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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 4 K 2665/05
Rechtsgebiete: KraftStG, StVZO


Vorschriften:

KraftStG § 5 Abs. 5
StVZO § 27 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Gretzschel, des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter ...und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Kläger (Kl) als Insolvenzverwalter für das Halten eines Kfz, das nicht für die Insolvenzmasse genutzt wird, die laufende Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit zu entrichten hat.

Die ... GmbH hat am 04.07.2000 das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... bei der Zulassungsstelle (ZuSt) auf Ihren Namen zum Verkehr zugelassen. Das Fahrzeug (Pkw, Erstzulassung 07.06.1993) verfügt über einen Hubraum von 2.497 cm³ und wird mittels eines Dieselmotors angetrieben. Es wurde von der ZuSt der Schadstoffschlüsselnummer 14 (Fahrzeugschein Schlüsselnummer zu 1 fünfte und sechste Stelle) zugeordnet.

Über das Vermögen der ... GmbH wurde am 22.11.2004 durch das Amtsgericht/Insolvenzgericht ... das Insolvenzverfahren eröffnet (1507 IN 2038/04) und der Kl zum Insolvenzverwalter bestellt.

Wegen der Änderung der Steuersätze zum 01.01.2005 hat das Finanzamt (FA) am 31.05.2005 einen Steuerbescheid nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG), gerichtet an den Kl, erlassen und die Steuer wie folgt festgesetzt:

 für die Zeit vom 04.07.2004 bis 31.12.2004i.H.v.285 EUR
für die Zeit vom 01.01.2005 bis 03.07.2005i.H.v.344 EUR
für die Zeit ab dem 04.07.2005 unbefristet jährlichi.H.v.683 EUR

Mit dem Einspruch (Schr. v. 06.06.2005, Bl. 29 f FA-Akte) machte der Kl geltend, er sei nicht Steuerschuldner, da sich das Fahrzeug nicht im Besitz des Kl befinde und nicht durch die Insolvenzmasse genutzt werde. Nach Verfahrenseröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei nur aus der Masse zu befriedigen, wenn das Fahrzeug für die Masse genutzt werde (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2004 VII R 62/03, ZIP 6/2005, 264 ff). Außerdem sei die Steuerfestsetzung für die Zeit ab Verfahrenseröffnung abzugrenzen.

Nach einem, in den Akten des FA befindlichen Schreiben der ... GmbH vom 23.08.2001 (Bl. 4 FA-Akte) wurde das Fahrzeug im Juni 2001 verkauft.

Das Fahrzeug ist laut telefonischer Auskunft der ZuSt vom 13.06.2005 bisher weder abgemeldet, noch auf einen anderen Halter umgeschrieben (Bl. 31 FA-Akte). Der Verkauf wurde dieser Behörde nicht angezeigt. Eine Fahndung (z.B. wegen mangelndem Versicherungsschutz) wurde nicht eingeleitet.

Das FA setzte mit der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2005 (Bl. 26 f FA-Akte) die Steuer unter Änderung des angefochtenen Bescheids wie folgt fest:

 für die Zeit vom 22.11.2004 bis 31.12.2004i.H.v.62 EUR
für die Zeit vom 01.01.2005 bis 03.07.2005i.H.v.344 EUR
ab dem 04.07.2005 auf jährlichi.H.v.683 EUR

Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.

Ein Fahrzeug, das zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung auf den/die Schuldner/in zugelassen sei, sei unabhängig von dessen Verbleib grundsätzlich solange der Masse zuzurechnen, wie diese Zulassung bestehe (vgl. BFH vom 18.12.1954 II 190/52 Urteil, BStBl 1954 III Seite 49). Zum Zeitpunkt der Konkurs- bzw. ab 01.01.1999 Insolvenzeröffnung wechsle die Verfügungsberechtigung (vgl. Strodthoff, Kommentar zur KraftSt, zu § 5 KraftStG, Rz. 44) und die Steuerschuld wechselt auf den Verwalter über (vgl. FG München vom 10.09.1997 4 K 692/95, UVR 1998 Seite 28). Der Verwalter habe alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Beendigung der Steuerpflicht zu erreichen (vgl. FG München vom 10.09.1997 4 K 692/95, UVR 1998 Seite 28, m.w.N.). Dabei sei es ohne Belang, ob dem Verwalter die Existenz des auf den/die Schuldner/in zugelassenen Fahrzeugs unbekannt geblieben sei (vgl. FG München vom 21.03.2001 4 K 1954/00, EFG 2002, 53). Das vom Insolvenzverwalter zitierte Urteil des BFH vom 16.11.2004 VII R 62/03, BStBl II 2005, 309 sei für die Frage der Zugehörigkeit zur Masse, bzw. der Dauer der Kraftfahrzeugsteuerpflicht nicht einschlägig. Der BFH habe sich in dieser Entscheidung mit der Aufteilung bereits geleisteter Zahlungen zur Kraftfahrzeugsteuer im Falle der nachfolgenden Insolvenz auseinandergesetzt.

Die Steuerpflicht inländischer Fahrzeuge ende zum Zeitpunkt der Abmeldung, der Umschreibung auf einen anderen Halter oder des Eingangs einer Anzeige i.S.d. § 27 Abs. 3 StVZO bei der zuständigen Zulassungsstelle (§ 5 Abs. 1 bzw. Abs. 5 KraftStG).

Die Steuerpflicht dauere an. Die Kraftfahrzeugsteuer sei demgemäß gegenüber dem Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit festzusetzen, allerdings erst ab dem Tag der Verfahrenseröffnung (hier 22.11.2004; vgl. BFH-Beschluss vom 08.07.1997 VII B 89/97).

Mit der Klage (Schr. v. 13.07. und 08.12.2005 sowie 13.03.2006, Bl. 1 f, 34 f und 48 f FG-Akte) beantragt der Kl den angefochtenen KraftSt-Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Während steuerrechtlich aufgrund gesetzlicher Vermutung steuerpflichtig immer derjenige sei, der Halter des Fahrzeuges sei, werde insolvenzrechtlich eine Steuerpflicht zu Lasten der Insolvenzmasse nur dann ausgelöst, wenn das Fahrzeug zur Insolvenzmasse gehöre. Vorliegend gehe aber die insolvenzrechtliche Regelung dem Steuerrecht vor. Bereits im Geltungsbereich der Konkursordnung galt der Grundsatz "Konkursrecht geht vor Steuerrecht" (vgl. näher hierzu Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, 6. Aufl., 2004, Rn. 143 m.w.N.). Hieran habe sich dem Grunde nach mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung nichts geändert (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., 2003, § 38 Rn. 6, 27). Der Vorrang des Insolvenzrechts begründe sich aus der zentralen Maxime der Insolvenzordnung, der Gläubigergleichbehandlung. Dieser Grundsatz gelte für alle Gläubiger des Insolvenzschuldners, wobei es keinen Unterschied mache, ob die Gläubiger privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich strukturiert seien.

Selbst wenn die normierte Haltervermutung zutreffen würde, besage dies noch nichts über die rechtliche Qualifizierung des Steueranspruchs. Unter den besonderen insolvenzrechtlichen Bestimmungen könne dieser Anspruch nur dann gegen die Masse geltend gemacht werden, wenn die Masse im Gegenzug das Fahrzeug auch nutze. Dies sei hier unstreitig nicht der Fall. Andernfalls müsse die Beklagte ihre Ansprüche gegen das insolvenzfreie Vermögen geltend machen.

Im Übrigen lägen dem Kl für die Abmeldung des Fahrzeuges die erforderlichen Unterlagen (Kfz-Brief, -Schein, Nummernschilder) nicht vor. Eine strafrechtliche Anzeige bzw. Verlustanzeige sei ebenfalls nicht möglich, da der Kl gar nicht mehr Eigentümer des Fahrzeuges sei. Realistischerweise habe der Kl somit keine Möglichkeit eine Abmeldung im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen vorzunehmen. Insbesondere sei eine Anzeige nach § 27 Abs. 3 StVzO nicht möglich.

Das FA könne sich nicht auf die gesetzliche Vermutung des Halters als Steuerpflichtiger berufen. Es habe selbst dem Kl mitgeteilt, dass das Fahrzeug 2001 veräußert worden sei.

Es habe somit seit 2001 positive Kenntnis vom Eigentumsübergang, sodass die gesetzliche Vermutung vorliegend nicht greife.

Weiter könne der Insolvenzverwalter auch bei einer juristischen Person einen Massegegenstand freigeben, damit sei der Insolvenzbeschlag aufgehoben (BGH-Urteil vom 21.04.2005 IX ZR 281/03).

Das FA beantragt

die Klage abzuweisen (Schr. v. 12.08.2005 und 24.01.2006, Bl. 28 f, 37 f FG-Akte). Vor dem Senat hat am 31.05.2006 mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat zu Recht für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens für das noch auf den Schuldner zugelassene Fahrzeug die Kraftfahrzeugsteuer gegen den Kl als Insolvenzverwalter festgesetzt (vgl. BFH-Urteil v. 16.11.2004 VII R 62/03, a.a.O. m.w.N.). Entscheidend ist hiernach allein, dass das KFZ nach wie vor zum öffentlichen Verkehr zugelassen ist und deshalb auch für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kraftfahrzeugsteuer zu Lasten der Insolvenzmasse geschuldet wird.

Im Streitfall kommt es insoweit nicht auf die vom BFH entschiedene Frage des steuerrechtlichen Schicksals von im Voraus entrichteter KraftSt im Rahmen einer Aufrechnungslage an, sondern allein auf die Frage des Bestehens der Steuerpflicht und des zutreffenden Steuerschuldners. Im Streitfall liegt eine M asseverbindlichkeit vor, da der Steuertatbestand durch das weitere Halten des Fahrzeugs im Kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinn verwirklicht wurde. Entsteht der Rechtsgrund einer Steuerverbindlichkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist die Steuerschuld Masseverbindlichkeit. Das Entstehen des Rechtsgrundes richtet sich dabei nach dem Steuerrecht (vgl. Braun, Komm. z. InsO, 2. Aufl., § 55 Rd. 16).

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG dauert die Steuerpflicht ab der Insolvenzeröffnung solange an, als das Fahrzeug nicht vom Konkursverwalter abgemeldet wird (s. § 5 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 5 KraftStG). Es ist Aufgabe des Insolvenzverwalters und nicht des FA oder der Zulassungsstelle, das Ende der Kraftfahrzeugsteuerpflicht herbeizuführen, selbst wenn diese nicht mehr Bestandteile der Insolvenzmasse sind (s. Möller, DStR 1956, 412 ff sowie BFH, BStBl III 1954, 49). Die bloße Anzeige an das FA oder die Zulassungsstelle genügt nicht zur Beendigung der Steuerpflicht, da dies eine Abmeldung bei der Zulassungsstelle voraussetzt (s. Egly/Mößlang, a.a.O., S. 274).

Lediglich in Fällen, in denen die Einziehung des Steuerrückstands erfolglos geblieben sein sollte, ist das FA verpflichtet (kein Ermessen Egly/Mößlang, a.a.O., S. 339), eine Abmeldung von Amts wegen bei der Zulassungsstelle gemäß § 14 Abs. 1 KraftStG zu beantragen oder in Sonderfällen gemäß § 14 Abs. 2 KraftStG selbst vorzunehmen. Steuerrückstände allein genügen nicht. Dieses Verfahren dient jedoch nicht dazu, die dem Insolvenzverwalter obliegende Abmeldung (§ 5 Abs. 5 KraftStG i.V.m. § 27 Abs. 3 StVZO) zu ersetzen. Der Senat verkennt nicht, dass hierbei im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten auftreten können. Jedoch kann dies im vorliegenden Verfahren, in dem es allein um die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung geht, nicht berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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