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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 5 K 1084/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 2
EStG § 1 Abs. 3
EStG § 62 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 1084/06

Kindergeld

In der Streitsache

...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht xxx,

des Richters am Finanzgericht xxx und

der Richterin am Finanzgericht xxx sowie

der ehrenamtlichen Richter xxx und xxx

ohne mündliche Verhandlung

am 24. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Klägerin begehrt Kindergeld für ihren am 18.12.2004 geborenen Sohn xxx.

Die beklagte Familienkasse wies den Antrag der Klägerin auf Kindergeld mit Bescheid vom 24.04.2005 zurück. Die Klägerin lebe seit 2002, zunächst allein und dann mit Ehemann und Kind, in Spanien. Sie nutze zwar eine Wohnung im Hause ihrer Eltern in Ottobrunn unentgeltlich. Ihre dortigen Aufenthalte seien jedoch nur besuchsweise erfolgt und könnten keinen Wohnsitz in Deutschland begründen; sie habe auch nicht nachgewiesen, dass sie in Deutschland als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werde. Die Klägerin erhob hiergegen Einspruch. Im Laufe des Einspruchsverfahrens nahm ein Mitarbeiter der Beklagten die Wohnung im Elternhaus der Klägerin in Augenschein. Er berichtete, die Eltern der Klägerin hätten ihm mitgeteilt, dass sich die Klägerin noch bis circa zehn Tage vor dem Augenschein für einen längeren Zeitraum in der Wohnung aufgehalten habe; er habe jedoch den Eindruck gewonnen, dass die Wohnung seit längerem nicht benutzt worden sei. Zudem handele es sich bei der Küche lediglich um eine sog. Singleküche mit zwei elektrischen Kochplatten, die den Eindruck einer Abstellkammer erweckt habe (Aktenvermerk vom 09.02.2006, Blatt 48 der Kindergeldakte). Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.02.2006 zurück.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Wohnung im Dachgeschoss des Hauses ihrer Eltern bestehe aus einem Zimmer, Flur, Küche und Bad mit insgesamt 37,4 qm. Sie nutze die Wohnung aufgrund eines unentgeltlichen Überlassungsvertrags mit ihrem Vater seit dem Jahr 2001. Sie habe sich vom 19.6. bis 17.7.2005, 17.12.2005 bis 31.01.2006, 31.07.2006 bis 27.08.2006 und vom 01.10.2006 bis 28.10.2006 in der Wohnung aufgehalten. Dabei sei sie jeweils von ihrem Sohn und ihrem Mann, der seit 30.06.2005 beschäftigungslos sei und sich im Dezember 2005 in Ottobrunn mit alleinigem Wohnsitz angemeldet habe, begleitet worden. Die Wohnung in Madrid bestehe seit 2004 bis heute unverändert fort. Ihr Wohnsitz befinde sich jedoch - zumindest auch - in Deutschland, da sie dort neben ihrer Wohnung auch Freunde und Bekannte habe. Ihr Sohn sei deutscher Staatsbürger und solle seine Heimatsprache in Deutschland lernen. Die Klägerin hat verschiedene Unterlagen vorgelegt, insbesondere Bestätigungen über Arztbesuche, auf die Bezug genommen wird, ferner eine Negativauskunft des Finanzamts München IV bezüglich der Zuteilung einer Steuernummer vom 10.03.2005 und die Kopie ihres Antrags auf Ausstellung einer NV-Bescheinigung für 2006.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 24.05.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 23.02.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr ab Dezember 2004 Kindergeld für ihren Sohn xxx auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es sei kein Wohnsitz im Inland nachgewiesen, die Aufenthalte erfolgten nur besuchsweise. Die Klägerin habe ihren Wohnsitz in Deutschland im Jahr 2002 aufgegeben. Das bloße Vorhalten einer Wohnung zu Besuchszwecken und eine vage Absicht, eventuell später in diese Wohnung zurückzukehren, reichten nicht aus. Die Klägerin sei auch weder nach § 1 Abs. 1 noch nach § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) unbeschränkt einkommensteuersteuerpflichtig.

Im Übrigen wird auf die Kindergeldakte, die Aufklärungsanordnung nach § 79 Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 17.01.2007 sowie die im Laufe des Verfahrens eingereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder - ohne diese Voraussetzungen zu erfüllen - nach § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht gegeben.

a) Die Klägerin hat keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

aa) Hierzu hat der Bundesfinanzhof in Fortführung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum früheren Bundeskindergeldgesetz ausgeführt (BFH-Urteil vom 12.01.2001 VI R 64/98, BFH/NV 2001, 1231):

"Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff objektiviert. Er stellt auf die tatsächlichen Gegebenheiten ab und knüpft in erster Linie an äußere Merkmale, nicht an subjektive Momente oder Absichten an. Maßgebend ist der objektive Zustand, nämlich das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Wohnungsinhaber diese Wohnung innehaben und benutzen wird. Das setzt zunächst voraus, dass eine Wohnung mit zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten vorhanden ist, die der Steuerpflichtige innehat, d.h. über die er tatsächlich verfügen kann (...). Die Würdigung der Begleitumstände des Innehabens einer Wohnung liegt auf tatsächlichem Gebiet. Das Revisionsgericht ist in Ermangelung erhobener Verfahrensrügen an die Beurteilung des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Es kann die Beurteilung des FG nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze und gegen Erfahrungssätze hin überprüfen (...). Bei Anlegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs sind die Feststellungen des FG, der Klägerin hätten in dem ihren Eltern gehörenden Einfamilienhaus Wohnräume zur Verfügung gestanden, die sie jederzeit nutzen konnte, nicht zu beanstanden. Zulässige und begründete Verfahrensrügen in Bezug auf diese Feststellungen sind nicht erhoben.

Das FG hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin habe diese Wohnräume auch als ständige Bleibe genutzt. Nach der Rechtsprechung des BFH muss dem Steuerpflichtigen die Wohnung dadurch als Bleibe dienen, dass er sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken macht eine Wohnung nicht zum Wohnsitz i.S. des § 8 AO 1977 (...). Der Wohnsitzbegriff setzt zwar nicht voraus, dass die Wohnung dauernd durch ihren Inhaber genutzt wird oder der Steuerpflichtige sich dort während einer Mindestzeit aufhält. Die Wohnung im Inland muss auch nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen bilden. Er kann deshalb mehrere Wohnsitze haben (...). Nicht genügend ist jedoch, dass sich jemand, der dauernd und langfristig mit seiner Familie im Ausland wohnt, nur gelegentlich im Urlaub oder zu Besuchszwecken in einer Wohnung oder in Räumen aufhält, die ihm unentgeltlich von Dritten, z.B. von den Eltern, zur Verfügung gestellt werden. In einem solchen Fall nutzt er die zur Verfügung gestellten Räume nicht als Bleibe und da mit nicht als Wohnsitz, sondern nur besuchsweise oder als Ferienwohnung. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i.d.F. vor 1996 an, der von dem gleichen Wohnsitzbegriff ausging, wie er in § 8 AO 1977 umschrieben ist (...).

Im Streitfall hat sich die Klägerin nach den Feststellungen des FG mit ihren Söhnen nur zu Ostern und in den Sommerferien sowie gelegentlich über Weihnachten in dem Gebäude in D aufgehalten. Ein solcher kurzfristiger Aufenthalt --nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hat sie seit 1995 ihre Eltern regelmäßig im April zwei Wochen sowie im August drei Wochen besucht und hält sich dort gelegentlich in den Weihnachtsferien aufgenügt nicht, um einen Wohnsitz zu begründen oder beizubehalten. Dass die Klägerin während der kurzfristigen Aufenthalte im Inland Ärzte aufgesucht oder ihren Eltern im Betrieb geholfen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung."

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Wohnsitz in Deutschland. Sie hat diesen Wohnsitz spätestens im Jahr 2002 mit der Aufnahme einer Beschäftigung als selbständige Messebauerin in Spanien aufgegeben und die inländische Wohnung nur noch zu Besuchszwecken vorgehalten. Die nicht konkretisierte Absicht, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt wieder den Wohnsitz nach Deutschland zurückzuverlegen, ändert bei diesem langfristigen und dauerhaften Wegzug nichts.

bb) Die Klägerin ist auch nicht im Jahr 2005 dauerhaft in die Ottobrunner Wohnung zurückgekehrt. Hierfür spricht zwar die für sie und ihre Familie vorgelegte Meldebescheinigung, wonach nunmehr der alleinige Wohnsitz nach Ottobrunn verlegt worden sein soll. Demgegenüber hat die Klägerin aber zuletzt im Schreiben vom 06.02.2007 gegenüber dem Gericht erklärt, sich mit ihrer Familie im Jahr 2005 nur einmal und im Jahr 2006 dreimal in Ottobrunn aufgehalten zu haben. Daneben hat sie in diesem Schreiben ausgeführt: "Wir (mein Mann, ich und mein Sohn) wohnen in Spanien seit 2004 ...". Die tatsächlichen Verhältnisse widersprechen daher den melderechtlichen Angaben und gehen diesen bei der rechtlichen Würdigung vor. Die Beklagte hat zudem darauf hingewiesen, dass die Wohnung im Elternhaus der Klägerin mit nur einem Wohnraum für drei Personen und insgesamt 37,4 qm sehr klein erscheint und für eine dauerhafte Haushaltsführung nicht ausreichend ausgestattet ist. Einen Vergleich des Wohnstandards in Ottobrunn mit den Wohnverhältnissen in Spanien hat die Klägerin nicht ermöglicht, da sie trotz Anfrage in der Aufklärungsanordnung vom 17.01.2007 zu den Wohnverhältnissen in Spanien keine Angaben gemacht hat. Dies geht zu ihren Lasten (§ 90 Abs. 2 Abgabenordnung -AO 1977-i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO), begrenzt die Sachaufklärungspflicht des Gerichts und führt zu einer Minderung des Beweismaßes (BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462).

b) Die Klägerin gilt auch nicht nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Entgegen ihren Angaben bei der Beantragung des Kindergeldes bezieht die Klägerin nur Einkünfte aus Kapitalvermögen, nicht auch aus Vermietung und Verpachtung. Sie war bislang beim für sie zuständigen Finanzamt München IV nicht steuerlich erfasst und hat auch nicht nachgewiesen, dass sie für den Veranlagungszeitraum 2005 eine Steuernummer zugeteilt erhalten und eine Einkommensteuererklärung abgegeben hätte, die zu einer Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG geführt hätte. Auch für den Veranlagungszeitraum 2006 liegt keine solche Einkommensteuerveranlagung vor. Die von der Klägerin in ihrem Antrag auf Ausstellung einer Nichtveranlagungsbescheinigung für 2006 aufgeführten Einkünfte aus Kapitalvermögen machen betragsmäßig eine solche Veranlagung auch nicht erforderlich. Selbst wenn das Finanzamt eine solche Bescheinigung erteilt hätte, würde diese keine Entscheidung über die Einkommensteuerpflicht der Klägerin nach § 1 Abs. 3 EStG beinhalten. Denn diese Entscheidung kann erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums anhand der konkret erzielten Einkünfte bei der Veranlagung getroffen werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf § 90 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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