Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 5 K 2794/05
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 3
EStG § 62
AO 1977 § 8
AO 1977 § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 2794/05

Kindergeld

In der Streitsache

....

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht xxx,

des Richters am Finanzgericht xxx und

der Richterin am Finanzgericht xxx sowie

der ehrenamtlichen Richterinnen xxx und xxx

ohne mündliche Verhandlung

am 10. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Mit Bescheid vom 23.03.2005 hob die beklagte Familienkasse (Beklagte) die Kindergeldfestsetzung für die beiden Kinder des Klägers ab Januar 2001 auf und forderte zugleich Kindergeld in Höhe von 13.337,86 Euro zurück.

Erst im November 2002 hat der seit 01.03.1999 in München gemeldete Kläger Kindergeld beantragt. Die amtlichen Bescheinigungen, dass kein Anspruch auf Familienleistungen in Griechenland bestehe, liegen für den Zeitraum Januar 2001 bis Mai 2003 vor. Mit Bescheid vom 27.03.2003 setzte die Beklagte (die Familienkasse) dann für Januar 2001 bis Dezember 2002 Kindergeld fest. Das Kindergeld wurde zunächst auf ein Konto von G G (Inhaber der Firma M. )bei ..................... überwiesen.

Als im Februar 2004 das Kindergeld an die Familienklasse von der Bank wegen Erlöschens des Kontos des Klägers zurückgebucht wurde, teilte der Kläger über das Fax der Firma M eine Anschriftenänderung mit und bat, dass das Kindergeld nun auf folgende Bankverbindung überwiesen werden sollte: ......................

Am 17.02.2005 informierte die Kriminalpolizeidirektion München die Familienkasse darüber, dass die Firma M durchsucht worden sei. Diese Firma vertrete die Geschäftsinteressen von selbständigen griechischen Transportunternehmen in Deutschland. So seien Angelegenheiten bei deutschen Behörden erledigt, Transportaufträge eingeholt oder weitergegeben, die Fahrzeuge versichert worden etc. Diese Transportunternehmen hätten in München ein Gewerbe angemeldet, das sie jedoch tatsächlich in Griechenland ausübten. Laut einer Angestellten der Firma M kämen die Verantwortlichen der griechischen Transportunternehmer ca. 1 Mal im Monat nach München und holten dann die Geschäftsunterlagen (Briefe u.Ä.) ab. Hintergrund für eine Gewerbeanmeldung in München seien finanzielle Aspekte. Nach Hörensagen beliefen sich die Kosten für eine Gewerbeanmeldung in Griechenland auf ca. 50.000 EUR. Bezüglich der Örtlichkeiten der angemeldeten Gewerbe handele es sich um den Sitz der Firma M in München. Voraussetzung für eine Gewerbeanmeldung in Deutschland sei ein fester Wohnsitz. Aus diesem Grunde seien diese Transportunternehmen in München z.B. auch in einem von den Inhabern der Firma M angemieteten eingeschossigen Holzhaus in der .................. Str. 5 angemeldet. Bei diesen Anschriften handele es sich um Briefkastenadressen, ein fester Wohnsitz sei damit aber nicht begründet worden. Bei der Durchsuchung der Firma M seien diverse Geschäftsunterlagen dieser griechischen Transportunternehmen sichergestellt worden. Hierbei habe sich auch Schriftverkehr mit der Beklagten bzgl. des Erhalts von Kindergeld -auch den Kläger betreffend -befunden.

Nachdem der Kläger das Anhörungsschreiben der Beklagten unbeantwortet ließ, hob die Familienkasse gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) das Kindergeld ab Januar 2001 mit Bescheid vom 23.03.2005 auf und forderte das gezahlte Kindergeld für den Zeitraum Januar 2001 bis Februar 2005 in Höhe von 13.337,86 EUR vom Kläger zurück.

Der dagegen eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 29.06.2005 als unbegründet zurückgewiesen, weil der Kläger weder über einen Wohnsitz in Deutschland verfügt noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Eine Bestätigung des zuständigen Finanzamts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG oder § 1 Abs. 3 EStG sei nicht vorgelegt worden. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes sei § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung 1977 (AO).

Mit Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe Kindergeld zu Recht erhalten, weil er seit April 1999 ununterbrochen über einen Wohnsitz in München -zuerst in der ..............straße 6, dann in der ...................straße 46 und später in der ..................... Straße 5 bis heute -nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 8 AO -verfüge. 1999 sei er nach München gekommen und habe dort mit seinem Bruder in Form einer GbR einen Speditions-und Transportbetrieb gegründet sowie ein Gewerbe angemeldet. Sie hätten 10.000 EUR Startkapital und 4 Fahrzeuge (2 Sattelzugmaschinen und 2 Auflieger) im Gesamtwert von 50.000 EUR besessen. Sein Bruder und er hätten die Transportfahrten, die sich auf die Gebiete von Deutschland, Italien, Holland, Frankreich und Griechenland erstreckten, selbst durchgeführt. Er habe 3 bis 4 Tage pro Monat bei seiner Familie in Griechenland verbracht. Am 31.12.2002 (nach Bestätigung der Landeshauptstadt München zur Gewerbeabmeldung war Tag der Betriebsaufgabe der 31.12.2001) habe er seinen Gewerbebetrieb aufgegeben und sei ab 01.01.2003 bis 31.01.2005 bei der Firma M als Fahrer angestellt gewesen (vgl. die Bestätigung der Firma M vom 28.09.2005). Seit 01.02.2005 habe er gelegentlich für verschiedene inländische Speditionen als Fahrer gearbeitet. Vom 01.01.2003 bis 31.01.2005 sei seine Verweildauer in München abhängig von den Anweisungen des Arbeitgebers gewesen. Er habe in der Regel zwischen 10 - 20 Tage in München vor Beginn der jeweiligen Fahrt und nach Abschluss der Fahrt verbracht. Seit 01.02.2005 habe er fast ausschließlich mit kleinen Unterbrechungen während der Osterferien und 2 Wochen im August in München gewohnt.

Der Kläger beantragt,

den Rückforderungsbescheid vom 23.03.2005 sowie die Einspruchsentscheidung vom 29.06.2005 aufzuheben,

hilfsweise,

den Rückforderungsbescheid vom 23.03.2005 sowie die Einspruchsentscheidung vom 29.06.2005 für die Zeit der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung vom 01.01.2003 bis zum 31.01.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Feste Wohnsitze im Inland seien nicht nachgewiesen, ein Fall der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG liege ebenfalls nicht vor.

Im Übrigen wird auf die Steuerakten, die Einspruchsentscheidung, die Anordnung nach § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 26.10.2006 sowie die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

II. 1. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kindergeld.

Gemäß § 62 EStG hat Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.

a) Gemäß § 8 AO hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Eine Wohnung setzt zum dauerhaften Wohnen geeignete Räumlichkeiten voraus. Dies kann auch bei möblierten Zimmern oder Ferienwohnungen, ja sogar bei Barackenunterkünften der Fall sein, soweit diese mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgesucht werden (vgl. nur Kruse in Tipke/Kruse, § 8 AO, Rz. 5f. m.w.N.). Entscheidend sind jeweils die tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles.

Im Streitfall wurden die Voraussetzungen eines Wohnsitzes oder eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 9 AO in Deutschland nicht nachgewiesen. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger über eine Wohnung verfügt hat. Denn es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass er diese auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgesucht bzw. in München nicht nur vorübergehend verweilt hat. Der Kläger hat trotz gerichtlicher Aufforderung keine substantiierten Angaben dazu gemacht, wann er sich ab Januar 2001 tatsächlich in München aufgehalten hat, wann er in München übernachtet hat und wann er bei seiner Familie in Griechenland gewesen ist. Dies wäre aber aufgrund von Firmenunterlagen leicht zu rekonstruieren gewesen. Darüber hinaus spricht gegen eine gewisse Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Unterkunft in München, dass die Kriminalpolizei bei der Durchsuchung der Firma M festgestellt hat, dass die Firma M die Geschäftsinteressen von griechischen selbständigen Transportunternehmen -wie die der GbR des Klägers und seines Bruders -in Deutschland vertreten hat, dass diese Transportunternehmen zwar in München ein Gewerbe angemeldet haben, aber dieses tatsächlich in Griechenland ausgeübt haben. Ferner stellte die Kriminalpolizei fest, dass diese griechischen Unternehmer nur einmal im Monat nach München gekommen sind, um ihre Geschäftsunterlagen und ihre Post abzuholen. Die Tatsache, dass der Kläger seine gesamte Korrespondenz über den Firmensitz der Firma M geführt hat, damit -wie er selbst einräumte die Post besser kontrolliert werden konnte, ist Indiz dafür, dass der Kläger sich gerade nicht regelmäßig und für einen längeren Zeitraum in München aufgehalten hat, zumal sich die Transportfahrten auf die Gebiete von Deutschland, Italien, Holland, Frankreich und Griechenland erstreckt haben. Auch der Vortrag, er habe zeitweise in untervermieteten Wohnungen eines seiner Landsleute unter einer sog. c/o-Adresse gewohnt, vermag den Senat nicht vom Vorliegen eines dortigen Wohnsitzes zu überzeugen. Dass der Kläger in seiner "Anstellungszeit" in der Regel zwischen 10 - 20 Tage in München vor Beginn der jeweiligen Fahrt und nach Abschluss der Fahrt verbracht haben will, hält das Gericht für nicht glaubhaft, weil bei derartig langen Zeiträumen nach der allgemeinen Lebenserfahrung Heimfahrten zur Familie nach Griechenland stattfinden.

b) Der Kläger hat auch nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 3 EStG vorliegen. Die Feststellungen des Finanzamts zur unbeschränkten Steuerpflicht sind für das Kindergeldverfahren grundsätzlich bindend. Werden andere inländische Einkünfte als solche aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt, ist das Bestehen der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG durch den Bescheid des Finanzamts, mit dem dieses über den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht entschieden hat, nachzuweisen. Im Hinblick auf die selbständige Tätigkeit beruft sich der Kläger schon nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 Abs. 3 EStG.

Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG im Hinblick auf mögliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ist der Familienkasse in der Regel durch die vom zuständigen Betriebsstätten-Finanzamt gemäß § 39c Abs. 4 EStG für Zwecke der Lohnsteuerabzugs erstellte Bescheinigung nachzuweisen. Eine derartige Bescheinigung wurde vom Kläger nicht vorgelegt. Die vorgelegten Einkommensteuerbescheide lassen keine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG erkennen und sind nach § 1 Abs. 1 EStG erfolgt, weil auch das Finanzamt fälschlicherweise von einem Wohnsitz in Deutschland ausgegangen ist. Der Bestätigung der Firma M vom 28.09.2005 ist weder zu entnehmen, dass der Kläger ab 01.01.2003 bei dieser Firma angestellt gewesen ist, noch wie lange dieses Angestelltenverhältnis gedauert hat, noch ob und von wem Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden sind.

c) Kann im finanzgerichtlichen Verfahren der Sachverhalt deshalb nicht vollständig aufgeklärt werden, weil der Kläger seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, so führt das nicht zu einer Entscheidung nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast), sondern zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes. Die Mitwirkungspflicht des Klägers bestand vor allem darin, dass er die für die Kindergeldfestsetzung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben hatte (§ 90 Abs.1 Satz 2 AO 1977, § 76 Abs.1 Satz 2 FGO). Dieser Pflicht ist der Kläger nicht nachgekommen, so dass daraus für ihn nachteilige Schlussfolgerungen gezogen werden durften (BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462).

d) Im Übrigen wird gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2005 verwiesen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf § 90 Abs. 2 FGO. Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.

Ende der Entscheidung

Zurück