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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 4 K 3288/03
Rechtsgebiete: GrEStG, AO, Richtlinie 69/335 EWG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3
GrEStG § 6 Abs. 3
GrEStG § 8 Abs. 2 S. 1
AO § 164 Abs. 2
Richtlinie 69/335 EWG Art. 12 Abs. 1b)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung [.......] sowie der ehrenamtlichen Richter ... ohne mündliche Verhandlung am 20. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Streitig ist insbesondere, ob die Besteuerung eines Einbringungsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) gegen Europäisches Recht (Richtlinie 69/335 EWG vom 17.07.1969) verstößt.

Die Klägerin (Klin), die Firma H AG & Co., Holding KG wurde am 20. November 2000 gegründet. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 12. Dezember 2000. Alleiniger Kommanditist ist Herr H.

Herr H war ferner alleiniger Kommanditist der - Grundstückbesitzenden - Firma B GmbH & Co. Betriebs-KG.

Mit privatschriftlicher Einbringungs- und Übernahmevereinbarung vom 19. Dezember 2000 übertrug Herr H seine gesamten Gesellschaftsanteile an der vorgenannten KG auf die Klägerin.

Der bisherige Komplementär der am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt war schied anschließend aus. Das Vermögen der Firma B GmbH & Co. Betriebs-KG und damit auch das Grundstück am ... in .... ging durch Anwachsung auf die Klägerin über. Mit Grundbuchberichtigungsantrag vom 11. Januar 2001 beantragte der Notar das Eigentum an diesem Grundstück auf die Klägerin im Wege der Grundbuchberichtigung umzuschreiben.

Am 24. Januar 2001 schlössen die X-Bank AG und Herr H vor dem Notar eine Grundsatzvereinbarung über eine umfassende Regelung über die Rückzahlung der offenen Forderungen von X-Bank AG gegenüber Herrn H. Die Parteien waren sich darüber einig, dass Gesellschaftsanteile an Gesellschaftern der H-Gruppe auf die Vermögensverwaltungsgesellschaft Hl GmbH mit Sitz in .... als Treuhänderin übertragen werden sollten.

Mit notarieller Urkunde vom 21. März 2001 trat daraufhin Herr H 90 v. 100 seiner Kommanditbeteiligung an der Klägerin an einen Treuhänder, der Vermögensverwaltungsgesellschaft H GmbH mit Sitz in ... ab.

Die Treuhänderin wurde am 02. August 2001 als neue Kommanditistin mit einer Einlage von 3.150.000 EUR im Handelsregister eingetragen. Am Stammkapital der GmbH von 25.000 EUR ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft S GmbH zu 100% beteiligt. Der Beklagte (Finanzamt = FA) sah den Übergang des Eigentums am Grundstück im Rahmen der Einbringungs- und Übernahmevereinbarung als grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG an und setzte gegen die Klägerin zunächst mit nach § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Grunderwerbsteuerbescheid vom 04. Oktober 2001 Grunderwerbsteuer in Höhe von 32.280 DM fest. Dabei setzte es zunächst aus Vereinfachungsgründen bei der Bemessungsgrundlage den Bilanzwert in Höhe von 922.309 DM an.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Grunderwerbsteuerbescheid vom 01. April 2003 setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer auf 32.935, 89 EUR (= 64.417 DM) fest.

Dabei legte das Finanzamt den vom Finanzamt festgesetzten Grundbesitzwert über 2.045.000 DM der Besteuerung zugrunde und liest davon 10 von 100 gem. § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei. Als steuerpflichtiger Teil der Gegenleistung ergaben sich danach 1.840.500 DM.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin insbesondere geltend, dass bei der Besteuerung der Übertragung aller Kommanditanteile an der B GmbH und Co. Betriebs-KG durch Herrn H auf die Klägerin der wirtschaftliche Aspekt nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Da die wirtschaftliche Berechtigung des Herrn H am Grundstückswert über die Einbringung und die nachfolgende Übertragung der Kommanditanteile an der Klägerin auf die Treuhandgesellschaft durch die gleichzeitige Durchführung der Treuhandvereinbarung zweifelsfrei erhalten geblieben sei, sei eine Unterwerfung des Übertragsvorgangs unter die Grunderwerbsteuer nicht gegeben.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2003 als unbegründet zurück.

Bei der Besteuerung der Einbringung aller Anteile an der B GmbH & Co. Betriebs-KG in die Klägerin gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG könne die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG insoweit nicht gewährt werden, soweit die Anteile an der Klägerin anschließend auf einen Treuhänder übertragen worden seien.

Die Einbringung aller Kommanditanteile an der BKG in die Klägerin durch Herrn H sei eine gesetzlich nicht vorgesehene Verschmelzung von Personengesellschaften. Die Verschmelzung durch Neubildung sei in der Weise möglich, dass die Gesellschafter der zu verschmelzenden Gesellschaftern eine neue Personengesellschaft - hier die Klägerin - gründen, in der sie als Einlagen ihre sämtlichen Gesellschaftsanteile einbringen. Die vereinfachte Verschmelzung erfolge im Rahmen eines Anwachsungsmodells und unterliege gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer.

Die Einbringung aller Anteile an der B KG in die Klägerin im Rahmen einer Verschmelzung durch Anwachsung stelle einen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG dar. Die Grunderwerbsteuer bemesse sich danach grundsätzlich nach den Werten im Sinne des § 138 Abs. 2 und 3 des Bewertungsgesetzes. Der Grundbesitzwert sei gem. § 138 Abs. 5 Bewertungsgesetz gesondert festzustellen, wenn er für die Grunderwerbsteuer erforderlich sei. Der nach § 138 Abs. 5 Bewertungsgesetz ergehende Feststellungsbescheid sei ein Grundlagenbescheid der für den Grunderwerbsteuerbescheid bindend sei.

Durch die Abtretung von 90 v. 100 der Kommanditanteile durch Herrn H auf die HVermögensverwaltungs- GmbH mit Treuhandvertrag vom 21. März 2001 sei die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in Höhe von 90 v. 100 rückwirkend weggefallen, weil durch die Übertragung der Kommanditbeteiligung von 3.150.000 EUR auf den Treuhänder die unmittelbare gesamthänderische Beteiligung (90 v. 100) aufgegeben worden sei. Ob Herr H durch die Vereinbarungen im Auftrag -und Treuhandvertrag bzw. die Grundsatzvereinbarung wirtschaftlicher Eigentümer geblieben sei oder die Verfügungsmacht gehabt habe sei unbeachtlich.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung könne im Bereich der §§ 5 und 6 GrEStG ein Anteil am Vermögen einer Gesamthand nur durch eine unmittelbare dingliche Mitberechtigung vermittelt werden, d.h., auch mit der Übertragung eines Kommanditanteils auf einen Treuhänder vermindere sich der Anteil am Vermögen der Gesamthand, weil die gesamthänderische Vermögensbeteiligung dadurch aufgegeben werde.

Nicht der Treugeber, sondern der Treuhänder sei bürgerlichrechtlich und auch handelsrechtlich Gesellschafter. Die §§ 5 und 6 GrEStG stellten ausdrücklich nicht auf die Möglichkeit einer Einwirkung, sondern ausschließlich auf eine unmittelbare dingliche Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ab.

Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin,

den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 01. April 2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2003 aufzuheben.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid sie in ihren Rechten verletze, da er einen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungsvorgang zu Unrecht der Grunderwerbsteuer unterwerfe.

Ferner macht sie geltend, dass die Erhebung von Grunderwerbsteuer im vorliegenden Fall mit dem EU-Recht nicht vereinbar sei. Es stelle sich die Frage, ob die Erhebung von Grunderwerbsteuer in Einbringungsfällen gegen das Europarecht verstoße. Insbesondere stelle sich die Frage, ob die Richtlinie 69/335/EWG - die Erhebung von Grunderwerbsteuer in Fällen der Umstrukturierung - mit dem Europarecht vereinbar sei. In Artikel 10 der Richtlinie sei festgelegt, dass keine anderen Steuern neben der Gesellschaftsteuer von Gesellschaftern, Personenvereinigungen oder juristischen Personen bei Umwandlungen und Einbringungen erhoben werden dürfen. Die Grunderwerbsteuer sei als indirekte Steuer zu verstehen, unabhängig von ihrer Qualifizierung im nationalen Recht und dürfe damit eine Umstrukturierung nicht beeinträchtigen. Die Klägerin verweist insoweit auf einen Aufsatz von Spengel und Dörfuss in Deutsches Steuerrecht 2003 S. 1059. Sie trägt weiter vor, die Stellungnahme im Deutschen Steuerrecht beziehe sich zwar nur auf § 1 Abs. 3 GrEStG, sei aber ihres Erach-tens nach im Analogieschluss auch auf den streitbefangenen Fall anzuwenden.

Das Finanzamt beantragt unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung

die Klage abzuweisen.

Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Einbringung aller Anteile an der B Tenniscenter GmbH & Co. Betriebs-KG in die Klägerin ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz ist der zunächst gem. § 6 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz voll steuerbefreit war. Diese Steuerbefreiung ist jedoch gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 Grunderwerbsteuergesetz in Höhe von 90% rückwirkend weggefallen, weil durch die Übertragung der Kommanditbeteiligung auf den Treuhänder die unmittelbare gesamthänderische Beteiligung (in Höhe von 90 v. 100) aufgegeben worden ist. Der Senat schließt sich insoweit den in der Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2003 gegebenen Begründungen an, die keinen Rechtsfehler erkennen lassen und auf die er gem. § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) verweist. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Erhebung von Grunderwerbsteuer im vorliegenden Einbringungsfall verstößt auch nicht gegen Europäisches Recht.

So ist insbesondere bei einer Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG ein Verstoß gegen das EU-Recht nicht ersichtlich.

Der Senat braucht die Frage nicht zu vertiefen, ob die Richtlinie 69/335 EWG in der Streitsache überhaupt einschlägig ist, weil Art. 12 Abs. 1 b) dieser Richtlinie ausdrücklich die Erhebung von Besitzwechselsteuern auf die Einbringung von Liegenschaften gestattet. Die Grunderwerbsteuer ist eine Besitzwechselsteuer in diesem Sinne. § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst die Fälle, in denen eine Einbringung von Gesellschaftsanteilen bzw. eine Kapitalveränderung die Rechtszuständigkeit an einem Gesellschaftsgrundstück ändert. Dass es sich hierbei um einen letztlich "fingierten" Grundstückserwerb handelt, ändert nichts daran, dass durch die auf der Einbringung beruhende Anteilsvereinigung ein Besitzwechsel am Grundstück besteuert wird, der unter die Ausnahmevorschrift des Art. 12 Abs. 1b) der Richtlinie fällt. Diese Vorschrift kann nicht einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass ihre Voraussetzungen nur bei förmlichen Grundstücksübertragungen erfüllt wären. Bei Besitzwechselsteuern, insbesondere der Grunderwerbsteuer, ist es allgemein üblich, nicht nur förmliche Übertragungen, sondern auch diesen im Ergebnis gleichkommende wirtschaftliche Übertragungen zu besteuern. Dies ergibt sich z.B. deutlich aus § 1 Abs. 2 und 2a) GrEStG. Welche Vorgänge als Besitzwechsel bzw. Änderung der Rechtszuständigkeit an einem Grundstück der Besteuerung unterliegen, obliegt insoweit allein mit dem nationalen Gesetzgeber. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass es keine allgemeine Regel gibt, Ausnahmevorschriften eng auszulegen. Der Senat folgt damit der vom Finanzgericht Münster im Urteil vom 09.11.2004 8 K 5501/03, EFG 2005, 472 (474) vertretenen Auffassung und vermag sich der Ansicht von Spengel/Dörrfuß in DStR 2003, 1059 nicht anzuschließen.

In Übereinstimmung mit dem Finanzgericht Münster (a.a.O.) sah der Senat auch keinen Anlass, die Streitfrage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Der Senat sah auch keinen Grund, die Revision zuzulassen, zumal der Bundesfinanzhof in seinen neueren Entscheidungen zu § 1 Abs. 3 GrEStG keinen Anlass gesehen hat, die hier streitige Frage aufzugreifen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.



Ende der Entscheidung

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