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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 4 K 1978/07
Rechtsgebiete: GrEStG
Vorschriften:
GrEStG § 1 Abs. 2a | |
GrEStG § 6 Abs. 1 | |
GrEStG § 6 Abs. 3 |
In der Streitsache
...
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht
der Richterin am Finanzgericht und
des Richters am Finanzgericht sowie
der ehrenamtlichen Richter und
ohne mündliche Verhandlung
am 18. März 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 22. Februar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2007 wird die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu Recht nicht in vollem Umfang gewährt hat.
I. An der grundbesitzenden Klägerin (GmbH & Co KG) war die X-AG zu 99 v.H. beteiligt. Den verbleibenden Anteil von 1% hielt die S GmbH. 100 v.H. der Anteile an der S GmbH hielt die X-AG.
Mit notariellem Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 29. Juni 2001 nahm die X-AG hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Klägerin eine Umstrukturierung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) vor. Die X-AG übertrug ihrer 100%igen Tochtergesellschaft, der X-KG, sowohl ihren unmittelbaren Anteil von 99 v.H. an der Klägerin, als auch ihren Anteil von 100 v.H. an der S GmbH. Die X-AG übertrug damit 99 v.H. der Anteile an der Klägerin unmittelbar und 1 v.H. der Anteile mittelbar auf die X-KG als neue Gesellschafterin.
Die beurkundeten Vorgänge wurden am 16. November 2001 ins Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) sah in der Ausgliederung von 99 v.H. der Anteile an der Klägerin unmittelbar und 1 v.H. der Anteile mittelbar auf die X-KG eine vollständige Anteilsübertragung auf einen neuen Gesellschafter und damit den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG als erfüllt an.
Der Grundbesitzwert der zum Vermögen der Klägerin gehörenden Grundstücke wurde für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom Finanzamt B auf 97.952.000 DM festgestellt.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2005 setzte das FA Grunderwerbsteuer in Höhe von 17.528,62 EUR (3,5% aus 979.520 DM) gegen die Klägerin fest. Die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG wurde nur in Höhe des von der X-AG vor der Ausgliederung unmittelbar gehaltenen Anteils an der Klägerin von 99 v.H. gewährt.
Mit Einspruch vom 3. Mai 2005 begehrt die Klägerin die völlige Steuerfreistellung des Erwerbsvorgangs gem. § 6 Abs. 3 GrEStG.
Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2007 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung der Klage vom 5. Juni 2007 trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, auch der Anteil der mittelbaren Anteilsübertragung i.H.v. 1 v.H. sei nach § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei.
Zum einen habe sich hinsichtlich des Anteils i.H.v. 1 v.H. der S GmbH an der Klägerin durch die Ausgliederung keine unmittelbare Änderung in den Beteiligungsverhältnissen der Klägerin ergeben, die S GmbH sei vor und nach der Ausgliederung an der Klägerin mit einem Anteil von 1 v.H. beteiligt. Für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG könne nicht durch die S GmbH als unmittelbar Beteiligte durchgegriffen werden, eine grunderwerbsteuerliche Transparenz wie bei Personengesellschaften existiere hier nicht. Selbst wenn man aber der Auffassung der Literatur in den Kommentaren von Boruttau und Hofmann folge, dass durch die S GmbH durchgegriffen werden könne, käme man im Streitfall trotzdem zu dem Ergebnis, dass der Erwerbsvorgang zu 100 v.H. steuerbefreit sei. Aufgrund der grunderwerbsteuerlichen Transparenz der X-KG sei dann konsequenterweise davon auszugehen, dass die XAG vor und nach der Anteilsübertragung relevanter Gesamthänder gewesen sei. Das im Kommentar Boruttau (16. Auflage, § 6 Rz. 27d) zur mittelbaren Anteilsübertragung angeführte Beispiel sei mit dem Streitfall nicht identisch.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 22. Februar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2007, die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die unmittelbare Beteiligung der S GmbH von 1 v.H. habe auf die Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG keinen Einfluss. § 6 Abs. 3 sei bei der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG durch "Zwischenschieben" einer weiteren Personengesellschaft nicht anwendbar. § 6 Abs. 3 GrEStG könne bei § 1 Abs. 2a GrEStG nicht analog zur Grundstücksübertragung zwischen zwei Personengesellschaften angewendet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen der Parteien gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
II. Die Klage ist begründet. Der Erwerbsvorgang ist gem. § 6 Abs. 3 GrEStG zu 100 v.H. steuerfrei.
1. Die X-KG ist zu 100 v.H. Neugesellschafterin der Klägerin geworden, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt worden ist.
Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 v.H. der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach dieser Vorschrift als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.
Im Streitfall sind durch die Ausgliederung 99 v.H. der Anteile der X-AG an der Klägerin unmittelbar auf die X-KG als neue Gesellschafterin übertragen worden. 1 v.H. der Anteile sind mittelbar auf die X-KG als neue Gesellschafterin übertragen worden, da die X-AG 100 v.H. ihrer Anteile an der S GmbH, die 1 v.H. der Anteile an der Klägerin hält, auf die X-KG übertragen hat.
2. Auf die unmittelbare Übertragung der 99 v.H. der Anteile an der Klägerin durch die X-AG auf die X-KG und den dadurch fingierten Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist § 6 Abs. 3 GrEStG entsprechend anwendbar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH vom 27. April 2005 II R 61/03, BStBl 2005, 649).
a) Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschafter am Vermögen der erwerbenden Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen (grundstückshaltenden) Gesamthand beteiligt ist, ist nach Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen. Vielmehr ist ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten ( BFH-Urteil vom 27. April 2005 II R 61/03 a.a.O..).
b) Die Klägerin, die zu 100 v.H. an der X-KG beteiligt ist, kann danach die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG entsprechend der Höhe ihrer ursprünglichen unmittelbaren Beteiligung an der Klägerin (99 v.H.) beanspruchen.
3. Auch auf die mittelbare Übertragung von 1 v.H. der Anteile an der Klägerin durch die XAG auf die X-KG und den dadurch fingierten Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist im Streitfall die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG entsprechend anwendbar.
a) Zwar werden Kapitalgesellschaften für Zwecke der Steuerbefreiungsvorschriften grundsätzlich nicht als transparent angesehen. Ihnen wird als dinglich Berechtigte aus grunderwerbsteuerlicher Sicht das Vermögen der Personengesellschaft zugeordnet. Für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG darf jedoch im Fall eines Grundstücksübergangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht nur auf die unmittelbare Beteiligung der Mitglieder der neuen Personengesellschaft abgestellt werden, denn dann würden alle mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand, die § 1 Abs. 2a GrEStG seit 1. Januar 2000 ausdrücklich als steuerbar erfasst, durch die gegenläufige Begünstigung aus § 6 Abs. 3 Satz GrEStG wieder neutralisiert.
Deswegen müssen bei der entsprechenden Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG alle mittelbaren Änderungen, die sich im Gesellschaftsbereich von unmittelbar an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften ergeben, dazu führen, diese Kapitalgesellschaften als nicht mehr auch am Vermögen der neuen Personengesellschaft beteiligt qualifiziert werden (Hofmann, GrEStG, 8. Auflage § 6 Rz. 12c, Boruttau/Viskorf, GrEStG, 16. Auflage, § 6 Rz. 27d).
Im Streitfall ist daher die S GmbH, obwohl nach wie vor an der Klägerin zu 1 v.H. unmittelbar beteiligt, als an der "neuen" Personengesellschaft nicht (mehr) beteiligt anzusehen.
b) Gebietet die entsprechende Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG auf einen nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG der Steuer unterliegenden Vorgang, soweit es sich um mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand handelt, den Blick auf die zweite Ebene, nämlich darauf, wer an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, so muss beim Übergang der Anteile einer solchen Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft auch der Blick darauf zulässig sein, wer als deren Gesamthänder an deren Vermögen beteiligt ist. Die Annahme, die Personengesellschaft sei in Bezug auf die Frage, in welchem Umfang ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbarer Vorgang nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG begünstigungsfähig ist, nicht transparent, verbietet sich deshalb, weil § 1 Abs. 2a Satz1 GrEStG infolge der Berücksichtigung mittelbarer Änderungen des Gesellschafterbestands sogar Kapitalgesellschaften als in seinem Anwendungsbereich transparent betrachtet. Der Logik der dadurch aufgezwungenen Betrachtung entspricht es, die zwischengeschobene Personengesellschaft in Bezug auf die Frage, wer hinter einer Kapitalgesellschaft steht, deren Anteile eine Personengesellschaft hält, beiseite zu schieben und insoweit auf denjenigen abzustellen, der am Vermögen der zwischengeschobenen Personengesellschaft beteiligt ist. Denn dessen gesamthänderische Beteiligung erstreckt sich auch auf die Beteiligung der Kapitalgesellschaft, deren Anteile die Personengesellschaft innehat (Hofman a.a.O.., § 6 Rz. 12d).
c) Dieses Ergebnis entspricht auch den Intentionen des Gesetzgebers. Mit der Einfügung des § 1 Abs. 2a GrEStG sollte das Steuervermeidungspotential des steuerfreien Wechsels im Personenstand von Gesamthandsgemeinschaften eingeschränkt und der steuerfreien Überleitung eines zum Gesamthandsvermögens gehörenden Grundstücks auf eine andere Personengruppe ein Riegel vorgeschoben werden. Gestaltungen, die im Ergebnis keine grunderwerbsteuerliche Zuordnung auf andere Personen herbeiführen, liegen nicht in der Zielrichtung des Gesetzgebers (Hofmann a.a.O.., § 6 Rz. 12d).
d) Diesem Ergebnis widerspricht auch nicht die Auffassung von Viskorf in Boruttau (§ 6 Rz. 27d), da dem dort zur mittelbaren Anteilsübertragung diskutierten Fall ein mit dem des Streitfalles nicht identischer Sachverhalt zugrunde liegt. In dem von Viskorf aufgeführten Beispiel überträgt die an der Kapitalgesellschaft beteiligte Personengesellschaft ihren Anteil nicht auf eine weitere Personengesellschaft, an der sie zu 100 v.H. beteiligt ist, sondern auf einen fremden Dritten. In diesem Fall greift die Befreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG auch nach Auffassung des Senats gerade nicht.
e) Da die X-AG, die zunächst unmittelbar zu 100 v.H. an der S GmbH beteiligt gewesen ist, jetzt nach der Anteilsübertragung mittelbar über die "transparente" X-KG zu 100 v.H. an der S GmbH beteiligt ist und die S GmbH wiederum an der Klägerin unmittelbar zu 1 v.H. beteiligt gewesen ist und weiterhin beteiligt ist, ist der Übertragungsvorgang i.H.v. weiteren 1 v.H. in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Regelung gilt auch nach der Änderung der ZPO durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I 2004, 2198) sinngemäß noch für finanzgerichtliche Urteile (FG München, Urteil vom 20. Januar 2005 3 K 4519/01, EFG 2005, 969).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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