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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 5 K 2241/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 2241/06

Einkommensteuer 2003

In der Streitsache

hat das Finanzgericht München, 5. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht xxx als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 12. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 wird dahingehend geändert, dass weitere Werbungskosten des Klägers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 907 EUR berücksichtigt werden.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der ledige Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung und wird beim Finanzamt D zur Einkommensteuer veranlagt.

Streitig ist, ob er im Jahr 2003 ab Oktober weitere Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wegen der Begründung des Mittelpunkts seiner Lebensverhältnisse nicht mehr am Beschäftigungs- und bisherigen alleinigen Wohnort B, sondern am Wohnort seiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau in A geltend machen kann. Der Kläger hatte in seiner Einkommensteuererklärung 2003 die Anerkennung von Fahrtkosten an 200 Arbeitstagen zu je 3 km und an 20 Arbeitstagen zu je 129 km als Werbungskosten beantragt.

Der Beklagte, das Finanzamt, hat die Anerkennung dieser Aufwendungen bei der Veranlagung und auch in der Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 -unter Änderung des Einkommensteuerbescheid 2003 in einem nicht mehr streitigen Punkt - abgelehnt, weil nicht geklärt werden habe können, zu welchem Zeitpunkt der Kläger seinen Lebensmittelpunkt nach A verlagert habe und ab wann die Fahrten über reine Besuchsfahrten, die zu den Kosten der privaten Lebensführung gehörten, hinausgingen. Beim Einwohnermeldeamt habe sich der Kläger erst im Dezember 2004 umgemeldet, nicht aufklärbare Zweifel gingen zu seinen Lasten.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren unter umfangreicher Schilderung seiner damaligen Wohn- und Lebensverhältnisse sowie unter Vorlage von Erklärungen von Bekannten und Verwandten seiner jetzigen Ehefrau weiter.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 907 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Steuerakten und die Einspruchsentscheidung verwiesen. Der 5. Senat des Finanzgerichts München hat die Entscheidung dem Einzelrichter übertragen.

II.

Die Entscheidung ergeht nach § 94a Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung, da dies zweckmäßig erscheint, keiner der Beteiligten die mündliche Verhandlung beantragt hat und dem Rechtsschutzinteresse der Beteiligten auch ohne mündliche Verhandlung hinreichend Rechnung getragen werden kann.

Die Klage ist begründet.

1. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.6 Einkommensteuergesetz (EStG). Erforderlich ist somit die Aufsplittung der ansonsten einheitlichen Lebensführung auf zwei Haushalte, ohne dass der Arbeitnehmer deshalb zwingend Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend machen muss, wenn er etwa - wie im vorliegenden Fall - für eine der Wohnungen keine Kosten zu tragen hat (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 02.01.1972 VI R 95/71, BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262). Ferner muss sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht am Beschäftigungsort, sondern am weiter entfernt liegenden Ort befinden. Der Lebensmittelpunkt eines Menschen liegt dort, wo sich seine sozialen und familiären Belange konzentrieren. Dies ist der Ort, an dem er gesellschaftlich eingebunden ist, an dem er seine Freundes und Bekanntenkreis hat und an dem er seine sozialen und gesellschaftlichen Bindungen pflegt (Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 08.03.2002 II 42/01, EFG 2002, 1029; BFH vom 05.10.1994 a.a.O.). Dies ist anhand einer Gesamtabwägung anhand der maßgebenden Umstände des Einzelfalls festzustellen.

2. Nach den vom Kläger im Klageverfahren erbrachten Nachweisen ist das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass sich der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse ab dem Oktober 2003 von seinem Arbeitsort Bonn nach A verlagert hat.

Für die Auffassung des Beklagten spricht zwar die Vermutung, dass sich der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse im Regelfall am Beschäftigungsort bzw. dem diesem am nächsten liegenden Ort bei mehreren Wohnungen befindet. Diese Vermutung ist im vorliegenden Fall aber bereits dadurch eingeschränkt, dass der Kläger zu Beginn des Jahres 2002 von Unterhaching nach Bonn abgeordnet war und im Jahr 2002 einen doppelten Haushalt geführt hat. Auch im Jahr 2003 dürften sich die sozialen und gesellschaftlichen Bindungen des Klägers in B noch nicht in einer dem Regelfall entsprechenden Weise verfestigt haben. Berücksichtigt man ferner die vom Kläger unwidersprochen vorgetragenen, durch seine intensive Befassung mit beruflichen Belangen offensichtlich nur mit dem Nötigsten ausgestatteten Wohnverhältnisse und seine persönlichen, durch glaubhafte Zeugenangaben belegten Angaben zur Veränderung seiner Lebensperspektive und damit auch seiner emotionalen Einbindung im Raum Rhein/Ruhr, die sich im Herbst 2003 verfestigten letztlich zur Eheschließung geführt haben, so ist von einer Verlagerung seines Mittelpunkts der Lebensverhältnisse ab Oktober 2003 nach A auszugehen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger, der den der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt zwar auch schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen, aber erst im gerichtlichen Verfahren mit den nötigen Nachweisen belegt hat, § 137 Satz 1 FGO.



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