Unternehmen zugeordnet werden könne. Die Privatnutzung sei ein gleichge stellter Umsatz, der nach den Grundsätzen des EuGH nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr.12a UStG falle; der Vorsteuerabzug sei deshalb nicht gem. § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 4. Februar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2004 die Umsatzsteuer für 2002 auf einen negativen Betrag von 26.228,60 EUR festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf den Schriftsatz des FA vom 3. November 2004 wird ebenfalls verwiesen.

Beide Beteiligte haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (Bl. 17 und Bl. 19 FG-Akte).

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Das Gebäude wurde dem Unternehmen in vollem Umfang umsatzsteuerlich zugeordnet.

Diese Zuordnung war auch zulässig, da die Vermietung an die B GmbH eine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 UStG darstellt. Auch hinsichtlich der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteile hat der Unternehmer das Wahlrecht, diese Gebäudeteile ebenfalls seinem Unternehmen zuzuordnen (vgl. BFH v. 28.02.2002, V R 25/96, BStBl. II 2003, 815).

Die vorliegend getroffene Zuordnungsentscheidung ergibt sich aus der Erklärung der Klägerin in ihrer "Anlage zur Umsatzsteuererklärung 2002", wonach die Ehegattengemeinschaft "auch den selbstgenutzten Teil des Gebäudes dem umsatzsteuerlichen Vermögen" zuordnete.

Im Übrigen geht auch Abschnitt 192 Abs. 18 Nr. 2 Satz 4 Buchstabe b Satz 2 UStR 2000 von der widerleglichen Vermutung einer vollständigen Zuordnung gemischt genutzter Objekte zum Unternehmensvermögen aus.

2. Der geltend gemachte Vorsteuerabzug scheidet gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus.

a) Die in einer Rechnung eines anderen Unternehmens gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer kann als Vorsteuer gemäß 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG geltend gemacht werden, sofern die bezogene Eingangsleistung für das Unternehmen ausgeführt worden ist. Zudem muss die bezogene Eingangsleistung in Zusammenhang mit der Ausführung von steuerpflichtigen Umsätzen stehen, wie sich im Umkehrschluss aus § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 UStG sowie auch aus Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt.

b) Die Vermietung des unternehmerisch genutzten Gebäudeteils an die B GmbH ist gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG steuerbefreit. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 UStG erfolgte nicht. Deshalb entfällt die Vorsteuerabzugsberechtigung für diesen Gebäudeteil gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 UStG; insoweit wurde von der Klägerin ein Vorsteuerabzug auch nicht beantragt.

c) Die Vorsteuerabzugsberechtigung für den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil scheitert daran, dass diese Nutzung keinen steuerpflichtigen Umsatz darstellt.

aa) Grundsätzlich kann die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Nr. 9a UStG und damit einen einer sonstigen Leistung gleichgestellten steuerpflichtigen Umsatz darstellen (vgl. EuGH-Urteil v. 08.05.2003, C-269/00 Seeling, EuGHE I 2003, 4101; nachfolgend BFH-Urteil v. 24.07.2003, V R 39/99, BStBl II 2004, 371).

bb) Voraussetzung hierfür ist jedoch gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG, dass der dem Unternehmen zugeordnete Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat.

Dies bedeutet, dass die nichtunternehmerische Nutzung eines gemischt genutzten Wirtschaftsgutes nur dann eine steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe darstellt, wenn der unternehmerisch genutzte Teil eine Vorsteuerabzugsberechtigung ausgelöst hat (so auch FG Köln, Urteil v. 25.10.2006, 7 K 4695/04, EFG 2007, 228; FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 07.04.2006, 3 K 253/05, EFG 2006, 1711; vgl. BMF v. 13.04.2004, IV B 7 - S 7300 - 26/04, BStBl I 2004, 469; Abschnitt 24c Abs. 7 Satz 2 Beispiel 1 UStR 2005; Probst in Hartmann/ Metzenmacher, UStG, Rz. 51 zu E § 3 Abs. 9a; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 1322; Birkenfeld in UR 2004, 265 (269)).

Die Vorgreiflichkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 9a Nr.1 UStG ("berechtigt hat").

Diese Auslegung des § 3 Abs. 9a Nr.1 UStG steht auch in Einklang mit dem weitgehend gleichlautenden Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt wird, "wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat" (vgl. auch EuGH-Urteil v. 27.06.1989 Rs. 50/88 Kühne, EuGHE 1989, 1925 sowie EuGH-Urteil v. 25.05.1993, C-193/91 Mohsche, EuGHE I 1993, 2615).

Zudem ergibt sich diese Auslegung aber auch aus der ratio legis der Norm. Sinn und Zweck der tatbestandlichen Koppelung der Wertabgabe an die Vorsteuerabzugsberechtigung ist es nämlich, zur Vermeidung unversteuerten Letztverbrauchs bei vorangegangener Vorsteuerentlastung eine Steuerbelastung der Privatnutzung wiederherzustellen (vgl. Martin/Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz. 603). An dieser Notwendigkeit einer Vorsteuerkorrektur fehlt es jedoch, sofern zuvor gar keine Vorsteuerentlastung stattgefunden hat.

Diese Auslegung entspricht auch Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG.

Danach setzt der Vorsteuerabzug die Verwendung der (bezogenen) Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen voraus. An einer solchen Verwendung für Zwecke der besteuerten Umsätze der Klägerin fehlt es aber im Streitfall:

Die Privatnutzung der für die Herstellung des Gebäudes bezogenen Leistungen stellt keinen in diesem Sinn besteuerten Umsatz dar; denn sonst würde sogar eine ausschließliche Privatnutzung zum Vorsteuerabzug berechtigen (Krumenacker, UR 2007, 472). Ebenso wenig ist die neben der Privatnutzung im Streitfall allein noch stattfindende steuerfreie Verwendung des Gebäudes durch dessen teilweise Vermietung (Art. 13 Teil B Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG) eine Verwendung für Zwecke der besteuerten Umsätze der Klägerin. Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG setzt dementsprechend die zumindest teilweise Verwendung des bezogenen Gegenstands für steuerpflichtige Umsätze voraus.

cc) Im vorliegenden Fall wurde der unternehmerisch genutzte Gebäudeteil zur Erzielung steuerfreier Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen (s.o. unter b)). Deshalb gibt es keine steuerpflichtigen Ausgangsumsätze, mit denen die bezogenen Eingangsleistungen in Zusammenhang stehen könnten. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von der vom Klägervertreter angeführten EuGH-Entscheidung (EuGH, a.a.O.), in der der unternehmerisch genutzte Gebäudeteil zur Erzielung steuerpflichtiger Ausgangsumsätze verwendet wurde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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