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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 5 K 2239/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
EStG § 62 Abs.1
EStG § 63 Abs. 1 S. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 2239/06

Kindergeld

In der Streitsache

...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht xxx, des Richters am Finanzgericht xxx und der Richterin am Finanzgericht xxx sowie der ehrenamtlichen Richter xxx und Dipl.-Ing. xxx

ohne mündliche Verhandlung

am 28. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die beklagte Familienkasse der Klägerin für ihr Kind xxx, geboren am 26.10.1985, bis zum Ende von dessen Berufsausbildung im Juni 2004 noch Kindergeld zahlen muss oder ob die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) überstiegen haben.

xxx beendete die Berufsausbildung am 25.06.2004. Er bezog als Ausbildungsvergütung einschließlich eines am 30.06.2004 auf dem Konto gutgeschriebenen Urlaubsgeldes unter Berücksichtigung des hälftigen Arbeitnehmerpauschbetrags unstrittig 3.856,96 EUR. Das Urlaubsgeld war nach dem Ganzjahresbetrag für Auszubildende bemessen. Die Personalstelle des Ausbildungsbetriebs begründete dies damit, dass die Weiterbeschäftigung von Tobias als Geselle schon festgestanden habe und die Glattstellung mit dem Urlaubsgeldanspruch für Gesellen erst später vorgenommen worden sei (Gesamturlaubsgeld für 2004: 1.679,10 EUR). Die beklagte Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld mit Bescheid vom 20.02.2006 wegen des Überschreitens des anteiligen Jahresbetrags für Einkünfte und Bezüge ab. Die Ablehnung griff die Klägerin mit der Begründung an, die Sonderzuwendung sei erst nach dem Ende der Berufsausbildung zugeflossen. Auch in der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2006 vertrat die Beklagte weiterhin die vom Kläger angegriffene Auffassung, Sonderzuwendungen könnten nur dann außer Betracht bleiben, wenn sie in einem Kürzungsmonat zufließen.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Urlaubsgeld sei nach dem Ende der Berufsausbildung zugeflossen. Am 30.06.2004 sei der Gewährungsgrund des Ausbildungsverhältnisses bereits weggefallen gewesen. Nach § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG seien aber beim nur teilweisen Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in einem Kalendermonat auch die Einkünfte und Bezüge nur insoweit anzusetzen, als sie auf den Zeitraum des Vorliegens der Voraussetzungen entfielen. Deshalb müsse das Urlaubsgeld in diesem geteilten Monat dem Kürzungszeitraum 26.06. bis 31.12.2004 zugerechnet werden. Denkbar sei auch, das für ein volles Jahr ausbezahlte Urlaubsgeld wegen des Ausbildungsendes zum 25.06.2004 nur zu 175/360 anzusetzen. Teile man dagegen das Urlaubsgeld auf, entfalle auf die Ausbildungszeit ein Betrag von 244,40 EUR, der ebenfalls nicht zum Überschreiten des Grenzbetrags führen würde.

Die Klägerin beantragt,

den ablehnenden Bescheid vom 20.02.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 10.05.2006 aufzuheben und ihr Kindergeld bis Juni 2004 zugewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Kindergeldanspruch für ein in Ausbildung befindliches Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, ergibt sich aus § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG) in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung. Ein Kind wird jedoch nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat. Für jeden Kalendermonat, an dem die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 an keinem Tag vorliegen, ermäßigt sich der Betrag um ein Zwölftel. Einkünfte und Bezüge aus Kalendermonaten, in denen die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nur in einem Teil des Kalendermonats vorliegen, sind nur insoweit anzusetzen, als sie auf diesen Teil entfallen.

2. Nach diesen Grundsätzen kann das Kind xxx der Klägerin wegen Überschreitens des Grenzbetrags nicht für das Kindergeld berücksichtigt werden.

a) Tobias befand sich bis zum 25.06.2004 in Berufsausbildung und wurde unmittelbar darauf als Arbeitnehmer (Geselle) übernommen. Demnach lagen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Januar bis einschließlich Juni 2004 vor, sodass der Grenzbetrag 6/12 = 3.840 EUR beträgt. Von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist der hälftige Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 460 EUR abzuziehen.

b) Die Einkünfte und Bezüge von xxx betrugen in diesem Zeitraum aus laufendem Arbeitslohn insgesamt 3.856,96 EUR.

 Bruttobetrag Ausbildungsvergütung in EURArbeitnehmeranteil Sozialvers. in EUREinkünfte in EUR
Januar 2004831,88176,36655,52
Februar 2004829,97175,74653,23
März 2004848,85179,96668,89
April 2004845,94179,34666,60
Mai 2004844,97176,59668,38
Juni 2004705,70147,79558,21
Urlaubsgeld564,00117,87446,13
Einnahmen  4.316,96
Abzgl. Arbeitnehmer- Pauschbetrag  -460,00
Einkünfte  3.856,96

aa) Vorstehende Beträge ergeben sich für Januar bis Mai aus der Ausbildungsbescheinigung des Arbeitgebers vom 21.12.2005 und für Juni aus der Arbeitgeberbescheinigung vom 04.05.2006. Diese umfasst entsprechend § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG nur die bis zum 25.06.2004 zustehende Ausbildungsvergütung; der Gesamtverdienst Juni 2004 - im Verdienstnachweis irreführend als "Ausbildungsbeihilfe" bezeichnet - betrug brutto 817,13 EUR.

bb) In die Einkunftsberechnung war auch das Urlaubsgeld in voller Höhe einzubeziehen. Dieses ist dem Sohn der Klägerin zwar erst mit Wert 30.06.2004 und damit nach dem Ausbildungsende auf seinem Gehaltskonto gutgeschrieben worden. Auf den Zufluss kommt es jedoch nicht an. Das Tatbestandsmerkmal "entfallen" in § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG richtet sich nicht nach dem Zufluss, sondern nach der wirtschaftlichen Zurechnung. Insofern liegt hier eine gegenüber den Zuflussregelungen der §§ 11 Abs. 1 Satz 3, 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG vorrangige Sonderregelung vor. Nach der wirtschaftlichen Zurechnung ist die Sonderzuwendung den Ausbildungsmonaten zuzurechnen, weil sie auf dem Berufsausbildungsverhältnis beruht. Dies hat auch der Arbeitgeber wirtschaftlich so gesehen, denn er hat dem Sohn der Klägerin zunächst (quasi aus Vereinfachungsgründen als Abschlagszahlung) das volle Auszubildenden-Urlaubsgeld ausgezahlt und den Erhöhungsbetrag aus der Übernahme ins Gesellenverhältnis erst in einem späteren Zeitraum nachberechnet. Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass das Auszubildenden-Urlaubsgeld zeitanteilig aufzuteilen wäre. Denn es steht aufgrund der Angaben des Arbeitgebers eindeutig fest, dass mindestens dieser Betrag auszubezahlen war und der genaue Aufstockungsbetrag erst zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt werden sollte. Naturgemäß enthält die Zahlung des Urlaubsgeldes immer die Prognose, ob bzw. dass der Arbeitnehmer für den Rest des Urlaubsjahres im Betrieb verbleiben wird. Dennoch bleibt es bei der Erfassung des ausgezahlten Urlaubsgeldes auch dann, wenn dies - wie der Klägervertreter wohl meint - als Jahresbetrag berechnet wurde, obwohl das Ausbildungsverhältnis während des Jahres endet, und eine Glattstellung erst im Rahmen des fortgeführten, geänderten Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Denn auch rechtsgrundlos erfolgte Zahlungen wären den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 04.05.2006 VI R 17/03 und 19/03, BStBl II 2006, 830 und 832).

cc) Die Rechtsauffassung des Senats widerspricht nicht dem Urteil des Bundesfinanzhofsvom 12.04.2000, VI R 34/99, BStBl II 2000, 464, das auf § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG in der für 1997 geltenden Fassung beruht. Im vorliegenden Fall ist die Sonderzuwendung nicht in einem Kürzungsmonat zugeflossen, sondern im letzten für die Berechnung des Jahresgrenzbetrags zu berücksichtigenden Monat Juni 2004.

dd) Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm vertretene Ansicht der geänderten Gesetzesfassung entspricht (Neufassung des § 32 Abs. 4 EStG durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16.08.2001, BGBl. I 2074). Denn nach dieser für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung bleiben diejenigen Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Ansatz, die auf Kalendermonate entfallen, in denen die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 an keinem Tag vorliegen. Das Auszubildenden-Urlaubsgeld entfällt jedoch wirtschaftlich auf den Ausbildungszeitraum (ebenso bereits Schmidt/Glanegger, EStG, 21. Auflage 2002, § 32 Rz 29a).

ee) Schließlich gilt trotz der geänderten Rechtslage das Argument des BFH in der Entscheidung vom 12.04.2000 weiter, dass die Zurechnung des Urlaubsgeldes zum Berufsausbildungsverhältnis dem Zweck der Grenzbetragsregelung des § 32 Abs. 4 EStG entspricht. Denn durch die Auszahlung der Sonderzuwendung in den Berücksichtigungsmonaten erhöhte sich die Leistungsfähigkeit des Kindes während der Monate, für die der Gesetzgeber von einer typischen Unterhaltssituation der Eltern ausgeht. Dass hierbei auch Zahlungen zu berücksichtigen sind, die erst am Ende des Berücksichtigungszeitraums erfolgen und somit auch für bereits abgelaufene Monate die Leistungsfähigkeit des Kindes erhöhen, ist von der typisierenden Betrachtungsweise gedeckt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

4. Die Revision wird zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Klärung der Frage, ob und ggf. in welcher Sonderzuwendungen, die nach Ausbildungsende, aber noch im (letzten) Kindergeldmonat zufließen, in die Einkünfte und Bezüge des Kindes einzubeziehen sind, hat über den entschiedenen Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.

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