Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 3 K 3912/02
Rechtsgebiete: GG, UStG 1999


Vorschriften:

UStG 1999 § 12 Abs. 1
UStG 1999 § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b
UStG 1999 § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a EWGRL 388/77 Art. 12 Abs. 3 Buchst. a UAbs. 3 Anh. H
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Umsätze der Klägerin aus der Beförderung von Personen mit einer Seilbahn dem ermäßigten oder dem vollen Steuersatz unterliegen.

Die Klägerin betreibt eine Bergbahn in Form einer Kabinenseilbahn (einer Seilschwebebahn) auf ..., einen Berg in den deutschen Alpen. Zwischen Tal- und Bergstation überwindet die Seilbahn eine Höhendifferenz von ...m. Sie erschließt ein Wandergebiet, einen Gleitschirmflugplatz und ein ... Skigebiet .... Der größte Teil der Umsätze der Klägerin entfällt auf den Ausflugsverkehr in den Sommermonaten. Die ... wird nicht durch eine österreichische Bergbahn erschlossen.

Der Beklagte (Finanzamt - FA) wich insoweit von der Umsatzsteuererklärung der Klägerin für das Streitjahr (1999) ab, als er die mit dem ermäßigten Steuersatz erklärten Umsätze (die Fahrpreiserlöse aus dem Seilbahnbetrieb) dem vollen Steuersatz (von 16%) unterwarf.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2001 setzte das FA demzufolge (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-VdN) für 1999 eine Umsatzsteuer von ... fest.

Dagegen legte die Klägerin am 17. Juli 2001 (Frühleerung) Einspruch ein.

Am 2. Oktober 2001 erließ das FA (unter Aufrechterhaltung des VdN) einen Änderungsbescheid, mit dem es die Umsatzsteuer für 1999 wegen unzutreffender Aufteilung der Bruttoeinnahmen auf ... herabsetzte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2002 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Dagegen ist die Klage gerichtet. Zur Klagebegründung trägt die Klägerin vor, ihre Beförderungsleistungen seien nicht mit dem Regelsteuersatz sondern mit einem ermäßigten Steuersatz von 7% zu versteuern. Diese folge aus der gebotenen unmittelbaren Anwendung der Kategorie 5 des Anhangs H der 6. EG-USt-Richtlinie, wonach ein Mitgliedstat den ermäßigten Steuersatz auf Leistungen zur "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks" anwenden könne. Dieses Gebot der 6. EG-USt-Richtlinie sei hinreichend bestimmt und inhaltlich unbedingt. Die Umsetzungsfrist für die Kategorie 5 des Anhangs H der 6. EG-USt-Richtlinie sei bereits abgelaufen.

Den Mitgliedstaaten sei für solche Dienstleistungen keine Befugnis eingeräumt, Abgrenzungen innerhalb der Kategorien des Anhangs H der 6. EG-USt-Richtlinie zu treffen. Dies ergebe sich aus dem Einleitungssatz des Anhangs H, der Abgrenzungen nur für Gegenstände, nicht aber für Dienstleistungen zulasse, und aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Bei der Beförderung von Personen mit Schiffen und mit Bergbahnen handele es sich ebenso wie bei der Beförderung von Personen mit Bergbahnen in Österreich und dem bayerischen Alpenraum um gleichartige Leistungen, die miteinander im Wettbewerb stünden. Der Wettbewerb zwischen diesen Leistungen werde durch eine unterschiedliche Besteuerung verzerrt. Der der Klägerin bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes verbleibende Umsatz würde ihr ein erhebliches Investitionspotential belassen, während sie anders Investitionen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nur über Kredite finanzieren könne.

Ferner unterlägen die Beförderungsleistungen der Klägerin dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG, da sie Beförderungsleistungen im Schienenverkehr erbringe.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 31. März 2003 und vom 29. August 2003 samt Anlagen verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 2. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2002 die Umsatzsteuer für 1999 auf 52.323,19 EUR (=102.335,28 DM) herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Den begehrten ermäßigten Steuersatz kann die Klägerin nicht beanspruchen.

1. Die Personenbeförderung durch die Klägerin fällt nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 10 des deutschen Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr 1999 geltenden Fassung (UStG). Danach ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 7 vom Hundert für die folgenden Umsätze:

A. die Beförderungen von Personen mit Schiffen,

B. die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr mit Ausnahme der Bergbahnen, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Kraftdroschkenverkehr und die Beförderungen im Fährverkehr

aa) innerhalb einer Gemeinde oder

bb) wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als fünfzig Kilometer beträgt.

Die streitigen Umsätze haben zwar die von § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG verlangte Beförderung von Personen zum Inhalt. Die Beförderung erfolgt aber nicht im Schienenbahnverkehr i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG, da die Klägerin eine Seilschwebebahn betreibt (Abschn. 173 Abs. 2 UStR; Klenk in Sölch/Ringleb, USt, Kommentar, § 12 Rn. 477; vgl. auch § 4 Abs. 2 Personenbeförderungsgesetz-PBefG). Andernfalls würde es sich vorliegend um eine Beförderung durch eine Bergbahn handeln, für die der ermäßigte Steuersatz ausdrücklich ausgeschlossen ist.

2. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht gemäß Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 i.V.m. Anhang H Kategorie Nr. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG-Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: Richtlinie 77/388/EWG) verpflichtet, die Umsätze der Klägerin mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern.

a) Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG "können" die Mitgliedstaaten (neben dem Normalsatz) einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar (Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG).

Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG enthält ein Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MWSt.-Sätze angewandt werden "können". Die Kategorie 5 des Anhangs H lässt dies für die "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks" zu. Darunter fallen die streitigen Umsätze der Klägerin, die unstreitig in der Beförderung von Personen (durch eine Kabinenseilbahn) bestehen. Insoweit wäre die Bundesrepublik Deutschland befugt, dafür in ihrem nationalen Umsatzsteuerrecht einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden (der nicht niedriger als 5% ist). Dies ist indessen - wie vorstehend unter 1. ausgeführt - nicht geschehen.

Der Senat sieht den Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG, der im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG zu sehen ist, nicht als Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ermäßigte Steuersätze für die dort aufgeführten Kategorien anzuwenden, sondern als Begrenzung der Befugnis der Mitgliedstaaten zur Anwendung ermäßigter Steuersätze.

Aus den vorgenannten Regelungen der Richtlinie 77/388/EWG folgt lediglich eine Berechtigung des jeweiligen Mitgliedstaates (hier der Bundesrepublik Deutschland), für Lieferungen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Nach dem Wortlaut der Ermächtigung des Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG, der in der Überschrift des Anhangs H wieder aufgegriffen wird, "können" die Mitgliedstaaten die ermäßigten Sätze anwenden, müssen dies also nicht zwangsläufig.

b) Die Mitgliedstaaten, die von der Möglichkeit Gebrauch wollen, ermäßigte Sätze anzuwenden, sind nach den vorstehenden Regeln der Richtlinie 77/388/EWG nicht verpflichtet, in einem solchen Fall sämtliche Kategorien des Anhangs H auszuschöpfen.

Ebenso wenig sind die Mitgliedstaaten gehalten, wenn sie von einer der Kategorien des Anhangs H Gebrauch machen (die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 von der Kategorie 5 des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG Gebrauch gemacht), die gesamte jeweilige Kategorie unteilbar und umfassend auszuschöpfen (andernfalls wäre auch die Beschränkung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG auf Beförderungen innerhalb einer Gemeinde oder auf eine Beförderungstrecke von nicht mehr als fünfzig Kilometern in Frage gestellt). Bezogen auf den Streitfall muss also die Bundesrepublik Deutschland die Steuerermäßigung nicht deshalb für jegliche Beförderung von Personen (und des mitgeführten Gepäcks) gewähren, weil sie in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG eine Steuerbefreiung für unter die Kategorie 5 fallende Umsätze gewährt hat.

Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 i.V.m. Anhang H Kategorie Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG gibt den Mitgliedstaaten lediglich einen Rahmen vor, den diese nicht überschreiten dürfen. Nach Auffassung des Senats lässt sich aber diese Regelung mit dem deutschen Gesetzgeber dahin verstehen, dass die Mitgliedstaaten die damit verbundene Begrenzung unterschreiten dürfen, die Ermäßigung also nicht für alle Arten von Personenbeförderungsumsätzen gewähren müssen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 8. Mai 2003 C-384/01 - Kommission / Frankreich, EuGHE 2003, I-4395, UR 2003, Rn. 26 ff.). Den eingeräumten Spielraum kann das nationale Recht mithin auch nur teilweise ausnutzen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671, unter II. 2. a aa).

Anderes folgt auch nicht - wie die Klägerin meint - aus dem Einleitungssatz des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Mitgliedstaaten "bei der Übertragung der nachstehenden Kategorien von Gegenständen in ihre einzelstaatlichen Rechtsvorschriften den genauen Geltungsbereich der betreffenden Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur abgrenzen" (und dabei unter Beachtung dieser Zielsetzung potentiell auch überschreiten) können. Zur Abgrenzung der Dienstleistungen der Kategorien des Anhangs H in den nationalen Rechten der Mitgliedstaaten und ebenso zur Teilbarkeit der Kategorien des Anhangs H enthält dieser Einleitungssatz keine Aussage. Aus dem Umstand, dass Anhang H für die Lieferung von Gegenständen eine Abgrenzung nach der Kombinierten Nomenklatur gestattet, mag sich zwar ableiten lassen, dass er für Dienstleistungen keine vom Wortlaut seiner Kategorien abweichenden Abgrenzungen zulässt. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Mitgliedstaat die Kategorien des Anhangs H voll ausschöpfen muss. Dem stünde auch entgegen, dass die Richtlinie 77/388/EWG - wie die Regelungen des Art. 12 Abs. 3 und 4 sowie des Art. 28 der Richtlinie 77/388/EWG zeigen - ermäßigten Steuersätzen restriktiv gegenübersteht, weil diese zu Wettbewerbsverzerrungen führen können.

c) Bei der Ausübung der Steuersatzwahl müssen die Mitgliedstaaten allerdings den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten. Dieser Grundsatz verbietet es, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende (Waren oder) Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005 C-453/02 - Linneweber - und C-462/02 - Akritidis, UR 2005, 194, Rn. 24). Gleichartig sind Waren, "die in den Augen des Verbrauchers die gleichen Eigenschaften haben und den gleichen Bedürfnissen dienen" (vgl. EuGH vom 15.Juli 1982 Rs. 216/81 - Cogis, EuGHE 1982, 2701). Dies kann nicht anders für Dienstleistungen (sonstige Leistungen) gelten. Gleichartig sind demnach Dienstleistungen, die in den Augen des Verbrauchers die gleichen Eigenschaften haben und den gleichen Bedürfnissen dienen.

Auf solche (Waren oder) Dienstleistungen soll daher ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden sein, der ein ermäßigter ist, wenn dieser bereits für gleichartige Dienstleistungen gilt (vgl. EuGH-Urteile vom 11. Oktober 2001 C-267/99 - Adam, EuGHE 2001, I-7467, Rn. 36, und vom 23. Oktober 2003 C-109/02, Kommission/Deutschland, EuGHE 2003, I-12691, Rn. 20). Dabei ist für die Feststellung der Gleichartigkeit nur die Vergleichbarkeit der betreffenden Tätigkeiten zu prüfen (EuGH-Urteil Linneweber/Akritidis, Rn. 26).

Eine solche unterschiedliche Behandlung gleichartiger Dienstleistungen sieht der Senat vorliegend nicht. Maßgeblich ist dafür die Belastung des (Letzt-)Verbrauchers, also die Belastung der Fahrgäste der Klägerin (vgl. EuGH-Urteile vom 15.7.1982, a.a.O., vom 3. Mai 2001 C 481/98 - Kommission / Frankreich, EuGHE 2001, I-3369, Rn. 27, und vom 25. Februar 1999 C-349/96 - Card Protection Plan, EuGHE 1999, I-973, UVR 1999, 157 Rn. 29 f.) und nicht - wie die Klägerin offenbar meint - ihre eigene Belastung mit Umsatzsteuer im Vergleich zu ihren Konkurrenten. Durch den ermäßigten Steuersatz soll mithin nicht die Ertragskraft der Klägerin erhöht werden, sondern es sollen die Preise für die zu Befördernden ermäßigt werden.

aa) In Bezug auf die Beförderung von Personen mit Bergbahnen und insbesondere Seilbahnen im Inland liegt keine unterschiedliche Behandlung gleichartiger und deshalb miteinander in Wettbewerb stehender Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer vor. Die Bundesrepublik Deutschland behandelt für ihr Hoheitsgebiet die Besteuerung der Beförderung von Personen mit Hilfe von Bergbahnen gleich, indem sie dafür einheitlich den normalen Steuersatz anwendet.

bb) Die von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG erfassten Tätigkeiten, also die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr (mit Ausnahme der Bergbahnen), im Verkehr mit Oberleitungsbussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Kraftdroschkenverkehr und die Beförderungen im Fährverkehr, soweit sie jeweils innerhalb einer Gemeinde stattfinden oder nicht mehr als fünfzig Kilometer betragen, sind hingegen aus der Sicht des Verbrauchers (Nutzers) nicht gleichartig zur Tätigkeit der Klägerin.

Die Personenbeförderungen des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG haben in den Augen des Verbrauchers nicht die gleichen Eigenschaften, da sie in der Fläche stattfinden, also Entfernungen überwinden helfen, und nicht den Aufstieg auf einen Berg erleichtern sollen. Sie dienen im Übrigen auch nicht den gleichen Bedürfnissen.

Der Nutzer der Seilbahn der Klägerin fährt auf ... um dort einen Ausflug zu machen, dort zu wandern, mit dem Gleitschirm zu fliegen oder Ski zu fahren. Die Bergbahn der Klägerin wird also zu touristischen Zwecken genutzt. Die Beförderungsleistungen des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG dienen hingegen vornehmlich dem innerörtlichen Verkehr in Ballungsräumen, also Zwecken des Berufsverkehrs oder der Wahrnehmung privater Kontakte. Diese Beförderungsleistungen können zwar ebenfalls touristischen Zwecken dienen; insoweit sind sie allerdings in der Praxis nur aufwändig abzugrenzen.

cc) Aus der Sicht des Endverbrauchers ist eine Beförderung mit der Seilbahn der Klägerin auf einen Berg auch nicht gleichartig einer Beförderung auf einem Schiff, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegt (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG).

Die Beförderung mit einem Schiff auf einem Gewässer und die Beförderung mit einer Bergbahn/Seilbahn auf einen Berg haben in den Augen des Verbrauchers keine gleichen Eigenschaften. Bei der Beförderung mit dem Schiff steht für den Verbraucher das Verweilen bzw. die Bewegung auf dem Wasser im Vordergrund ("große Rundfahrt"), bei der Beförderung mit einer Bergbahn die zielorientierte Überwindung des Höhenunterschiedes. Da es - wie oben ausgeführt - auf die Vergleichbarkeit der Tätigkeiten ankommt, hält es das Gericht für rechtlich nicht erheblich, dass - nach Einschätzung der Klägerin - eine erhebliche Zahl von Nutzern der Art der Beförderung indifferent gegenübersteht, weil die Nutzer letztlich nur einen Tag ohne Anstrengung in einer attraktiven Naturgegend (wo auch immer) zu einem möglichst niedrigen Preis verbringen wollen.

Die Beförderung mit einem Schiff auf einem See im Einzugsgebiet der Klägerin (vgl. die Anlage 1 zu deren Schriftsatz vom 31. März 2003) ist im Übrigen auch deshalb keine gleichartige (und damit eine im Wettbewerb stehende) Leistung, weil der Steuersatzunterschied nicht der Grund für die Entscheidung des Endverbrauchers ist, die eine oder andere Leistung in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Mai 2001 C-481/98 - Kommission / Frankreich, EuGHE 2001, I-3369, Rn. 27). Der Fahrpreis für eine Berg- und Talfahrt mit der Bergbahn der Klägerin betrug im Streitjahr für einen Erwachsenen -- DM unter Zugrundelegung eines Steuersatzes von 16%. Bei dem erstrebten Steuersatz von 7% würde sich der Fahrpreis auf ... DM ermäßigen (Unterschied -- DM). Wer auf einen Berg fahren will, um einen Ausflug zu unternehmen usw., macht nicht wegen eines Preisunterschiedes von rd. 8,5% (infolge des Steuersatzunterschiedes) stattdessen einen Ausflug mit einem Schiff über einen See. Überdies betrug der Fahrpreis für das von der Klägerin benannte Konkurrenzunternehmen in 2003 erst ... EUR (entspricht ... DM). Davon ausgehend, dass dieser Fahrpreis im Streitjahr 1999 jedenfalls nicht höher war, könnte auch ein Fahrpreis der Klägerin von ... DM keinen Anreiz bilden, aus preislichen Gründen die Fahrt mit der Bergbahn der Klägerin vorzuziehen.

3. Die Unterscheidung des deutschen Gesetzgebers ist ebenso mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG sachlich gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber darf seine Steuergesetzgebungskompetenz grundsätzlich auch ausüben, um Lenkungswirkungen zu erzielen. Zwar bleibt er hier gleichermaßen an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist (BVerfG-Beschluss vom 18. März 2005 1 BvR 1822/00, BFH/NV Beilage 2005, 270 m.w.N.).

Davon ausgehend vermag der Senat im Streitfall keine Gleichheitsverstoß zu erkennen:

a) Der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (im Interesse des Letztverbrauchers) Personenbeförderungen im öffentlichen Personennahverkehr zur Vermeidung sozialer Härten begünstigen; solche seien aber nicht bezüglich der Beförderung mit Bergbahnen, Drahtseilbahnen und sonstigen mechanische Aufstiegshilfen aller Art anzuerkennen, weil diese weit überwiegend der Touristik dienen (vgl. BT-Drucks. 8/1779, S. 63, und BT-Drucks. 8/2827, S. 69). Dieser Unterschied in der Interessenlage bei den Letztverbrauchern, der sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt, berechtigt den Gesetzgeber, auf die unterschiedlichen Interessen der Allgemeinheit an den beiden Verkehrsarten abzustellen und dem Personenverkehr mit Bergbahnen (bzw. dessen Nutzern) eine höhere Steuerlast aufzubürden als der Personenbeförderung mit anderen Verkehrsmitteln (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8.November 1983 1 BvL 8/81, BVerfGE 65, 237, und vom 11. Februar 1992 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 2; BFH-Urteil vom 26. August 1976, a.a.O., BFH-Beschluss vom 21. September 1988 V B 137/87, BFH/NV 1989, 271). Die Personenbeförderung durch Bergbahnen erfüllt in aller Regel überwiegend das Interesse des Publikums an Erholung und Sport speziell in einer Berglandschaft, während die Personenbeförderung durch andere Nahverkehrsmittel hauptsächlich dem geschäftlich und privat unumgänglichen Bedürfnis des Publikums nach Kommunikation zu dienen bestimmt ist (BFH-Urteil vom 26. August 1976 V R 55/73, BStBl II 1977, 105).

b) Der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG begünstigt die Beförderung von Personen mit Schiffen, und zwar ebenso den Freizeit- und Tourismusverkehr.

Auch hier ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber zwischen der Beförderung von Personen durch eine Bergbahn (insbesondere eine Seilbahn) und durch ein Schiff differenziert und ersterer die steuerliche Förderung verweigert, da sie wegen des notwendigen Ausbaus der Beförderungsstrecke "am Berg" einen erheblichen Eingriff in die Landschaft mit entsprechenden Folgen für Natur und Umwelt mit sich bringt. Der deutsche Gesetzgeber war daher befugt, insoweit - unbeschadet einer anderen Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers - mit Rücksicht auf den Natur- und Umweltschutz von einer umsatzsteuerlichen Begünstigung der Bergbahnen bzw. ihrer Nutzer abzusehen.

4. Die Richtlinie 77/388/EWG gebietet es nicht, dass sich ein Mitgliedstaat an die Steuersätze eines anderen Mitgliedsstaates anzugleichen hat. Deutschland muss nicht deshalb einen ermäßigten Steuersatz für Bergbahnen (insbesondere für Seilbahnen) einführen, weil etwa Österreich einen solchen anwendet (gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 12 des österreichischen UStG 1994 ermäßigt sich die Steuer auf 10% für Beförderungen von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art).

a) Die Festlegung der Steuersätze ist nach der Richtlinie 77/388/EWG Sache des einzelnen Mitgliedstaates.

Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG überlässt (abgesehen von der Untergrenze des Satzes 2 dieser Vorschrift) die Festlegung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) jedem Mitgliedstaat.

Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG räumt "den Mitgliedstaaten", die Option ein, ermäßigte Steuersätze (im Rahmen der Vorgaben des Satzes 2 dieses Unterabsatzes) anzuwenden. Darüber entscheidet - wie auch der Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG zeigt ("jedem Mitgliedstaat") - der einzelne Mitgliedsstaat für sein Hoheitsgebiet; andernfalls würde die Richtlinie eine einheitliche Regelung für alle Mitgliedstatten enthalten. Von einer Bindung an Steuersatzentscheidungen anderer Mitgliedstaaten ist in Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG nicht die Rede. Harmonisierungen innerhalb der Gemeinschaft regeln insoweit nur die Sätze 2 der Unterabsätze 1 und 3 des Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG. Andernfalls ließe sich auch die Frage nicht beantworten, ob sich z.B. Deutschland an die österreichischen oder Österreich an die deutschen Umsatzsteuersätze angleichen müsste.

b) Jedenfalls aber will die Richtlinie 77/388/EWG etwaige Wettbewerbsverzerrungen bezüglich der Steuersätze unter den Mitgliedstaaten durch Entscheidungen des Rates vermieden wissen (vgl. Art. 28 Abs. 2 Buchst g und Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG sowie auch Art. 99 EGV [jetzt Art. 93 EGV]). Es ist auch hier Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers, die schrittweise Harmonisierung des nationalen Rechts im Bereich der Mehrwertsteuer zu verwirklichen (vgl. EuGH vom 13. Juli 2000 C-36/99 - Ideal tourisme, EuG-HE 2000, I-6049, Rn. 3).

5. Dem Antrag der Klägerin, Beweis durch ein Sachverständigengutachten zu erheben, dass zwischen den Beförderungsleistungen der Klägerin einerseits und denen des ... Schifffahrtsunternehmens ... auf dem ... see bzw. denen der ... berg ... bahn in ... (Österreich) andererseits ein Wettbewerbsverhältnis (und zwar insbesondere bei eintägigen Tagesausflügen) besteht, hat das Gericht nicht entsprochen. Aus der Sicht der Richtlinie 77/388/EWG kommt es - wie oben ausgeführt - im Verhältnis zu den Beförderungsleistungen des genannten Schifffahrtsunternehmens auf die Gleichartigkeit der Dienstleistungen an, die das Gericht auf Grund einer rechtlicher Würdigung dieses Begriffs (unter Heranziehung der maßgeblichen Tatsachen) verneint hat. Die Prüfung von Rechtsfragen kann keinem Sachverständigen übertragen werden (BFH-Urteil vom 8. Januar 1991 VII R 16-19/89, BFH/NV 1991, 850). Im Verhältnis zu der genannten österreichischen Bergbahn ist die Beweisfrage nach der vom Gericht vertretenen Rechtsauffassung unerheblich. Im Übrigen ist der Beweisantrag bezüglich der vom Sachverständigen zu berücksichtigenden Tatsachen unsubstantiiert.

Ebenso wenig hat das Gericht eine Notwendigkeit gesehen, die beantragte Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, da es die für die Entscheidung relevanten EGrechtlichen Fragen nicht bzw. nicht mehr für klärungsbedürftig hält.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück